Zitat von Reader
Wenn man diesen Artikel in der heutigen Washington Post liest, fragt man sich, warum andere Länder den "französischen Weg" nicht kopieren anstatt über Nachwuchsmangel die Hände zu ringen. Ist sie zu logisch, praktisch und erfolgreich? What are other European countries so afraid of?
Fragt sich
R.r
Berechtigte Frage, dear Reader. Soviel ich weiß, gibt es im Grunde keine guten Erklärungen für Unterschiede in der Geburtenrate. Vor Jahren habe ich mal einen holländischen Bevölkerungswissenschaftler gefragt, warum die Geburtenrate in Deutschland seiner Ansicht nach so ungewöhnlich niedrig ist - Achselzucken war die Antwort.
Frankreich galt in den zwanziger, dreißiger Jahren als "sterbende Nation", weil es damals das europäische Land mit der niedrigsten (jedenfalls einer der niedrigsten) Geburtenrate war. Es wurde dann - ich glaube, die Volksfront-Regierung war wesentlich daran beteiligt - alles das eingerichtet, was in dem Artikel der Washington Post steht, und seitdem hat sich die französische Geburtenrate langsam normalisiert.
Daß sie inzwischen eine der höchsten in Europa ist, wußte ich nicht. Allein an diesen äußeren Bedingungen liegt es vermutlich nicht - in Deutschland zum Beispiel waren die vor 1970 ja auch nicht besser als danach, aber die Geburtenrate ging damals abrupt zurück.
Ich denke, es ist wohl ein sehr komplexes Geflecht von einander beeinflussenden Faktoren, das sich in der Entscheidung niederschlägt, Kinder haben zu wollen. "Harte" Faktoren wie Kosten und Nutzen der Kinderaufzucht. Aber auch ganz "weiche" wie die Änderung im sozialen Ansehen, die man durch Kinder erfährt, wie das Selbstbild von Frauen und Männern.
In Frankreich gilt es nach meinem Eindruck als ausgesprochen positiv, Kinder zu haben. Es erhöht das soziale Ansehen, es verbessert das Selbstbild der Eltern. In Deutschland ist das Bild des kinderlosen Singles als ein doch sehr positiv gewerter Lebensentwurf seit 1970 zunehmend akzeptiert worden. Kinderreiche Familien werden eher als Kuriosum, wenn nicht gar als leicht asozial, gesehen. Die Mutter, die sich dem Haushalt und ihren Kindern widmet, ist ja in diesen Jahrzehnten systematisch abgewertet worden; als Opfer einer frauenfeindlichen Gesellschaft angeblich.
Herzlich, Zettel