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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 8 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

17.01.2010 08:46
Marginalie: Der Fall Karl D. Antworten

Die Artikel in ZR enthalten meist eine Stellungnahme zu dem, worüber ich schreibe. Zum Fall des Sexualstraftäters Karl D. nehme ich nicht Stellung. Ich habe keine Meinung dazu; ich kann nur konstatieren, daß die Lage offenbar verfahren ist.

Rahvin Offline



Beiträge: 23

17.01.2010 12:56
#2 RE: Marginalie: Der Fall Karl D. Antworten

Der Fehler wurde gemacht, als bei Karl D. keine Sicherheitsverwahrung nach Verbuessung der Haftstrafe beschlossen wurde. Schliesslich ist die Sicherheitsverwahrung genau fuer solche Faelle gemacht. Im Prinzip kann man jetzt nichts mehr machen, was nicht noch schlechter waere. Karl D. wird wohl sein Leben lang unter Polizeibeobachtung gestellt werden muessen.

Warum muss fuer eine Sicherheitsverwahrung eigentlich eine neue Tatsache vorliegen? Wenn es nachgewiesenermassen ein "besonders schwerer Fall" ist und dieser "Fall", wie von Gutachtern attestiert auch noch immer gefaehrlich ist, dann haette ich Verstaendnis dafuer, dass eine Sicherheitsverwahrung auch nachtraeglich angeordnet wird. Ist das eine Gesetzesluecke?

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

17.01.2010 14:01
#3 RE: Marginalie: Der Fall Karl D. Antworten

Zitat von Rahvin
Warum muss fuer eine Sicherheitsverwahrung eigentlich eine neue Tatsache vorliegen? Wenn es nachgewiesenermassen ein "besonders schwerer Fall" ist und dieser "Fall", wie von Gutachtern attestiert auch noch immer gefaehrlich ist, dann haette ich Verstaendnis dafuer, dass eine Sicherheitsverwahrung auch nachtraeglich angeordnet wird. Ist das eine Gesetzesluecke?


Vielleicht, lieber Rahvin, kann einer der Juristen etwas dazu sagen, die hier schreiben. Meine Vermutung ist, daß ja ein rechtskräftiges Urteil gesprochen worden war, das eben keine Sicherungsverwahrung einschloß. Dieses Urteil kann ein anderes Gericht nicht einfach umstoßen - es sei denn, es lägen eben neue Tatsachen vor, wie sie in einem anderen Kontext z.B. auch ein Wiederaufnahmeverfahren begründen könnten.

Herzlich, Zettel

fedchan Offline



Beiträge: 129

17.01.2010 14:36
#4 RE: Marginalie: Der Fall Karl D. Antworten

Ich bin eigentlich Zivilrechtler, gebe aber trotzdem mal meinen Senf dazu. Wenn ich Quatsch erzähle, mögen mich die Kollegen bitte korrigieren.

Staatliches Handeln zur Kriminalitätsabwehr kann über zwei Schienen laufen: Repressiv und präventiv.

Repressive Kriminalitätsbekämpfung geschieht in Form der Strafverfolgung, wobei die Idee ist, dass die Strafe andere Straftaten in Zukunft verhindern soll. Das Strafrecht unterliegt relativ restriktiven Bestimmungen, um staatliche Willkür zu verhindern; hierzu zählt etwa der Grundsatz ne bis in idem – man darf wegen einer Straftat nicht mehrmals vor Gericht gestellt werden. Die Gesetzgebungszuständigkeit für die repressive Kriminalitätsbekämpfung, also das Strafrecht, liegt beim Bund.

Präventive Kriminalitätsbekämpfung, also das Aktivwerden des Staates bevor eine Straftat begangen wurde, ist ein Unterfall der allgemeinen Gefahrenabwehr, wofür die Gesetzgebungszuständigkeit bei den Ländern liegt. Sie erlassen namentlich die Polizeigesetze, die solche Dinge wie Platzverweise oder Ingewahrsamsnahme ermöglichen. Hierzu zählt aber auch etwa das Bauordnungsrecht: Die Baubehörde wird durch Landesrecht ermächtigt, bspw. zu intervenieren, wenn ein Gebäude einsturzgefährdet ist. Das Gefahrenabwehrrecht denkt in anderen Kategorien als das Strafrecht: Ihm geht es um effektive Gefahrenabwehr.

Das Problem mit der Sicherungsverwahrung ist nun, dass sie – seit ihrer Einführung durch die Nazis – ein Instrument des Strafrechts ist. In meinen Augen ist das systemwidrig und verfassungsrechtlich sehr bedenklich, aber das Bundesverfassungsgericht hat das bisher anders gesehen. Wenn die Gerichte sauber arbeiten, kann man die Schwierigkeiten, die sich ergeben, einigermaßen in den Griff kriegen, aber im vorliegenden Fall hat das Tatgericht eben anscheinend falsch geurteilt – und dem Rechtsstaat sind die Hände gebunden.

Eine langfristige Lösung des Problems bestünde m.E. darin, dass man Sicherungsverwahrung und Ähnliches als Maßnahmen der Gefahrenabwehr begreift und entsprechendes Landesrecht schafft – dann könnten die Behörden schneller und flexibler reagieren, Rechtsschutz gäbe es trotzdem, ggf. über die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

17.01.2010 16:58
#5 RE: Marginalie: Der Fall Karl D. Antworten

Vielen Dank, lieber fedchan! Jetzt verstehe ich das besser.

Herzlich, Zettel

Popeye Offline



Beiträge: 207

17.01.2010 17:00
#6 RE: Marginalie: Der Fall Karl D. Antworten

Es muss doch neben Sicherheitsverwahrung und Polizeiüberwachung noch andere Möglichkeiten geben.
Was ist zum Beispiel mit der elektronischen Fußfessel mit GPS-Sender?

vivendi Offline



Beiträge: 663

17.01.2010 17:15
#7 RE: Marginalie: Der Fall Karl D. Antworten

Zitat von Popeye
Es muss doch neben Sicherheitsverwahrung und Polizeiüberwachung noch andere Möglichkeiten geben.
Was ist zum Beispiel mit der elektronischen Fußfessel mit GPS-Sender?


Ist wohl kaum die Lösung, denn er hat ja keinen Hausarrest. Die Fussfessel fesselt nicht im geringsten Masse. Wer sich selbst nicht kontrollieren kann, wie es der Fall zu sein scheint (wie sicher kann man da überhaupt sein? Es gilt ja zunächst die Unschuldsvermutung), kann sich nach einem Verbrechen auch das Leben nehmen, um sich einer Verurteilung zu entziehen; das Verbrechen ist damit nicht verhindert.

In den USA werden Sex Offenders öffentlich bekannt gegeben, mit Foto, Wohnadresse, usw. Es wird ihnen untersagt, sich in bestimmten Gebieten (wo auch Kinder wohnen) anzusiedeln, sich Schulen oder Kinderspielplätzen zu nähern. Sie bekommen selbstverständlich auch keinen Job.

Ich erkläre hiermit ausdrücklich, dass ich das als eine der schlimmsten Perversionen einer Gesellschaft betrachte, denn auch Jugendliche, die mit Gleichaltrigen aber noch Minderjährigen Geschlechtsverkehr hatten, werden auf diesen Listen geführt. Ich habe schon von einem Fall gelesen, wo ein Mann an einen Busch gepinkelt hat und von einer Mutter, die mit Kindern dort vorbeiging, als Exhibitionist angezeigt wurde. In solchen Fällen hat auch jemand mit dem besten Willen keine Chance, ein vernünftiges Leben aufzubauen und ein vielleicht einmaliges Fehlverhalten auszubügeln.

http://www.mapsexoffenders.com/

In diesem Fall http://news.google.com/news/story?cf=all...dbMw89crYg1kZOM gibt es offenbar nicht einmal eine rechtskräftige Verurteilung, sondern nur einen Verdacht.

Florian Offline



Beiträge: 3.171

18.01.2010 01:50
#8 RE: Marginalie: Der Fall Karl D. Antworten

"Ist wohl kaum die Lösung, denn er hat ja keinen Hausarrest. Die Fussfessel fesselt nicht im geringsten Masse."

Nun ja.
Natürlich kann eine Fußfessel mit GPS kein Verbrechen verhindern.
ABER: Der Täter kann zumindest mit Sicherheit davon ausgehen, dass er für die Tat bestraft werden wird.
Das setzt natürlich einen halbwegs rationalen Täter voraus, der eine Abwägung treffen kann: ist mir mein kurzfristiger Lustgewinn eine mit 100% Sicherheit zu erwartende (dann sicher lebenslange) Haftstrafe wert?

Finde ich zumindest besser, als die Alternative, einer polizeilichen Bewachung rund um die Uhr:
Erstens ist diese Polizeiüberwachung sehr teuer. Ein Polizist arbeitet im Jahr maximal 1700 Stunden. D.h. wenn man immer nur 1 Polizisten vor Ort haben will, muss man über 5 Polizisten dafür abstellen. Ein Plizist kostet sicher mind. 40 Tsd. Euro. Die Maßnahme kostet p.a. also über 200 Tsd. Euro - und das ggf. über Jahrzehnte.
Zweitens bringt die Überwachung ja nichts: Der Täter kann sich ja jahrelang brav von der Polizei überwachen lassen. Es reicht ja aus, wenn er irgendwann der Überwachung einmal entwischt. (Und das ist ja ein Kinderspiel: einfach ein unübersichtliches Gebäude auf einer Seite betreten und auf einer anderen verlassen).

Uwe Richard Offline



Beiträge: 1.254

22.01.2010 14:10
#9 RE: Marginalie: Der Fall Karl D. Antworten

Das Bundesjustizministerium will die Regeln zur Sicherungsverwahrung reformieren, schreibt der Tagesspiegel aus Berlin.

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