Wenn jetzt im Wahlkampf die CSU so auf die FDP eindrischt, als sei sie der politische Hauptgegner, dann ist das teils der taktische Versuch, die FDP in einer schwarzgelben Koalition nicht stärker werden zu lassen als die CSU. Aber diese Antipathie hat auch eine lange Geschichte, die bis zur "Spiegel"-Affäre zurückreicht. Deshalb enthält dieser Artikel vor allem einen historischen Rückblick.
Von der "Spiegel"-Affäre war in ZR kürzlich schon einmal in dem Nachruf für Leo Brawand die Rede. Damals ging es um den äußeren Ablauf; jetzt um die Hintergründe und Folgen.
Ob die Spiegel-Affaire, mittlerweile laengst zu den Akten gelegt, die Protagonisten nicht mehr unter uns, ausreicht um das Hick-Hack in diesem Wahlkampf zu erklaeren? Vermutlich will die CSU eigene Anhaenger mobilisieren, die sie an die FDP verloren glaubt und mit z. Guttenberg wieder ins Boot holen will? Als Bayer faellt mir der Blick von aussen auf die CSU schwerer, aber viele in der FDP werden diese bayerische Partei vermutlich eher seltsam finden.
Dagny, der Wirtschaftsminister ist sicher von den Affären um Strauß relativ unberührt. Aber die Garde rund um Herrn Seehofer dürfte aus ihrer Zeit als Nachwuchs- und Landespolitiker noch sehr gute Erinnerungen an die Strauß-Ära haben (wenn auch nicht unbedingt an die SPIEGEL-Affäre). Ich finde Zettels Artikel insofern sehr aufschlussreich, zeigt er doch über die Ereignisse hinaus grundlegende Unterschiede zwischen beiden potentiellen Partnern auf.
Zitat von DagnyOb die Spiegel-Affaire, mittlerweile laengst zu den Akten gelegt, die Protagonisten nicht mehr unter uns, ausreicht um das Hick-Hack in diesem Wahlkampf zu erklaeren?
Ausreichen dürfte dieser Aspekt nicht; aber er erklärt meines Erachtens die Giftigkeit der Auseinandersetzung. Die CSU hat es nie verwunden, daß dank der FDP ihr Großer Vorsitzender nicht Kanzler wurde.
Gewiß, das ist fast ein halbes Jahrhundert her. Aber so etwas wird innerhalb einer Partei ja tradiert.
Zitat von DagnyVermutlich will die CSU eigene Anhaenger mobilisieren, die sie an die FDP verloren glaubt und mit z. Guttenberg wieder ins Boot holen will?
Ja, das könnte sehr gut ein Faktor sein. Das letzte Ergebnis der Landtagswahl sitzt der CSU natürlich noch in den Knochen.
Zitat von stefanolixDagny, der Wirtschaftsminister ist sicher von den Affären um Strauß relativ unberührt. Aber die Garde rund um Herrn Seehofer dürfte aus ihrer Zeit als Nachwuchs- und Landespolitiker noch sehr gute Erinnerungen an die Strauß-Ära haben (wenn auch nicht unbedingt an die SPIEGEL-Affäre). Ich finde Zettels Artikel insofern sehr aufschlussreich, zeigt er doch über die Ereignisse hinaus grundlegende Unterschiede zwischen beiden potentiellen Partnern auf.
Ja, lieber Stefanolix, das ist halt so: Je älter man wird, je länger also die Epoche ist, die man aus eigener Erfahrung überblickt, umso mehr drängt sich natürlich die historische Perspektive auf.
Ich schreibe von Zeit zu Zeit ganz gern solche Artikel, weil es halt einen Unterschied macht, ob man etwas selbst erlebt hat oder es nur aus den Geschichtsbüchern kennt. Diese Stimmung während der "Spiegel"-Affäre war etwas in der Bundesrepublik völlig Neues. Zuvor hatte es "Proteste" nur von kleinen linken Gruppen gegeben - "Kampf dem Atomtod" und dergleichen. Und jetzt auf einmal gingen wir Studenten, bis dahin eher zynisch-unpolitisch, in Massen auf die Straße, um dem "Spiegel" beizustehen.
Und wir hatten Erfolg; das ist das Entscheidende. Als Strauß zurücktrat, war die Bundesrepublik nicht mehr die verschnarchte Adenauer-Republik. Das Volk war aufgewacht.
Übrigens ist mir, nachdem ich den Artikel publiziert hatte, noch ein Aspekt aufgefallen: In dem wirklich sehr lesenswerten Artikel von Augstein vom April 1961 wird im Grunde genau das vorhergesagt, was Strauß dann im Oktober 1962 tatsächlich versucht hat: Seine Zuständigkeit für die Bundeswehr zu mißbrauchen, um der Demokratie einen Stoß zu versetzen. Strauß hat durch sein Handeln selbst bestätigt, wie Recht Augstein mit seiner Einschätzung gehabt hatte.
Und noch ein ganz anderer Aspekt: Ich bin hier im Forum ja immer wieder als gar kein richtiger Liberaler gescholten worden, weil ich nicht das Mißtrauen teile, daß unser Staat es unter dem Deckmantel der Kriminalitätsbekämpfung darauf anlegt, die Freiheit der Bürger zu beschneiden, über gesetzestreue Bürger Daten zu sammeln usw.
Ich glaube, meine Haltung zu diesem Punkt geht auf die "Spiegel"-Affäre zurück. Damals war für mich der Obrigkeitsstaat endgültig gescheitert. Ich hielt es - und halte es auch noch heute - für undenkbar, daß noch einmal ein verantwortlicher Politiker versuchen könnte, so zu handeln wie Strauß damals.
Jedenfalls, solange die Volksfront nicht an der Macht ist.
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