Schüler wissen nicht, wer oder was die Stasi war. Das ist bedauerlich. Schlimmer aber finde ich das, was ich in diesem Zitat des Tages das Unwissen zweiter Ordnung über das MfS nenne: Den Irrglauben, die Angehörigen und Zuträger des MfS hätten sich mehr schuldig gemacht als diejenigen, die derselben Dikatur in anderen Funktionen gedient haben.
Ich erläutere das am Beispiel Gregor Gysis. Ob er vom MfS als IM geführt wurde, ist nicht sicher. Daß er zu den Spitzen der Nomenklatura des Staats gehörte, der die Existenz und die Handlungen des MfS zu verantworten hatte, ist hingegen gewiß.
Wo hab ich jetzt vor einigen Tagen in einem Blog uber Brandenburg (?) gelesen, die DDR-Stasi-Fuehrung habe nach der Wende beschlossen der Stasi die (Allein-)Schuld fuer die Grausamkeiten zu geben? War irgendwo jenseits meiner Standard-Leseliste, muesste man wohl google-suche betreiben. - Aber offenbar ist diese Strategie (teilweise) aufgegangen. - Es war nicht alles schlimm....
Zitat von DagnyWo hab ich jetzt vor einigen Tagen in einem Blog uber Brandenburg (?) gelesen, die DDR-Stasi-Fuehrung habe nach der Wende beschlossen der Stasi die (Allein-)Schuld fuer die Grausamkeiten zu geben? War irgendwo jenseits meiner Standard-Leseliste, muesste man wohl google-suche betreiben. - Aber offenbar ist diese Strategie (teilweise) aufgegangen. - Es war nicht alles schlimm....
Exakt. Das erklärt, denke ich, auch die Bereitschaft der PDS zu Stasi-Überprüfungen, bis hin zur Verpflichtung für ihre Abgeordneten, Stasi-"Verstrickungen" zuzugeben.
Das sind Bauernopfer. Je mehr man das MfS in den Mittelpunkt der Diskussion rückt, umso besser kann man die restliche DDR als eine sozialistische Idylle schildern; oder wie Günter Grass als eine "kommode Diktatur".
Ich glaube nicht, dass man alle die in der DDR für den Staat arbeiteten einfach gleichsetzen und für gleich schuldig erklären kann. Sicherlich würde es gut tun, dass zumindest für hohe Ämter und die Stasi zu tun, aber wie sieht es aus mit anderen Gesellschaftsgruppen?
Lehrer waren auch integraler Bestandteil des Systems und haben ihm - je nach eigener Wertvorstellung - mit mehr oder weniger Elan gedient. Was ist mit Soldaten die länger als die Pflichtzeit gedient haben? Was ist mit kleineren lokalen administrativen und bürokratischen Funktionen? etc. Irgendwo muss man Grenzen ziehen und da sind auch die Leute unterschiedlich schuldig.
Ich stimme dem, was Sie da sagen, lieber Zettel, im Wesentlichen ja zu. Und trotzdem ist mir das:
Zitat Wer in einer anderen Funktion als im MfS für die Dikatur arbeitete, der machte sich exakt genauso schuldig wie die Hauptamtlichen und die Inoffiziellen des MfS.
zu undifferenziert.
Zum einen macht es für mich einen großen Unterschied, ob sich einer mit Parteiabzeichen als Genosse hingestellt hat, sich so also offen mit der SED und ihrer Politik (mehr oder weniger) identifiziert hat, aus welchen Gründen auch immer, oder ob einer sich als etwas anderes ausgegeben hat, z. B. als guter Christ oder persönlicher Freund, und sich trotzdem bewusst von der SED als Stasi-IM hat instrumentalisieren lassen. Das eine ist Dummheit oder Opportunismus oder Verblendung oder was auch immer; damit kann und muss man irgendwie umgehen. Das andere ist Vertrauensbruch und Verrat; damit kann man nicht vernünftig umgehen.
Zum anderen sind die Grenzen, was es bedeutet "für die Diktatur zu arbeiten", doch sehr unterschiedlich. Natürlich hat ein Block-CDU-Mitglied Tillich als Stv. Vorsitzender des Rates des Kreises Kamenz auch für die Diktatur gearbeitet. Aber eben doch ganz anders und mit anderer Motivation als der Stasi-Chef des Kreises oder der Vorsitzende der SED-Kreisleitung.
Zum dritten muss man auch bei den SED-Mitgliedern differenzieren. Bei weitem nicht jeder hat sich mit der Politik von Partei und Staat so identifiziert, dass er für die Verbrechen z. B. der Stasi mitverantwortlich gemacht werden könnte. Man darf nicht vergessen, dass die SED eine zentralistische Kaderpartei war, deren Politik von einem engen Machtzirkel (Politbüro) bestimmt wurde. Die Gründe, SED-Mitglied zu sein, und die individuelle Nähe zur offiziellen Parteilinie waren durchaus unterschiedlich.
Zum vierten hat sich jeder, der unter den Bedingungen der SED-Diktatur lebte und kein offener Widerstandskämpfer wurde, in gewisser Weise schuldig gemacht.
Ich sehe keine andere Möglichkeit, damit umzugehen, als geduldig zu differenzieren.
Zitat von HerrIch stimme dem, was Sie da sagen, lieber Zettel, im Wesentlichen ja zu. Und trotzdem ist mir das:
Zitat Wer in einer anderen Funktion als im MfS für die Dikatur arbeitete, der machte sich exakt genauso schuldig wie die Hauptamtlichen und die Inoffiziellen des MfS.
zu undifferenziert.
Diese Bitte um eine deutlich stärkere Differenzierung möchte ich nachdrücklich aufgrund eigener beruflicher Erfahrung unterstreichen!
Meine Erfahrung bezieht sich zwar nicht in eerster Linie auf die DDR, wohl aber auf die Volkdeutschen in der ehemaligen UdSSR. Da spielte eine sog. systemstützende Stellung bei der Aufnahme als Spätaussiedler eine ausschlaggebende Rolle (jetzt nicht mehr, mangels Spätaussiedlern, im Gesetz steht es freilich immer noch). Der Behördenpraxis nach und nach der Ansicht unserer Volksvertreter hat zeitweise praktisch jeder, der nur ein bißchen mehr konnte als lesen und schreiben, systemstützend gewirkt. Die Gerichte haben das zwar später teilweise korrigiert, aber wieder ihre eigenen, teils abstrusen Erwägungen angestellt.
Allen drei Säulen unseree Staates, Exekutive, Legislative und Justiz, war es unmöglich, sich schlicht und ergreifend die praktischen Lebensverhältnisse in einer Diktatur vorzustellen.
Zitat von Herr Zum einen macht es für mich einen großen Unterschied...
Ich habe das in der Gegend hinter dem Erzgebirge genau so erlebt. Es war oft die Frage der persönlichen Einschätzung der Lage, ob man sich entschloß das System von innen zu bekämpfen, seine Auswirkungen u.U. zu mildern, oder sich so weit es ging komplett distanzierte. Ich kannte auch persönlich Mitglieder der KPC, die sich auch rückblickend als integer erwiesen haben, und solche, die sich als Gegner des Systems präsentierten, in Wirklichkeit aber für das System arbeiteten. Man muß wirklich jeden Einzelfall getrennt betrachten, aber auch das hilft nicht viel, weil man in die Leute nicht reinschauen kann.
Die Beurteilung von Menschen ist eines der Probleme, die sich in der Regel mit unseren irdischen Mitteln nicht lösen lassen. In diesem Zusammenhang beneide ich manchmal gläubige Menschen um deren Sicherheiten. Auch wenn selbst ich die stille Hoffnung habe, daß jede Schlechtigkeit und auch das Gegenteil davon wieder "irgendwie, irgendwo, irgendwann" kompensiert wird.
Die Anzahl der internen Gegner des Systems (bzw. der integren Menschen darin) nahm nach dem Prager Frühling leider deutlich ab, weil sich alle in diesem Zusammenhang natürlich geoutet hatten. Und in der Regel nicht bereit waren, dem später wieder abzuschwören. Ich kann mich an eine Zeichnung des zu der Zeit wohl bekanntesten Karikaturisten Vladimír Jiránek erinnern, die ungefähr im Mai erschien: Zwei Spitzel unterhalten sich auf der Straße und der eine sagt: "Na, die erste landesweite Überprüfung der Zuverlässigkeit läuft doch ganz ordentlich, oder?" Haben wir gelacht...
ich stimmt Ihnen durchaus zu; man muß differenzieren. Mir scheint aber, daß diese Differenzierung sozusagen orthogonal zu der Einteilung in MfS/restliche DDR stehen sollte.
Die Diskussionen, die ich seit der Wende dazu führe, stehen immer unter dem Vorbehalt, daß ich als Wessi vieles nicht so beurteilen kann wie einstige DDR-Bürger. Aber die Diskussion muß ja geführt werden; gerade auch im Westen, wo bis 1989 von den dominierenden Medien ein nachgerade idyllisches Bild der DDR gezeichnet worden war.
Mir scheinen vor allem zwei Differenzierungen erforderlich.
Sie schreiben:
Zitat von HerrZum einen macht es für mich einen großen Unterschied, ob sich einer mit Parteiabzeichen als Genosse hingestellt hat, sich so also offen mit der SED und ihrer Politik (mehr oder weniger) identifiziert hat, aus welchen Gründen auch immer, oder ob einer sich als etwas anderes ausgegeben hat, z. B. als guter Christ oder persönlicher Freund, und sich trotzdem bewusst von der SED als Stasi-IM hat instrumentalisieren lassen. Das eine ist Dummheit oder Opportunismus oder Verblendung oder was auch immer; damit kann und muss man irgendwie umgehen. Das andere ist Vertrauensbruch und Verrat; damit kann man nicht vernünftig umgehen.
Dem stimme ich voll und ganz zu. Aber es ist eine moralische, keine politische Dimension. Schweine und schwache Charaktere gibt es überall. Die Besonderheit der DDR war, daß man sich ihrer systematisch bedient hat.
Es gab ja aber auch den riesigen hauptamtlichen Apparat des MfS. Das war das eigentliche Schwert und Schild der Partei; und darauf bezog sich hauptsächlich meine These, daß dieser Teil des DDR-Herrschaftsapparats nicht schlimmer war als die anderen Teile. Das MfS tat das, was das Politbüro und das ZK wollten und was alle billigten, die sich mit der SED identifizierten. Bei diesen sehe ich deshalb keine geringere Schuld als bei den Mitarbeitern des MfS.
Zitat von HerrZum anderen sind die Grenzen, was es bedeutet "für die Diktatur zu arbeiten", doch sehr unterschiedlich. Natürlich hat ein Block-CDU-Mitglied Tillich als Stv. Vorsitzender des Rates des Kreises Kamenz auch für die Diktatur gearbeitet. Aber eben doch ganz anders und mit anderer Motivation als der Stasi-Chef des Kreises oder der Vorsitzende der SED-Kreisleitung.
Auch dem stimme ich ausdrücklich zu. Ich wollte nicht den Eindruck erwecken, ich würde da keine Unterschiede sehen; wenn dieser Eindruck entstanden ist, dann tut mir das leid.
Mit einem der DDR-Kollegen, die als "Reisekader" regelmäßig in die Bundesrepublik kommen durften, war ich - man kann das schon so nennen - befreundet. Er war Mitglied der SED und träumte den Traum von einem Sozialismus mit menschlichem Antlitz. Zur Wendezeit (als die Wiedervereinigung noch nicht auf der Tagesordnung stand) hat er uns besucht und meinte, jetzt würden in der DDR die Intellektuellen an die Macht kommen statt der Apparatschiks, und sie würden endlich den wahren Sozialismus in Angriff nehmen. Er ist ein netter, feiner Mensch und war auf seine Art damals Kommunist. Ob er es heute noch ist, weiß ich nicht.
Also, lieber Herr, zwischen so jemandem und jemandem wie Gysi liegen auch für mich Welten.
Zitat von HerrZum dritten muss man auch bei den SED-Mitgliedern differenzieren. Bei weitem nicht jeder hat sich mit der Politik von Partei und Staat so identifiziert, dass er für die Verbrechen z. B. der Stasi mitverantwortlich gemacht werden könnte. Man darf nicht vergessen, dass die SED eine zentralistische Kaderpartei war, deren Politik von einem engen Machtzirkel (Politbüro) bestimmt wurde. Die Gründe, SED-Mitglied zu sein, und die individuelle Nähe zur offiziellen Parteilinie waren durchaus unterschiedlich.
Ita est.
Zitat von HerrZum vierten hat sich jeder, der unter den Bedingungen der SED-Diktatur lebte und kein offener Widerstandskämpfer wurde, in gewisser Weise schuldig gemacht.
Da sind Sie strenger als ich, lieber Herr. Ich habe dieselbe Konstellation ja schon einmal erlebt, bezogen auf das Verhalten der Mitläufer in der Hitler-Diktatur.
Ich habe mit meinen Eltern und Großeltern manchmal darüber geredet (viel zu wenig, und jetzt sind alle tot). Sie haben sich in einer schwierigen Zeit - in so schlimmen Zeiten, wie wir Nachgeborenen es uns kaum vorstellen können - zu arrangieren versucht. Mein Großvater hat ehrenamtlich für die NSV (NS-Volksfürsorge) gearbeitet; wohl etwa der "Volkssolidarität" in der DDR entsprechend. Er hat Geld gesammelt, als gelernter Kaufmann Bücher geführt. Dafür mußte er, nachdem die Spruchkammer gesprochen hatte, "Steine klopfen", wie er immer sagte.
Es ist heute eine - unter unseren demokratischen Bedingungen falsche - weitverbreitete Meinung, daß "die da oben ja doch machen, was sie wollen" und daß "der kleine Mann eh nichts tun kann". In den beiden deutschen Diktaturen war das aber die Wirklichkeit. Ich kann, lieber Herr, niemanden schuldig sprechen, der sich dieser Wirklichkeit angepaßt hat.
Offenbar ist mein Artikel in diesem Punkt wirklich mißverständlich. Ich wollte nicht alle, vom ZK-Sekretär bis zum kleinen SED-Mitglied, für gleich schuldig erklären. Sondern es ging mir darum, daß auf allen Ebenen die Mitarbeiter des MfS nicht die einzig Schuldigen, oder die besonders Schuldigen waren.
Natürlich war Markus Wolf, der nach der Wende von den meisten westlichen Medien mit unglaublicher Langmut behandelte Stellvertreter Mielkes, ebenso schuldig wie jedes Mitglied des Politbüros. Aber ich kann andererseits nicht sehen, daß jemand, der beim MfS als Pförtner arbeitete, mehr Schuld auf sich geladen hat als der Lehrer, der den Kindern Diamat eintrichterte.
Zitat von JeffDavisAllen drei Säulen unseree Staates, Exekutive, Legislative und Justiz, war es unmöglich, sich schlicht und ergreifend die praktischen Lebensverhältnisse in einer Diktatur vorzustellen.
Zitat von UngeltDie Anzahl der internen Gegner des Systems (bzw. der integren Menschen darin) nahm nach dem Prager Frühling leider deutlich ab, weil sich alle in diesem Zusammenhang natürlich geoutet hatten. Und in der Regel nicht bereit waren, dem später wieder abzuschwören. Ich kann mich an eine Zeichnung des zu der Zeit wohl bekanntesten Karikaturisten Vladimír Jiránek erinnern, die ungefähr im Mai erschien: Zwei Spitzel unterhalten sich auf der Straße und der eine sagt: "Na, die erste landesweite Überprüfung der Zuverlässigkeit läuft doch ganz ordentlich, oder?" Haben wir gelacht...
Ein makabrer Witz, lieber Ungelt, denn in China hat Mao das ja tatsächlich so gemacht.
Er eröffnete im Frühjahr 1956 die Kampagne "Laßt hundert Blumen blühen", in der er zu offener Kritik aufforderte. Nachdem viele Mao getraut und sich hervorgewagt hatten, folgte ein Jahr später die "Bewegung zur Berichtigung der hervorgetretenen rechten Elemente in Bürgertum und Intelligenz".
Diejenigen, die sich freimütig geäußert hatten, wurden verfolgt. Wer von diesen (meist) Intellektuellen Glück hatte, der wurde nur zu niedriger körperlicher Arbeit deportiert; andere wurden ins Gefängnis geworfen oder ermordet. Die Zahl der Opfer wird auf mehr als eine halbe Million geschätzt. Siehe zum Beispiel diese Rezension und den Artikel in der Wikipedia.
Zitat von HerrIch stimme dem, was Sie da sagen, lieber Zettel, im Wesentlichen ja zu. Und trotzdem ist mir das: (...) zu undifferenziert.
Dem möchte ich mich anschließen, lieber Herr. Wer nicht in einer Diktatur gelebt hat kann gar nicht ermessen, wie subtil dort immenser Druck ausgeübt wird um systemkonformes Verhalten zu "erpressen".
Es fängt bei den Kindern und Jugendlichen an, die doch bitteschön alle den diversen wichtigen "Organisationen" beitreten sollten (damit sie später keine Schwierigkeiten haben). Später dann gab es subtilen Druck, sich doch länger für die NVA zu verpflichten, wenn man mal studieren möchte oder auch nur den LKW-Führerschein bei der GST machen will (ohne jahrelang auf einen Fahrschulplatz zu warten).
Tja, und im Beruf erst! Man stelle sich vor, dass Vollpfosten an einem vorbei befördert werden, weil sie sich in der Partei und/oder den Betriebs-Kampfgruppen engagieren. Und dann kommt der Chef und sagt dir, dass er deine Arbeit ja ganz toll findet, aber dein gesellschaftliches Engagement doch noch ausbaufähig wäre ... "Haben sie sich schon mal mit den Zielen unserer Partei auseinandergesetzt? Ich bin mir sicher, dass sie sich dort toll einbringen könnten."
Da sind viele schwach geworden. Das System war ja über 40 Jahre etabliert und keiner hat '89 vorausgesehen. Also haben sich viele einfach mal ein SED-Parteibuch besorgt, ohne sich damit zu identifizieren. Denen trage ich nicht allzuviel nach. Denen, die nicht schwach geworden sind und trotzdem ihren Weg gemacht haben wird aber auch heute, zwanzig Jahre danach, absolute Hochachtung entgegen gebracht. Wenn es von einer Führungskraft heißt: "Der ist nie in die Partei eingetreten!" weiß man, dass der wirklich kompetent war, und sein Chef an ihm nicht vorbei kam.
Ich weiß nicht, ob ich hätte standhalten können, wenn sich so ein Angebot, das man nicht ablehnen kann auf mich selbst bezogen hätte. Wirklich nicht. Als passive Karteileiche, die ab und an zu Parteischulungen muss und ein bissl rote Knete auf Abruf parat hat, macht man ja keinen Schaden (in einer solchen Diktatur!). Da will ich nicht den Stab über anderen brechen.
Wo es allerdings aufhört ist die Spitzelei. Sowas ist einfach nur widerlich, und die früheren Spitzel können einfach keine guten Menschen sein. SED-Mitgliedschaft kann ich tolerieren, aber eine klandestine Betätigung als IM ist einfach nur schändlich.
Beste Grüße, Calimero
Nachtrag: Meine Güte, Zettel schreibt eindeutig schneller als ich!
---------------------------------------------------- Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire
damit hätten Sie das klar gestellt, was mir in Ihrem Artikel zu pauschal daherkam. Danke!
Zitat
Zitat von Herr Zum vierten hat sich jeder, der unter den Bedingungen der SED-Diktatur lebte und kein offener Widerstandskämpfer wurde, in gewisser Weise schuldig gemacht.
Da sind Sie strenger als ich, lieber Herr.
Das ist vor allem Strenge mit mir selbst. Obwohl ich sicher weniger mitgelaufen bin als die allermeisten, sage ich im Rückblick immer noch: Es war mehr als nötig und es war viel Feigheit dabei.
Zitat Es ist heute eine - unter unseren demokratischen Bedingungen falsche - weitverbreitete Meinung, daß "die da oben ja doch machen, was sie wollen" und daß "der kleine Mann eh nichts tun kann". In den beiden deutschen Diktaturen war das aber die Wirklichkeit.
Ich bin nämlich der Meinung, dass es auch in der Diktatur nicht so war, dass man nichts tun konnte. Jedenfalls hat das Ende der SED-Diktatur eine ganze Menge damit zu tun, dass es Leute gab, die den Mut hatten, was zu tun. Bzw. sich zu verweigern.
Selbstverständlich muss sich der Mensch an seine Umwelt anpassen. Das gilt auch für seine soziale Umgebung. Da die DDR ein totalitärer Staat war (für mich war er totalitär, auch wenn einige ProfessorInnen da etwas anderes behaupten – ich bin halt nur ein einfacher Ingenieur und benutze meinen gesunden Menschenverstand) war die gewünschte Anpassung auch eine totale Unterordnung. Wer eine Leitungsfunktion haben wollte, musste bestimmte Unterordnungsrituale durchlaufen. Auch wer eine Hochschule besuchen wollte musste „gesellschaftliches Engagement“ (wie das damals genannt wurde) zeigen (mit Ausnahme theologischer Studiengänge, hier existierte tatsächlich eine Nische) und mit den Kommunisten mitheulen (wenn heute ehemalige Ossis behaupten, dass sie ihren Abschluss geschafft haben, ohne sich gesellschaftlich zu engagieren, dann waren das die seltenen Ausnahmen – wenn Sie an solchen Aussagen zweifeln, dann lassen Sie sich das Pionierehrenwort geben – das ist sicher - Pioniere durften nicht lügen [zur Erläuterung: http://de.wikipedia.org/wiki/Pionierorga...t_Th%C3%A4lmann]). Dieses notwendige Mitmachen war nun mal erforderlich, dieses zu kritisieren geht an der Realität vorbei und ist schlichtweg unsinnig. Wer mitgemacht hatte, hat was erreicht und wird auch heute noch hoch geachtet (wie der Beitrag von Zettel, hier weiter oben, deutlich zeigt ) – wer nicht mitgemacht hat ist halt nix geworden. Über dieses erforderliche Mitmachen hinaus, gab es noch andere Formen kommunistischen Engagements. Man darf sich die DDR nicht so vorstellen, dass die Partei nun alles zentral vorgegeben hat. Da gab es durchaus auch Freiräume für Leute, die sich gerne über andere erheben, und diese gar quälen wollten. Ein besonders großer Freiraum war die Stasi (ich meine im Folgenden hauptamtliche Mitarbeiter – bei den IM’s halte ich das für komplizierter). Die Stasi war Staat im Staate – vor der Stasi hatten auch höhere SED-Funktionäre Schiß - die Stasi war auch bei strammen Mitmachern nicht gut angesehen – das waren Büttel für die Drecksarbeit. Meiner Meinung nach bedurfte es auch eines besonders gestörten moralischen Empfindens um sich hauptamtlich bei der Stasi zu verdingen – das gilt auch für Hilfskräfte – zur Stasi ging man nicht freiwillig – das war allgemeiner Konsens - Stasimitgliedschaft war halt der geäußerte Wille eine besondere Rolle im Unterdrückungsapparat zu spielen. Deshalb finde ich es richtig, dass die ehemaligen (hauptamtlichen) Stasileute heute besonders verachtet werden, auch wenn es sicher andere SED-Bonzen gab, die gleiche oder mehr Schuld auf sich geladen haben (mit denen muss man sich speziell auseinandersetzen – in dieser Hinsicht haben Sie, lieber Zettel, recht).
Ich stimme Ihnen zu, lieber Geozentriker - soweit ich als Wessi das alles beurteilen kann. Und möchte noch einmal dies kommentieren:
Zitat von GeozentrikerDeshalb finde ich es richtig, dass die ehemaligen (hauptamtlichen) Stasileute heute besonders verachtet werden, auch wenn es sicher andere SED-Bonzen gab, die gleiche oder mehr Schuld auf sich geladen haben (mit denen muss man sich speziell auseinandersetzen – in dieser Hinsicht haben Sie, lieber Zettel, recht).
Verachtung haben sie sicherlich verdient, das sehe ich auch so. Wer seine Befriedigung darin findet, andere Menschen zu verfolgen, zu demütigen, zu quälen, der ist sicherlich kein erfreulicher Charakter (es mag seltene Ausnahmen gegeben haben, die vielleicht so waren wie der fiktive Gerd Wiesler in "Das Leben der Anderen").
Aber das ist aus meiner Sicht eben die menschliche Ebene, nicht die politische. Diejenigen, die mit der "Arbeit" des MfS einverstanden waren - und das dürften so gut wie alle vom Kommunismus überzeugten SED-Mitglieder gewesen sein, nicht nur die Nomenklatura -, haben sich genauso schuldig gemacht wie diejenigen, die mit der Drecksarbeit beauftragt waren.
Sie sind aber ganz überwiegend nicht nur glimpflich davongekommen, diese vielen kleinen Stützen der Diktatur, sondern viele haben sich in der von ihnen einst gehaßten und verunglimpften "BRD" bestens eingerichtet.
Ich habe in dem Artikel den Kommentar von e.elsolami nur im Auszug zitiert. Hier ist ein anderer Auszug:
Zitat von e.elsolamiDass in den Verwaltungen, Medien, Sportvereinen bis zu den Laubenpieperverbänden die alten Seilschaften bis heute existieren, wird niemand ernsthaft bestreiten wollen. Auch für die Medien der alten Bundesrepublik gilt: Wo ein Genosse ist, da ist die Partei. Ich persönlich habe die Durchseuchung von RBB, ZDF, ARD-Hauptstadtstudio und Sat1 mit den alten Kadern der Aktuellen Kamera, Sport aktuell etc. erlebt. Ironie der Geschichte: diese Seilschaften verdienen durch sogenannte Erfahrungszulagen heute mehr als die Flüchtlinge, welche beim damaligen SFB ihre DFF-Dienstjahre nicht anerkannt bekamen.
Aus meiner Sicht haben die Kommunisten das MfS ganz bewußt zum Sündenbock gemacht. Dieses Opfer - daß sie in Verschiß gerieten - mußten die Genossen vom MfS der Partei halt bringen; jeder Kommunist weiß, daß er nichts ist und die Partei alles.
Je mehr sich die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Machenschaften des MfS konzentrierte, umso mehr konnten Altgenossen wie Gysi, Bisky und Barsch, die an den Verhältnissen in der DDR nicht weniger Schuld trugen als jeder Offizier des MfS, sich als die guten Sozialisten darbieten. Und in ihrem Windschatten die zahllosen an der Sektion Journalistik an der Karl-Marx-Universität Leipzig (interner Name "Das rote Kloster") ausgebildeten Journalisten, die jetzt überall die Redaktionen bevölkern.
Daß sich Nachrichtensendungen und "Magazine" heute oft so anhören, als seien sie vom DFF produziert, ist keine Nachahmung; sondern dieselben Leute machen wieder das, was sie auch damals gemacht haben: Parteilichen Journalismus.
Zitat von Zettelund das dürften so gut wie alle vom Kommunismus überzeugten SED-Mitglieder gewesen sein
Da bin ich aus meiner direkten Anschauung anderer Meinung! Natürlich kann auch ich keine Gedanken lesen, ich bin aber trotzdem der Meinung, dass in der ehemaligen DDR niemand wirklich an den Kommunismus geglaubt hat. O.k., in den sechziger Jahren gab es ein paar ältere Leute – die hatten im Krieg viel erlebt – der Wunsch, so etwas nicht wieder zu erleben, hat sicher einige Naive in die Arme der Kommunisten getrieben – es kann sein, dass diese wirklich an den Kommunismus geglaubt haben (glauben wollten) – die Erzählungen dieser bedauernswerten Menschen klangen jedenfalls für mich überzeugend. Später hat meiner Überzeugung nach niemand mehr echt an den Kommunismus geglaubt (höchstens ab und zu als Notlüge vor sich selbst, wenn einer dieser Lumpen in den Spiegel geguckt hat). Im Kommunismus wurde viel gesoffen, was denken Sie, was z.B. da für Wahrheiten ans Licht kamen (ich selbst war zwar nicht in der Partei – die Parteibonzen waren nicht der Umgang, den ich haben wollte – ich war aber auch kein Widerstandskämpfer und habe als Ingenieur [den man ab und zu doch mal fachlich brauchte] dennoch viel mit solchen Leuten zu tun gehabt). Dass diese Altgenossen nun wieder auf auskömmlichen Posten (nicht nur im ÖR-Fernsehen) sitzen, liegt nicht an den alten Seilschaften, sondern an den neuen Seilschaften. Es sind viele ordentliche Leute nach der Wende in die ehemalige DDR gekommen um uns im Osten zu helfen. Aber es sind auch viele gekommen, die nur klar kommen wollten oder einfach nur Naiv waren. Wir im Osten mussten uns oft den Vorwurf gefallen lassen, dass wir die Chance verpasst haben eine bessere, gerechtere Gesellschaft aufzubauen, weil wir konsumgeil waren. Viele „Wessis“ hängen einer irgendwie nebulösen Vorstellung von einer besseren Welt nach (Sichworte: Maslow’sche Bedürfnispyramide, Selbstverwirklichung). Diese Idioten waren schnell gute Kumpels von den alten SED-Genossen (die ihnen durch ihr Wissen, wo noch was zu holen ist, dienlich waren oder nur geschickt genug gelogen haben [und damit den wirren Vorstellungen der roten Wessis entsprochen haben]). Dieser Sumpf ist natürlich der Nährboden einer neuen Diktatur. Die steigende Armut der Leute hier im Osten ist da noch zusätzlicher Dünger (hier gibt es viele Leute, die jetzt Probleme haben ihre Heizölrechnung zu bezahlen - die wählen entweder gar nicht, oder aus Protest die Roten). Deshalb sollten wir unsere heutigen Probleme nicht mehr der alten DDR anlasten – die sind heute hausgemacht. Es fehlt politischer Gestaltungswille, die Wirtschaft wird massiv durch den ganzen Ökoblödsinn behindert (z.B. Energiekosten!!! - aber nicht nur). Vernünftige, gesellschaftliche Ziele werden nicht mehr definiert, die geistige Grundhaltung (nicht nur der einfachen Leute, auch der sogenannten Intellektuellen) ist bestimmt von hemmungslosem Individualismus und unsinnigen Selbstverwirklichungsphantasien. In dieser Umgebung sind immer mehr solche Leute erfolgreich, die in Diktaturen immer klarkommen (wie Fettaugen, man kann die Suppe umrühren wie man will, die schwimmen immer oben). Politisch gesehen kommen Sie mit sachlicher Diskussion auch nicht weiter (wie viele lesen eigentlich diesen Blog? - wobei ich diesem Blog natürlich eine möglichst große Leserschaft wünsche!). Deshalb – so schlecht ist die Stasidiskussion gar nicht. Da wird wenigstens in großer Breite die Vorstellung aufrechterhalten, dass in der ehemaligen DDR nicht alles gut war. Eine Lösung für Deutschland sehe ich nur, wenn die Leute hier in der Gesamtheit vernünftig werden und mit dem ganzen Selbstverwirklichungsunsinn aufhören (was sehr schnell geschehen kann, wenn die gut bezahlten und bequemen Arbeitsplätze in den größeren Konzernen im Westen weniger werden – dann geht der Wohlstand zurück – die Leute müssen sich um andere Probleme kümmern).
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