Es ist schon verwunderlich: Manche Petitesse - wie die Benutzung des Dienstwagens im Urlaub - wird in diesem Land zum Skandal aufgebläht; und wirkliche Skandale werden als solche gar nicht erkannt.
Bis letztes Jahr damit befaßt, in der Beschaffungsabteilung des Innenministeriums die "Einkaufsprozesse [zu] reorganisieren". Jetzt mit einer der heikelsten Aufgaben an der Grenze von Politik und Juristerei betraut: Zu entscheiden, wer zur Bundestagswahl zugelassen wird.
Er hat das getan, der Beschaffungsexperte Egeler, und zwar ungefähr so freiheitlich, wie Robert Mugabe sein Land regiert. Mindestens zwei Parteien - die "Grauen" und die "Freie Union" - hätten zugelassen werden müssen, wäre diesem Mann auch nur ein Hauch von liberaler Gesinnung gegeben.
Im einen Fall - "Freie Union" - entschied er gegen eine Zulassung aufgrund eines lächerlichen Formfehlers; wenn es denn einer war, was keineswegs sicher ist. Im anderen Fall hat er - schreibt jedenfalls der Jurist und Journalist Dietmar Hipp - vorgelegte Dokumente nicht zur Kenntnis genommen, als er den "Grauen" die Zulassung verweigerte.
Und im Raum-Posting: die Pike schreibe ich noch immer ohne "e"...
-- Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009
Zitat von GorgasalKein Link auf Zettels Raum im Forumsbeitrag? Und im Raum-Posting: die Pike schreibe ich noch immer ohne "e"...
Oh, da waren noch viel mehr Fehler, lieber Gorgasal. Gerade bin ich mit Korrekturlesen fertig.
Dauert bei einem Text dieser Länge immer so ungefähr eine halbe Stunde, während der ich auch noch das eine oder andere einfüge oder stilistisch glätte. Manchmal länger.
Danke jedenfalls; Dank bei dieser Gelegenheit auch denen, die mich regelmäßig per private Mail auf Fehler aufmerksam machen. Was den Vorteil hat, daß nicht Fehlermitteilungen wie längst überwucherte Tempel im Thread stehen, nachdem sie ihren Dienst getan haben.
In Antwort auf:Oh, da waren noch viel mehr Fehler, lieber Gorgasal.
In der Tat. Der Hauptfehler war, dass Sie - ganz anders, als es sonst Ihre Art ist - die Informationen von Spiegel Online nicht hinterfragt haben.
Denn wie bei SpOn ja leider Standard, strotzt der Artikel vor Ungenauigkeiten. Für eine gute Analyse der Defizite dieses Artikels siehe z.B. hier: http://www.wahlrecht.de/forum/messages/1...87402#POST50638 (Beitrag T. Frings vom 7.8. um 23:43).
Zu Ihrem Vorwurf der mangelnden Eignung des neuen Wahlleiters: Das Problem ist hier nicht, dass ein fachfremder Beamter zur Leiter des Stat.Bundesamts befördert wird. Für eine solche Position braucht es Manangement- und Führungserfahrung in einer Behörde - und die hat der neue Mann ja. Fachkenntnisse im Detail sind m.E. nicht unbedingt notwendig. Er muss z.B. selbst kein Statistiker sein. Im Gegenteil: Es reicht absolut aus, wenn der Behördenleiter kühl und nüchtern überlegt, welche Statistiken in der Praxis überhaupt noch notwendig sind. WIE die Statistik nun genau zu ermitteln ist, dafür hat er ja seine Experten.
Problematisch ist allerdings ggf. die Personalunion zwischen Leiter des Stat.Bundesamts und Bundeswahlleiter. Ein Behördenleiter hat nicht unbedingt politisches Fingerspitzengefühl.
Allerdings auch hier: Lieber ein dröger Beamter ist Bundeswahlleiter als ein gewandter Politiker. Denn letzterer hat im Zweifelsfall auch eigene Aktien im Spiel bei seinen Entscheidungen.
Der Ermessensspielraum des Bundeswahlleiters ist übrigens nicht sehr groß. Und sicher deutlich enger, als der Spiegel-Artikel suggeriert. Was ja auch richtig ist: Ermessen öffnet die Tür zu Willkür. Und das will man bei so einer Materie ja gerade nicht.
Fazit: Meines Erachtens ist das alles nicht so schlimm, wie der Spiegel darstellt und wie Sie übernommen haben. Das einzige ECHTE Problem ist in dem ganzen Verfahren m.E. der fehlende Rechtsschutz. Wenn eine Partei erst NACH der Wahl gegen eine Entscheidung des Bundeswahlleiters klagen kann, dann ist das ein Witz (zumal ein Gericht aus Staatsraison dieser Klage eigentlich gar nicht stattgeben darf. Denn sonst müsste die ganze Bundestagswahl wiederholt werden). Da wäre es wirklich sachgerechter (auch im Sinne der Rechtssicherheit einer bereits erfolgten BT-Wahl), wenn ein Gericht sehr schnell und vor der Wahl darüber entscheiden könnte, ob hier ein Verfahrensfehler vorliegt.
In Antwort auf:Oh, da waren noch viel mehr Fehler, lieber Gorgasal.
In der Tat. Der Hauptfehler war, dass Sie - ganz anders, als es sonst Ihre Art ist - die Informationen von Spiegel Online nicht hinterfragt haben.
Sie irren, lieber Florian. Ich habe an diesem Artikel ungewöhnlich lang gearbeitet (ungefähr vier Stunden), weil ich mich in eine Materie einlesen mußte, die mir als Nichtjuristen nicht sehr geläufig ist. Ich habe also das Bundeswahlgesetz gelesen, Kommentare dazu, die greifbaren Berichte zum Thema. Was ich geschrieben habe, das habe ich nicht "übernommen", sondern ich habe, wie immer, verschiedene Quellen benutzt, die auch - wie immer - verlinkt sind; unter anderem den Aufsatz von Dietmar Hipp.
Was nun Dietmar Hipp angeht, so ist er ein Journalist, dessen Arbeiten ich seit vielen Jahren kenne und dem ich vertraue. Er ist Jurist (mit Erstem Staatsexamen, aber ohne Referendariat und Zweites Staatsexamen) und Nachfolger von Rolf Lamprecht auf einer Position, die beim gedruckten "Spiegel" seit 1968 besteht: Ein Korrespondent in Karlsruhe, immer Jurist, der allein für das Bundesverfassungsricht und juristische Fragen zuständig ist, die mit dessen Rechtsprechung zusammenhängen.
Ich habe mir den Beitrag von Thomas Frings angesehen. Er ist oberflächlich und polemisch und wird der Komplexität des Themas in keiner Weise gerecht. Vielleicht studiert Frings ja Jura, aber daß er kompetenter ist als Dietmar Hipp - der ihm offenbar gar kein Begriff ist, er nennt ihn den "Spiegel-Schreiber" - , kann ich nun wirklich nicht finden. Ein Beispiel diskutiere ich in einem weiteren Beitrag, weil es hier sonst a bisserl lang wird.
Zitat von FlorianDenn wie bei SpOn ja leider Standard, strotzt der Artikel vor Ungenauigkeiten. Für eine gute Analyse der Defizite dieses Artikels siehe z.B. hier: http://www.wahlrecht.de/forum/messages/1...87402#POST50638 (Beitrag T. Frings vom 7.8. um 23:43).
Hipp gehört der Redaktion von "Spiegel-Online" überhaupt nicht an. Seit der ehemalige Chef von "Spiegel-Online" Matthias Müller von Blumencron einer der beiden Chefredakteure des gedruckten "Spiegel" geworden ist, strebt er eine Verzahnung an: Redakteure des gedruckten "Spiegel" schreiben häufiger in "Spiegel-Online"; dessen Redakteure und Mitarbeiter haben ihre Auftritte im gedruckten "Spiegel".
Ihre Behauptung, daß der Artikel Hipps "vor Ungenauigkeiten strotzt", ist schlicht falsch. Ich habe keine einzige gefunden; und Thomas Frings, dessen Beitrag in der Tat mehr als Ungenauigkeiten enthält, weist ihm keine einzige Ungenauigkeit nach.
Zitat von FlorianZu Ihrem Vorwurf der mangelnden Eignung des neuen Wahlleiters:
Das Problem ist hier nicht, dass ein fachfremder Beamter zur Leiter des Stat.Bundesamts befördert wird. Für eine solche Position braucht es Manangement- und Führungserfahrung in einer Behörde - und die hat der neue Mann ja. Fachkenntnisse im Detail sind m.E. nicht unbedingt notwendig.
Er muss z.B. selbst kein Statistiker sein. Im Gegenteil: Es reicht absolut aus, wenn der Behördenleiter kühl und nüchtern überlegt, welche Statistiken in der Praxis überhaupt noch notwendig sind. WIE die Statistik nun genau zu ermitteln ist, dafür hat er ja seine Experten.
Das stimmt; Egelers Vorgänger waren ja auch keine Statistiker. Mein Vorwurf lautet ja auch nicht, daß Egeler kein Statistiker ist - ich erwähne das nur nebenbei -, sondern daß ihm für das Amt des Bundeswahlleiters alle Voraussetzungen fehlen.
Andererseits ist es schon ungewöhnlich, wenn ein Spitzenbeamter, der während seiner gesamten Karriere nur mit Haushalten und Einkäufen befaßt war, nun auf einmal in eine ganz andere Behörde versetzt wird. Das vermutliche Motiv finden Sie in der Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums vom 1.8.2008:
Zitat von Bundesinnenministerium Mit Roderich Egeler übernimmt eine Führungspersönlichkeit, die für Modernisierung und Erneuerung in der Verwaltung steht, die Leitung des Statistischen Bundesamtes.
Genau das hatte Egeler im Beschaffungsamt des Innenministeriums getan - die Verwaltung modernisiert. Dafür wurde er offenbar an die Spitze des Statistischen Bundesamts gesetzt.
Daß er damit auch in der eminent wichtigen Funktion des Bundeswahlleiters agieren muß, wurde offenbar in Kauf genommen. Es hätte ja auch gut gehen können - wenn er sich sachkundige Berater gesucht, wenn er mit Pragmatismus und Fingerspitzengefühl agiert hätte. Und nicht wie ein Bulldozer herumfuhrwerken würde.
Zitat von FlorianProblematisch ist allerdings ggf. die Personalunion zwischen Leiter des Stat.Bundesamts und Bundeswahlleiter. Ein Behördenleiter hat nicht unbedingt politisches Fingerspitzengefühl.
So ist es, liebe Florian. Für Egeler gilt das offenbar in extremis.
Zitat von FlorianAllerdings auch hier: Lieber ein dröger Beamter ist Bundeswahlleiter als ein gewandter Politiker. Denn letzterer hat im Zweifelsfall auch eigene Aktien im Spiel bei seinen Entscheidungen.
Das ist ja nicht die Alternative. Sämtlich Amtsvorgänger Egelers waren weder das eine, noch das andere. Sie können die Galerie dieser Amtsvorgänger hier finden. Geprägt wurde die Amtsführung durch Gerhard Fürst, der das Amt elf Jahre innehatte. Er hat es so ausgeübt, daß es niemals zu Beschwerden wie jetzt gegen Egeler kam.
Zitat von FlorianDer Ermessensspielraum des Bundeswahlleiters ist übrigens nicht sehr groß. Und sicher deutlich enger, als der Spiegel-Artikel suggeriert.
Das kann ich nicht sehen. Wenn es um die "Parteieigenschaft" geht, ist dieser Spielraum groß. Das sehen Sie ja daran, daß Hahlen die PARTEI und die Pogo-Partei zugelassen hatte, Egeler aber nicht.
Auch im Fall Pauli war die juristische Lage alles andere als eindeutig; sonst hätte es ja im Wahlausschuß nicht das Patt gegeben, das erst Egeler durch sein Votum auflöste.
ich habe im vorausgehenden Beitrag geschrieben, daß die Kritik von Thomas Frings an Dietmar Hipp unzutreffend ist.
Hier ein Beispiel dafür, wie schludrig Frings argumentiert. Er zitiert (im kursiven Text) zunächst Dietmar Hipp und kommentiert ihn dann:
Zitat von Thomas Frings"Pauli hätte ohnehin die Unterschrift bis Fristablauf nicht nachholen können, wandte Egeler ein. Aber hätte sie das müssen? Das Bundeswahlgesetz sieht vor, dass Mängel prinzipiell "auch nach Ablauf der Einreichungsfrist" noch behoben werden können, wenn der Wahlvorschlag "an sich" gültig war. War dies der Fall? Wurde also der Pauli-Partei gesetzwidrig ihr Korrekturrecht vorenthalten? Egeler sprach die fragliche Vorschrift nicht an - oder kannte sie nicht; und auch keines der anderen Ausschussmitglieder wies auf diese möglicherweise entscheidend verletzte Vorgabe hin."
Kompletter Unsinn. Der Spiegel-Schreiber hat das Gesetz offensichtlich selbst nicht gelesen, § 25 Abs. 2 lautet:
"(2) Nach Ablauf der Einreichungsfrist können nur noch Mängel an sich gültiger Wahlvorschläge behoben werden. Ein gültiger Wahlvorschlag liegt nicht vor, wenn 1. die Form oder Frist des § 19 nicht gewahrt ist, 2. die nach § 20 Abs. 2 Sätze 1 und 2 sowie Absatz 3 erforderlichen gültigen Unterschriften mit dem Nachweis der Wahlberechtigung der Unterzeichner fehlen, es sei denn, der Nachweis kann infolge von Umständen, die der Wahlvorschlagsberechtigte nicht zu vertreten hat, nicht rechtzeitig erbracht werden, 3. bei einem Parteiwahlvorschlag die Parteibezeichnung fehlt, die nach § 18 Abs. 2 erforderliche Feststellung der Parteieigenschaft abgelehnt ist oder die Nachweise des § 21 nicht erbracht sind, 4. der Bewerber mangelhaft bezeichnet ist, so daß seine Person nicht feststeht, oder 5. die Zustimmungserklärung des Bewerbers fehlt. "
Absatz 2 Satz 2 listet auf, welche Mängel NICHT geheilt werden können nach Fristablauf. Der hier vorliegende Mangel fällt unter Nummer 3 und war nach Ende der Einreichsfrist nicht behebbar
Fällt der "hier vorliegende Mangel" - es fehlte eine Unterschrift, die nur von einer "Soll-", aber nicht einer "Muß"- Bestimmung verlangt wurde - wirklich unter "Nummer 3"?
Unter Nummer 3 werden drei Fälle genannt: Erstens fehlende Parteibezeichnung. Trifft nicht zu. Zweitens Feststellung der Parteieigenschaft. Trifft eindeutig nicht zu; diese wurde auch vom bayrischen Landeswahlausschuß nicht in Zweifel gezogen. Bleiben die "Nachweise des § 21". Hier ist dieser Paragraph:
Zitat von Bundeswahlgesetz§ 21 Aufstellung von Parteibewerbern (1) Als Bewerber einer Partei kann in einem Kreiswahlvorschlag nur benannt werden, wer nicht Mitglied einer anderen Partei ist und in einer Mitgliederversammlung zur Wahl eines Wahlkreisbewerbers oder in einer besonderen oder allgemeinen Vertreterversammlung hierzu gewählt worden ist. Mitgliederversammlung zur Wahl eines Wahlkreisbewerbers ist eine Versammlung der im Zeitpunkt ihres Zusammentritts im Wahlkreis zum Deutschen Bundestag wahlberechtigten Mitglieder der Partei. Besondere Vertreterversammlung ist eine Versammlung der von einer derartigen Mitgliederversammlung aus ihrer Mitte gewählten Vertreter. Allgemeine Vertreterversammlung ist eine nach der Satzung der Partei (§ 6 des Parteiengesetzes) allgemein für bevorstehende Wahlen von einer derartigen Mitgliederversammlung aus ihrer Mitte bestellte Versammlung. (2) In Kreisen und kreisfreien Städten, die mehrere Wahlkreise umfassen, können die Bewerber für diejenigen Wahlkreise, deren Gebiet die Grenze des Kreises oder der kreisfreien Stadt nicht durchschneidet, in einer gemeinsamen Mitglieder- oder Vertreterversammlung gewählt werden. (3) Die Bewerber und die Vertreter für die Vertreterversammlungen werden in geheimer Abstimmung gewählt. Jeder stimmberechtigte Teilnehmer der Versammlung ist hierbei vorschlagsberechtigt. Den Bewerbern ist Gelegenheit zu geben, sich und ihr Programm der Versammlung in angemessener Zeit vorzustellen. Die Wahlen dürfen frühestens 32 Monate, für die Vertreterversammlungen frühestens 29 Monate nach Beginn der Wahlperiode des Deutschen Bundestages stattfinden; dies gilt nicht, wenn die Wahlperiode vorzeitig endet. (4) Der Vorstand des Landesverbandes oder, wenn Landesverbände nicht bestehen, die Vorstände der nächstniedrigen Gebietsverbände, in deren Bereich der Wahlkreis liegt, oder eine andere in der Parteisatzung hierfür vorgesehene Stelle können gegen den Beschluß einer Mitglieder- oder Vertreterversammlung Einspruch erheben. Auf einen solchen Einspruch ist die Abstimmung zu wiederholen. Ihr Ergebnis ist endgültig. (5) Das Nähere über die Wahl der Vertreter für die Vertreterversammlung, über die Einberufung und Beschlußfähigkeit der Mitglieder- oder Vertreterversammlung sowie über das Verfahren für die Wahl des Bewerbers regeln die Parteien durch ihre Satzungen. (6) Eine Ausfertigung der Niederschrift über die Wahl des Bewerbers mit Angaben über Ort und Zeit der Versammlung, Form der Einladung, Zahl der erschienenen Mitglieder und Ergebnis der Abstimmung ist mit dem Kreiswahlvorschlag einzureichen. Hierbei haben der Leiter der Versammlung und zwei von dieser bestimmte Teilnehmer gegenüber dem Kreiswahlleiter an Eides Statt zu versichern, dass die Anforderungen gemäß Absatz 3 Satz 1 bis 3 beachtet worden sind. Der Kreiswahlleiter ist zur Abnahme einer solchen Versicherung an Eides Statt zuständig; er gilt als Behörde im Sinne des § 156 des Strafgesetzbuches.
Wie Sie sehen, lieber Florian, geht es in diesem Paragraphen überhaupt nicht um die Zulassung einer Partei zur Wahl (juristisch exakt: Die Feststellung der Gültigkeit einer Anzeige und der Parteieigenschaft), sondern um die Aufstellung von Kandidaten.
Für die Entscheidung darüber, ob die fehlende Unterschrift von Pauli die Nichtzulassung ihrer Partei rechtfertigt, ist dieser Paragraph, und damit auch die Nummer 2 des Paragraphen 25, Absatz 2, völlig irrelevant.
Hat sich also Thomas Frings vielleicht vertippt und meinte nicht Nummer 3, sondern Nummer 2 von Satz drei? Man könnte das vermuten, weil unter Nummer 2 immerhin von Unterschriften die Rede ist.
Auch dann läge er daneben. Denn diese Nummer 2 bezieht sich auf den § 20 Abs. 2 Sätze 1 und 2 sowie Absatz 3.
Und auch bei diesem § 20 geht es überhaupt nicht um die Zulassung zur Bundestagswahl. Die Überschrift dieses Paragraphen lautet: "§ 20 Inhalt und Form der Kreiswahlvorschläge". Mit dem Fall "Freie Union" hat dieser Paragraph exakt nichts zu tun.
Thomas Frings hat schlicht zwei Themen durcheinandergebracht: Wahlvorschlagsrecht und Beteiligungsanzeige (umgangssprachlich: Zulassung von Parteien zur Wahl); das wird in § 18 geregelt. Und zweitens die Einreichung von Wahlvorschlägen, gegeben das Wahlvorschlagsrecht. Das ist etwas ganz anderes, und das wird durch die §§ 19ff geregelt, aus denen Frings zitiert.
"Völliger Unsinn"? Der Autor Thomas Frings nimmt den Mund reichlich voll. Ich denke, es ist nicht übertrieben, festzustellen, daß er selbst es ist, der "völligen Unsinn" schreibt.
Und auch Sie, lieber Florian, kritisieren meinen Artikel, ohne daß Sie sich hinreichend sachkundig gemacht haben. Diesen Vorwurf muß ich Ihnen schon machen.
Ich bin, und schreibe das immer wieder, für Korrekturen sehr dankbar. Aber sie müssen schon a bisserl Substanz haben. Ihre Kritik ist ohne Substanz.
eins vorweg: Ich interpretiere Ihre Antwort so, dass Sie sich über meinen Beitrag geärgert haben. Es war nicht meine Absicht, Ihnen mit meinem Beitrag "an den Karren zu fahren". Falls Sie diesen Eindruck hatten, dann möchte ich mich hierfür entschuldigen. (Insbesondere auch für meinen recht flapsigen Einleitungssatz).
Und Ihr Einwand, ich hätte mich nicht ausreichend mit Ihrer Argumentation beschäftigt, ist teilweise richtig. Wahlrecht ist zwar zufällig ein kleines Steckenpferd von mir, so dass ich mich da schon einigermaßen auskenne.
Aber ich habe in der Tat z.B. die Argumentation von T. Frings nicht im Einzelnen nachgeprüft. Als Nichtjurist bin ich auch sicher der Falsche, um mir in den Feinheiten ein Urteil zu erlauben. Ich erlaube mir aber den Hinweis, dass T.Frings Argumentation auf wahlrecht.de von den sonstigen Kapazitäten auf dieser m.E. sehr fundierten Website geteilt wird. (Zum Beispiel äußert sich dort Wilko Zicht zustimmend zu T. Frings Beitrag. Zicht wird z.B. auch vom Spiegel als "führender Wahlrechtsexperte" gehandelt. Etwa hier: http://www.spiegel.de/politik/deutschlan...,563573,00.html). Natürlich ist es per se kein Argument, wenn Experten eine Meinung vertreten. Die können sich schließlich auch irren. Aber zumindest können wir festhalten, dass der Jurist Hipp nicht unbedingt die "herrschende Lehre" hinter sich hat.
Inhaltlich: Ich sehe die Dinge wie folgt:
Es ist richtig, dass gewisse Mindestanforderungen an Parteien für eine Wahlteilnahme gestellt werden. Gäbe es das nicht, dann könnten irgendwelche Spassvögel tausende Parteien gründen, die alle auf dem Wahlzettel aufgedruckt sein müssten und damit den praktischen Wahlablauf enorm behindern würden. (Abgesehen davon, dass dann irgendwelche Kleinunternehmer den Wahlzettel auch für kostenlose Werbung nutzen könnten. Etwa die "Paul-Meier-(Tel.0177-1233431)-ist-der-beste-Bodenleger"-Partei.)
Die Hürden sollten allerdings niedrig genug sein, dass ernsthaft an politischer Einflussnahme interessierte Gruppen nicht ausgeschlossen werden.
Es gibt nun zum einen formale Hürden, die genommen werden müssen. Etwa das vorliegen notwendiger Unterschriften. Hier muss der Wahlausschuss schlicht prüfen, ob die Voraussetzungen vorliegen. Einen großen Ermessenspielraum hat er hier (zu Recht) nicht.
Und dann gibt es etwas schwammige materielle Voraussetzungen. Die Partei sollte demnach einen gewissen Rückhalt in der Bevölkerung haben und gewisse Mindest-Professionalität in der internen Struktur haben. Hier gibt es einen gewissen Ermessensspielraum. (Was sicher problematisch ist).
Ich kann nun aber nicht sehen, dass der Wahlausschuss GROB falsche Entscheidungen getroffen hätte.
Was allerdings ein einziger Skandal ist, ist der fehlende Rechtsschutz gegen dessen Entscheidung.
In Antwort auf: Und dann gibt es etwas schwammige materielle Voraussetzungen. Die Partei sollte demnach einen gewissen Rückhalt in der Bevölkerung haben und gewisse Mindest-Professionalität in der internen Struktur haben. Hier gibt es einen gewissen Ermessensspielraum. (Was sicher problematisch ist).
Allein das finde ich schon völlig unverständlich. Ich dachte bislang, schon durch das Aufbringen der Unterstützungsunterschriften würden tragfähige interne Strukturen und ein gewisser Rückhalt in der Bevölkerung unter Beweis gestellt.
Zitat von FlorianIch interpretiere Ihre Antwort so, dass Sie sich über meinen Beitrag geärgert haben.
A bisserl schon, lieber Florian. Denn den Vorwurf, nicht gründlich recherchiert zu haben, sehe ich schon als sozusagen ehrenrührig an.
Ich gebe mir ziemlich viel Mühe damit, sorgfältig zu arbeiten. Das macht wohl auch zum Teil den Erfolg von ZR aus. Man weiß, daß ich oft eine prononcierte Meinung äußere, die bestimmt nicht jeder teilt. Aber auf die Fakten kann man sich verlassen.
Und wenn mir doch mal ein Irrtum unterläuft - dann her mit der Korrektur! Je schneller und detaillierter, umso lieber. Nur muß eben die Korrektur ihrerseits mit Sorgfalt geprüft sein. Also, ich denke, das können wir abhaken.
Mit dem, was Sie inhaltlich geschrieben haben, stimme ich überein. Und freue mich auf weitere Beiträge von Ihnen.
Aus einer Vorabmeldung zum gedruckten "Spiegel" der kommenden Woche:
Zitat von VorabmeldungParteienrechtsexperte kritisiert Bundeswahlausschuss
Der Düsseldorfer Parteienrechtsexperte Martin Morlok kritisiert die Entscheidungen des Bundeswahlausschusses zur Nichtzulassung mehrerer Parteien bei der nächsten Bundestagswahl. Den "Grauen" und der Satire-Partei "Die Partei" habe der Bundeswahlausschuss die Parteieigenschaft "auf Grundlage falscher Annahmen" aberkannt; damit hätte der Bundeswahlausschuss, anders als von Bundeswahlleiter Roderich Egeler angenommen, bei seiner zweiten Sitzung am vergangenen Donnerstag "nicht nur das Recht, sondern die Pflicht gehabt, eine erkennbar falsche Entscheidung zu revidieren". Auch bei der Ablehnung der "Freien Union", bei der es um einen Formfehler der Vorsitzenden Gabriele Pauli ging, habe der Ausschuss den "wesentlichen rechtlichen Aspekt überhaupt nicht diskutiert"
Morlok hät es für möglich, daß die Bundstagswahl wegen dieser Fehler wiederholt werden muß.
Zitat von ZettelDank bei dieser Gelegenheit auch denen, die mich regelmäßig per private Mail auf Fehler aufmerksam machen. Was den Vorteil hat, daß nicht Fehlermitteilungen wie längst überwucherte Tempel im Thread stehen, nachdem sie ihren Dienst getan haben.
Danke für den Wink mit dem Zaubpfahl; ich werde nicht mehr nach 23:00h hier posten.
-- Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009
Zitat von Florian ...Natürlich ist es per se kein Argument, wenn Experten eine Meinung vertreten. Die können sich schließlich auch irren. Aber zumindest können wir festhalten, dass der Jurist Hipp nicht unbedingt die "herrschende Lehre" hinter sich hat.
Werter Florian,
ich habe den Eindruck, dass sie den Kern von Zettels Aussage nicht verstanden haben. Zettel möchte, so verstehe ich ihn, keineswegs die JURISTISCHE Seite beurteilen. So fern noch juristische Fragen zu klären sind, muzss das von Juristen erledigt werden. In so weit ist es selbstverständlich möglich, dass in der Zukunft eine juristische Klärung erfolgt, die eine Bewerbung der "Grauen" oder der Pauli-Partei (kleiner Scherz ;-) ) eindeutig regelt. In dieser hypothetischen Zukunft wäre es dann keine Ermessenfrage mehr, sondern dann wäre klar, ob eine Zulassung erfolgt oder nicht.
Die Frage die sich hier stellt, ist aber doch eine andere: so lange eine solche Präzisierung NICHT erfolgt ist - sollte eine Bundeswahlleiter da im Zweifel für oder gegen eine Zulaasung zur Bundestagswahl sprechen? Erinnern wir uns mal kurz der bundesdeutschen Geschichte: schon vergessen, dass die "Grünen" auch mal eine politische Winzlingsgruppierung am äußersten Rand des formal noch zulässigen Spektrums waren?? Die Parteigründungspapiere der "Grünen" waren, wenn ich mich noch richtig erinnere, so schludrig und informell wie man es von dem "politischen Arm der APO" wohl erwarten konnte.
Ich persönlich sehe keine Chancen für die abgelehnten Gruppierungen über die 5%-Hürde zu springen. Aber diese Aussage galt anfangs auch für die "Grünen"! Im übrigen darf man die Vorgehenswesiese des Bundeswahlleiters Egeler auch mal aus gesellschaftspolitischer Sicht bertachten. Wir wissen, dass die Wahlmüdigkeit in der Bevölkerung zugenommen hat. Und zwar auch und gerade in der jungen Bevölkerung. Welche Signalwirkung wird die Vorgehensweise von Herrn Egeler wohl auf diese jungen Bürger haben?
Im Ausland ist man hellhöriger in Sachen Demokratie als in Deutschland, wo man sich lieber über Dienstwagen aufregt.
Morgen wird die FTD melden, daß Egelers Entscheidungen jetzt die zuständige Kommission der OSZE veranlaßt hat, Wahlbeobachter nach Deutschland zu schicken. Wird, frage ich in dieser Marginalie, jetzt endlich die deutsche Öffentlichkeit auf das Ausmaß des Skandals aufmerksam?
Nachtrag um 23.20 h: Inzwischen meldet AFP:
Zitat von AFPDie Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat klargestellt, dass sie ihre Wahlbeobachter nicht in erster Linie wegen der umstrittenen Nichtzulassung kleinerer Parteien nach Deutschland schickt. Zwar würden sich die Experten auch Themen wie die Nichtzulassung kleiner Parteien ansehen, sagte ein OSZE-Sprecher dem MDR. Dies sei aber nur im Rahmen einer üblichen Wahlbeobachtung.
Zitat von ZettelMorgen wird die FTD melden, daß Egelers Entscheidungen jetzt die zuständige Kommission der OSZE veranlaßt hat, Wahlbeobachter nach Deutschland zu schicken.
Zitat von AFPDie Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat klargestellt, dass sie ihre Wahlbeobachter nicht in erster Linie wegen der umstrittenen Nichtzulassung kleinerer Parteien nach Deutschland schickt.
-- Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009
Zitat von ZettelMorgen wird die FTD melden, daß Egelers Entscheidungen jetzt die zuständige Kommission der OSZE veranlaßt hat, Wahlbeobachter nach Deutschland zu schicken.
Zitat von AFPDie Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat klargestellt, dass sie ihre Wahlbeobachter nicht in erster Linie wegen der umstrittenen Nichtzulassung kleinerer Parteien nach Deutschland schickt.
"Nicht in erster Linie", lieber Gorgasal. In der FTD steht der Artikel im Augenblick immer noch unverändert, also mit dem wörtlichen Zitat von Eschenbächer: "Da die Nichtzulassung mehrerer Parteien in Deutschland ein Thema ist, werden sich unsere Wahlbeobachter das genau ansehen."
Daß die Entsendung der Beobachter ausschließlich auf den Egeler-Skandal zurückgeht, hat die FTD nicht geschrieben und habe auch ich in dem Artikel nicht geschrieben.
In meinem Beitrag hier im Thread zur Einführung in dem Artikel heißt es allerdings, daß "Egelers Entscheidungen jetzt die zuständige Kommission der OSZE veranlaßt hat, Wahlbeobachter nach Deutschland zu schicken".
Das ist mit dem Dementi so nicht vereinbar; ich werde also einen Nachtrag schreiben. Vielen Dank jedenfalls für den Hinweis!
Ohne mich jetzt vertieft mit der Materie befasst zu haben, hört es sich für mich so an, als wären die Wahlbeobachter ohnehin gekommen ("Deutschland ist das einzige große EU-Land, in das wir noch keine Beobachter entsandt haben bisher. Insofern haben wir uns diesmal entschieden, die Einladung anzunehmen. Das ist nichts Ungewöhnliches."). Die aktuelle Problematik führt anscheinend nur dazu, dass die Wahlzulassung kleinerer Parteien jetzt ein Thema ist.
-- Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009
Zitat von GorgasalOhne mich jetzt vertieft mit der Materie befasst zu haben, hört es sich für mich so an, als wären die Wahlbeobachter ohnehin gekommen ("Deutschland ist das einzige große EU-Land, in das wir noch keine Beobachter entsandt haben bisher. Insofern haben wir uns diesmal entschieden, die Einladung anzunehmen. Das ist nichts Ungewöhnliches."). Die aktuelle Problematik führt anscheinend nur dazu, dass die Wahlzulassung kleinerer Parteien jetzt ein Thema ist.
Gut möglich. Möglich aber auch, daß man a bisserl beschönigt, um Deutschland nicht auf die Anlagebank zu setzen. Vielleicht kommen ja in den nächsten Stunden weitere Informationen zum Vorschein.
Wie auch immer - allein der Umstand, daß jetzt von der OSZE untersucht wird, ob die Ablehnung diverser Wahlvorschläge rechtens war, zeigt, wieweit es durch Egelers Amtsführung gekommen ist.
Ich stehe möglicherweise gerade auf der Leitung, aber meine zeitlich bedingt etwas oberflächliche Beschäftigung mit dem Thema hat in mir die Auffassung gebildet, dass es bei der Freien Union um die Niederschrift zur Aufstellung der Landesliste geht.
In § 27 Abs. 5 BWG steht zur Aufstellung der Landeslisten geschrieben:
In Antwort auf: (5) § 21 Abs. 1, 3, 5 und 6 sowie die §§ 22 bis 25 gelten entsprechend mit der Maßgabe, daß die Versicherung an Eides Statt nach § 21 Abs. 6 Satz 2 sich auch darauf zu erstrecken hat, daß die Festlegung der Reihenfolge der Bewerber in der Landesliste in geheimer Abstimmung erfolgt ist.
§ 21 Abs. 6 BWG:
In Antwort auf: (6) 1Eine Ausfertigung der Niederschrift über die Wahl des Bewerbers mit Angaben über Ort und Zeit der Versammlung, Form der Einladung, Zahl der erschienenen Mitglieder und Ergebnis der Abstimmung ist mit dem Kreiswahlvorschlag einzureichen. 2Hierbei haben der Leiter der Versammlung und zwei von dieser bestimmte Teilnehmer gegenüber dem Kreiswahlleiter an Eides Statt zu versichern, dass die Anforderungen gemäß Absatz 3 Satz 1 bis 3 beachtet worden sind.
Und in § 28:
In Antwort auf: (1) 1Der Landeswahlausschuß entscheidet am dreißigsten Tage vor der Wahl über die Zulassung der Landeslisten. 2Er hat Landeslisten zurückzuweisen, wenn sie
*
1.verspätet eingereicht sind oder *
2.den Anforderungen nicht entsprechen, die durch dieses Gesetz und die Bundeswahlordnung aufgestellt sind, es sei denn, daß in diesen Vorschriften etwas anderes bestimmt ist.
Wenn Frau Pauli die Leiterin der Versammlung war, dann ist die "Versicherung an Eides statt" schlicht zu spät eingetroffen und es besteht da, soweit ich das sehe, kein Ermessensspielraum für den Landeswahlleiter und den Bundeswahlleiter als Berufungsinstanz.
"Die maßgeblichen Fragen seien 'so juristisch', dass man sie 'ohne Ausbildung auf diesem Gebiet nicht richtig wiedergeben' könne", zitierte Dietmar Hipp gestern das Mitglied des Wahlausschusses, Rechtsanwalt Geil.
Ich werde mich also hüten, dazu eine Meinung zu haben.
Dietmar Hipp, Jurist und ein sehr angesehener Fachjournalist, hat seine Kritik an Egelers Vorgehen hier vorgetragen; und der Parteienrechtlers Martin Morlok gibt ihm Recht.
Mir scheint die Sache viel zu knifflig zu sein, um mir selbst ein juristisches Urteil bilden zu können. Offenbar geht es u.a. um die Frage Soll-Bestimmung oder Muß-Bestimmung und darum, ob Paulis Unterschrift zwischen der Einreichung ihrer Beschwerde und der Entscheidung über diese hätte nachgeholt werden können.
Dabei spielt, soweit ich das sehe, eine Rolle, daß es ja nicht um die Aufstellung der Landesliste einer bereits zu den Wahlen zugelassenen Partei ging, sondern eben um diese Zulassung (die vom Bundeswahlleiter zu prüfende "Anzeige") selbst.
Für diese Zulassung sieht, falls ich das richtig verstanden habe, das Bundeswahlgesetz ausdrücklich vor, daß formale Mängel auch nach Einreichung der Unterlagen noch geheilt werden können und daß der Bundeswahlleiter sogar dabei aktiv helfen soll, indem er entdeckte Mängel unverzüglich dem Vorsitzenden der betreffenden Partei mitteilt. Der Geist dieses Gesetzes scheint mir also zu besagen, daß die Zulassung einer Partein wenn irgend möglich nicht an einem formalen Mangel scheitern sollte. Was ja in einer Demokratie selbstverständlich ist.
Also wie gesagt, mir scheint das sehr knifflig zu sein. Meine Kritik in den beiden Artikeln ist ja auch keine juristische; sondern die Berichterstattung über die Sitzung läßt erstens erkennen, daß Egeler sich gar nicht um eine Klärung der komplexen juristischen Fragen bemüht hatte und daß er zweitens mit seiner Stimme im Zweifel gegen die Zulassung entschieden hat. So, wie er in den Fällen PARTEI und "Die Grauen" offenbar die eingereichten Unterlagen nicht gründlich geprüft hatte.
Erneut hat laut einer Vorabmeldung des "Spiegel" ein Sachkenner das Verhalten des Bundeswahlleiters Egeler kritisiert:
Zitat von SpiegelScharfe Kritik übt der ehemalige Bundesverfassungsrichter Hans Hugo Klein am Bundeswahlausschuss wegen der Nichtzulassung mehrerer kleiner Parteien zur nächsten Bundestagswahl. (...) Nach Ansicht Kleins hätte Pauli die Unterschrift ... nach den Vorschriften des Bundeswahlgesetzes nachholen dürfen, da "der Mangel auch noch nach Fristablauf zu beheben war". (...) [Weiter] nahm der Bundeswahlleiter an, der Ausschuss könne einmal getroffene Entscheidungen nicht korrigieren. Das sei seiner Ansicht nach "nicht haltbar" und führe zu "Gefahren für die Gültigkeit der Wahl".
Dem BVerfG traue ich es durchaus zu, Ernst zu machen und die Wahl wiederholen zu lassen. Denn - ich habe das in dem Artikel ausführlich dargelegt - die Freiheit, sich zur Wahl zu stellen, gehört zu den höchsten Gütern der Demokratie. Wer da die Axt ansetzt, der kann sich vom BVerfG leicht mehr als eine Rüge einhandeln.
In Antwort auf:Dem BVerfG traue ich es durchaus zu, Ernst zu machen und die Wahl wiederholen zu lassen.
Das BVerfG hatte bisher keine Bedenken gegen zweifelhafte Eigenschaften des deutschen Wahlrechts wie den mangelnden Rechtsschutz vor der Wahl (siehe Urteil in Bezug auf die Grauen). Wahleinsprüche werden i.a. mit Verweis auf die "mangelnde Mandatsrelevanz" abgelehnt, selbst wenn die Einsprüche inhaltlich berechtigt sind. Und obwohl das BVerfG festgestellt hat, daß der Bundestag 2005 mit einem verfassungswidrigen Wahlrecht gewählt wurde (und diese Fehler sind sehr mandatsrelevant, siehe Diskussionen über Überhangmandate und die Nachwahlen in Dresden) hat das BVerfG weder Neuwahlen noch eine (problemlos mögliche) Korrektur des Wahlrechts für die Bundestagswahl 2009 angeordnet. Vor diesem Hintergrund halte ich Neuwahlen wegen Frau Pauli und co für extrem unwahrscheinlich.
In Antwort auf:Dem BVerfG traue ich es durchaus zu, Ernst zu machen und die Wahl wiederholen zu lassen.
Das BVerfG hatte bisher keine Bedenken gegen zweifelhafte Eigenschaften des deutschen Wahlrechts wie den mangelnden Rechtsschutz vor der Wahl (siehe Urteil in Bezug auf die Grauen). Wahleinsprüche werden i.a. mit Verweis auf die "mangelnde Mandatsrelevanz" abgelehnt, selbst wenn die Einsprüche inhaltlich berechtigt sind. Und obwohl das BVerfG festgestellt hat, daß der Bundestag 2005 mit einem verfassungswidrigen Wahlrecht gewählt wurde (und diese Fehler sind sehr mandatsrelevant, siehe Diskussionen über Überhangmandate und die Nachwahlen in Dresden) hat das BVerfG weder Neuwahlen noch eine (problemlos mögliche) Korrektur des Wahlrechts für die Bundestagswahl 2009 angeordnet. Vor diesem Hintergrund halte ich Neuwahlen wegen Frau Pauli und co für extrem unwahrscheinlich.
Danke für die Erinnerung an diese Urteile, lieber Robert. Ja, wahrscheinlich haben Sie Recht. Vor allem, was die mangelnde Mandatsrelevanz angeht.
Ich kenne diese Rechtsprechung nicht im Einzelnen, frage mich aber allerdings, wie man diesen fehlenden Einfluß auf die Mandatsverteilung im jetzigen Fall nachweisen oder auch nur glaubhaft machen will. Die Freien Wähler sitzen bekanntlich im Bayerischen Landtag. Wie will man ausschließen, daß dadurch, daß ihre Nachfolgepartei sich nicht an den Wahlen beteiligen darf, die CSU ein, vielleicht mehrere Mandate mehr errungen hat?
Oder ist das juristisch irrrelevant, weil es ja die "Freie Union" ist, die klagt, und die wäre natürlich eh nicht in den Bundestag gekommen?
Ein Artikel von Dietmar Hipp zum Thema der Vorabmeldung ist jetzt in "Spiegel- Online" zu lesen. Darin stehen ein paar interessante Details:
- Der Kritiker Egelers, Ex-Verfassungsrichter Hugo Klein, war am BVerfG für Parteienrecht zuständig. Mehr Kompetenz zur Beurteilung des Vorgangs geht kaum noch.
- Es wird jetzt im Einzelnen geschildert, was sich auf der Sitzung des Landeswahlausschusses abspielte:
Zitat von Dietmar Hipp Als der stellvertretende Landeswahlleiter bei der ersten Durchsicht in einem der vielen Dokumente ausgerechnet Paulis Unterschrift vermisste, wurde diese eilends angerufen. In ihrem Auftrag unterschrieb zunächst der bayerische Landesvorsitzende das Papier, und dann auch noch Röder, in Paulis Namen.
Nach Angaben Egelers wies der Vize-Landeswahlleiter zwar darauf hin, dass dies die wahlrechtlichen Anforderungen nicht erfülle. Doch bei der Beschwerde-Sitzung des Bundeswahlausschusses wurde nicht näher erörtert, unter welchen Umständen und vor allem warum er die Ersatz- Unterschriften trotzdem zugelassen hat. Weder er noch der Landeswahlleiter waren zu der Sitzung in Berlin erschienen, und Röder, die als einzige Anwesende den Vorgang hätte bezeugen können, wurde nicht angehört. Ex-Verfassungsrichter Klein hält bereits das für ein Versäumnis, immerhin habe "der Eindruck entstehen" können, der Mangel sei "geheilt", und das falle "durchaus ins Gewicht".
- Auch Hugo Klein ist, wie der Experte für Parteienrecht Morlok, der Meinung, daß Pauli die Unterschrift hätte nachholen können:
Zitat von Dietmar HippDoch nach dem Bundeswahlgesetz hätte Pauli sogar nach Ablauf der Frist noch unterschreiben dürfen, nämlich dann, wenn trotz fehlender Unterschrift der Wahlvorschlag "an sich" gültig war. Aus Kleins Sicht ist das der Fall, so dass "der Mangel auch noch nach Fristablauf zu beheben war".
- Was ich bisher nicht gewußt hatte: Egeler ist CDU-Mitglied. Im Bundeswahlausschuß haben die Vertreter von Union und FDP für die Nichtzulassung der "Freien Union" votiert, die Vertreter von SPD und Grünen für die Zulassung.
- Eine juristische Diskussion fand auf der Sitzung nicht statt. Das alles begründet den Eindruck, daß es sich um eine politische und nicht eine juristische Entscheidung handelte, in der das CDU-Mitglied Egeler ohne hinreichende Prüfung der schwierigen juristischen Fragen mit seiner Partei stimmte.
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