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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 22 Antworten
und wurde 1.264 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

29.01.2010 07:54
Zettels Meckerecke: Audienz Antworten

Mir ist kürzlich aufgefallen, daß ich sprachkritische Glossen, die früher einmal ein fester Bestandteil von ZR gewesen waren, in letzter Zeit vernachlässigt habe. Das soll nicht so bleiben.

califax Offline




Beiträge: 1.502

29.01.2010 08:39
#2 RE: Zettels Meckerecke: Audienz Antworten

Meiner einer wartet ja, wann das erste mal die deutsche Presse berichtet, der US-Präsident habe sich zum Gewerkschaftsstaat geäußert.

--
Der Weg zur Hölle beginnt mit dem Monopol auf Moral.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

29.01.2010 08:44
#3 RE: Zettels Meckerecke: Audienz Antworten

Zitat von califax
Meiner einer wartet ja, wann das erste mal die deutsche Presse berichtet, der US-Präsident habe sich zum Gewerkschaftsstaat geäußert.


Calimero Offline




Beiträge: 3.280

29.01.2010 09:12
#4 RE: Zettels Meckerecke: Audienz Antworten

Lol, der Mann ist ja ob seiner plötzlichen Wichtigkeit anscheinend völlig von der Rolle.

Ich wollte eigentlich ein paar wüste Rechtschreibfehler in seinem Text kritisch zitieren, aber es wurden mir dann doch zu viele. Nee, so perfekt bin ich da auch nicht, um ganze Zeilen belachen zu können (allerdings bin ich kein bezahlter Korrespondent).

Da wurde was mit ganz heißer Nadel gestrickt, und das Ergebnis ist ... naja, nich so doll. Auwei!

Calimero

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Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire

Abendlaender Offline




Beiträge: 103

29.01.2010 15:22
#5 RE: Zettels Meckerecke: Audienz Antworten

Meine Zustimmung: ganz schlecht gehändelt, das. (gehandled? gehänselt?)
Mich würde jedoch außerdem interessieren, worin denn die Kapitalismuskritik des französischen Präsidenten liegen soll.

Die Basler Zeitung gibt ihn wie folgt wieder: "Das System sei aus dem Ruder gelaufen, weil die Bankiers nicht mehr ihren eigentlichen Job gemacht hätten, meint Sarkozy." Heißt das schon, Kritik am System zu üben, oder nicht vielmehr, auf seine Reinheit zu pochen?

Mir scheint eher, daß Eigendorf (oder ein Agentur-Journalist) ein zündendes Schlagwort als Überschrift brauchte, das allerdings bereitwillig aufgegriffen wird, um Grundsätzlicheres hineinzugeheimnissen. (Mein Favorit: die ARD mit "Kapitalismuskritik im Heidi-Land".) Eine weitere Schluderei, in meinen Augen.

Norbert Röttgen hat Sarkozys Politik (zu Beginn von dessen Amtszeit) um einiges ausgewogener dargestellt, und auch heute höre ich da keine anderen Töne:

Zitat von Röttgen
"Sarkozy hat genau die Doppelstrategie benutzt, von der ich vorhin sprach: Er hat einerseits die Notwendigkeit von Reformen betont, Steuerreduktion, Abschaffung der 35-Stunden-Woche - gleichzeitig setzt er sich dezidiert für die Schutzfunktion des Staates sowohl nach außen wie nach innen ein. Er hat nicht "Reformen statt Protektion" versprochen, sondern beides, und er sagt das auch nach den Wahlen noch." (Welt online vom 25. Juni 2007)


Das klingt mir doch immer noch sehr nach Kapitalismus, vielleicht nach rheinischem oder meinetwegen linksrheinischem. Aber Systemkritik?

Philipp Offline



Beiträge: 78

29.01.2010 16:18
#6 RE: Zettels Meckerecke: Audienz Antworten

Zitat
Zitat von Abendlaender

Das klingt mir doch immer noch sehr nach Kapitalismus, vielleicht nach rheinischem oder meinetwegen linksrheinischem. Aber Systemkritik?



Aber wo's doch so intelligent klingt! Wer Systemkritik übt, muss einfach etwas (Sinnvolles, Tiefgründiges ...) zu sagen haben - so jedenfalls scheinen es viele zu sehen.

Palmström, etwas schon an Jahren,

wird an einer Straßenbeuge

und von einem Kraftfahrzeuge

überfahren.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

29.01.2010 16:32
#7 Stimmt! Antworten

Zitat von Abendlaender
Das klingt mir doch immer noch sehr nach Kapitalismus, vielleicht nach rheinischem oder meinetwegen linksrheinischem. Aber Systemkritik?

Hier ist das Video der Ansprache; und hier ist die englische Übersetzung.

Sie haben vollkommen Recht, lieber Abendlaender. Sarkozy kritisiert die Art, wie die Globalisierung ("mondialisation") verlaufen sei; er kritisiert einen "capitalisme dans lequel il est devenu normal de jouer, de preference, avec l'argent des autres"; einen Kapitalismus, in dem es normal geworden ist, mit Geld zu spielen, am liebsten dem der anderen.

Dann fragt er: "Où voulons-nous conduire le capitalisme qui est le nôtre?" Wohin wollen wir den Kapitalismus führen, welcher der unsere ist?" (Ich übersetze das jetzt absichtlich wörtlich, damit nicht meine eigene Interpretation hineinkommt).

Und dann ganz klar: "La crise que nous vivons n'est pas une crise du capitalisme, c'est une dérive du capitalisme" - wir hätten keine Krise des Kapitalismus, sondern eine Fehlentwicklung des Kapitalismus. Und dann sagt er nochmal ganz deutlich, daß er keineswegs eine Abkehr vom Kapitalismus befürworte.

Daraus eine "Kapitalismuskritik" zu machen ist ungefähr so, als würde jemand, der die Sanierung eines Gebäudes empfiehlt, so zitiert wird, als würde er dessen Abriß befürworten.

Ich habe die Zitate geschrieben, während ich die Rede abgehört habe; kleine Abweichungen vom wörtlichen Text sind also möglich.

Das Video zeigt übrigens, daß sich Sarkozy immer wieder von seinem Manuskript entfernt hat; den Mann trägt eben gern sein eigener Schwung davon.

Herzlich, Zettel

Gilbert Offline



Beiträge: 70

29.01.2010 21:01
#8 RE: Zettels Meckerecke: Audienz Antworten

Wobei chair gar nicht so neu ist, sondern ursprünglich das Amt im Unterschied zu seinem Träger bezeichnet hat. Wenn auch ziemlich weit vom Thema weg dazu m.E. durchaus interessant:
http://www.math.rochester.edu/people/faculty/rarm/chair.html

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

29.01.2010 21:59
#9 RE: Zettels Meckerecke: Audienz Antworten

Zitat von gelegentlicher Besucher
Wobei chair gar nicht so neu ist, sondern ursprünglich das Amt im Unterschied zu seinem Träger bezeichnet hat. Wenn auch ziemlich weit vom Thema weg dazu m.E. durchaus interessant:
http://www.math.rochester.edu/people/faculty/rarm/chair.html


Ja, sehr amüsant, wenn auch ein wenig rambling.

Wir haben ja im Deutschen die Möglichkeit, den Unterschied durch das Suffix "-schaft" auszudrücken. Also zB "der EU-Präsident" vs "die EU-Präsidentschaft".

Allerdings exkulpiert das, was in dem Text über das ehrwürdige Alter von "the chair" steht, die Davoser und sonstigen Konferenzler nicht. Raimi beginnt ja seine Überlegungen mit dem Ärger darüber, daß immer öfter "chair" gesagt wird, wenn man "chairman" meint. So auch in Davos.

Denn einen "Co-Chair" kann es gerade nicht geben, wenn das Amt gemeint ist. Dann ist jeder von den Co-Chairmen der Chair, sobald er im betreffenden chair sitzt.



Daß chairman --> chair etwas mit feministischer Linguistik zu tun hatte, habe ich vermutet, aber - eben nur vermutet - lieber nicht zu Protokoll gegeben.

Und vermutlich muß man immer auch die Tendenz zur Mundfaulheit als Motor der Sprachentwicklung in Betracht ziehen, über die Califax uns einmal vor längerer Zeit aufgeklärt hat. Anchorman --> anchor könnte auch ihr geschuldet sein, so wie aus dem Automobil das Auto wurde (zu deutsch also "das Selbst") und aus der Lokomotive die Lok (zu deutsch etwa "die vom Or").
Ich freue mich, daß Sie uns wieder einmal gelegentlich besucht und einen so hübschen Text verlinkt haben.

Herzlich, Zettel

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

30.01.2010 14:14
#10 RE: Zettels Meckerecke: Audienz Antworten

Vielleicht hatte der Autor sich kurz vorher mit einem Mitglied der Obama-Administration ausgetauscht. Oder er war noch ganz hingerissen von den stehenden Ovationen. Warten wir lieber ab, welche Rede der französische Präsident an gleicher Stelle in 2011 halten wird.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

30.01.2010 14:22
#11 RE: Zettels Meckerecke: Audienz Antworten

Zitat von Rayson
Vielleicht hatte der Autor sich kurz vorher mit einem Mitglied der Obama-Administration ausgetauscht. Oder er war noch ganz hingerissen von den stehenden Ovationen. Warten wir lieber ab, welche Rede der französische Präsident an gleicher Stelle in 2011 halten wird.


Beim dritten Beispiel bin ich d'accord; eine Schluderei.

Beim ersten nicht; ich benutze den Ausdruck selbst mitunter. Denn um die Regierung handelt es sich ja nach amerikanischem Verstädnis eben nicht; zum Government gehören alle drei Branches. Und "Verwaltung", was die wörtliche Übersetzung wäre, trifft es auch nicht.

Standing Ovations? Was wäre eine gute Übersetzung? "Beifall im Stehen" klingt hölzern. Ich glaube, dieser Anglizismus setzt sich zu Recht durch, weil es kein gutes deutsches Äquivalent gibt. (Oder fällt mir bloß keines ein?)

Herzlich, Zettel

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

30.01.2010 15:13
#12 RE: Zettels Meckerecke: Audienz Antworten

Nach amerikanischem Verständnis ist es administration, völlig einverstanden. Aber wir können dieses Verständnis in der deutschen Sprache anscheinend nicht abbilden und müssen uns daher mit dem Wort behelfen, das der Sache am nächsten kommt, und das wäre dann eben doch "Regierung". "Administration" hingegen ist im Deutschen praktisch gleichbedeutend mit "Verwaltung".

Bei der "stehenden Ovation" haben wir das dasselbe Problem, nämlich dass "Ovation" im Deutschen auch schon etwas heißt: Es handelt sich da um einen tosenden, ganz außergewöhnlich langen und lauten Applaus, vielleicht noch mit Jubelrufen durchsetzt. Man "bringt" sie dem Umjubelten gewöhnlicherweise "dar", was herrliche Assooziationen ermöglicht. Wenn der Ami von "standing ovation" redet, meint er aber genau das, was du als Begriff hölzern findest: Er "zollt" (das Wort weckt ebenfalls wunderbare Assoziationen, nicht wahr?) seinen Beifall ganz schlicht im Stehen, was im übrigen sehr gesittet zugehen kann. Eine Ovation selbst kann im Deutschen aber wie ein profaner Beifall nicht sitzen, liegen oder stehen. Ich würde den Begriff daher umschreiben mit "unter Beifall erhoben sie (die Zuschauer, das Publikum, die Audienz ) sich", natürlich mit Variationen im Satzbau. Andere Vorschläge sind willkommen, aber dass uns nichts Besseres einfällt als die Scheinübersetzung eines Anglizismus, das wage ich mir nicht vorzustellen. Philipp von Zesen würde sich im Grabe umdrehen

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

30.01.2010 16:05
#13 RE: Zettels Meckerecke: Audienz Antworten

Zitat von Zettel
Was wäre eine gute Übersetzung? "Beifall im Stehen" klingt hölzern. Ich glaube, dieser Anglizismus setzt sich zu Recht durch, weil es kein gutes deutsches Äquivalent gibt. (Oder fällt mir bloß keines ein?)



Ich habe da die Begriffe stehender/tosender Applaus, stehender/tosender Beifall und stehende Ovationen im Ohr. Ist zwar sachlich Blödsinn, aber m.E. durchaus geläufig.
Standing Ovations finde ich aber auch sprachlich eleganter.

Gruß, Calimero

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Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

30.01.2010 18:59
#14 RE: Zettels Meckerecke: Audienz Antworten

Zitat von Rayson
Nach amerikanischem Verständnis ist es administration, völlig einverstanden. Aber wir können dieses Verständnis in der deutschen Sprache anscheinend nicht abbilden und müssen uns daher mit dem Wort behelfen, das der Sache am nächsten kommt, und das wäre dann eben doch "Regierung". "Administration" hingegen ist im Deutschen praktisch gleichbedeutend mit "Verwaltung".


Ja, das ist das Dilemma. Übrigens scheint "Administration" statt "Regierung" im Deutschen oft mit einer leicht herabsetzenden Konnotation verbunden zu sein. Ist dir auch aufgefallen, daß ständig von der "Bush-Administration" die Rede war, daß man aber heute fast nie von der "Obama-Administration" liest oder hört? Das sind die Subtilitäten, mit denen gute Propagandisten die öffentliche Meinung beeinflussen.

Zitat von Rayson
Bei der "stehenden Ovation" haben wir das dasselbe Problem, nämlich dass "Ovation" im Deutschen auch schon etwas heißt: Es handelt sich da um einen tosenden, ganz außergewöhnlich langen und lauten Applaus, vielleicht noch mit Jubelrufen durchsetzt. Man "bringt" sie dem Umjubelten gewöhnlicherweise "dar", was herrliche Assooziationen ermöglicht. Wenn der Ami von "standing ovation" redet, meint er aber genau das, was du als Begriff hölzern findest: Er "zollt" (das Wort weckt ebenfalls wunderbare Assoziationen, nicht wahr?) seinen Beifall ganz schlicht im Stehen, was im übrigen sehr gesittet zugehen kann.


Hm, nach meinem Sprachgefühl heißt "ovation" im Amerikanischen ungefähr dasselbe wie "Ovation" im Deutschen. Wenn es ans Jubeln geht, dann hat man ja auch im Amerikanischen Begriffe wie "cheering". Und ein schlichter Applaus heißt auch im Amerikanischen "applause". So wird es zum Beispiel in den Parlamentsprotokollen und den Transskripten von Reden in Klammern vermerkt, wo ich noch nie "ovations" gelesen habe.

Zitat von Rayson
Eine Ovation selbst kann im Deutschen aber wie ein profaner Beifall nicht sitzen, liegen oder stehen.


Ja, das ist es, was uns wohl beide stört. Andererseits sind solche Konstruktionen im Deutschen nicht selten: "Fliegender Wechsel", "aufgesetzter Schuß". Der Wechsel kann nicht fliegen; nicht der Schuß ist aufgesetzt, sondern die Waffe.

Zitat von Rayson
Ich würde den Begriff daher umschreiben mit "unter Beifall erhoben sie (die Zuschauer, das Publikum, die Audienz ) sich", natürlich mit Variationen im Satzbau. Andere Vorschläge sind willkommen, aber dass uns nichts Besseres einfällt als die Scheinübersetzung eines Anglizismus, das wage ich mir nicht vorzustellen. Philipp von Zesen würde sich im Grabe umdrehen


Ich bin da überhaupt kein Sprachreiniger oder Sprachpurist, lieber Rayson. Seit ich 2006, ziemlich am Anfang von ZR, mit solchen Sprachglossen (Glossen!) angefangen habe, schreibe ich: Ich habe nichts gegen Anglizismen, wenn sie eine Lücke in der Sprache füllen; wenn sie diese bereichern. Ich ärgere mich aber über Anglizismen, die jemand entweder aus Trägheit verwendet (weil er das erste beste deutsche Wort nimmt, das ähnlich klingt, wie "Boot" für "boat", auch wenn das ein Kreuzer ist) oder weil er sich spreizen oder "jung" klingen will (wie die Deutsche Bahn, bei der man sich nicht mehr am Schalter anstellt, sondern am "Counter").

"Audienz" für "audience" paßt bestens hierher: Es ist erstens eine dämliche Übersetzung, die einfach das erste beste deutsche Wort nimmt, das fast so klingt wie das englische; und es läßt zweitens vermuten, daß der Autor sich sprachlich spreizen wollte.

Wer sowas macht, der ist bei mir unten durch. Ich halte es für ausgeschlossen, daß man von einem solchen Autor jemals was Vernünftiges lesen wird.

Herzlich, Zettel

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.044

30.01.2010 19:27
#15 RE: Zettels Meckerecke: Audienz Antworten

Zitat von Zettel
Wer sowas macht, der ist bei mir unten durch. Ich halte es für ausgeschlossen, daß man von einem solchen Autor jemals was Vernünftiges lesen wird.


Oh, Signaling!

--
La sabiduría se reduce a no olvidar jamás, ni la nada que es el hombre, ni la belleza que nace a veces en sus manos. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

30.01.2010 21:55
#16 RE: Zettels Meckerecke: Audienz Antworten

Zitat von Gorgasal

Zitat von Zettel
Wer sowas macht, der ist bei mir unten durch. Ich halte es für ausgeschlossen, daß man von einem solchen Autor jemals was Vernünftiges lesen wird.


Oh, Signaling!



Ja, exakt. Und zwar ein sehr starkes Signal. Wer zugleich so dumm und so eitel ist, statt "das Publikum" "die Audienz" zu schreiben, der kann doch nicht plötzlich etwas Intelligentes oder Uneitles produzieren.
Sowas ist der "Augenblick der Wahrheit".

Herzlich, Zettel

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

30.01.2010 23:48
#17 RE: Zettels Meckerecke: Audienz Antworten

Ich bin auch kein Purist, aber eine Scheinübersetzung ist aus meiner Sicht die übelste aller Möglichkeiten. Vorzuziehen ist aus meiner Sicht eine echte Übersetzung oder sinnvolle Übertragung, was aber heutzutage praktisch gar nicht mehr stattfindet, ja im Gegenteil ersetzt man gelungene Begriffe wie z.B. "Zeitlupe" in "slow motion" oder noch "professioneller" in "slomo", und aus dem Wurfzettel wird der "Flyer". Und wenn es dann wirklich eine Bereicherung sein sollte, dann nimmt man eben das Wort als solches, wie z.B. "Bar" oder "fit".

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L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

31.01.2010 00:42
#18 RE: Zettels Meckerecke: Audienz Antworten

Zitat von Rayson
Ich bin auch kein Purist, aber eine Scheinübersetzung ist aus meiner Sicht die übelste aller Möglichkeiten. Vorzuziehen ist aus meiner Sicht eine echte Übersetzung oder sinnvolle Übertragung, was aber heutzutage praktisch gar nicht mehr stattfindet, ja im Gegenteil ersetzt man gelungene Begriffe wie z.B. "Zeitlupe" in "slow motion" oder noch "professioneller" in "slomo", und aus dem Wurfzettel wird der "Flyer". Und wenn es dann wirklich eine Bereicherung sein sollte, dann nimmt man eben das Wort als solches, wie z.B. "Bar" oder "fit".


Es gibt da viele Möglichkeiten, die seit Jahrtausenden vorkommen (Califax?).

Das Wort kann aus der fremden Sprache einfach übernommen werden wie zB Circus aus dem Lateinischen (wörtlich Kreis) und Manege aus dem Französischen (dort allerdings maskulin, und ins Französische wiederum aus dem Italienischen gelangt, wo maneggio auch die Manege bedeutete, in der die Artisten mit ihren Händen agierten; denn hinter dem allen steckt lateinisch manus und agere - kann man alles in zwei Minuten ergoogeln, ist das nicht wunderbar? ). Oder Star und Stunt und Slapstick aus dem Englischen, um in der Welt der Show zu bleiben.

Oft verschieben sich dabei die Bedeutungen. Im Französischen ist der régisseur zum Beispiel ein (Guts-)Verwalter; derjenige, den wir den Regisseur nennen, heißt im Französischen directeur, und die Regie heißt mise en scene.

Häufiger sind kleine Anpassungen der Morphologie, der Phonologie. Aus dem theatron wird das Theater, aus der persona der antiken Schauspieler die Person; das lateinische textum (Gewebe) wird zum Text, den der Schauspieler spricht. Aus griechisch σκηνή, was eigentlich ein Zelt ist und auf der Bühne ein Podest war (Schiller: "Die Szene wird zum Tribunal"), wird die Szene.

Und dann gibt es die zahllosen wohlassimilierten Wörter, denen man ihr Herkunft so wenig ansieht wie dem Elvis Presley, daß seine Familie einst Presler hieß und aus Hochstadt in Deutschland stammt. Die Fenster des Theaters, von lateinisch fenestra, Luke. Der Sekt, an dem man in der Pause nippt, von lateinisch siccus, trocken.



Das waren alles gern gesehene Einwanderer ins Deutsche. Solche nämlich, die Neues und Nützliches mitbrachten.

Ärgerlich ist es, wie gesagt, dann, wenn sie nur leere Taschen mitbringen, die Einwanderer. Oder uns gar in die Tasche greifen. So, wie eben die "Audienz" jenes Autors, den wir schnell vergessen wollen. Oder wie die vielen preziösen Sentenzen des galanten Rokoko, als man sich inkommodirte, wenn jemand Deutsch wie die gens du peuple sprach, also wie der Pöbel.

Herzlich, Zettel

califax Offline




Beiträge: 1.502

31.01.2010 02:01
#19 RE: Zettels Meckerecke: Audienz Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von Rayson
Ich bin auch kein Purist, aber eine Scheinübersetzung ist aus meiner Sicht die übelste aller Möglichkeiten. Vorzuziehen ist aus meiner Sicht eine echte Übersetzung oder sinnvolle Übertragung, was aber heutzutage praktisch gar nicht mehr stattfindet, ja im Gegenteil ersetzt man gelungene Begriffe wie z.B. "Zeitlupe" in "slow motion" oder noch "professioneller" in "slomo", und aus dem Wurfzettel wird der "Flyer". Und wenn es dann wirklich eine Bereicherung sein sollte, dann nimmt man eben das Wort als solches, wie z.B. "Bar" oder "fit".


Es gibt da viele Möglichkeiten, die seit Jahrtausenden vorkommen (Califax?).




Wie ich lese, können Sie solche Debatten auch komplett ohne mich bestreiten.
Meiner Meinung nach gibt es generell nur eine übelst-mögliche Übersetzung: Wenn das Publikum nicht kapiert, was gemeint war. Der Zweck ist es immer, eine Botschaft zu transportieren, und dafür sind in der Sprache alle Mittel Recht(sic).
Auch wenn einem die Mittel persönlich nicht immer gefallen. Geschmack ist unterschiedlich und nicht immer das Wichtigste.
Was mich persönlich fasziniert, ist, daß jetzt sehr viele Menschen (teils notgedrungen) am Computer landen, die sich noch bis vor wenigen Jahren stur geweigert haben, solches neumodisches Zeug anzurühren.
Von diesen Leuten (und aus den vielerorts wiederentdeckten Dialekten) wird eine Welle der sprachlichen Bereicherung kommen.
In unserer Familie ist beispielsweise aus der spontanen Not am Telefon heraus das Wort Speicherkasten entstanden. Dat Dingens, wie heißt denn dat, wat Du an den PC anstecken tust, dieset Dingens, den Speicherkasten halt! Den haben wir extra gekauft für die Bilder!
Wußte jeder, was gemeint ist. Ich hab das Telefongespräch nicht live erlebt. Meine Frau fragte mich, als ich aus der Wanne kam, nur grinsend, was denn ein Speicherkasten sein könnte. Ich hab spontan richtig geraten.
Ich mag dieses Wort.

Ein Quizfrage: Was ist wohl ein Usbibbus?

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Der Weg zur Hölle beginnt mit dem Monopol auf Moral.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

31.01.2010 02:32
#20 RE: Zettels Meckerecke: Audienz Antworten

Zitat von califax
Ein Quizfrage: Was ist wohl ein Usbibbus?


Na, ein Angsthase, der davor bibbert, daß er seinen USB-Stick verliert. Eine neue Variante der Kastrationsangst.

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

31.01.2010 14:26
#21 RE: Zettels Meckerecke: Audienz Antworten

Zitat
Was ist wohl ein Usbibbus



Das ist so ein Schniepel, an den man einen Speicherkasten zum Backuppeln hängen kann. Wieso?

Salü, Thomas

Abendlaender Offline




Beiträge: 103

03.02.2010 11:58
#22 Gewerkschaftsstaat Antworten

Interessant wäre noch, welche Postleitzahl denn zu so einer Stateoftheunion address gehört.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

03.02.2010 15:06
#23 RE: Gewerkschaftsstaat Antworten

Zitat von Abendlaender
Interessant wäre noch, welche Postleitzahl denn zu so einer Stateoftheunion address gehört.


Die State of the Union Address, zu Deutsch also die Adresse des Gewerkschaftsstaats, lautet:

DGB Bundesvorstand, Postfach 11 03 72, 10833 Berlin.

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