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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 15 Antworten
und wurde 885 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Gorgasal Offline




Beiträge: 4.094

15.01.2010 17:40
Gorgasals Kleinigkeiten: Haiti, Rassismus und Katrina Antworten

Die Hilfe nach dem Hurrikan Katrina lief seinerzeit langsam an - so langsam, dass Präsident Bush vorgeworfen wurde, kein Interesse an schwarzen Opfern zu haben.

Ich frage mich, was für Schlussfolgerungen aus der langsamen Hilfe in Haiti gezogen werden.

--
La sabiduría se reduce a no olvidar jamás, ni la nada que es el hombre, ni la belleza que nace a veces en sus manos. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

15.01.2010 22:34
#2 RE: Gorgasals Kleinigkeiten: Haiti, Rassismus und Katrina Antworten

Also - bei dieser Logik komme ich nicht mit: Die Menschen sind verärgert, weil die Hilfe so langsam anrollt, und deswegen errichten sie Barrikaden, auf dass die Hilfe jetzt noch langsamer kommt? Bäh, Ihr wart so langsam, und jetzt lassen wir Euch nicht mehr rein?
Mir scheint, dass hier in der Berichterstattung ein Fehler ist. Vielleicht Barrikaden, um Plünderer fernzuhalten??

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

15.01.2010 23:06
#3 RE: Gorgasals Kleinigkeiten: Haiti, Rassismus und Katrina Antworten

Zitat von Gorgasal
Die Hilfe nach dem Hurrikan Katrina lief seinerzeit langsam an - so langsam, dass Präsident Bush vorgeworfen wurde, kein Interesse an schwarzen Opfern zu haben.
Ich frage mich, was für Schlussfolgerungen aus der langsamen Hilfe in Haiti gezogen werden.


Lieber Gorgasal, die Schlußfolgerung, die Obama zu ziehen scheint, besteht in besseren public relations als damals bei Bush. Howard Fineman in Newsweek:

Zitat von Newsweek
Now the Obama administration's competence and compassion will be tested in a similar racial context—and with a much worse infrastructure. Obama and his aides understand all of this. The president was out early today with a strong statement about American efforts to deal with the aftermath of the devastating Haitian earthquake.

Expect to see a parade of official statements and rescue missions. Expect to see the Pentagon deeply involved—ships and soldiers—to supplement international relief efforts. Expect to see the president and chief of staff Rahm Emanuel keeping a close, minute-by-minute watch on what is happening around the island.


Und wie es der Zufall will, hat heute Vizepräsident Biden durch eine Blitzreise auf den Zusammenhang aufmerksam gemacht. Aus der offiziellen Ankündigung:

Zitat von White House Press Office
Vice President Biden and Dr. Jill Biden to Travel to Louisiana and South Florida

On Friday, the Vice President will Highlight New Recovery and Rebuilding Efforts in New Orleans and Grand Lake, Louisiana; Dr. Biden to Visit Delgado Community College in New Orleans

On Saturday, the Vice President and Dr. Jill Biden will Travel to South Florida to Meet with Members of the Haitian-American Community and Responders who are Mobilizing Relief Efforts for Haiti

Washington, D.C. - Vice President Joe Biden will be in Louisiana on Friday to announce steps the Administration is taking to assist recovery and rebuilding efforts in the Gulf Coast region after Hurricanes Katrina and Rita. The Vice President will be joined by Senator Mary Landrieu at separate events in New Orleans and Cameron Parish in Grand Lake. In addition, Governor Bobby Jindal and Mayor Ray Nagin will make remarks at the event in New Orleans. During his visit, the Vice President will also highlight how Recovery Act investments are improving economic conditions and aiding communities in Louisiana...

On SATURDAY, the Vice President and Dr. Jill Biden will be in South Florida to meet with members of the Haitian-American community regarding our response to the crisis in Haiti. The Bidens will also be meeting with responders based in South Florida who are supporting and mobilizing relief efforts in Haiti. Further details and media logistics will be released tomorrow.


It's public relations, stupid!

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

15.01.2010 23:19
#4 RE: Gorgasals Kleinigkeiten: Haiti, Rassismus und Katrina Antworten

Zitat von Gansguoter
Also - bei dieser Logik komme ich nicht mit: Die Menschen sind verärgert, weil die Hilfe so langsam anrollt, und deswegen errichten sie Barrikaden, auf dass die Hilfe jetzt noch langsamer kommt? Bäh, Ihr wart so langsam, und jetzt lassen wir Euch nicht mehr rein?

Mir scheint, dass hier in der Berichterstattung ein Fehler ist. Vielleicht Barrikaden, um Plünderer fernzuhalten??


Der Bericht scheint auf das zurückzugehen, was ein einziger Fotograf gesehen haben will; Shaul Schwarz vom "Time Magazine". Ich frage mich, wie man erkennt, daß da nicht einfach Leichen aufgehäuft wurden, sondern daß es eine Barrikade sein sollte.

In Deutschland ist die Meldung offenbar von "Bild" verbreitet worden, auch in der internationalen Ausgabe, und dann wandert sowas durch die Blogs.

Ohne eine Bestätigung durch unabhängige Reporter würde ich erst mal kein Wort glauben.

Herzlich, Zettel

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.094

15.01.2010 23:48
#5 RE: Gorgasals Kleinigkeiten: Haiti, Rassismus und Katrina Antworten

Zitat von Zettel
Der Bericht scheint auf das zurückzugehen, was ein einziger Fotograf gesehen haben will; Shaul Schwarz vom "Time Magazine". Ich frage mich, wie man erkennt, daß da nicht einfach Leichen aufgehäuft wurden, sondern daß es eine Barrikade sein sollte.


Ganz meine Meinung. Vielleicht hätte ich den Bericht gar nicht erst verlinken sollen, so entenhaft hört sich das an... aber nachher weiß man ja alles besser.

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Ungelt ( gelöscht )
Beiträge:

16.01.2010 00:47
#6 RE: Gorgasals Kleinigkeiten: Haiti, Rassismus und Katrina Antworten

Nur der Vollständigkeit halber: Eine solche "Barrikade" kann auch dazu dienen, Hilfsfahrzeuge am Durchfahren zu hindern. Der Anblick durchfahrender Hilfsfahrzeuge, in Anbetracht verschütetter Familienangehöriger oder Freunde, würde mich möglicherweise auch dazu veranlassen. Man kann ja nicht gleichzeitig graben und die Straße im Auge haben.

Hias Offline



Beiträge: 138

16.01.2010 02:01
#7 RE: Gorgasals Kleinigkeiten: Haiti, Rassismus und Katrina Antworten

Hm, wenn es Obama jetzt aber tatsächlich schaffen sollte, dass die Hilfe in Haiti schneller und effektiver anläuft als damals in New Orleans, dann ist Bush aber nachträglich nochmals mächtig blamiert.

Immerhin war und ist New Orleans ne Großstadt in einem reichen Land mit ausgebauter Infrastruktur und enormen staatlichen Ressourcen.
Haiti ist so ziemlich das Gegenteil. Da innerhalb von einer Woche breite und massive Hilfe anlaufen zu lassen, das ist echt eine logistische Meisterleistung.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.094

16.01.2010 08:39
#8 RE: Gorgasals Kleinigkeiten: Haiti, Rassismus und Katrina Antworten

Zitat von Hias
Immerhin war und ist New Orleans ne Großstadt in einem reichen Land mit ausgebauter Infrastruktur und enormen staatlichen Ressourcen.


Nach Katrina sah die Infrastruktur in New Orleans teilweise auch nicht mehr so gut aus.

--
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Frank2000 Offline




Beiträge: 3.430

20.01.2010 00:17
#9 RE: Gorgasals Kleinigkeiten: Haiti, Rassismus und Katrina Antworten

Hallo zusammen,
die Katastrophe in Haiti ist brutal, dramatisch und -so weit man es zulässt, die Bilder an sich ranzulassen- erschütternd.
Trotzdem nagt seit Tagen ein Gedanke in mir, von dem ich nicht weiß, ob er eine Ausgeburt eines moralischen Defekts meinerseits ist - oder ob nicht doch ein Körnchen Wahrheit darin steckt.
Sollte mein Beitrag also bei einigen Lesern hier befremden auslösen, dann habe ich nichts dagegen, verbal zurechtgewiesen zu werden.

Dieser nagende Gedanke, den ich krampfhaft versuche wegzudenken, ist die negative Korrelation des bösen Kapitalismus mit der Abwehr und Folgenbeseitigung von Großkatastrophen.
Je reicher ein Land ist, desto besser sind seine Vorbeugemaßnahmen (Naturkastrophen richten also nicht so viel Schaden an) und desto besser kann außerdem das Land mit den Folgen der Katastrophe fertig werden.
Haiti war besonders arm, ist also auch besonders stark von der Kastrophe betroffen.
Länder wie Haiti sind meiner Meinung nach aber nicht arm, weil wir es verhindern - sie sind arm, weil die dortige Gesellschaft es so will. Natürlich ist das eine stark verallgemeinernde Aussage. Aber ich denke schon, dass es Gesellschaften gibt, die stärker leistungsorientiert sind als andere - und damit auch schneller den Sprung zur wohlhabenden Gesellschaft schaffen. Und damit mehr Mittel zur Gefahrenabwehr besitzen. Ich halte das im Kern für ein kulturelles Phänomen, wenn ein Land dauerhaft arm ist.

In Deutschland gibt es, so weit ich das überblicken kann, eine extrem romantische Sichtweise über Länder wie Haiti, Zentralafrika oder die Westküste Südamerikas. So von wegen "ursprünglichen Gesellschaften, die sich noch nicht vollständig dem Moloch Mammon verschrieben haben". Als Gegenstück dazu wird von einer bemerkenswert großen Gruppe in Deutschland die Marktwirtschaft herabgewürdigt und abgelehnt.

Jetzt zeigt sich aber, dass bei Katastrophen solcher Größenordnung die bösen kapitalistischen Länder ran müssen, um wenigstens ein paar Menschen zu retten. Ohne die Ressourcen der USA und der EU würden mindestens doppelt so viele Menschen sterben - an Verletzungen, Krankheiten und Lebensmittelknappheit.

Das wäre doch DIE Gelegenheit, mal ein paar lobende Worte über die Marktwirtschaft zu verlieren und das wir es uns leisten können, tausende Tonnen Hilfsgüter einfach mal so zu lagern - für schlechte Zeiten wie diese. Ein paar lobende Worte darüber, dass der böse Kapitalismus gerade zehntausenden Menschen das Leben rettet. (Hat übrigens Russland substanzielle Hilfsleistungen nach Haiti geschick? Aber das nur am Rande).

Diese urwüchsigen Gesellschaften mit ihrem "ursprünglichen, intuitiven Wissen", mit ihren edlen Wilden und ihren menschlichen Lebensformen - diese Gesellschaften töten in großem Maßstab. Ja, sie töten: durch mangelnde Vorsorge und mangelnde Leistungsfähigkeit.

Der Kapitalismus dagegen retten gerade Leben.

Aber anstatt das zu würdigen, scheint die Presse die Hilfe des Westens sogar noch irgendwie anrüchig zu empfinden. Da wird schon von "zu erwartender Kolonisierung" gesprochen (ganz böses Wort). Außerdem ist es natürlich irgendwie unsere Schuld, dass nicht rechtzeitig im ganzen Land bereits Hilfsleistungen eingetroffen sind. Warum nur habe ich den Eindruck, dass größere Katastrophen in schlecht industrialisierten Gebieten irgendwie immer doch die Schuld des bösen, kapitalistisch-imperialsitischen Westens sind? Seien es Hungersnöte, Erdbeben, Bürgerkriege, Stürme... irgendwie kriegt die deutsche Qualitätspresse doch immer den Dreh, dass "wir" irgendwie Mitschuld sind - während die ursprünglichen, menschenfruendlichen Fremdkulturen natürlich nichts, aber auch gar nichts dazu können.

Warum lese ich nicht einmal, nur einmal einen Artikel wie "Warum westliche Demokratie und soziale Marktwirtschaft der beste Katastrophensschutz sind". Aber nein, wenn man so etwas sagen würde, dann wäre man ja Kulturimperialist. Und gerade wir, als Enkel der Nazis...

Wie bereits in der Einleitung gesagt: ich bin mir nicht sicher, ob man so etwas angesichts der Dimension der Katastrophe überhaupt so etwas denken darf. Vielleicht gibt mir hier jemand einen Ratschlag, wie ich diesen bohrenden Gedanken loswerden kann. MfG Frank

Jorad Offline



Beiträge: 45

20.01.2010 02:00
#10 RE: Gorgasals Kleinigkeiten: Haiti, Rassismus und Katrina Antworten

Nunja, ich würde hauptsächlich der Aussage widersprechen es sei ein "kulturelles Phänomen". Die Deutschen hatten ja auch keine große Hemmung ihren ganzen Wohlstand zu vernichten. Um ein Haar hätte es auch im Westen kein Wirtschaftswunder gegeben.

Die Geschichte Haitis ist da eher ein trauriges Beispiel für eine über 200 Jahre andauernde Mißwirtschaft durch Regierungen.
Toussaint-Louverture als Gouverneur auf Lebenszeit machte den Anfang, abgelöst durch den 'Kaiser' Jean-Jacques Dessalines, der wiederum durch 'König' Henri I und Präsident auf Lebenszeit Alexandre Pétion. Das ging dann noch 200 Jahre so weiter mit über 30 Coups.
Eine korrupte Regierung löst die andere ab.
Da wundert man sich ob die mit der (wegen des Bebens) gefürchteten Anarchie nicht besser dran wären...

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

20.01.2010 09:11
#11 RE: Gorgasals Kleinigkeiten: Haiti, Rassismus und Katrina Antworten

Zitat
A Nigerian journalist once said of his country, “No known system of government works in Nigeria.” This is even truer of Haiti. It’s often claimed that Haiti’s desperate situation is the consequence of outside interference—principally American, of course—plus recurrent, often bizarre, dictatorship. But Haiti’s neighbor, the Dominican Republic, has suffered similar disadvantages; yet it prospers. Moreover, descriptions of Haiti after the American occupation of 1915 make clear that the country received many benefits from it, whatever the attendant humiliations. As with other forms of external help, however, the occupation’s benefits proved temporary and ultimately fruitless.

Nor does voluntary assistance seem to do much better. It’s estimated that 10,000 voluntary organizations operate in Haiti—one for every 800 residents—but the effect, globally speaking, has been minimal, whatever good work each organization does individually. The whole is less than the sum of its parts.

Theodore Dalrymple

Calimero ( gelöscht )
Beiträge:

20.01.2010 12:08
#12 RE: Gorgasals Kleinigkeiten: Haiti, Rassismus und Katrina Antworten

Zitat von Frank2000
Vielleicht gibt mir hier jemand einen Ratschlag, wie ich diesen bohrenden Gedanken loswerden kann.



Ich habe da keinen Ratschlag, weil es mir genauso geht. Wenn man empathiefähig ist, will man natürlich gut sein und hofft, dass es es doch allen Menschen so gut gehen soll, wie es einem selbst geht. Wenn man sich dann die Realität in diesen unerentwickelten Ländern ansieht und mit anderen Landstrichen anschaut (die auch mal unterentwickelt waren) müssen einem Zweifel kommen, ob es nicht doch an kulturellen Eigenarten liegt, dass dort nix vorangeht.

Nun bin ich weder Historiker noch Ethnologe, aber amateurhaft nachdenken kann ich ja auch.

Erstens sehe ich schon genetisch bedingte Unterschiede. Wenn Afrika wirklich die "Wiege der Menschheit" war, dann ist es schon bezeichnend, dass einige "die Wiege" verlassen haben und andere dort geblieben sind. Die "Weggezogenen" mussten sich hernach mit mit den Jahreszeiten z.B. Europas auseinandersetzen und Überlebensstrategien austüfteln (4-Felder-Wirtschaft, Räuchern, Pökeln etc.). Auch war es notwendig die Arbeit zu verteilen. Trotzdem war die Kindersterblichkeit hoch, und den Rest der Dezimierung erledigten Verteilungs- und Glaubenskriege.

Alles in allem sehr unwirtliche Bedingungen mit gnadenloser Selektion und dem Bestreben dieser entgegenzuwirken. Daher wurden Technologien entwickelt und die Medizin vorangetrieben. Die Wissensbewahrung und Schriftverbreitung nicht zu vergessen.

In klimatisch angenehmeren Breiten konnte man ja immernoch eine Maniokwurzel ausgraben, oder ein Gnu schießen. Das Wasser schleppten die Frauen auch aus kilometerweit entfernten Tümpeln ran. Der evolutionäre Druck war geringer.

Zweitens liegt m.E. viel am Glauben an "höhere Mächte". Voodoo in Haiti, Hexenglaube in Afrika und allen gemein der Glaube, dass der "weiße Mann" schuld, oder wenigstens verantwortlich ist.
Jetzt kommt dazu, dass der "weiße Mann" sich dem "edlen Wilden" gegenüber schuldig fühlt und meint, dass er die Welt verbessern könnte, wenn er sie mit allem versorgt.

Das ist Unvernunft pur!



Asien hat es vorgemacht. Japan, China, Südkorea, Taiwan, Vietnam etcpp. ... Es geht! Inzwischen hat der Westen Angst vor der Wirtschaftkraft Asiens. Japan hat beim Kobe-Erdbeben gezeigt, dass eine Wirtschaftsnation den unvermeidbaren Naturgewalten Paroli bieten kann.

Wenn Menschen allerdings seit vielen Generationen "von der Hand in den Mund" leben, bizarrem Aberglauben frönen und immer wieder irgendwelchen Diktatoren folgen (bzw von diesen verfolgt werden) wird das nix. Der Westen macht den Fehler, diesen Zustand durch Wohlwollen und Eigenschuldzuweisung zu zementieren.

China wird in Afrika mehr bewirken als Europa, so wie in Haiti die US-Armee und die IDF mehr bewirken werden als die NGO-Gutmenschhorden, die aus Europa dort einfallen.

Puh, jetzt kriege ich wahrscheinlich auch verbal Haue. Solidarischen Gruß, lieber Frank2000 ... Calimero

----------------------------------------------------
Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

20.01.2010 12:49
#13 RE: Gorgasals Kleinigkeiten: Haiti, Rassismus und Katrina Antworten

Zitat von Calimero
Puh, jetzt kriege ich wahrscheinlich auch verbal Haue.


Von mir nicht, lieber Calimero. Ich möchte nur zwei Gesichtspunkte zu bedenken geben:

1. Sie unterscheiden, glaube ich, nicht hinreichend zwischen genetischer und kultureller Evolution. Sie schreiben:

Zitat von Calimero
Erstens sehe ich schon genetisch bedingte Unterschiede. Wenn Afrika wirklich die "Wiege der Menschheit" war, dann ist es schon bezeichnend, dass einige "die Wiege" verlassen haben und andere dort geblieben sind. Die "Weggezogenen" mussten sich hernach mit mit den Jahreszeiten z.B. Europas auseinandersetzen und Überlebensstrategien austüfteln (4-Felder-Wirtschaft, Räuchern, Pökeln etc.). Auch war es notwendig die Arbeit zu verteilen. Trotzdem war die Kindersterblichkeit hoch, und den Rest der Dezimierung erledigten Verteilungs- und Glaubenskriege.

Alles in allem sehr unwirtliche Bedingungen mit gnadenloser Selektion und dem Bestreben dieser entgegenzuwirken. Daher wurden Technologien entwickelt und die Medizin vorangetrieben. Die Wissensbewahrung und Schriftverbreitung nicht zu vergessen.


Alles richtig. Nur - was davon geht auf eine (notwendigerweise langsame) genetische Evolution zurück und was auf eine (weitaus schneller mögliche, nämlich innerhalb weniger tausend Jahre) kulturelle Evolution?

Ich habe gelegentlich schon etwas zu angeblichen mentalen "Rassenunterschieden" geschrieben. Sie zu behaupten ist schon deshalb fragwürdig, weil es, genetisch gesehen, keine "Menschenrassen" gibt. "Rassen" sind fast immer das Produkt gezielter Zucht, kommen also hauptsächlich bei Haustieren vor. Auf natürliche Weise können sie entstehen, wenn eine Population isoliert lebt, zum Beispiel auf einer Insel.

Der Regelfall ist aber die ständige Vermischung innerhalb einer Art. Das heißt nicht, daß es keine Subpopulationen mit einem relativ homogenen Genpool gibt; ich habe schon einmal die Aschkenase als Beispiel genannt. Aber das ist eben weit unterhalb der Ebene der sogenannten "Rassen" angesiedelt. Ein Massai hat mit einem Buschmann genetisch nicht mehr gemeinsam als ein Finne mit einem indischen Brahmanen; um das Beispiel, das ich auch schon gebracht habe, ein wenig zu variieren. (Übrigens sind die indischen Kasten vor allem die oberen, Beispiele für einen solchen relativ homogenen Genpool weit unterhalb der Ebene der "Rassen").

2. Man darf bei der Beurteilung von Staaten wie Haiti oder auch Liberia nicht übersehen, daß sie ohne eine gemeinsame kulturelle Tradition ihrer Bürger entstanden. Die aus Afrika geraubten Sklaven entstammten ja ganz verschiedenen Stämmen und Kulturen, auch wenn sie überwiegend aus Westafrika kamen. Das war ungefähr so, als würde man Menschen aus ganz Europa zusammenrauben, sie in einen Staat stecken und sie sich selbst überlassen. Das wäre auch schwierig geworden.

Sie erwähnen, lieber Calimero, Asien und schreiben:

Zitat von Calimero
Asien hat es vorgemacht. Japan, China, Südkorea, Taiwan, Vietnam etcpp. ... Es geht! Inzwischen hat der Westen Angst vor der Wirtschaftkraft Asiens. Japan hat beim Kobe-Erdbeben gezeigt, dass eine Wirtschaftsnation den unvermeidbaren Naturgewalten Paroli bieten kann.


Das stimmt. Aber wir haben es eben dort mit alten Hochkulturen zu tun; bei China mit der überhaupt ältesten der Welt, die heute noch existiert. (Die anderen, die ungefähr zeitgleich mit der chinesischen entstanden - die ägyptische, die sumerische usw. - sind längst vergangen).

In solchen alten Kulturen entsteht über die Jahrtausende vor allem Disziplin; ein starkes Überich, wenn man das mit Freud sagen will. Arbeitsethos, delay of gratification.

Ob das auch mit genetischen Veränderungen einhergeht, ist eine schwierige Frage, weil man eben empirisch genetische und kulturelle Faktoren kaum trennen kann. Jedenfalls sind voreilige Folgerungen nicht angebracht.

Herzlich, Zettel

Nola ( gelöscht )
Beiträge:

20.01.2010 13:08
#14 RE: Gorgasals Kleinigkeiten: Haiti, Rassismus und Katrina Antworten

Zitat
Solidarischen Gruß, lieber Frank2000 ... Calimero



Auch von mir!

♥lich Nola




Frank2000 Offline




Beiträge: 3.430

20.01.2010 15:13
#15 RE: Gorgasals Kleinigkeiten: Haiti, Rassismus und Katrina Antworten

Zitat von Zettel

...
2. Man darf bei der Beurteilung von Staaten wie Haiti oder auch Liberia nicht übersehen, daß sie ohne eine gemeinsame kulturelle Tradition ihrer Bürger entstanden. Die aus Afrika geraubten Sklaven entstammten ja ganz verschiedenen Stämmen und Kulturen, auch wenn sie überwiegend aus Westafrika kamen. Das war ungefähr so, als würde man Menschen aus ganz Europa zusammenrauben, sie in einen Staat stecken und sie sich selbst überlassen. Das wäre auch schwierig geworden.




Ein gutes Argument, werter Zettel, welches aber trotzdem nicht völlig frei ist vom bösen Kulturimperialismus.
MfG Frank

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

20.01.2010 15:53
#16 RE: Gorgasals Kleinigkeiten: Haiti, Rassismus und Katrina Antworten

Zitat von Frank2000

Zitat von Zettel

...
2. Man darf bei der Beurteilung von Staaten wie Haiti oder auch Liberia nicht übersehen, daß sie ohne eine gemeinsame kulturelle Tradition ihrer Bürger entstanden. Die aus Afrika geraubten Sklaven entstammten ja ganz verschiedenen Stämmen und Kulturen, auch wenn sie überwiegend aus Westafrika kamen. Das war ungefähr so, als würde man Menschen aus ganz Europa zusammenrauben, sie in einen Staat stecken und sie sich selbst überlassen. Das wäre auch schwierig geworden.


Ein gutes Argument, werter Zettel, welches aber trotzdem nicht völlig frei ist vom bösen Kulturimperialismus.



Das sehe ich nicht, lieber Frank. Ein komplexes Gemeinswesen entsteht nun einmal in einem jahrhunderte- unter Umständen jahrtausendelangen Prozeß kultureller Entwicklung.

Da bilden sich nicht nur Institutionen heraus; da entstehen vor allem auch Einstellungen, Überzeugungen und ganz besonders Verhaltensweisen, die ein gedeihliches Zusammenleben in einer komplexen Gesellschaft überhaupt erst möglich machen.

Wie mühsam, wie langwierig ein solcher Prozeß ist, kann man überall in der Geschichte verfolgen. Das AT beschreibt - wir haben darüber ja in einem anderen Thread diskutiert - wie aus Gruppen von Nomaden Israel mit seiner städtischen Kultur und seinen staatlichen Strukturen wurde. Man kann dasselbe in der griechischen Geschichte sehen. Die attische Aufklärung steht am Ende eines Prozesses, der sich über mehrere tausend Jahre erstreckte; beginnend nämlich mit der ägeischen Bronzezeit im dritten vorchristlichen Jahrtausend. Und unsere abendländische Kultur ist wiederum aus einer Verschmelzung dieser griechischen, später römischen Kultur mit der germanischen hervorgegangen.

Überall dort, wo es heute hochentwickelte oder sich auf die Hochentwicklung zubewegende Staaten gibt, stehen sie auf dem Boden solcher alter Kulturen - in Europa und Nordamerika ebenso wie in Südamerika, in China, Korea, Indien und Japan.

Afrika fehlt eine solche Entwicklung weitgehend. Die altägyptische Kultur, die einzige große Hochkultur in Afrika, strahlte mehr in Richtung Mittelmeerraum aus (die griechische Kultur hat ihr viel zu verdanken) als nach Süden in Richtung Schwarzafrika. Südlich des Äquator gab es (meines Wissens) überhaupt keine städtischen Hochkulturen. Diejenigen in West-und Ostafrika nördlich des Äquators blieben auf dem Stand lokaler Feudalkulturen stehen und zerbrachen unter den Angriffen der Araber und weißer Kolonisatoren, wenn sie nicht zuvor schon untergegangen waren.

Afrika hat es also ungleich schwerer als die anderen Kontinente, eine moderne Zivilisation aufzubauen. Erst recht gilt das, wie gesagt, für künstliche Länder wie Liberia und Haiti, die überhaupt nicht auf einer gemeinsamen Kultur, nicht einmal einer Stammeskultur, aufbauen konnten.

Herzlich, Zettel

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