Da die jetzigen sogannten Bildungsstreiks von politischen, überwiegend kommunistischen Gruppen vorbereitet wurden und gesteuert werden, gibt es kaum eine sachliche Diskussion; obwohl diese nötig wäre.
Auf einen sachlichen Aspekt des Bologna- Prozesses weise ich in diesem Artikel hin.
Ich bin momentan Master-Student im vorletzten Semester und kann bei diesem Artikel nahezu jeden Absatz unterstreichen und bestätigen. In dem Institut, an dem ich meine Arbeit schreibe, haben alle Mitglieder, die noch vor dem Doktorgrad stehen, regelmäßig das Vergnügen, als Laborbetreuer für andere Studenten zu dienen - natürlich "ehrenamtlich". Einerseits kann dies auch Spaß machen, andererseits ist es besonders für die Doktoranden, die ohnehin kaum eine freie Minute haben, eine Mehrbelastung ohne Nutzen für ihre Arbeit. Für für jeden Studenten und Doktoranden mit einem monatlichen Durchschnittseinkommen im dreistelligen Bereich würde da jeder Euro mehr einen Unterschied machen. Stipendien halte ich aber dennoch für eine sinnvolle Einrichtung. Wer sich engagiert und gute Leistungen erbringt, sollte weiterhin die Möglichkeit haben, sich in erster Linie der Forschung zu widmen, ohne dadurch finanziell ins Hintertreffen zu geraten.
Vorweg: Ich muß offen eingestehen, daß es mir an Nähe zum universitären Bildungsbetrieb fehlt. Bei mir ist das schon eine schöne Weile her. Ich kann aber nicht so wirklich etwas mit dem Begriff "Verschulung" anfangen. Vielleicht hole ich mal etwas aus...
Dieses Bildungsideal, über das in den Zeitungen immer soviel romantisiert wird, halte ich für ein Relikt aus einer Zeit, in der der Prozentsatz von Studenten am Jahrgang vielleicht irgendwo zwischen einem und fünf Prozent lag. Zu Zeiten Humboldts vielleicht eher in Richtung einem Prozent, nach dem Krieg vielleicht eher in der Nähe der fünf Prozent, aber irgendwo in diesem elitären Bereich wird es sich abgespielt haben.
Söhne, vereinzelt vielleicht auch Töchter, aus höherem Haus, deren Erziehung planvoll, diszipliniert und wertorientiert war, studierten und konnten, im Rahmen dessen, was man von jungen Menschen weit weg von der Heimat erwarten darf, mit den Freiheiten des "alten Systems" relativ gut umgehen. So habe ich es jedenfalls erlebt.
Heute, und das las ich erst vor wenigen Tagen, liegt der Anteil von Hochschulstudenten an einem Jahrgang bei irgendwas um 45%. Es näher sich als der Hälfte an. Die heutige Hochschule ist also keineswegs mehr elitär, die Studenten haben oft genug weder eine planvolle noch überhaupt eine Erziehung genossen und Freiheiten führen, so ist das jedenfalls in meiner Wahrnehmung, zu langhaarigen Langzeitstudenten, die irgendwie im 22 Semester Kunstgeschichte und "Gender" studieren, wenn ich es mal grob überzeichnen darf, und wenn man es realitätsnäher möchte, studieren sie einfach an den Anforderungen des Arbeitsmarktes vorbei.
Mir kommt es doch sehr stark so vor, als wäre die heutige Hochschulausbildung im Grunde das, was früher eine Ausbildung war: Der gängige Bildungsabschluß breiter Massen. Die heutigen Studenten haben auch nichts mehr gemein mit den Idealen von Humboldt oder dem Humanismus insgesamt, die wollen eine Berufsausbildung, mehr nicht. Für eine solche braucht es m.E. kein selbstbestimmtes Lernen oder ähnliches. Da finde ich das verfachhochschulte Lernen nicht verkehrt. Natürlich braucht es dafür die entsprechenden Lehrkräfte, die, wie sie es schon richtig schrieben, v.a. didaktische Fähigkeiten haben müssen.
Insgesamt sehe ich hier eine positive Entwicklung. Zum einen weil immer mehr Fachhochschulen aus dem Boden gestampft werden, insb. im MINT Bereich, also dort, wo man mit dem Abschluß auch beruflich etwas anfangen kann, und zum anderen in der voranschreitenden Verschulung des Studiums auch an Universitäten. Wenn es jetzt noch Freiheiten für ein bis fünf Prozent der leistungsfähigsten Studenten gäbe, etwa im Rahmen von Eliteförderung, wäre das eine durch und durch positive Entwicklung.
Zitat von ShinIch bin momentan Master-Student im vorletzten Semester und kann bei diesem Artikel nahezu jeden Absatz unterstreichen und bestätigen.
Das freut mich, lieber Shin.
Zitat von ShinIn dem Institut, an dem ich meine Arbeit schreibe, haben alle Mitglieder, die noch vor dem Doktorgrad stehen, regelmäßig das Vergnügen, als Laborbetreuer für andere Studenten zu dienen - natürlich "ehrenamtlich". Einerseits kann dies auch Spaß machen, andererseits ist es besonders für die Doktoranden, die ohnehin kaum eine freie Minute haben, eine Mehrbelastung ohne Nutzen für ihre Arbeit.
Es kann ja von großem Nutzen sein. Erstens versteht man eine Sache oft erst dann richtig, wenn man sie erklären muß. Zweitens lernt man doch für eine eventuelle spätere Tätigkeit als Hochschullehrer.
Nur muß man bezahlt werden. Und zwar für Arbeit. Stipendien sind allenfalls eine Notlösung.
Ich hatte einen Kollegen, der lange in den USA gelehrt hatte und der dann auf eine deutsche Professur berufen wurde. Der hat es tatsächlich fertiggebracht, daß an seinem (allerdings kleinen) Institut jeder Student nach dem Vordiplom eine Hiwi-Stelle bekam. Der Trick war, daß er Unmengen an Drittmitteln aus der Industrie eingeworben hat.
Zitat von ShinWer sich engagiert und gute Leistungen erbringt, sollte weiterhin die Möglichkeit haben, sich in erster Linie der Forschung zu widmen, ohne dadurch finanziell ins Hintertreffen zu geraten.
Ein Stipendium ist ein Ehrengehalt. Wenn jemand wirklich hochbegabt ist und ein bedeutender Forscher zu werden verspricht, dann sollte man ihn völlig sorglos stellen.
Aber die Regel darf das nicht sein. Die Regel muß sein, daß man für sein Geld arbeitet.
Zitat von HajoDieses Bildungsideal, über das in den Zeitungen immer soviel romantisiert wird, halte ich für ein Relikt aus einer Zeit, in der der Prozentsatz von Studenten am Jahrgang vielleicht irgendwo zwischen einem und fünf Prozent lag. Zu Zeiten Humboldts vielleicht eher in Richtung einem Prozent, nach dem Krieg vielleicht eher in der Nähe der fünf Prozent, aber irgendwo in diesem elitären Bereich wird es sich abgespielt haben.
Man darf aber nicht übersehen, daß es auch damals nicht um Romantik ging. Der preußische Staat wollte zu den Großmächten aufschließen. Die Humboldt'sche Universität gehörte zu diesem ganzen Komplex der Selbsterneuerung des Preußentums, der Stein-Hardenberg'schen Reformen. Und das hat ja auch funktioniert.
Zitat von HajoSöhne, vereinzelt vielleicht auch Töchter, aus höherem Haus, deren Erziehung planvoll, diszipliniert und wertorientiert war, studierten und konnten, im Rahmen dessen, was man von jungen Menschen weit weg von der Heimat erwarten darf, mit den Freiheiten des "alten Systems" relativ gut umgehen.
So frei war das alles nicht, lieber Hajo. Ich habe mir mal angesehen, was Kant unterrichten mußte - das waren wie bei einem heutigen Lehrer ungefähr 20 Stunden in der Woche. Oft waren seine Vorlesungen wirklich Vorlesungen; er hat aus Büchern vorgelesen. Die Studenten haben ihn mit Schinken bezahlt, oder was immer sie hatten. Es war die reine Paukerei.
Gut, das war vor Humboldt. Es gab dann tatsächlich im Lauf des 19. Jahrhunderts die Entstehung einer "Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden". Aber das war schon bald wieder vorbei.
Die deutschen Unis waren ja immer Einrichtungen der Landesherren. Sie mußten sich für sie rechnen.
Das hieß erstens: Man muß zahlungskräftige Studenten ins Land ziehen. Deshalb brauchte man attraktive Professoren. Deshalb hatten Kant, Hegel, Fichte eine gewisse Narrenfreiheit.
Zweitens brauchte der Landesherr seine Unis, um die für seine Herrschaft erforderlichen Eliten auszubilden. Also die Pfarrer, die Richter, dann auch die Ärzte.
Später auch die Lehrer, obwohl deren Ausbildung sich größtenteils auf den Lehrerseminaren abspielte.
Das war alles niemals romantisch, lieber Hajo. Im Rückblick verklärt sich halt manches.
als Master-Student an einer Hochschule in Brandenburg, mit einem Bachelor von der HU, kann ich mich Ihren Ausführungen fast uneingeschränkt anschließen. Ich habe genau zwei Professoren kennen gelernt, die kein Interesse an einer guten Lehre hatten. Eine hatte erkennbar schwere gesundheitliche Probleme und die andere war einfach ganz schön misantrophisch. Alle anderen waren wirklich bemüht, hatten Freude im Umgang mit Studenten und haben teilweise brilliante Veranstaltungen angeboten. Der Wille zur Qualität ist wirklich kein Problem. Wenn sich diese motivierten Lehrenden allerdings in Hauptseminaren 120 Studenten gegenüber sehen, zerbröselt die beste Absicht. Es ist wirklich zum heulen.
Die HU beschreitet seit 2 Jahren gaaaaanz vorsichtig einen Weg, der in die Richtung Ihres Modells geht und hat sogenannte Projekttutorien eingeführt. Hier können Studenten Seminare mit Themen ihrer Wahl ausrichten und werden dafür als Hilfskräfte bezahlt. Ich habe mir verschiedene Veranstaltungen dieser Art angesehen und war begeistert vom Engagement und der Qualität. Leider ist das noch ein Randphänomen und mit diversen administrativen Mängeln behaftet, aber Veränderungen brauchen Zeit. LEider ist diese Zeit, angesichts der ersten Jahrgänge die das Abi in 12 Jahren absolviert haben und nun bald an die Uni strömen werden, nicht vorhanden.
Das mit dem Hörgeld ist für mich schwer vorstellbar, deshalb nur eingeschränkte Zustimmung, die aber keine Ablehnung der Idee bedeutet. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sowas in D-Land wieder eingeführt wird.
Hier kann ich mal meine Erfahrungen aus der Zeit vor und nach der Wende einbringen. Ich habe an einer Technischen Universität studiert und war dort einer der ersten Studenten mit ausgeprägtem Interesse für Informatik. Ich konnte auf Hiwi-Stellen ziemlich viel für die Qualität und Quantität der Lehre tun. Dazu zählten beispielsweise Aufgaben wie: die ersten Unix-Rechner der Fakultät in die Nutzung übernehmen, Netzadministration, AutoCAD-Seminare (inkl. Testate vorbereiten und verwalten).
Soweit ich mich erinnere, gab es dafür knapp 200 DM. Pro Woche. Das war wirklich eine gute Grundlage. Ich habe sicher an einigen Stellen zu viel Zeit in diese Arbeit gesteckt und deshalb auch länger studiert. Aber ich war jung, ich war Papa geworden und wir brauchten das Geld. In manchen Fällen konnte man sogar formelle Abschlüsse mit der Arbeit als Studentische Hilfskraft verbinden.
Was mich aber auch reizte: es ging gerade nicht um das Folienschreiben oder Kopieren. Ich habe in der ganzen Zeit nie am Kopierer gestanden. Die Hochschullehrer gaben mir und ein paar anderen Studenten wirklich anspruchsvolle Aufgaben (heute würde man es wohl als Delegieren von Verantwortung bezeichnen). Ich habe für die AutoCAD-Testate von ca. 140 Architekturstudenten ein kleines Programm in AutoCAD geschrieben, mit dem für jeden eine individuelle Aufgabe erstellt werden konnte. Kurz danach habe ich mich bei einem Unternehmen um Aufträge beworben, das Ergänzungsprogramme für AutoCAD auf den Markt gebracht hat. Referenz: Mein Programm für die Grundrisse. Und für dieses Unternehmen habe ich dann einige Jahre gearbeitet.
Das ist 15 Jahre her. Ich weiß nicht, ob das heute noch so möglich wäre. Aber prinzipiell werden wohl hier im Osten immer noch Studentische Hilfskräfte in der Lehre beschäftigt, natürlich mit individuell unterschiedlichen Aufgaben, je nach Lehrstuhl bzw. Student …
die Freiheiten für gute und sehr gute Studenten gibt es weiterhin. Solange man die vorgegebenen Mindestsemesterleistungen erfüllt, kann man auch im Bachelor-/Mastersystem der freien Bildung nach gusto huldigen. Man muß sich nur vom Gedanken lösen, daß nur das wichtig sein kann, worauf es Creditpoints gibt.
In meinem (noch Diplom)studiengang Elektrotechnik war auch schon alles in Einzelfächer zerlegt und mit Creditpoints versehen. Vorlesungen und Seminare der Psychologen, Soziologen, Philosophen… habe ich trotzdem mit Begeisterung besucht, niemand hat mich gehindert.
Grundsätzlich bin ich ja sehr dafür, daß Studenten zahlende Kunden werden und entsprechende Rechte an guten Dienstleistungen bekommen.
Am beim Hörergeld gab es damals ja schon einige Probleme, die würde - wenn man das Konzept nicht stark ändert - auch heute wieder auftreten.
Zum Einen würde das Interesse der Professoren massiv sinken, interessante Exotenthemen anzubieten. Von den "Orchideenfächern" ganz zu schweigen, die würden dann finanziell ziemlich abgedrückt.
Zum Anderen ist dann die Frage, wer die großen Vorlesungen halten darf (deren Besuch meist auch noch in der Studienordnung vorgeschrieben wird). Da muß einer weder gut sein noch sich Mühe geben müssen - wenn er die verpflichtende "Einführung ins Fach X" mit 1000 Zuhörern halten darf, kassiert er sehr reichlich Hörergelder.
Zitat von R.A.Am beim Hörergeld gab es damals ja schon einige Probleme, die würde - wenn man das Konzept nicht stark ändert - auch heute wieder auftreten.
Zum Einen würde das Interesse der Professoren massiv sinken, interessante Exotenthemen anzubieten. Von den "Orchideenfächern" ganz zu schweigen, die würden dann finanziell ziemlich abgedrückt.
Zum Anderen ist dann die Frage, wer die großen Vorlesungen halten darf (deren Besuch meist auch noch in der Studienordnung vorgeschrieben wird). Da muß einer weder gut sein noch sich Mühe geben müssen - wenn er die verpflichtende "Einführung ins Fach X" mit 1000 Zuhörern halten darf, kassiert er sehr reichlich Hörergelder.
Berechtigte Einwände, lieber R.A. Sie waren mir bewußt, und deshalb habe ich ja diesen Abschnitt mit einem einschränkenden "Wenn ..." eingeleitet.
Aber spielen wir es einmal durch.
Wer Astronomie oder Klassische Altertumskunde lehrt, wird nie so viele Hörer haben können wie der Jurist, der Mediziner, der Philosoph oder Germanist. Das ist halt ein Nachteil des Fachs, für das er sich entschieden hat. Dafür hat er interessiertere Studenten, braucht weniger zu prüfen usw.
Hochschullehrer sehen ja nicht nur aufs Geld. Seminare zu interessanten Themen bietet man auch deshalb an, weil man dabei selbst etwas lernt, weil man Studenten kennenlernt, die für den wissenschaftlichen Nachwuchs in Frage kommen usw.
Zu den großen Massenvorlesungen: Sie sollten grundsätzlich von mindestens zwei Lehrenden parallel angeboten werden, so daß es eine Konkurrenz gibt. Ich habe das zB im Philosophiestudium erlebt; da funktionierte es prima.
Damals hielten die Ordinarien noch selbst Einführungsvorlesungen; aus dem von Ihnen genannten Grund. Heute ist das leider selten geworden. Ich habe es auch ohne Hörergeld noch so gehandhabt, weil eine gute Einführungsvorlesung das wissenschaftliche Denken der Studierenden prägen kann.
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