Schirrmacher kann ich spätenstens seit seiner Walser-Posse nicht mehr ernst nehmen. Er drückte genau den Knopf, den Walser diesem Betrieb vor die Nase gesetzt hatte. Ich sage nur "antisemitische Klischees"... Der Mann ist kein Kulturkritiker, sondern lediglich Feuilletonist mit Empörungspotential.
Zitat von SternenstaubSchirrmacher kann ich spätenstens seit seiner Walser-Posse nicht mehr ernst nehmen. Er drückte genau den Knopf, den Walser diesem Betrieb vor die Nase gesetzt hatte. Ich sage nur "antisemitische Klischees"... Der Mann ist kein Kulturkritiker, sondern lediglich Feuilletonist mit Empörungspotential.
Ich sehe das, liebe(r) Sternenstaub, genauso.
Ich hätte diese feuilletonistische Attacke gegen Schirrmacher vermutlich nicht geritten, wenn mich nicht sein Vorpreschen gegen Walser damals genauso geärgert hätte wie offenbar Sie.
Walser ist das Gegenteil eines Antisemiten. Kaum ein deutscher Schriftsteller hat sich so an der deutschen Schuld abgearbeitet wie er. Er saß auf den Zuschauerbänken im Auschwitz- Prozeß und hat darüber berichtet. Unsere deutsche Identität "im Schatten von" - wie man so sagt - Auschwitz ist eines seiner Kernthemen. Ich kenne eigentlich nur einen, G.W. Sebald, den das noch mehr umgetrieben hat.
Nur meint Walser das wie Sebald ernst, und ergo hat er sich gegen diejenigen gewandt, die es nicht ernst meinen, sondern die es instrumentalisieren. Dafür ist er in die Ecke des Antisemiten gestellt worden, absurderweise.
Schirrmacher war dabei ganz vorn. Übrigens meine ich mich zu erinnern, daß er offenbar den "Tod eines Kritikers" gar nicht zu Ende gelesen hatte, als er gegen Walser loslegte. Jedenfalls hatte er die Schlußpointe, die ja alles in ein ganz anderes Licht stellte, nicht verstanden.
In dem Artikel, gegen den ich jetzt gemeckert habe, hat er wiederum zu Sachen geschrieben, von denen er erkennbar keine Ahnung hat. Dem Mann fehlt es nach meinem Dafürhalten an Seriosität.
Herzlich, Zettel
PS: Und besonders herzlich willkommen als Aktive(r) im kleinen Zimmer!
west47: Seltsame Antwort. Der Philosemit ist eine Spielart des Antisemiten. Der eine denkt, der Jude sei weniger als alle, der andere denkt, der Jude sei mehr als alle, beide sprechen dem Juden überindividuelle, rassische Eigenschaften zu, die ihn unveränderlich von allen anderen unterscheiden, beide sind also Rassisten in der Sonderform des Antisemiten.
Aber selbst wenn wir annehmen, dass Ihre Antwort zutrifft. Warum soll Martin Walser ein Philosemit sein? Walser hat sich in seiner Laufbahn immer wieder negativ über Juden und Isreal geäußert und das deutsch-jüdische und deutsch-israelische Verhältnis absichtlich und / oder fahrlässig belastet. Was daran ist philosemitisch?
Mir ist diese Frage ziemlich egal. Ich denke nicht, dass Martin Walser ein Antisemit ist, jedenfalls ist er es nicht mehr als bei uns eben üblich.
Mir wäre nie in den Sinn gekommen, Martin Walsers "Tötet Reich-Ranicki"-Buch als anitsemitisch zu bezeichnen (was allerdings auch Schirrmacher dezidiert nicht getan hat). Ich, hätte mich jemand dazu aufgefordert, hätte dieses Buch als ein grauenhaftes, unleserlesbares, feiges, beckmesserisches Schmierenwerk bezeichnet, das seinen Verfasser auf den Rang eines aufmüpfigen Muckers und boshaften Kretins reduziert (was allerdings auch Schirrmacher dezidiert getan hat).
Martin Walser soll einige Dinge geschrieben haben, höre ich, die gefallen können. Eine Gesamtwürdigung Walsers mag und kann ich nicht leisten. Was ich aber bewerten kann, ist dies: Walser hat sich im Laufe seiner Karriere oft zu abgrundtief dummen Äußerungen und Handlungen hinreißen lassen. Und in politicis war er schon immer ein Trottel, nicht erst in der Paulskirche, oder davor am Kamin in Wildbad Kreuth, sondern schon in Lenins heimeliger Hütte, der guten alten DKP, und ich wette darauf, dass er selbst in der NSDAP, in der er auch mal war, durch ausgesucht schwachsinnige Meinungen aufgefallen ist.
Mich irritiert einfach, dass Zettel in dieser Sache gegen Schirrmacher emotional wird. Dabei wäre in der Neue Medien - Frage doch mehr als genug rational und sachlich zu diskutieren. Aber Zettel wird emotional, so sehr, dass er sich beim Lebensjahrzehnt verrechnet; solche Schlampereien passieren hier doch sonst nicht. Und das ausgerechnet wegen Walser.
Zitat von siebenschlafIch, hätte mich jemand dazu aufgefordert, hätte dieses Buch als ein grauenhaftes, unleserlesbares, feiges, beckmesserisches Schmierenwerk bezeichnet, das seinen Verfasser auf den Rang eines aufmüpfigen Muckers und boshaften Kretins reduziert
Gell, Sie haben es nicht gelesen?
Und geht's vielleicht auch ein paar Dezibel leiser?
Sicher geht das. Emotionalisierung steckt halt irgendwie an, und plötzlich jammern und quaken alle durcheinander ... Und ehe man sich's versieht, treten Fälle von Stigmata auf.
Gelesen? Gelesen schon, aber so schnell wie möglich, drei Zeilen auf einmal, und mit geschlossenen Augen.
Zitat von siebenschlafGelesen? Gelesen schon, aber so schnell wie möglich, drei Zeilen auf einmal, und mit geschlossenen Augen.
Ja, so habe ich mir das vorgestellt.
Aber lassen sie uns, lieber Siebenschlaf, einen Augenblick ernst sein. Aus meiner Sicht ist Martin Walser der bedeutendste lebende deutschsprachige Schriftsteller. Wenn Sie mögen, dann lesen Sie einmal, was ich zu ihm geschrieben habe:
Ich werde Ihre Stellungnahmen umgehend nachlesen; vorab ein "Vorschlag": Aus eigener Lust am bilden von Listen und Hierarchien habe ich die Erfahrung gezogen, dass es am besten ist, wenn man in den Kategorien, innerhalb derer man bewertet und Rangfolgen bildet, möglichst präzise ist.
Den "Schriftsteller" gibt es ja so nicht, außer als Berufsbeschreibung, denn selten ist einer sowohl Dramatiker als auch Epiker als auch Lyriker, will sagen: selten ist einer Goethe. (Was bedeutet das überhaupt, eine Schrift zu stellen? Stellt man sie, wie der Jäger das Reh? Oder stellt man sie auf, wie wer Bildhauer die Statue? Stellt man sie ein, wie der Herausgeber die Zeitung? Stellt man ihr nach, stellt man ihr ein Bein, stellt man sie, wie man Segel stellt ... ich höre jetzt damit auf.) Deswegen ist es für jede ernste Diskussion besser, gleich das Genre anzugeben, in der einer als Schriftsteller brilliert. Nun hat das natürlich mit der Präzision schnell seine Grenze; keiner sagt ja "der beste lebende Romancier für Romane mit weniger als 230 Seiten" oder "der beste lebende Lyriker für Endreime mit fünfhebigen Jamben".
Man entledigt sich damit auch des Ärgers, den man hat, wenn einer nachweist, dass Thomas Mann zwar ein erstklassiger Epiker, aber ein weit unterdurchschnittlicher Dramatiker war.
Ihr Einverständnis voraussetzen, dampfe ich Ihre mutige Ausgangsbehauptung also ein zu:
In Antwort auf:Aus meiner Sicht ist Martin Walser der bedeutendste lebende deutschsprachige Epiker resp. Romancier.
Zitat von siebenschlafIhr Einverständnis voraussetzen, dampfe ich Ihre mutige Ausgangsbehauptung also ein
Nehmen Sie es mir nicht übel, lieber Siebenschlaf: Aber ich fände es schön, wenn Sie ihren bombastischen Stil auch a bisserl eindampfen würden. Geht's denn nicht in einfachem Deutsch?
Schirrmachers Kopf mag überfordert sein, aber wieso nimmt er sich das Recht heraus, über die Köpfe anderer zu schreiben? Es kann auch keine Alterserscheinung sein: Schirrmacher ist Jahrgang 1959, ich bin Jahrgang 1950 und fühle mich in der Welt hinter dem Bildschirm ganz wohl – jedenfalls nicht überfordert.
Schirrmachers Sicht des Menschen ist eine mechanistische und damit menschenverachtend. Wir reagieren nicht nur hilflos auf die Informatiosnflut, wir passen uns an. Man nennt das übrigens Evolution. Siehe dazu auch: http://tinyurl.com/yzlbqr4
Zitat von TC1066Schirrmachers Kopf mag überfordert sein, aber wieso nimmt er sich das Recht heraus, über die Köpfe anderer zu schreiben? Es kann auch keine Alterserscheinung sein: Schirrmacher ist Jahrgang 1959, ich bin Jahrgang 1950 und fühle mich in der Welt hinter dem Bildschirm ganz wohl – jedenfalls nicht überfordert.
Jou. Und ich bin ein noch etwas älterer Knabe und habe nie den Eindruck gehabt, daß ausgerechnet die elektronischen Medien mir Probleme machten.
Überfordert habe ich mich manchmal gefühlt, wenn ich zugleich eine Vorlesung vorbereiten und ein Ms Korrektur lesen mußte und wenn dann noch Studenten reinplatzten, die ganz dringend etwas wissen wollten, dabei das Telefon klingelte und dann auch noch meine Sekretärin mit der Unterschriftenmappe reinkam.
But that is history. Im Ruhestand genieße ich es, von den elektronischen Medien überfordert zu werden.
Herzlich, Zettel
PS: Willkommen im kleinen Zimmer! Auch wenn ich mir Ihren Nick erst mal einprägen muß.
Hey, toller Text ... noch 'ne Backpfeife für Schirrmacher.
Falls ich das "TC" richtig deute, und der Artikel aus ihrer Feder stammt:
Falls nicht: Danke für den Link!
Beste Grüße, Calimero
---------------------------------------------------- Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire
In Antwort auf:ich fände es schön, wenn Sie ihren bombastischen Stil auch a bisserl eindampfen würden
Naja, ich bin ziemlich neu hier, da versucht man Eindruck zu schinden. Wird sich schon legen.
Das denke ich auch, lieber Siebenschlaf. Und weil ich schon a bisserl älter bin und also abgebrüht, war mein erster Eindruck, daß Sie nett und intelligent sind, nur eben ....
Also, ich entnehme Ihrem Zweiteiler, dass Sie Walser mögen, aber nicht, warum Sie ihn mögen. Einesteils liegt das sicher am Genre, wer kann schon in einem doch sehr kurzen Text so etwas wie Sympathie für ein frisches Werk erklären, andernteils ist solche Sympathie wahrscheinlich an sich immer schwer zu erklären. Relativ zu argumentieren, das fällt leicht, also zu sagen, warum man z.B. Grass für weniger bedeutend hält als Walser, da kann man nebeneinander stellen und abmessen etc. Aber zu sagen, warum man selbst diesen Autor an sich für groß hält, das ist schon sehr schwer.
Es gibt viele Theorien, die die Rangunterschiede von Literatur begründen sollen. Einige von denen sind beeindruckend, und ich würde denen gern auf den Leim gehen. Die einen sagen, es geht darum, wieviel Wirklichkeit ein Werk zu fassen vermag; andere sagen, es geht um die Genauigkeit der Abbildung inneren Erlebens; oder um den Ausdruck der Epoche; oder um Urbilder; etc. pp.
Am Ende, fürchte ich, sind es nur zwei ernstzunehmende und gleichzeitig etwas peinliche Kriterien, die uns bleiben: (1) Das rein subjektive Mögen: Dass ein Werk uns anspricht. (2) Das objektive Präsentbleiben: Dass ein Werk viele Menschen über einen langen Zeitraum hin zu beschäftigen vermag.
Ich weiß z.B., dass Goethe ein großer Dichter war. Ich müsste ihn eigentlich lieben, denn seine Meinungen und Haltungen entsprechen den meinen wirklich sehr. Aber, so traurig das ist: Er langweilt mich. Ich lese ihn, aber aus Pflicht. Wahrscheinlich ist der Kern dieser Sympathie oder Antipathie einfach ein Aprorie resp. ein Vorurteil. Wahrscheinlich können wir einfach nichts dafür, dass wir etwas mögen oder nicht mögen. Wir können dann mit Hilfe der Theorie diese Vorurteile ummänteln und entwickeln, wir können vielleicht sogar zu einem richtigen System finden, das uns erklärt, warum wir etwas mögen und anderes partout nicht. Aber im Kern bleibt ein Vorurteil. (Was dagegen spricht, dass diese Urteile apriorisch sind: dass sie sich wandeln; ich weiß heute nicht mal mehr im Ansatz, was ich früher an Hesse fand. Wahrscheinlich sind es überhaupt nur die Hormone, die bestimmen, was wir mögen.)
Immer, wenn ich Walser las (ich habe wirklich versucht, mich zu erinnern), fühlte ich mich wie ich mir vorstelle, dass man sich nach drei Tagen allein auf einem Kamel mitten in der Wüste fühlt, also seekrank. So weit wie nur überhaupt möglich vom Wasser weg und gleichwohl seekrank. Das ist, was Walser bei mir auslöst.
Sie sehen, das wird nichts mehr mit mir und Walser. (es sei denn, die Hormone mischen sich neu.) Und die zweite Reizebene, dass man weiß, einer hat über mehrere Jahrhunderte die Menschen zu beschäftigen gewusst, deswegen werde ich sehr wahrscheinlich bei ihm etwas finden, was auch mich beschäftigt, dieses Kriterium haben wir bei Walser eben einfach noch nicht. (Ich bewundere die Kritiker, die dieses Überdauern vorhersagen können.)
Wo Sie sich, denke ich, irren, dass ist der Punkt mit Walsers politischen Äußerungen: Sie sagen, dass Sie die respektieren, weil Walser nicht auf die Folgen seiner Äußerungen geachtet habe, anders als Politiker das tun (müssen). Aber politische Äußerungen sind doch gerade dadurch politisch, dass sie Wirkung und Konsequenzen wollen. Mir sind Künstler, die sich politisch äußern, immer verdächtig, aus zwei Gründen: Entweder haben sie die Konsequenzen ihrer Äußerungen zu tragen, dann sind sie eigentlich Politiker, oder sie haben sie nicht zu tragen, dann ist es eigentlich recht feige, sich politisch zu äußern. Zudem: Künstler sollen Kunst machen. Dafür sind sie da. Die Politik machen im Zweifelsfalle die bessere Politik und die schlechtere Kunst. Wollten Sie einen Roman von Angela Merkel lesen? Warum aber soll dann eine politische Rede von Martin Walser interessanter sein als eine von z.B. Lieschen Müller?
Abschließend: Mir ist ziemlich egal, ob Walser ein Antisemit ist oder nicht. Dass einer ein Antisemit ist, spricht nicht eben für ihn, aber es beweist zumindest nichts gegen sein Werk.
Unser Staat ist aufgebaut auf mindestens drei tabugleichen Vorurteilen: Auf Anti-Antisemitsmus, auf Anti-Faschismus und auf Anti-Kommunismus. Für diese Tabus gibt es gute, rationale Gründe. Sie stehen, wenn auch negativ, symbolisch für das, was unseren Staat und unsere Gesellschaft ausmacht. Wer gegen sie verstößt, selbst wenn er so etwas wie Gründe dafür hat, bekommt einen drauf. Das mag uns im konkreten Einzelfall ärgern, insgesamt ist es richtig und gut.
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