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Dieses Thema hat 16 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

26.10.2009 19:02
Gedanken zu Frankreich (32): Nationale Identität Antworten

In Frankreich gibt es einen veritablen Minister für nationale Identität. Und der, Eric Besson, langjähriger Sozialist, hat jetzt eine große, offiziell organisierte Debatte zur nationalen Identität angekündigt.

Hajo Offline



Beiträge: 440

26.10.2009 19:29
#2 RE: Gedanken zu Frankreich (32): Nationale Identität Antworten

Ein guter Freund - ein in Frankreich seine Rente verzechender Westfale - beschrieb mir die Strategie der französischen Politik in dieser Frage vor dem Hintergrund einer grundsätzlich relativ großen Zustimmung zur Front National. Sarkozy zuvorderst, und bis zu einem gewissen Maß auch verschiedene sozialistische Kräfte, versuchen sich in dem, was Frau Merkel die letzten vier Jahre mit den Sozialdemokraten durchexzerziert hat. Die Front National soll von der Rhetorik, Symbolik und Thematik her überflüssig gemacht werden, möglichst ohne das sich dies in konkreter Politik oder sonstigen Konsequenzen bemerkbar machen würde.

Nebenbei hält die französische Integrationsdebatte eine, wie ich finde, sehr wertvolle Lektion für Deutschland und andere europäische Staaten parat. Die Migranten in Frankreich sprechen i.d.R. perfektes Französisch, begreifen sich bedeutend eher als Teil der Wertenation Frankreich, als dies etwa in der Abstammungsnation Deutschland je der Fall sein könnte, und Franzosen sowie Migranten lernen lange in Form einer Gesamtschule zusammen. Kurz: Alle Probleme und Lösungsansätze, in die wir Teutonen große Hoffnung legen, sind in Frankreich bereits umgesetzt. Trotzdem erscheinen die Probleme mit Kriminalität und Arbeitslosigkeit keineswegs geringer als hier zu Lande. Mich stimmt das, was die noch ausstehenden Fortschritte hier in Deutschland anbelangt, äußerst pessimistisch.

Eltov Offline




Beiträge: 152

26.10.2009 20:01
#3 RE: Gedanken zu Frankreich (32): Nationale Identität Antworten

In Antwort auf:
Nebenbei hält die französische Integrationsdebatte eine, wie ich finde, sehr wertvolle Lektion für Deutschland und andere europäische Staaten parat. Die Migranten in Frankreich sprechen i.d.R. perfektes Französisch, begreifen sich bedeutend eher als Teil der Wertenation Frankreich, als dies etwa in der Abstammungsnation Deutschland je der Fall sein könnte, und Franzosen sowie Migranten lernen lange in Form einer Gesamtschule zusammen. Kurz: Alle Probleme und Lösungsansätze, in die wir Teutonen große Hoffnung legen, sind in Frankreich bereits umgesetzt. Trotzdem erscheinen die Probleme mit Kriminalität und Arbeitslosigkeit keineswegs geringer als hier zu Lande. Mich stimmt das, was die noch ausstehenden Fortschritte hier in Deutschland anbelangt, äußerst pessimistisch.



Notwendige und Hinreichende Bedingung mal wieder. Die bloße Tatsache dass dort viele (oder auch nur mehr) den Aufstieg schaffen sagt noch lange nichts über den Zustand der weiterhin Abgehängten aus. Ich halte es auch für falsch diese Probleme übermäßig zu "ethnisieren": All das was Sarazin so wunderbar differenziert über "die Türken" und "die Araber" in Berlin geschrieben hat, trifft z.B. eins zu eins auf große Teile der weißen britischen Unterschicht zu.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

26.10.2009 20:20
#4 RE: Gedanken zu Frankreich (32): Nationale Identität Antworten

Zitat von Hajo
Ein guter Freund - ein in Frankreich seine Rente verzechender Westfale - beschrieb mir die Strategie der französischen Politik in dieser Frage vor dem Hintergrund einer grundsätzlich relativ großen Zustimmung zur Front National.


Diese Zustimmung, lieber Hajo, ist seit langem im Schwinden. Der Front National hat seine besten Zeiten hinter sich. Bei den letzten Parlamentswahlen 2007 erhielt er noch ganze 4,3 Prozent!

Die französische Linke versucht heute aber schon, die Initiative von Besson als wahltaktisches Manöver zu den bevorstehenden Regionalwahlen hinzustellen; man wolle damit dem FN Stimmen abnehmen.

Zitat von Hajo
Sarkozy zuvorderst, und bis zu einem gewissen Maß auch verschiedene sozialistische Kräfte, versuchen sich in dem, was Frau Merkel die letzten vier Jahre mit den Sozialdemokraten durchexzerziert hat. Die Front National soll von der Rhetorik, Symbolik und Thematik her überflüssig gemacht werden, möglichst ohne das sich dies in konkreter Politik oder sonstigen Konsequenzen bemerkbar machen würde.


Ich sehe das nicht. Alle französischen Parteien - mit Ausnahme der Trotzkisten und zum Teil der Grünen - sind nun einmal traditionell patriotisch eingestellt. Dazu brauchen sie nicht Le Pen.

Zitat von Hajo
Nebenbei hält die französische Integrationsdebatte eine, wie ich finde, sehr wertvolle Lektion für Deutschland und andere europäische Staaten parat. Die Migranten in Frankreich sprechen i.d.R. perfektes Französisch, begreifen sich bedeutend eher als Teil der Wertenation Frankreich, als dies etwa in der Abstammungsnation Deutschland je der Fall sein könnte, und Franzosen sowie Migranten lernen lange in Form einer Gesamtschule zusammen. Kurz: Alle Probleme und Lösungsansätze, in die wir Teutonen große Hoffnung legen, sind in Frankreich bereits umgesetzt.


So ist es in der Tat weitgehend, obwohl die Bildung geschlossener Wohngebiete von Nord- und auch von Schwarzafrikanern schlimmer ist als bei uns.

Zitat von Hajo
Trotzdem erscheinen die Probleme mit Kriminalität und Arbeitslosigkeit keineswegs geringer als hier zu Lande. Mich stimmt das, was die noch ausstehenden Fortschritte hier in Deutschland anbelangt, äußerst pessimistisch.


Diese Probleme haben überwiegend andere Ursachen als die Herkunft der Betroffenen.

Die Integration ist kein Problem. Schon in den fünfziger Jahren habe ich in Paris über schwarze Polizisten gestaunt. Ein schwarzer Franzose aus Guyana, Gaston Monnerville, war langjähriger Präsident des Senats. Sarkozys erste Justizministerin (inzwischen ist sie es nicht mehr) Rashida Dati war nordafrikanischer Herkunft, eine andere Ministerin stammt aus Schwarzafrika. Als ich mir vor einiger Zeit die Liste der Abiturienten angeschaut habe, war ich baß erstaunt über den hohen Anteil arabischer Namen.

Das Problem ist nicht die Integration, sondern die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich, die vor allem die Unterschicht trifft; und das sind nun einmal überwiegend die Nachkommen von Einwanderern, weil diese selbst ja Armutsimmmigranten waren.

Diese hohe Jugendarbeitslosigkeit hat viele Gründe; hauptsächlich die von den Sozialisten zu verantwortenden Einstellungshindernisse (Kündigungsschutz; 35-Stundenwoche usw.).

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

26.10.2009 20:25
#5 RE: Gedanken zu Frankreich (32): Nationale Identität Antworten

Zitat von Eltov
All das was Sarazin so wunderbar differenziert über "die Türken" und "die Araber" in Berlin geschrieben hat, trifft z.B. eins zu eins auf große Teile der weißen britischen Unterschicht zu.


Er hat, lieber Eltov, ja gerade nicht über "die" gesprochen, sondern Prozentsätze genannt.

Natürlich gibt es auch anderswo und in allen ethnischen Gruppen hohe Arbeitslosigkeit. Aber inwiefern spricht das gegen das, was Sarrazin gesagt hat?

Er hat ja weder behauptet, daß an diesen Verhältnissen der Koran schuld sei, noch daß sie ethnische Ursachen hätten. Er hat einfach beschrieben, was der Fall ist.

Und es gehört zu den Absurditäten im Denken vieler Linker, daß für sie bereits eine Beschreibung der Realität empörend ist.

Herzlich, Zettel

Hajo Offline



Beiträge: 440

26.10.2009 20:48
#6 RE: Gedanken zu Frankreich (32): Nationale Identität Antworten

Zitat von Zettel
Der Front National hat seine besten Zeiten hinter sich. Bei den letzten Parlamentswahlen 2007 erhielt er noch ganze 4,3 Prozent!



Wäre es denn abwegig, wenn man darin eine Folge der von mir erörterten Politik, hauptsächlich Sarkozys sehen würde? Stichwort Kausalität.

Zitat von Zettel
Ich sehe das nicht. Alle französischen Parteien - mit Ausnahme der Trotzkisten und zum Teil der Grünen - sind nun einmal traditionell patriotisch eingestellt. Dazu brauchen sie nicht Le Pen.



Ich glaube es ist eine typisch deutsche Krankheit, wenn nicht zwischen Patriotismus und einem ziemlich ausschweifenden Extremismus unterschieden wird. Für mich ist Le Pen doch deutlich mehr als ein Patriot, aber darum sollen wir uns nicht streiten. Es ist ja eigentlich eine Nebensache.

Zitat von Zettel

Zitat von Hajo
Trotzdem erscheinen die Probleme mit Kriminalität und Arbeitslosigkeit keineswegs geringer als hier zu Lande. Mich stimmt das, was die noch ausstehenden Fortschritte hier in Deutschland anbelangt, äußerst pessimistisch.


Diese Probleme haben überwiegend andere Ursachen als die Herkunft der Betroffenen.
Die Integration ist kein Problem. Schon in den fünfziger Jahren habe ich in Paris über schwarze Polizisten gestaunt. Ein schwarzer Franzose aus Guyana, Gaston Monnerville, war langjähriger Präsident des Senats. Sarkozys erste Justizministerin (inzwischen ist sie es nicht mehr) Rashida Dati war nordafrikanischer Herkunft, eine andere Ministerin stammt aus Schwarzafrika. Als ich mir vor einiger Zeit die Liste der Abiturienten angeschaut habe, war ich baß erstaunt über den hohen Anteil arabischer Namen.
Das Problem ist nicht die Integration, sondern die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich, die vor allem die Unterschicht trifft; und das sind nun einmal überwiegend die Nachkommen von Einwanderern, weil diese selbst ja Armutsimmmigranten waren.
Diese hohe Jugendarbeitslosigkeit hat viele Gründe; hauptsächlich die von den Sozialisten zu verantwortenden Einstellungshindernisse (Kündigungsschutz; 35-Stundenwoche usw.).




Tja... Diese Diskussion führen wir in Deutschland ja auch schon lange. Die einen sagen, es ist ein ethnisches bzw. kulturelles Problem, die anderen halten es für ein soziales Phänomen. Ich persönlich habe den Standpunkt "sowohl als auch". Für beide Standpunkte finde ich gute Argumente, auch wenn ich kulturelle Eigenheiten eher als ursächlich, und die sozialen Aspekte eher als Folge davon sehen möchte. Erneut sehe ich die Kausalität da ein wenig anders

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

26.10.2009 21:18
#7 RE: Gedanken zu Frankreich (32): Nationale Identität Antworten

Zitat von Hajo

Zitat von Zettel
Der Front National hat seine besten Zeiten hinter sich. Bei den letzten Parlamentswahlen 2007 erhielt er noch ganze 4,3 Prozent!


Wäre es denn abwegig, wenn man darin eine Folge der von mir erörterten Politik, hauptsächlich Sarkozys sehen würde? Stichwort Kausalität.



Sarkozy ist im Wahlkampf keineswegs besonders nationalistisch aufgetreten. Er wurde ja "der Amerikaner" genannt, so sehr hat er die USA als Vorbild hingestellt,

Allerdings hat Sarkozy tatsächlich Le Pen das Wasser abgegraben, indem er ein hartes Durchgreifen gegen die Kriminalität versprach und als Innenminister ja auch schon praktiziert hatte.

Zitat von Hajo

Zitat von Zettel
Ich sehe das nicht. Alle französischen Parteien - mit Ausnahme der Trotzkisten und zum Teil der Grünen - sind nun einmal traditionell patriotisch eingestellt. Dazu brauchen sie nicht Le Pen.


Ich glaube es ist eine typisch deutsche Krankheit, wenn nicht zwischen Patriotismus und einem ziemlich ausschweifenden Extremismus unterschieden wird. Für mich ist Le Pen doch deutlich mehr als ein Patriot, aber darum sollen wir uns nicht streiten. Es ist ja eigentlich eine Nebensache.



Le Pen ist so patriotisch wie die meisten Franzosen. Was ihm zu Recht vorgeworfen wird, ist nicht sein Patriotismus, sondern sein Populismus. Er möchte den Franzosen weismachen, daß es ihnen besser ginge, wenn es nur weniger Einwanderer gäbe.

Zitat von Hajo

Zitat von Zettel
Das Problem ist nicht die Integration, sondern die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich, die vor allem die Unterschicht trifft; und das sind nun einmal überwiegend die Nachkommen von Einwanderern, weil diese selbst ja Armutsimmmigranten waren.

Diese hohe Jugendarbeitslosigkeit hat viele Gründe; hauptsächlich die von den Sozialisten zu verantwortenden Einstellungshindernisse (Kündigungsschutz; 35-Stundenwoche usw.).


Tja... Diese Diskussion führen wir in Deutschland ja auch schon lange. Die einen sagen, es ist ein ethnisches bzw. kulturelles Problem, die anderen halten es für ein soziales Phänomen. Ich persönlich habe den Standpunkt "sowohl als auch". Für beide Standpunkte finde ich gute Argumente, auch wenn ich kulturelle Eigenheiten eher als ursächlich, und die sozialen Aspekte eher als Folge davon sehen möchte. Erneut sehe ich die Kausalität da ein wenig anders



Arbeitslosigkeit, lieber Hajo, ist doch eine Frage des Angebots an Arbeitsplätzen. Als in den sechziger Jahren Gastarbeiter angeworben wurden, spielte deren ethnische und religiöse Zugehörigkeit keine Rolle.

Wenn heute die Nachfrage nach ungelernten Arbeitskräften geringer ist, dann liegt das am technischen Fortschritt. Das Problem läßt sich nur auf zwei einander ergänzenden Wegen lösen: Erstens müssen die Jugendlichen besser qualifiziert werden, zweitens muß die Arbeit von Ungelernten und wenig Qualifizierten billiger werden.

Mit der ethnischen Herkunft hat das nur insofern etwas zu tun, als die meisten Einwanderer nun einmal der Unterschicht ihres Heimatlandes entstammten. Weil sie dort arm waren, sind sie ja eingewandert.

Also sind die Nachkommen von Einwanderern auch heute noch in der Unterschicht weit überrepräsentiert. Dadurch entsteht der aus meiner Sicht irrige Eindruck, Türken, Araber und Moslems überhaupt hätten also solche diese Probleme.

Die jüdischen Einwanderer aus Osteuropa, die Sarrazin anspricht, rekrutieren sich hingegen überwiegend aus den gebildeten Schichten. Kein Wunder, daß sie assimilationsbereiter sind. Einwanderer aus der Unterschicht dieser Länder dürften hingegen dieselben Probleme haben wie türkische Einwanderer.

Herzlich, Zettel

Hajo Offline



Beiträge: 440

26.10.2009 22:02
#8 RE: Gedanken zu Frankreich (32): Nationale Identität Antworten

Zitat von Zettel
Also sind die Nachkommen von Einwanderern auch heute noch in der Unterschicht weit überrepräsentiert. Dadurch entsteht der aus meiner Sicht irrige Eindruck, Türken, Araber und Moslems überhaupt hätten also solche diese Probleme.



Nun, nehmen wir die islamische Welt. Ist Ihnen ein Land aus diesem Kulturkreis bekannt, daß auch nur ansatzweise an die Leistungsfähigkeit, die Fortschrittlichkeit, Freiheitlichkeit ... der westlichen Welt heranreicht? Was es dort gibt, wenn es denn etwas gibt, resultiert in der Hauptsache aus Öl und Gas, resultiert nicht aus Geisteskraft und Streben.

Warum das im Detail so ist, darüber ließe sich trefflich und sicher erregt streiten. Es erscheint mir aber fast zwingend, daß, solange die Migranten in ihrer hergebrachten Kultur verharren, die ja nachweislich keine konkurrenzfähigen Gesellschaften erzeugt, sie die Leistungsfähigkeit westlicher Gesellschaften bestenfalls in Ausnahmefällen erreichen werden.

Eltov Offline




Beiträge: 152

26.10.2009 23:36
#9 RE: Gedanken zu Frankreich (32): Nationale Identität Antworten

@Zettel
Die britischen Chavs habe ich als Beispiel dafür genannt, dass das es zur Entstehung des durch Sarazin beschriebenen problematische Verhaltens -- beileibe nicht nur Arbeitslosigkeit -- keine ethnische Komponente braucht.

Ich kann nicht erkennen das Sarazin großartig zu differenzieren. Türkische und Arabische Kleinunternehmer sind für ihn im Grunde genommen genau so überflüssig wie "produzierte" (kann man das überhaupt menschenverachtender ausdrücken?) Kopftuchmädchen und Gewaltkriminelle. Ich sage hier besser nichts mehr zu Sarazin selbst, sonst fliege ich noch selbstverschuldet raus.

califax Offline




Beiträge: 1.502

27.10.2009 00:49
#10 RE: Gedanken zu Frankreich (32): Nationale Identität Antworten

Zitat von Hajo
Es erscheint mir aber fast zwingend, daß, solange die Migranten in ihrer hergebrachten Kultur verharren, die ja nachweislich keine konkurrenzfähigen Gesellschaften erzeugt, sie die Leistungsfähigkeit westlicher Gesellschaften bestenfalls in Ausnahmefällen erreichen werden.



Was genau ist denn diese hergebrachte Kultur?
Ich mußte spontan an einen Geschäftsmann denken, der tagsüber oft herrlich faul in der Ecke liegt und Wasserpfeife raucht, während seine Frau den Dönerladen schmeißt.
Er ist nachts oft ordentlich am Steuer, um Waren zu transportieren, fährt dabei von Erlangen nach München, von dort nach Hamburg und wieder zurück.
Er ist nunmal Händler. Das ist seine Kultur, sein Leben. Er schachert, er transportiert, er erzählt Märchen.
Seine Tochter studiert in München "irgendwas mit Naturwissenschaft" und wenn sie, diese "ungläubige Mißgeburt, Allah wird sie trafen", keinen Doktor macht, soll sie gefälligst einen Doktor heiraten, damit er endlich nicht mehr für sie aufkommen muß.
Übrigens ein Türke, aus Anatolien, wie er stolz behauptet.
Seines Zeichens Restaurantchef*, Spediteur und Bankier. Voller Stolz.
Das mit den Bankgeschäften wollte ich dann doch nicht wissen.

* So nennt er seine gut gehende Dönerkaschemme.

--
Der Weg zur Hölle beginnt mit dem Monopol auf Moral.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

27.10.2009 04:19
#11 RE: Gedanken zu Frankreich (32): Nationale Identität Antworten

Zitat von Eltov
Ich kann nicht erkennen das Sarazin großartig zu differenzieren. Türkische und Arabische Kleinunternehmer sind für ihn im Grunde genommen genau so überflüssig wie "produzierte" (kann man das überhaupt menschenverachtender ausdrücken?) Kopftuchmädchen und Gewaltkriminelle. Ich sage hier besser nichts mehr zu Sarazin selbst, sonst fliege ich noch selbstverschuldet raus.


Inzwischen ist ja durch Recherchen des "Spiegel" bekanntgeworden, daß Sarrazins Text sogar von der Pressestelle der Bundesbank gegengelesen und nach einigen Änderungen gebilligt worden war.

Es steht nicht das drin, lieber Etov, was du ihm anfangs zugeschrieben hattest - ich habe das ja damals kritisiert -, und es steht auch nicht das drin, was du jetzt schreibst.

Entgegen dem, was viele ihm zuschrieben, die das Gespräch offenkundig nicht gelesen haben, spricht er nicht von "den" Türken usw., sondern er weist sehr zu Recht auf Probleme mit Teilen dieser Gruppen hin.

Ich kann eigentlich nicht verstehen, daß du offenbar diese Probleme nicht siehst.

Herzlich, Zettel

Hajo Offline



Beiträge: 440

27.10.2009 13:58
#12 RE: Gedanken zu Frankreich (32): Nationale Identität Antworten

Zitat von califax
Was genau ist denn diese hergebrachte Kultur?



Hier sprechen Sie etwas an...

Es gibt gewisse Kultur-Stereotypen, die auf Empirie beruhen. Damit verhält es sich, wie sollte es auch anders sein, wie mit einem Mittelwert, d.h. der ganz überwiegende Teil wird ein wenig mehr so oder wenig mehr so sein und nur in den seltensten Fällen genau diesem Stereotyp entsprechen. Deswegen sind sie für eine Diskussion auch so ungeeignet. Es ist ja geradezu typisch, daß immer jemanden einen Gemüsehändler kennt, der eben genau dem einen oder anderen Stereotyp nicht entspricht. Für mich zeigt das eher, wenn ich das so offen sagen darf, daß der Charakter einer solchen Aussage nicht zur Kenntnis genommen worden ist. Trotzdem bieten sie eine gute, vielleicht die bestmögliche Näherung an das diffizile Thema.

Persönliche lese ich lieber über die Grundlagen bestimmter Kulturen, die in den meisten Fällen nunmal religiöser Natur sind, weil sich hier konkreter die Andersartigkeit darstellen läßt. Über den, wie Spengler es genannt hat, Schicksalsbegriff, und dessen vollständige Unterschiedlichkeit im Christentum und Islam alleine, ließen sich sicher, wenn auch nicht von mir, erschöpfende Abhandlungen schreiben. Qadar, Kismet und Inschallah finden sich im breiten Christentum nur in stark abgeschwächter Form, wenn man von Calvinisten absieht, wo aber widerum nicht der typische islamische und v.a. arabische Fatalismus daraus erwächst.

Dies ist nur ein Aspekt von vielen, die mich zu der fast schon tautologischen Erkenntnis haben kommen lassen, daß unterschiedliche Kulturen unterschiedliche Gesellschaften produzieren. Zum letzten mal also: Solange Moslems in Europa ihrer Religion und daraus erwachsenen nationalen Kultur anhängen werden, wird ihre Gemeinschaft in der unsrigen, mit der unsrigen nicht kompatibel werden können. Ich halte es für eine unglaubliche Naivität zu glauben, daß man die Werte eines christlichen Staates auf Menschen mit muslimischer Kultur aufpropfen könnte.

califax Offline




Beiträge: 1.502

27.10.2009 14:04
#13 RE: Gedanken zu Frankreich (32): Nationale Identität Antworten

Zitat von Hajo
Zum letzten mal also: Solange Moslems in Europa ihrer Religion und daraus erwachsenen nationalen Kultur anhängen werden, wird ihre Gemeinschaft in der unsrigen, mit der unsrigen nicht kompatibel werden können. Ich halte es für eine unglaubliche Naivität zu glauben, daß man die Werte eines christlichen Staates auf Menschen mit muslimischer Kultur aufpropfen könnte.



Beweis durch Behauptung?
Können Sie eigentlich diese Werte auch konkret benennen?

--
Der Weg zur Hölle beginnt mit dem Monopol auf Moral.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

29.10.2009 08:08
#14 Aktuelle Ergänzung: Ein Interview mit Jacques Julliard Antworten

Das Thema nationale Identität schlägt in Frankreich weiter hohe Wellen. Jetzt hat der stellvertretende Chefredakteur des linken Nouvel Observateur, Jacques Julliard, in einem Interview Stellung genommen.

Er meint, die nationale Identität sei nichts Statisches, sondern etwas, das sich ständig entwickle. Ein besseres Wort sei Nationalbewußtsein (consciences nationale; man könnte es auch mit Nationales Bewußtsein übersetzen).

Am offensichtlichsten trete dieses Nationalbewußtsein in Zeiten der Bedrohung in Erscheinung. Heute würde sich die Frage nach der nationalen Identität nur deshalb stellen, weil Frankreich nicht bedroht sei.

Als eine wesentliche Komponente des Nationalbewußtseins sieht Julliard die gemeinsame Vergangenheit an: "Ce que nous nous souvenons et ce que nous oublions en commun", das, woran wir uns gemeinsam erinnern und das, was wir gemeinsam vergessen. Darin liege die Schwierigkeit für die Einwanderer, ein französisches Nationalbewußtsein zu entwickeln.

Ungelt ( gelöscht )
Beiträge:

29.10.2009 09:59
#15 RE: Aktuelle Ergänzung: Ein Interview mit Jacques Julliard Antworten


Danke für die Übersetzung der interessanten und aus meiner Sicht auch zutreffenden Gedanken.

Gruß, Ungelt

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

29.10.2009 11:25
#16 RE: Aktuelle Ergänzung: Ein Interview mit Jacques Julliard Antworten

Das sind absolut richtige Gedanken zum Nationalbewusstsein.

Nur, welche Überlebenschancen hat eine Nation, in der schon den Kindern beigebracht wird, dass Nationalbewusstsein etwas Schlechtes ist? Wo die ganze nationale Geschichte auf die 12 dunkelsten Jahre der Geschichte reduziert wird?

Davor gibts nichts, danach auch kaum Erwähnenswertes.

Während ich selbst im Geschichtsunterricht noch einen groben Überblick über die Entstehung der deutschen Nation bekam, dann aber vor allem mit dem Dritten Reich und der Sowjetunion konfrontiert wurde (die tolle Entwicklung der DDR nicht zu vergessen), hat meine westdeutsch sozialisierte Freundin im Geschichtsunterricht wohl fast nur die miesesten Zeiten Deutschlands als (warnend) beispielgebend vermittelt bekommen.

Wie soll eine solche Nation weiterbestehen, wenn auch die potentiellen Einwanderer kaum Hürden überwinden müssen ... wenn kein Zusammengehörigkeitsgefühl aufkommt? Wenn keiner mehr stolz darauf sein darf, Bürger (oder wenigstens Einwohner) dieses Landes zu sein?

Wer z.B. in die USA, nach Kanada, oder nach Australien einwandern möchte, wird froh sein, wenn er es geschafft hat ... denn, er musste Hürden überwinden. Und das Nationalbewusstsein dort wird er schnell annehmen, und sich bald als (vielleicht sogar besonders engagierter) Bürger hervortun, ohne seine eigene Heimatidentität aufzugeben.

Hierzulande ist das kein Thema. Alles bürokratische Vorgänge, Nationalbewusstsein oder gar Stolz sind verpönt. "Typisch deutsch" ist Ausdruck höchster Empörung. So ein "nationalbefreites" Land hat schlechte Karten für sein Fortbestehen.

Beste Grüße, Calimero

----------------------------------------------------
... und im übrigen sollte sich jeder, der sich um die Zukunft Sorgen macht, mal zehn-, bis zwanzig Jahre alte Sci-Fi-Filme ansehen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

29.10.2009 14:37
#17 RE: Aktuelle Ergänzung: Ein Interview mit Jacques Julliard Antworten

Zitat von Calimero
Alles bürokratische Vorgänge, Nationalbewusstsein oder gar Stolz sind verpönt. "Typisch deutsch" ist Ausdruck höchster Empörung. So ein "nationalbefreites" Land hat schlechte Karten für sein Fortbestehen.


Ich muß Ihnen in allem zustimmen, lieber Calimero. Leider.

Mir ist das, was Sie schreiben, nach und nach aufgegangen, anhand bestimmter Schlüsselerlebnisse.

Das erste liegt sehr weit zurück. Ich war um die zwanzig, hatte gerade mit dem Studium angefangen und trampte durch Südfrankreich. Da traf man in den Jugendherbergen junge Leute "aus aller Herren Ländern", wie man so sagt. Natürlich wurde auch über Politik geredet.

Ich kritisierte Deutschland, wie ich es von zu Hause gewohnt war. Die anderen lobten aber ihre Länder, jedenfalls im Prinzip. Ausnahmslos, auch wenn sie das eine oder andere zu beanstanden hatten. Da ging mir zum ersten Mal auf, daß wohl mit dem deutschen Nationalbewußtsein etwas nicht stimmt. Auch spägter ist mir das immer am deutlichstgen geworden, wenn ich im Ausland war.

Auch ich, lieber Calimero, fand es nicht nur in Ordnung, sondern unbedingt notwendig, daß die damals ja erst 15 Jahre zurückliegende Periode des NS-Staats und seiner Verbrechen immer wieder diskutiert wurde. (Das war ja in der Adenauerzeit auch der Fall; entgegen den heutigen Behauptungen, damals habe man das alles verdrängt).

Ich bin auch jetzt noch der Meinung, daß diese Verbrechen uns immer gegenwärtig sein sollten und daß sie zB auch unser Verhältnis zum Staat Israel mit prägen müssen.

Aber aus der damaligen Betroffenheit und dem Gefühl der Schuld ist ja längst abgespulte Routine geworden. (Als Martin Walser das 1998 in der Paulskirche gesagt hat, stach er in ein Wespennest; heute würde man ihm zuhören). Man kann von jemandem, der 1990 geboren ist, einfach nicht erwarten, daß er die Nazizeit mit derselben persönlichen Betroffenheit sieht wie jemand, der in dieser Zeit geboren wurde.

Unser Verhältnis zu unserer Nation, zu unserer deutschen Identität, muß sich normalisieren. Und es ist auch dabei, es zu tun. Das größte Hindernis sind die Kommunisten, die jedes Interesse daran haben, sich als "Antifaschisten" zu präsentieren, um erstens von den Verbrechen der Kommunisten abzulenken und um zweitens als Verteidiger der Demokratie dazustehen.

Die vielen deutschen Fahnen bei der Fußball-WM waren ein Symbol für die Normalisierung, die langsam einsetzt. Die Art, wie der reflexartigen Kritik an Sarrazin von vielen Autoren entgegengetreten wurde, ist ein Indiz. Wenn jemand wie Peter Sloterdijk mit seinem feinen Sensorium für den Zeitgeist sich anschließt, dann läßt das hoffen.

Und schließlich haben wir ja auch eine neue Regierung. Also, ich bin optimistisch.

Herzlich, Zettel

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