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Dieses Thema hat 12 Antworten
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 Pro und Contra
Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

11.11.2009 13:42
e-Petition: kostenfreie Veröffentlichung staatlich geförderter wissenschaftlicher Publikationen Antworten

Bis zum 22.12.2009 ist eine e-Petition in Mitzeichnung:
https://epetitionen.bundestag.de/index.p...s;petition=7922

Sie fordert, dass wissenschaftliche Publikationen, die durch öffentliche Mittel gefördert wurden, kostenfrei zur Verfügung gestellt werden sollen. Vorbild sind die USA: Publikationen, die vom National Institute of Health gefördert werden, müssen nach 12 Monaten kostenlos zugänglich sein.

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La sabiduría se reduce a no olvidar jamás, ni la nada que es el hombre, ni la belleza que nace a veces en sus manos. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.11.2009 14:32
#2 RE: e-Petition: kostenfreie Veröffentlichung staatlich geförderter wissenschaftlicher Publikationen Antworten

Zitat von Gorgasal
Bis zum 22.12.2009 ist eine e-Petition in Mitzeichnung:
https://epetitionen.bundestag.de/index.p...s;petition=7922
Sie fordert, dass wissenschaftliche Publikationen, die durch öffentliche Mittel gefördert wurden, kostenfrei zur Verfügung gestellt werden sollen. Vorbild sind die USA: Publikationen, die vom National Institute of Health gefördert werden, müssen nach 12 Monaten kostenlos zugänglich sein.


Hm, wer bezahlt das? Der Download eines wissenschaftlichen Artikels kostet im Augenblick vielleicht dreißig bis fünfzig Dollar; sehr verschieden je nach Verlag und Disziplin. Für Abonnenten wie die Bibliotheken natürlich viel günstiger.

Wenn die Verlage durch Gesetz gezwungen werden, ihr Produkt nach einem Jahr zu verschenken, dann werden sie entweder pleite gehen oder, wenn sie Glück haben, den Preis für andere Produkte so erhöhen können, daß sie in der Mischkalkulation zu einem Ausgleich kommen.

There is no free lunch, das gilt auch hier.

Ich würde eine Petition gegen diese Petition sofort unterzeichnen.

Herzlich, Zettel

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

11.11.2009 14:47
#3 RE: e-Petition: kostenfreie Veröffentlichung staatlich geförderter wissenschaftlicher Publikationen Antworten

Zitat von Zettel
Hm, wer bezahlt das?


Das habe ich mich auch zuerst gefragt. Aber wie gesagt, die NIH verfährt so schon länger. Und auch ohne Zahlen zu haben könnte ich mir vorstellen, dass die NIH vielleicht 50% der publizierten medizinischen Forschung gefördert hat.

Zitat von Zettel
Wenn die Verlage durch Gesetz gezwungen werden, ihr Produkt nach einem Jahr zu verschenken, dann werden sie entweder pleite gehen oder, wenn sie Glück haben, den Preis für andere Produkte so erhöhen können, daß sie in der Mischkalkulation zu einem Ausgleich kommen.


Die Kalkulation von Springer und Elsevier ist ja recht undurchsichtig. Ich glaube eher, dass da astronomische Gewinnmargen dahinterstehen als die Gefahr pleite zu gehen. Woher sollten so hohe Kosten auch kommen?

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Kallias Offline




Beiträge: 2.309

11.11.2009 23:52
#4 RE: e-Petition: kostenfreie Veröffentlichung staatlich geförderter wissenschaftlicher Publikationen Antworten

Ich verstehe nicht so recht, was diese Petition eigentlich meint.

Zitat von Petition
Es ist nicht angemessen, dass der Steuerzahler für die von ihm finanzierten Forschungsergebnisse erneut bezahlen muss.

Die Forschung muß jemand bezahlen und die Publikation ebenfalls. Das sind zwei verschiedene Dinge, es wird nicht zweimal für dasselbe bezahlt. Welchen Verlag will man denn zum kostenlosen Abdruck zwingen? Mit welcher Begründung? Soll man Elsevier sagen: "Ihr habt schon mal ein wissenschaftliches Buch veröffentlicht, also müsst ihr jetzt folgende wissenschaftlichen Ergebnisse auf eure Kosten drucken, weil die nämlich staatlich gefördert sind, aber untersteht euch, den Preis anderer Bücher zu erhöhen?" Was, wenn die daraufhin erkennen, daß sie mit Kochbüchern mehr verdienen? Werden sie dann von der Druckpflicht befreit?

Zitat von Petition
Wegen der hohen Kosten und der Vielzahl wissenschaftlicher Zeitschriften sind Forschungsergebnisse nur in wenigen Bibliotheken einsehbar. (...) Die US-Amerikanische Behörde National Institutes of Health (NIH) verlangt, dass alle von ihr finanzierten Publikationen binnen 12 Monaten an einem zentralen Ort öffentlich zugänglich sind.

Aha, also nur an einer einzigen Bibliothek statt an mehreren? Und "ein zentraler Ort" - was soll das sein? Ist das Kansas City? In Deutschland dann vielleicht Erfurt? Werden die Forschungsergebnisse so leichter zugänglich?

Gruß,
Kallias

Ungelt ( gelöscht )
Beiträge:

12.11.2009 09:04
#5 RE: e-Petition: kostenfreie Veröffentlichung staatlich geförderter wissenschaftlicher Publikationen Antworten

Ich würde gerne als Laie, der wissenschaftliche Publikationen nur ausnahmsweise und aus großer Ferne sieht, gerne eine Frage stellen, mit einigen Kommentaren, die ich nicht unterdrücken konnte (Und ich danke Geozentriker dafür, daß er im Schweinegrippe-Thread auch diese "Laienfragen" stellt.)

Nach meinem Verständnis gehört zu jeder wissenschaftlichen Arbeit, so wie ich es bei Softwareprojekten üblich ist, eine Dokumentation dazu. Natürlich in elektronisch lesbarer Form, und natürlich auch in verschiedenen Versionen - bei der Software gibt es analog dazu die Version für den einfachen Anwender, eine Version für den Administrator oder Eigentümer der Software, eine Installationsanleitung, eine Kurzfassung der Dokumentation in Form von "Tool-Tips" u.s.W.

Wenn es das gibt, was ich annehme - warum kann man dieses nicht auf einfachen Weg verfügbar machen? Dazu benötigt man doch keinen Verlag, einige Gigabyte auf einem Server reichen doch.

Mir ist klar, daß es sich dabei um eine "voreingenommene" Dokumentation handelt, handeln muß. Es würde aber zumindest ausreichen, um zu erfahren, ob es sich überhaupt lohnt, sich mit dem Thema kritisch auseinandersetzen. Und erst hier beginnt, nach meinem Laienverständnis, die Rolle der Verlage.

Ich kenne ein ähnliches Problem auch aus dem Normenbereich: Nach meinem Verständnis handelt es sich bei Normen auch um Dokumente, die vom Steuerzahler bereits "bezahlt" worden sind. Darüberhinaus erwartet ja der Staat, daß man sich nach ihnen richtet. Trotzdem gibt es den Beuth-Verlag, der peinlich genau darauf achtet, daß kein DIN-Blatt unbezahlterweise unter die Menschen kommt. Noch verschärft um den Umstand, daß man erst nach dem Kauf definitiv erfährt, ob das Dokument im vorliegenden Fall überhaupt relevant ist. (Ja, es gibt (gab?) Stellen, an denen man kostenlos DIN-Dokumente "einsehen" konnte, diese "Lösung" ist/war so unpraktisch, daß sie diese Geschäftsmodell nicht gefährden konnte.) Ich halte diesen Zustand zumindest bei Normen für eine echte Innovationsbremse. Und sie ist umso wirksamer, je kleiner ein Betrieb ist, den große Betriebe besitzen natürlich ein Abo. Aber die kleinen Betriebe sind genau die, die eigentlich ein größeres Innovationspotenzial haben bzw. hätten.

Danke im Voraus für alle aufklärerischen Beiträge, Ungelt

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

12.11.2009 13:34
#6 RE: e-Petition: kostenfreie Veröffentlichung staatlich geförderter wissenschaftlicher Publikationen Antworten

Zitat von Ungelt
Nach meinem Verständnis gehört zu jeder wissenschaftlichen Arbeit, so wie ich es bei Softwareprojekten üblich ist, eine Dokumentation dazu. Natürlich in elektronisch lesbarer Form, und natürlich auch in verschiedenen Versionen ...
Wenn es das gibt, was ich annehme - warum kann man dieses nicht auf einfachen Weg verfügbar machen? Dazu benötigt man doch keinen Verlag, einige Gigabyte auf einem Server reichen doch.


Wahrscheinlich meinen Sie mit "Dokumentation" die wissenschaftliche Veröffentlichung, den Artikel in der peer reviewed Fachzeitschrift. Diese Artikel sind die wichtigste Art des Austauschs neuer Forschungsergebnisse zwischen Wissenschaftlern (in manchen Fächern, etwa Informatik, sind Konferenzbeiträge noch wichtiger). Und sie sind meistens denkbar unlesbar... Beispiele für den medizinischen Bereich kann man beispielsweise beim Open Access-Journal PLoS Medicine betrachten.

Und ja, diese Artikel werden heutzutage alle elektronisch verfasst und veröffentlicht. Universitätsbibliotheken haben zwar noch immer lange Regale mit Papierausgaben, aber die liest keiner mehr - die aktuellen Ausgaben von Journals kann man alle herunterladen. Entweder hat die Bibliothek eine Lizenz, oder man zahlt pro Artikel, wenn es nicht gerade Open Access ist.

Warum geht das nicht kostenlos? Nun, die Verlage, die diese Artikel in Fachzeitschriften veröffentlichen - im wesentlichen Elsevier und Springer - lassen sich das Copyright übertragen. Lizenzen für Bibliotheken kosten locker ein paar Tausend EUR pro Jahr und Journal. Beispielsweise kostet die Mutter aller wissenschaftlichen Zeitschriften Nature für eine mittelgroße Universität mit 12.000 bis 20.000 Angehörigen (Studierende, Lehrende und Forschende) 9.018 EUR im Jahr 2010. Und das ist nur ein einziges Journal, üblicherweise muss eine Universität pro Fachbereich mit zwei- bis dreistelligen Mengen von Zeitschriften rechnen. Natürlich haben die Verlage kein Interesse daran, dass die Artikel irgendwo gratis herunterladbar sind, wenn auch einige Zeitschriften mehr oder minder ausdrücklich erlauben, dass Wissenschaftler Vorabversionen ihrer Artikel ins WWW stellen.

Warum machen Wissenschaftler das mit? Nun, nur Artikel mit peer review zählen, wenn es um Karriere, Berufung oder auch Begründung von Anträgen geht. Weiterhin ist wichtig, wie häufig eine Zeitschrift zitiert wird. Und leider haben die "großen" Zeitschriften noch immer mehr Zitationen als Open Access-Zeitschriften. Also versucht jeder Wissenschaftler, seine Ergebnisse erst in den hochrangigen Journals zu veröffentlichen, mit dem Nachteil, dass der Artikel dann eben nicht frei verfügbar ist.

Das Ergebnis ist eine unheilige Rückkopplung: nur Artikel in hochrangigen Zeitschriften sind wertvoll, also werden spannende Artikel in hochrangigen Zeitschriften veröffentlicht und nur zweitklassige Artikel in Open Access - ein Matthäus-Effekt. Und historisch gewachsen ist eben, dass die hochrangigen Zeitschriften alle grauslich teuer sind.

Und das liegt eben nicht an der Kostenstruktur, wie es Zettel oben anführt. Ich habe gestern Korrekturfahnen zu einem Artikel gelesen (und auch der ist nicht Open Access publiziert, weil es eben recht nette Ergebnisse sind). Der Verlag hat einfach unser Word-Dokument und die von uns gelieferten Grafiken übernommen und durch sein Schriftsatzprogramm gejagt. Und dabei noch ein paar Fehler eingefügt. Ein ordentliches Korrekturlesen macht der Autor selbst.

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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

12.11.2009 19:05
#7 RE: e-Petition: kostenfreie Veröffentlichung staatlich geförderter wissenschaftlicher Publikationen Antworten

Lieber Gorgasal,

ein Teil meiner wissenschaftlichen Produktion liegt vor dem Zeitalter der e-papers. Vielleicht liegt es daran, daß mir dadurch die Verhältnisse plausibel erscheinen, die Ihre vielleicht berechtigte Kritik finden.

Zitat von Gorgasal
Diese Artikel sind die wichtigste Art des Austauschs neuer Forschungsergebnisse zwischen Wissenschaftlern (in manchen Fächern, etwa Informatik, sind Konferenzbeiträge noch wichtiger). Und sie sind meistens denkbar unlesbar...


Das würde ich so allgemein nicht sagen. Als ich mich in meinem ersten Semester in die Bibliothek gesetzt und versucht habe, die aktuellen Hefte der Fachzeitschriften zu lesen, habe ich natürlich auch gedacht, ich würde das niemals verstehen. Es ist so, wie wenn dem Nichtmathematiker eine Formel nur als ein Salat aus Zahlen und Zeichen erscheint.

Aber der Adressat ist ja nicht der Student im ersten Semester und schon gar nicht der Laie, sondern der Fachkollege. Und der hat meist wenig Zeit. Man liest - nach meinen Erfahrungen - die Artikel mit zwei ganz verschiedenen Lesemodellen:

* Das, was nicht in den eigenen Forschungsbereich fällt, liest man auf die Ergebnisse hin; also oft nur das Abstract und die Conclusions. Es sei denn, man bekommt bei deren Lektüre Zweifel und liest dann genauer.

* Artikel aus dem eigenen Arbeitsbereich liest man gründlich und vor allem kritisch.

Was bedeutet für jedes dieser beiden Lesemodelle "Lesbarkeit"? Beim ersten kommt es darauf an, daß im Abstract und den Conclusions die Methode, die Ergebnisse und die Folgerungen daraus so dargestellt werden, daß man sie schnell verstehen kann. Darauf achtet auch ein guter Reviewer, und es ist überwiegend der Fall. Für das zweite ist es vor allem wichtig, daß die Autoren ihre Methodik vollständig offenlegen und daß sie ihre Folgerungen schlüssig begründen; auch Einwände antizipieren und beantworten. Da unterscheiden sich Artikel sehr in ihrer Qualität.

Zitat von Gorgasal
Natürlich haben die Verlage kein Interesse daran, dass die Artikel irgendwo gratis herunterladbar sind, wenn auch einige Zeitschriften mehr oder minder ausdrücklich erlauben, dass Wissenschaftler Vorabversionen ihrer Artikel ins WWW stellen.


Das kann ja erst dann verboten werden, wenn der Artikel zur Publikation angenommen und damit ein Vertrag zwischen Verlag und Autor zustandegekommen ist.

Zitat von Gorgasal
Also versucht jeder Wissenschaftler, seine Ergebnisse erst in den hochrangigen Journals zu veröffentlichen, mit dem Nachteil, dass der Artikel dann eben nicht frei verfügbar ist.


Vernünftige Autoren überlegen sich, wem sie den jeweiligen Artikel schicken. Jedes Labor produziert auch viel Routineforschung, die notwendig ist, für die aber eine erstklassige Zeitschrift nicht in Frage kommt. Man schickt sie dann von vornherein einer, sagen wir, europäischen Zeitschrift. ;-)

Wenn einem etwas wirklich Gutes gelungen ist, dann geht es natürlich an eine Zeitschrift der Spitzenklasse.

Zitat von Gorgasal
Das Ergebnis ist eine unheilige Rückkopplung: nur Artikel in hochrangigen Zeitschriften sind wertvoll, also werden spannende Artikel in hochrangigen Zeitschriften veröffentlicht und nur zweitklassige Artikel in Open Access - ein Matthäus-Effekt.


Ich will nicht sagen, daß diese Rückkopplung heilig ist, aber sie ist sehr vernünftig. Denn die vielen Artikel, die man nach Lesemodell 1 lesen muß, kann man dadurch daraufhin klassifizieren, wie wichtig und wie zuverlässig sie sind.

Zitat von Gorgasal
Und historisch gewachsen ist eben, dass die hochrangigen Zeitschriften alle grauslich teuer sind.
Und das liegt eben nicht an der Kostenstruktur, wie es Zettel oben anführt.


Die Kosten waren und sind für gedruckte Zeitschriften so hoch, daß die Preise gerechtfertigt sind. Daß war - siehe das eingangs Gesagte - jedenfalls so, als man die Artikel noch getippt einreichte. Daß die Zeitschriften darum baten, auch eine .DOC - Version mitzuschicken, begann nach meiner Erinnerung erst um 1990 herum.

Bis dahin mußten die Zeitschriften den Artikel selbst setzen, die Korrekturen selbst aus handschriftlichen Angaben des Autors einfügen usw. Die Zeitschrift mußte gedruckt, gebunden, versandt werden.

Bei einer Auflage von wenigen tausend, manchmal nur einigen hundert Exemplaren und beim Fehlen bezahlter Anzeigen war das teuer und rechtfertigte den Preis. Jetzt ist natürlich dank der technischen Entwicklung vieles billiger geworden. Aber solange die meisten Zeitschriften sowohl gedruckt als auch elektronisch erwscheinen, gibt es vemutlich eine Mischkalkulation.

Noch ein anderer Gesichtspunkt, lieber Gorgasal: In guten Bibliotheken finden Sie noch heute die gebundenen Zeitschriften vom Ende des 19. Jahrhunderts, vom ganzen 20. Jahrhundert. Papier hat Bestand. Was von dem, das irgendwo nur elektronisch publiziert wurde, wird man noch in hundert Jahren lesen können?

Und dann gibt es noch den Gesichtspunkt der Manipulierbarkeit. Was gedruckt und verschickt ist, das ist und bleibt so für alle Zeit, zeichengetreu. Und bei jedem Artikel steht auf den Tag genau und nicht manipulierbar, wann das Ms zur Publikation angenommen wurde.

Sind aber e-publizierte Artikel ebenso gegen Manipulationen geschützt?

Herzlich, Zettel

Ungelt ( gelöscht )
Beiträge:

12.11.2009 21:46
#8 RE: e-Petition: kostenfreie Veröffentlichung staatlich geförderter wissenschaftlicher Publikationen Antworten

Herzlichen Dank für die ausführliche Antwort.

Zitat von Gorgasal
Wahrscheinlich meinen Sie mit "Dokumentation" die wissenschaftliche Veröffentlichung, den Artikel in der peer reviewed Fachzeitschrift.

Nein, das meinte ich nicht, dazu kann ich als Laie auch wirklich nichts beitragen, da lese ich nur interessiert mit. (Ich habe leider einen klärenden Absatz in meinem Kommentar gelöscht - ich bitte um Entschuldigung.)

Ich denke einfach nur daran, daß bei den mit öffentlichen Mitteln durchgeführten Forschungsprojekten und Untersuchungen, wie auch bei Gesetzen, Vorschriften und Normen, die Inhalte öffentlich und kostenlos zur Verfügung stehen sollten.(Ausgenommen der Materialien natürlich, die geheimgehalten werden müssen.) Die Ergebnisse der Forschungsprojekte sind dann natürlich ungeprüft und möglicherweise auch falsch. Man hätte aber zumindest die Information, was/wie mit staatlicher Unterstützung untersucht wurde und welche Ergebnisse dazu behauptet werden.

Ich habe zuletzt im Zusammenhang mit den Krümmel Trafo-Ausfällen einen Untersuchungsbericht über ein solches Trafo nach ca. 30 Jahren Betriebszeit gesucht und gefunden, leider über einen französischen Vertrieb und leider auch nicht kostenlos. Obwohl die Untersuchung von einer deutschen TH durchgeführt wurde. (Ich kann ihn jetzt leider nicht finden, sonst wäre ich schon konkreter.) Solche Materialien meinte ich z.B.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

12.11.2009 23:48
#9 RE: e-Petition: kostenfreie Veröffentlichung staatlich geförderter wissenschaftlicher Publikationen Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von Gorgasal
Diese Artikel sind die wichtigste Art des Austauschs neuer Forschungsergebnisse zwischen Wissenschaftlern (in manchen Fächern, etwa Informatik, sind Konferenzbeiträge noch wichtiger). Und sie sind meistens denkbar unlesbar...


Das würde ich so allgemein nicht sagen.



Nun, natürlich sind Artikel in einer immer wiederkehrenden Struktur geschrieben (Abstract, Einleitung, Methoden, Resultate, Diskussion), an die man sich gewöhnt. Dadurch weiß man ziemlich schnell, welche Teile man lesen muss und welche man erstmal nicht braucht.

Aber was ich als schwer lesbar empfinde, sind die Bandwurmsätze, schlimmer als meine. Jeder mögliche Einwand wird in einem Nebensatz vorweg- und ernstgenommen. Man könnte ja einem Kollegen mit anderen Ansichten auf die Füße treten - und der könnte Reviewer sein. Und so kommt es zu unendlichen Passagen von "the present results suggest that...", "one could surmise that", "it cannot be ruled out that". Lauter CYA (cover your a...)-Prosa.

Dazu kommt, dass viele Autoren und Reviewer Objektivität und Passiv nicht auseinanderhalten können oder auch hochkomplizierte Satzstrukturen als proxy für Wissenschaftlichkeit ansehen. Unlängst hat ein Reviewer meine Koautoren und mich aufgefordert, alle Vorkommen von "we" durch das Passiv zu ersetzen, weil die erste Person angeblich die Aufmerksamkeit des Lesers auf die Autoren und nicht auf die Wissenschaft lenke. Ja sicher: ich konnte mir so richtig vorstellen, wie sich der geneigte Leser intrusiver Gedanken nicht erwehren kann, wie ich an meinem Laptop sitze, meine Finger sinnlich die Tastatur liebkosen... alles nur wegen ein paar "we"!

Nein, werter Zettel, die Struktur von Artikeln ist sicher hilfreich, aber die Prosa ist fast immer ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Zitat von Zettel

Zitat von Gorgasal
Natürlich haben die Verlage kein Interesse daran, dass die Artikel irgendwo gratis herunterladbar sind, wenn auch einige Zeitschriften mehr oder minder ausdrücklich erlauben, dass Wissenschaftler Vorabversionen ihrer Artikel ins WWW stellen.


Das kann ja erst dann verboten werden, wenn der Artikel zur Publikation angenommen und damit ein Vertrag zwischen Verlag und Autor zustandegekommen ist.



Ja natürlich, und? Immerhin muss man als Autor ja auch immer unterschreiben, dass ein Manuskript noch nicht anderweitig veröffentlicht ist. Und wie gesagt, manche Zeitschriften sind da der Meinung, das Hochladen auf einen Preprintserver stelle keine Veröffentlichung dar, während andere das offen lassen.

Zitat von Zettel

Zitat von Gorgasal
Also versucht jeder Wissenschaftler, seine Ergebnisse erst in den hochrangigen Journals zu veröffentlichen, mit dem Nachteil, dass der Artikel dann eben nicht frei verfügbar ist.


Vernünftige Autoren überlegen sich, wem sie den jeweiligen Artikel schicken. Jedes Labor produziert auch viel Routineforschung, die notwendig ist, für die aber eine erstklassige Zeitschrift nicht in Frage kommt. Man schickt sie dann von vornherein einer, sagen wir, europäischen Zeitschrift. ;-)



Gerne doch! Ich habe auch nichts gegen eine Staffelung von Zeitschriften nach Qualität. Aber das hat doch nichts damit zu tun, ob Artikel nach einem Jahr kostenlos zugänglich sein sollen, wenn sie durch öffentlich geförderte Arbeit zustande kamen.

Zitat von Zettel

Zitat von Gorgasal
Und historisch gewachsen ist eben, dass die hochrangigen Zeitschriften alle grauslich teuer sind.
Und das liegt eben nicht an der Kostenstruktur, wie es Zettel oben anführt.


Die Kosten waren und sind für gedruckte Zeitschriften so hoch, daß die Preise gerechtfertigt sind.



"Waren": gerne. "Sind": sicher nicht. Den Zeitschriften entstehen durch Editoren und Reviewer keine Kosten, die machen das umsonst und schreiben es in ihren Lebenslauf; ich habe mir auch schon in beiderlei Rollen Nächte um die Ohren geschlagen. Den Satz erledigt heutzutage ein einziger Mitarbeiter mit einem Macbook für zwanzig Zeitschriften. Und der Druck und Versand rechtfertigt auch in kleinen Serien keine Preise von Tausenden von Euro für häufig vielleicht vier oder sechs Ausgaben im Jahr - nicht in Zeiten von Print on Demand.

Und dass die Verlage keinerlei gatekeeper-Funktion erfüllen, wissen wir seit Chaos, Solitons and Fractals.

Zitat von Zettel
Noch ein anderer Gesichtspunkt, lieber Gorgasal: In guten Bibliotheken finden Sie noch heute die gebundenen Zeitschriften vom Ende des 19. Jahrhunderts, vom ganzen 20. Jahrhundert. Papier hat Bestand. Was von dem, das irgendwo nur elektronisch publiziert wurde, wird man noch in hundert Jahren lesen können?


Alles. Jedenfalls alles, das in einem offenen Format wie PDF publiziert wurde, das auch in hundert Jahren noch gelesen werden kann, genauso wie ASCII-Dateien, und das ausreichend häufig gespiegelt und mit Prüfsummen versehen wurde. Ups: spiegeln darf heutzutage ja nur der Verlag. Insofern müssen wir darauf vertrauen, dass Elsevier und Springer gute Backups ziehen. Oder darauf, dass Bibliotheken trotz der aktuellen Explosion an Zeitschriften ihre Papierbestände noch hundert Jahre lang aufheben. Darauf würde ich nicht wetten. Außerdem ist heutiges Papier deutlich weniger beständig als das vor hundert Jahren, überhaupt das besonders dünne Papier mancher Zeitschriften (bei normal starkem Papier würden die Regale noch viel schneller explodieren). Mir erscheint das eher als ein Argument für eine Freigabe von Artikeln nach einer gewissen Zeit sowie für regelmäßige Spiegelungen, vielleicht durch die Deutsche Nationalbibliothek, die DFG, die Max-Planck- oder Fraunhofer-Institute.

Zitat von Zettel
Und dann gibt es noch den Gesichtspunkt der Manipulierbarkeit. Was gedruckt und verschickt ist, das ist und bleibt so für alle Zeit, zeichengetreu. Und bei jedem Artikel steht auf den Tag genau und nicht manipulierbar, wann das Ms zur Publikation angenommen wurde.
Sind aber e-publizierte Artikel ebenso gegen Manipulationen geschützt?


Wie gesagt, bei ausreichenden Spiegelungen ja. Und wenn Sie Angst vor Manipulationen haben, dann hätte ich heutzutage viel mehr Angst davor, da nur der Verlag selbst legitimen Zugriff auf die Artikel hat. Wenn Springer in einem elektronischen Artikel ein Datum ändert, dann muss das schon jemandem auffallen und derjenige auch noch Zugriff auf die papierene Version haben (siehe oben), um sich wehren zu können. Wenn der Artikel aber bald zwanzigfach gespiegelt wird, dann kann eine einzelne von neunzehn anderen abweichende Version nicht sonderlich viel hermachen.

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Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

12.11.2009 23:52
#10 RE: e-Petition: kostenfreie Veröffentlichung staatlich geförderter wissenschaftlicher Publikationen Antworten

Zitat von Ungelt
Ich denke einfach nur daran, daß bei den mit öffentlichen Mitteln durchgeführten Forschungsprojekten und Untersuchungen, wie auch bei Gesetzen, Vorschriften und Normen, die Inhalte öffentlich und kostenlos zur Verfügung stehen sollten.


Oh, wäre das schön. <Seufz>

Wird es aber nie geben. Die wissenschaftlichen Zeitschriften schaffen es ja nicht einmal, ihre Autoren dazu zu zwingen, Rohdaten und Auswertungsskripte online zu stellen. Mit diesen Informationen könnte man sich einmal die Analyse eines Artikels genauer anschauen. Seit ich Mediziner und Psychologen beim Statistiktreiben zuschaue, traue ich keinem Fachartikel aus diesen Bereichen mehr (ich versuche ja auch nicht, jemanden zu heilen - also sollten Mediziner auch bitte die Finger von Datenanalyse lassen, da sind sie nämlich ähnlich kompetent wie ich für eine Blinddarm-OP). Aber schon das klappt nicht, und da geht es nur um publizierte Ergebnisse.

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Sven Türpe Offline



Beiträge: 2

13.12.2009 13:04
#11 RE: e-Petition: kostenfreie Veröffentlichung staatlich geförderter wissenschaftlicher Publikationen Antworten

Zitat von Gorgasal

Dazu kommt, dass viele Autoren und Reviewer Objektivität und Passiv nicht auseinanderhalten können oder auch hochkomplizierte Satzstrukturen als proxy für Wissenschaftlichkeit ansehen. Unlängst hat ein Reviewer meine Koautoren und mich aufgefordert, alle Vorkommen von "we" durch das Passiv zu ersetzen, weil die erste Person angeblich die Aufmerksamkeit des Lesers auf die Autoren und nicht auf die Wissenschaft lenke.



Die Antithese dazu: E-Prime (http://en.wikipedia.org/wiki/E-Prime), Englisch ohne to be.

Gruß
Sven

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

26.12.2010 10:36
#12 RE: e-Petition: kostenfreie Veröffentlichung staatlich geförderter wissenschaftlicher Publikationen Antworten

@Kalias:

Nun, wenn ich das richtig verstanden habe, geht es hier nicht darum Publikationen kostenlos drucken zu lassen, sondern öffentlich geförderte (wo die Allgemeinheit sich finanziell beteiligt hat und folglich gewisse Ansprüche hat, wenn sie dies vorher als Bedingung der öffentliche Förderung gestellt hat) Publikationen nach einem gewissen Zeitraum kostenlos zur Verfügung zu stellen. Wie, dass kann sicherlich auf unterschiedliche Weise verwirklicht werden, sollte im digitalen Zeitalter aber durchaus sehr günstig möglich sind. Außerdem ist denke ich gegen einen nachvollziehbare Kostenaufwandsentschädigung, bei herkömmlich auf Papier gedruckten Publikationen also Papier, Druck und evt. Transportkosten, nichts einzuwenden.

Dies nur als kleine Anmerkung, zu meinem Verständnis, ohne damit im Endergebnis konkret Stellung beziehen zu wollen. Natürlich lasse ich mich auch gerne von ihren Einwänden überraschen, falls ich einen Aspekt übersehen oder falsch verstanden haben sollte.


Techniknörgler

Kallias Offline




Beiträge: 2.309

26.12.2010 11:33
#13 RE: e-Petition: kostenfreie Veröffentlichung staatlich geförderter wissenschaftlicher Publikationen Antworten

Zitat von Techniknörgler
Nun, wenn ich das richtig verstanden habe, geht es hier nicht darum Publikationen kostenlos drucken zu lassen, sondern öffentlich geförderte (wo die Allgemeinheit sich finanziell beteiligt hat und folglich gewisse Ansprüche hat, wenn sie dies vorher als Bedingung der öffentliche Förderung gestellt hat) Publikationen nach einem gewissen Zeitraum kostenlos zur Verfügung zu stellen. Wie, dass kann sicherlich auf unterschiedliche Weise verwirklicht werden, sollte im digitalen Zeitalter aber durchaus sehr günstig möglich sind. Außerdem ist denke ich gegen einen nachvollziehbare Kostenaufwandsentschädigung, bei herkömmlich auf Papier gedruckten Publikationen also Papier, Druck und evt. Transportkosten, nichts einzuwenden.

Da haben Sie ja eine alte Kamelle ausgebuddelt, lieber Techniknörgler.

In der Begründung der Petition heißt es: "Die grundsätzliche Struktur des wissenschaftlichen Publikationswesen verändert sich hierdurch nicht."

Anscheinend geht es darum, zwei Dinge gleichzeitig zu erreichen, die nicht zusammenpassen:
1. soll jeder Bürger kostenlos Zugang zu Forschungsergebnissen haben.
2. sollen die wissenschaftlichen Gepflogenheiten nicht verändert werden.

Es kommt ja sehr darauf an, wo man Ergebnisse veröffentlichen kann: ob man in einer renommierten Zeitschrift oder einer weniger angesehenen publiziert, macht für die Laufbahn eines Forschers schon einen wesentlichen Unterschied. Die Meritokratie des Wissenschaftssystems beruht auf solchen Differenzierungen.

Nur - wieso sollte eine renommierte (ausländische) Zeitschrift die deutschen Bibliotheken mit kostenlosen Exemplaren beliefern? Andererseits, ein Bundes-Wissenschafts-Veröffentlichungs-Blatt würde zwar den Bürgern den Zugang ermöglichen, würde aber nicht die gewünschte Differenzierung nach Renommee bieten.

Ein einzelnes Belegexemplar, an einem zentralen Ort zu hinterlegen, wie ebenfalls als Möglichkeit angedeutet, bringt dagegen den Bürgern nicht viel. (Übrigens gibt es für jeden, der in Deutschland ein Periodikum herausbringt, diese Ablieferungspflicht an die Deutsche Nationalbibliothek bereits. Selbst kostenlose Publikationen muß man auf eigene Kosten dort hinterlegen (Sauerei ). Insofern ist das Ziel der Petition ja schon längst erreicht.)

Herzliche Grüße,
Kallias

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