Der Berliner Senat hat es bis heute nicht geschafft, den an der Mauer Ermordeten ein angemessenes Denkmal zu setzen. Darauf mache ich mit diesem Bildzitat zum 13. August aufmerksam.
Ich stimme ihnen zu, werter Zettel, dass die Praxis der öfentlichen Förderung bzw. Nichtförderung von Denkmälern einseitig bis absurd ist.
Da wird _ernsthaft_ darüber diskutiert, ob ein zentrales Denkmal der Opfer des 3. Reiches genügt - oder ob man nicht noch jeder einzelnen Opfergruppe ein eigenes Denkmal setzen müsse (Juden, Sinti, Homosexuelle, Polen, Franzosen und Farbigen). Außerdem hat sich diese Unsitte durchgesetzt, Einzeldenkmäler für jeden einzelnen Juden zu setzen ("Stolpersteine"). Ich sage lieber nicht, was ich davon halte.
Ein weiterer extrem überversorgter Bereich sind die "Baudenkmäler", die inzwischen dazu führen, dass ganze Städteplanungen um irgendwelche Bruchbuden herumgeschrieben werden müssen, weil wieder irgendwo eine Scheune ausgegraben wurde, in der 1871 ein Goethe übernachtet hat. Baudenkmälern sind inzwischen sogar restriktivr geschützt als historische Bausubstanz. Bei historischer Bausubstanz erfolgt in der Regel nur noch eine archäologische Sichtung, aber danach darf die Substanz zerstört werden um Baumaßnahmen durchzuführen. Aber ein Baudenkmal...
Eine zeitlang sah es so aus, als würde auch der Umgang mit Naturdenkmälern in die gleiche restriktive Richtung gehen. Aber insbesondere der pragmatische Ansatz des extrem mächtigen Naturschutzbundes (nicht zu verwechseln mit dem BUND) hat da schlimmeres verhütet. Die aufgestaute Weltrettungsenergie der entsprechenden Gruppen mit Helfersyndrom fliest jetzt statt dessen in den "Artenschutz".
Ganz anders dagegen der Umgang bei politischen und gesellschaftlichen Denkmälern bei allem, was mit Sozialismus und Ost-West-Konflikt zu tun hat.
Nicht nur, dass heute kein Mensch mehr weiß, wer Peter Fechter war. Grundsätzlich gibt es kein würdiges, geschweige denn ein aufrüttelndes Denkmal zur deutschen Trennung. Genauso weinig gibt es ein würdiges Denkmal für die Opfer des Kommunismus und das waren immerhin etwa so viele wie die Opfer des Faschismus.
Ein anderes Beispiel ist mir vor kurzem aufgefallen. Der ehemalige Regierungsbunker im Ahrtal wurde im Rahmen des Umzugs nach Berlin aufgegeben. Nachdem sich kein Investor für eine alternative Nutzung fand, sollte der Bunker entkernt und geschlossen werden. Erst eine Privatinitiative hat -vollkommen ohne staatliche Unerstützung!- wenigstens eine 200m langes Stück der Nachwelt als besichtigungsfähiges Denkmal erhalten. Die "Dokumentationsstätte Regierungsbunker" wird jetzt weitgehend ehrenamtlich und mittels einiger Spenden und Eintritsgelder finanziert.
Kann ich übrigens jedem als Ziel empfehlen, der mal in dr Nähe von Bonn oder Köln ist. MfG Frank
Zitat von Frank2000Außerdem hat sich diese Unsitte durchgesetzt, Einzeldenkmäler für jeden einzelnen Juden zu setzen ("Stolpersteine"). Ich sage lieber nicht, was ich davon halte.
Dann sage ich, lieber Frank, was ich davon halte:
Ich finde es richtig, wenn das Schicksal der Opfer als individuelles Schicksal ins Bewußtsein gehoben wird. Sechs Millionen Leichen - das kann sich ja niemand vorstellen. Aber wenn man erfährt, daß in dem betreffenden Haus der Krämer Salomon Goldschmidt wohnte, der mit seiner Familie verschleppt, gequält und ermordet wurde, nur weil er Jude war - dann bekommt die Unfaßbarkeit des Verbrechens konkreten Inhalt.
Also, dafür bin ich. Diese Stolpersteine allerdings halte ich für eine alberne Idee. Sie sind schon deshalb kontraproduktiv, weil sie aufdringlich sind. Und man kann ja wirklich über sie stolpern. Das ist ein plumper Erziehungsversuch.
Ich bin dafür, am Haus von Opfern - egal, ob der Nazis oder der Kommunisten, egal, wegen was sie ermordet wurden - eine einheitliche Gedenktafel anzubringen; mit sagen wir diesem Text: Hier lebte von ... bis ... (XYZ). Er (sie) wurde von den (Nazis ermordet, weil er Jude war) (den Kommunisten ermordet, weil er das von ihnen regierte Land verlassen wollte).
In Frankreich gibt es solche Tafeln für Widerstandskämpfer. Entweder an dem Haus, in dem sie gelebt hatten, oder dort, wo sie ums Leben kamen.
Zitat von ZettelDiese Stolpersteine allerdings halte ich für eine alberne Idee. Sie sind schon deshalb kontraproduktiv, weil sie aufdringlich sind. Und man kann ja wirklich über sie stolpern. Das ist ein plumper Erziehungsversuch. Ich bin dafür, am Haus von Opfern - egal, ob der Nazis oder der Kommunisten, egal, wegen was sie ermordet wurden - eine einheitliche Gedenktafel anzubringen; mit sagen wir diesem Text: Hier lebte von ... bis ... (XYZ). Er (sie) wurde von den (Nazis ermordet, weil er Jude war) (den Kommunisten ermordet, weil er das von ihnen regierte Land verlassen wollte).
Die Stolpersteine, die man fast nur sieht, wenn man danach sucht, sind aufdringlich, aber Gedenktafeln - wahrscheinlich schwebt Ihnen Augenhöhe oder darüber vor - nicht?
Und Sie sind schon über die Stolpersteine gestolpert? Das habe ich noch nicht geschafft. Da sind die meisten Kopfsteinbepflasterungen deutlich gefährlicher. Wenn die Stolpersteine tatsächlich eine Sturzgefahr darstellen würden, wären sie in Deutschland schon längst verboten.
Ich persönlich finde die Stolpersteine eine richtig gute Sache - und die Gedenktafeln, die Sie vorschlagen, noch viel besser. Problem bei denen wäre wohl, dass sie erstens teurer würden und zweitens an den Häusern angebracht werden müssten, wogegen sich sicher viele Besitzer sperren würden, wohingegen der Gehweg vor den Häusern der Stadt gehört.
-- Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009
Zitat von Frank2000Ein anderes Beispiel ist mir vor kurzem aufgefallen. Der ehemalige Regierungsbunker im Ahrtal wurde im Rahmen des Umzugs nach Berlin aufgegeben. Nachdem sich kein Investor für eine alternative Nutzung fand, sollte der Bunker entkernt und geschlossen werden. Erst eine Privatinitiative hat -vollkommen ohne staatliche Unerstützung!- wenigstens eine 200m langes Stück der Nachwelt als besichtigungsfähiges Denkmal erhalten. Die "Dokumentationsstätte Regierungsbunker" wird jetzt weitgehend ehrenamtlich und mittels einiger Spenden und Eintritsgelder finanziert.
Kann ich übrigens jedem als Ziel empfehlen, der mal in dr Nähe von Bonn oder Köln ist.
Ich konnte auch nicht verstehen, daß man dieses Denkmal der Zeit des Kalten Kriegs nicht erhalten und als Museum eingerichtet hat; übrigens auch als Attraktion für den Fremdenverkehr.
Jetzt ist das in bescheidenerem Rahmen dank der privaten Initiative doch noch geschehen, die Sie erwähnen. Ich habe eimal nachgesehen: Hier sind alle Informationen für Besucher.
In Antwort auf:Ich persönlich finde die Stolpersteine eine richtig gute Sache
Sehe ich genauso, sie schaffen ein Bewusstsein dafür, dass die Dinge HIER und an DIESEM Ort passiert sind. Und nicht in irgendeinem Geschichtsbuch oder KZ in Polen. Ich finde Sie erheblich besser als dieses Mahnmal-Monster in Berlin, dass im Endeffekt nichts weiter als eine billige Kopie des Mahnmals im jüdischen Museum ist (wenn auch nicht billig im Sinne von Kosten).
Zitat von GorgasalDie Stolpersteine, die man fast nur sieht, wenn man danach sucht, sind aufdringlich, aber Gedenktafeln - wahrscheinlich schwebt Ihnen Augenhöhe oder darüber vor - nicht?
Ja, genau. Gedenktafeln gibt es schon lange, und man findet sie überall. Sie sind dort angebracht, wo sie hingehören: An dem betreffenden Gebäude. Wenn man sich dafür interessiert, dann geht man hin, liest sie, nimmt die Information auf.
Diese "Stolpersteine" - ich habe nur die in Köln gesehen - sind schon von ihrem (ja mit Bedacht gewählten) Namen her pädagogisch gedacht. Man soll (wenn vielleicht auch nicht im Wortsinn) darüber stolpern. Sie befinden sich ergo dort, wo man sie nicht erwartet, auf dem Gehweg. Das ist nach meinem Empfinden nicht sachliche Information, sondern ein Erziehungsprogramm.
Zitat von GorgasalIch persönlich finde die Stolpersteine eine richtig gute Sache - und die Gedenktafeln, die Sie vorschlagen, noch viel besser. Problem bei denen wäre wohl, dass sie erstens teurer würden und zweitens an den Häusern angebracht werden müssten, wogegen sich sicher viele Besitzer sperren würden, wohingegen der Gehweg vor den Häusern der Stadt gehört.
Ja eben. Die Stadt macht das, wovon sie weiß, daß manche Bürger es nicht wollen würden. Das genau meine ich mit "Erziehungsprogramm".
Jeder Hausbesitzer soll aus meiner Sicht frei entscheiden können, ob er im gegebenen Fall eine solche Gedenktafel anbringt. Wenn er das tut, dann ist das ein Stück gelungene "Vergangenheitsbewältigung". Wenn ein Stadtparlament so etwas beschließt, ob der Bürger, vor dessen Haus der Stein dann ist, es will oder nicht, dann ist das Erwachsenenerziehung.
Zitat von Zettel ...Ich finde es richtig, wenn das Schicksal der Opfer als individuelles Schicksal ins Bewußtsein gehoben wird. ... Diese Stolpersteine allerdings halte ich für eine alberne Idee. Sie sind schon deshalb kontraproduktiv, weil sie aufdringlich sind. Und man kann ja wirklich über sie stolpern. Das ist ein plumper Erziehungsversuch. Ich bin dafür, am Haus von Opfern - egal, ob der Nazis oder der Kommunisten, egal, wegen was sie ermordet wurden - eine einheitliche Gedenktafel anzubringen; mit sagen wir diesem Text: Hier lebte von ... bis ... (XYZ). Er (sie) wurde von den (Nazis ermordet, weil er Jude war) (den Kommunisten ermordet, weil er das von ihnen regierte Land verlassen wollte). In Frankreich gibt es solche Tafeln für Widerstandskämpfer.
Werter Zettel,
da gibt es einen wesentlichen Unterschied: die Franzosen (wie übrigens auch die Briten; von anderen Ländern weiss ich es nicht) gedenken POSITIVER Toter. In Deutschland hat sich durchgesetzt, nur der Opfer unserer diversen geschichtlichen Verirrungen zu gedenken.
Kann sich jemand ernsthaft vorstellen, die Franzosen würden Gedenktafel für algerische Widerstandskämpfer aufhängen? Oder die Briten Gedenktafeln für die diversen Toten des Britischen Impire? Findet man in den USA Gedenktafeln für die ermordeten Sklaven? Selbst Hinweise auf die physische und psychische Ausrottung der indianischen Kultur muss man mit der Lupe suchen. Und jetzt soll bitte keiner mit dem Hinweis kommen, wir würden doch wenigstens Straßen nach deutschen KZ-Opfern oder Widerstandskämpfern benennen. Das tun wir in der Regel nur um noch deutlicher mit dem Zeigefinger auf die 83 Millionen Menschen zu zeigen, die sich nicht am Widerstand beteiligt haben. Der Gedenktag des Mauerfalls hat in Deutschland im öffentlichen Bewusstsein jedenfalls keine Bedeutung (trotz ein paar lauwarmer Reden im Bundestag) und auch die Gründung der Bundesrebplik Deutschland wird nicht als solche wahrgenommen. Was gäbe es nicht alles zu gedenken! Die erste Veröffentlichung des BGB zum Beispiel, ein BAHNBRECHENDES Ereignis in der Weltgeschichte. Oder von mir aus die In-Kraft-Setzung des GG. Oder sollen es mehr Personen sein? Die deutsche Geschichte strotzt in den Tagen der bürgerlichen Revolution 1848 von bedeutenden und ehrenhaften Persönlichkeiten - die kennt heute kaum noch jemand.
Sie haben völlig Recht, werter Zettel, dass Einzelschicksale geschichtliche Ereignisse "konsumierbar", also verständlich machen. Aber müssen es immer nur Tote sein, die eine Anklage für unser Land darstellen?
Zitat von Frank2000Sie haben völlig Recht, werter Zettel, dass Einzelschicksale geschichtliche Ereignisse "konsumierbar", also verständlich machen. Aber müssen es immer nur Tote sein, die eine Anklage für unser Land darstellen?
Nein, natürlich nicht. Es gibt ja nach wie vor in zahllosen deutschen Städten, auch in vielen Dörfern, Kriegerdenkmäler, die der Gefallenen des Ersten Weltkriegs gedenken. Vielen hat man nach 1945 eine Tafel mit den Gefallenen des Zweiten Weltkriegs aus der betreffenden Stadt oder dem betreffenden Dorf hinzugefügt.
Das ist so in allen Ländern, die diese beiden fürchterlichen Kriege führen mußten, und auch in Deutschland.
Sie sprechen den französischen Widerstand an. Auch dem deutschen Widerstand wurden in Deutschland Denkmäler gesetzt; und zwar auch oft in Form von Gedenktafeln, die an einzelne ermordete Widerstandskämpfer erinnern.
Diese haben ja bekanntlich für und nicht gegen Deutschland gekämpft; was sie getan haben, ist keine Anklage gegen unser Land, sondern ein Ruhmesblatt in seiner Geschichte.
Was nun die Denkmäler für die von den Nazis Ermordeten angeht, so kann ich überhaupt nicht sehen, daß sie eine "Anklage für unser Land" darstellen. Sie sind eine Anklage gegen die Nazis, gegen den Totalitarismus überhaupt.
Eine Anklage gegen unser Land wäre es, wenn wir die Erinnerung an die von den Nazis Ermordeten nicht pflegen würden. Daß Deutschland heute ein stabile Demokratie und ein in der Welt geachteter Staat ist, liegt wesentlich daran, daß wir uns - beginnend mit der Israel-Politik Konrad Adenauers - dem gestellt haben, was die Nazis angerichtet haben, uns davon so klar distanziert haben, wie man das nur konnte, und auch - sofern das überhaupt möglich ist - Wiedergutmachung geleistet haben.
In Antwort auf:Diese "Stolpersteine" - ich habe nur die in Köln gesehen - sind schon von ihrem (ja mit Bedacht gewählten) Namen her pädagogisch gedacht.
In Antwort auf:Daß Deutschland heute ein stabile Demokratie und ein in der Welt geachteter Staat ist, liegt wesentlich daran, daß wir uns - beginnend mit der Israel-Politik Konrad Adenauers - dem gestellt haben, was die Nazis angerichtet haben, uns davon so klar distanziert haben, wie man das nur konnte, und auch - sofern das überhaupt möglich ist - Wiedergutmachung geleistet haben.
Sie unterschätzen die Nachsichtigkeit der Welt. Dass japanische Politiker bis heute zum Yasukuni-Schrein pilgern regt außer in Korea kaum jemandem auf.
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