Sarkozys UMP hat schlecht abgeschnitten; das Ergebnis für das liberale MoDem Bayrous ist leider noch schlechter. Aber um die Bedeutung dieses Resultats richtig zu beurteilen, sollte man einige Fakten berücksichtigen.
Ich kann es noch gar nicht fassen, wie grottenschlecht das Niveau unserer "Qualitätsmedien" immer wieder ist. Ein Wahlergebnis nicht mit dem Ergebnis der letzten Wahl DIESER EBENE zu vergleichen, das ist völlig absurd. Das sollte man den verantwortlichen Redakteuren um die Ohren hauen, so amateurhaft ist diese Berichterstattung. Wie schon so oft: Internet und Blogs bewahren vor der Verblödung.
Zitat von R.A.Ich kann es noch gar nicht fassen, wie grottenschlecht das Niveau unserer "Qualitätsmedien" immer wieder ist. Ein Wahlergebnis nicht mit dem Ergebnis der letzten Wahl DIESER EBENE zu vergleichen, das ist völlig absurd. Das sollte man den verantwortlichen Redakteuren um die Ohren hauen, so amateurhaft ist diese Berichterstattung.
Naja, wie mir mein Referrer verrät, liest man aus manchen dieser Redaktionen auch ZR. Meine Frau unkt zwar, das seien nur die Portiers, die sich damit die Zeit vertreiben. Aber wer weiß, vielleicht guckt ja auch der eine oder andere Redakteur mal rein.
Man muß allerdings zur Entschuldigung der deutschen Medien sagen, daß auch in Frankreich das Ergebnis des ersten Wahlgangs als Niederlage für Sarkozy gesehen wird. Das liegt einfach daran, daß die Stimmung tatsächlich schlecht ist und Sarkozy schon seit einiger Zeit sinkende Umfragewerte hat.
Frankreich hat es mit seinen verkrusteten Strukturen und mit der Last der "Reformen" der Linksregierungen wie der gesetztlichen 35-Stundenwoche am Bein viel schwerer als Deutschland, aus der Krise herauszukommen.
Ich muss Ihnen da widersprechen, lieber Zettel. Ich denke schon, dass die Interpretation der Ergebnisse durch die meisten deutschen Medien vertretbar ist. Sie spiegelt ja auch genau das wieder, was die französische Presse zu sagen hat.
Es gibt ja auch genug Gründe dafür: - die gemäßigte Rechte hat offenbar noch schwächer abgeschnitten als in der ersten Runde de katastrophalen Regionalwahlen 2004. - Sie hat schwächer abgeschnitten als ein PS, der vor nicht allzulanger Zeit nicht einmal in der Lage war, einigermaßen reibungslos seinen Vorsitzenden zu bestimmen und auch sonst noch konzeptionell unglaublich ausgebrannt ist. - Vor dem Hintergrund, dass die Grünen in den meisten Regionen eben doch Listenverbindungen mit dem PS eingehen werden, der FN hingegen keine mit der UMP, besteht für die UMP kaum eine Chance, den Kopf noch großartig aus der Schlinge zu ziehen. Selbst in der Bretagne, wo es eine triangulaire mit zwei linken Listen geben wird, sieht es nicht gut aus. - Die Wahlen haben, eben weil die Regionen in Frankreich als politische Einheit in der Bevölkerung nicht wirklich angenommen werden, tatsächlich eine Rolle als Stimmungsgstest.
Zitat von FTT_2.0Ich muss Ihnen da widersprechen, lieber Zettel.
Ich glaube gar nicht, daß Sie mir widersprechen, lieber FTT. Was Sie nennen, widerspricht größtenteils nicht dem, was ich geschrieben habe; es ergänzt oder paraphrasiert es nur.
Daß die UMP im Vergleich zu den législatives stark abgenommen hat, steht in dem Artikel. Daß auch die französischen Medien das Ergebnis als Niederlage Sarkozys sehen, habe ich in meiner Antwort an R.A. geschrieben. Das ändert aber nichts daran, daß die Balance zwischen links und rechts ungefähr dieselbe geblieben ist wie vor sechs Jahren. (In der Wahlnacht hatte ich aufgrund der Hochrechnungen vermutet, daß vielleicht die Rechte sogar relativ etwas besser abgeschnitten haben könnte; das hat sich nicht bestätigt).
In Deutschland würde man die Änderungen als Zu-oder Abnahme gegenüber den vorausgehenden Wahlen auf derselben Ebene ausdrücken; und da kann eben keine Rede von einer eklatanten Niederlage der UMP sein.
Zitat von FTT_2.0- die gemäßigte Rechte hat offenbar noch schwächer abgeschnitten als in der ersten Runde de katastrophalen Regionalwahlen 2004.
Hier sind die Ergebnisse des ersten Wahlgangs 2004 und hier die aktuellen.
2004 gab es schon im ersten Wahlgang gemeinsame Listen von Sozialisten und Kommunisten (Listes de Gauche). Sie erreichten 36,86 Prozent. Jetzt traten die beiden Parteien getrennt an; nur in einigen Regionen vereint als Union de la Gauche. Die Sozialisten erreichten 23,52 Prozent, die Kommunisten (zusammen mit der Lafontaine-Partei Parti de Gauche) 5,94 Prozent, die Union de la Gauche 5,62 Prozent. Zusammen also 35,62 Prozent; ein Rückgang um 1,24 Prozentpunkte.
2004 erreichten die Listes de Droite (UMP und UDF) 33,73 Prozent. Jetzt bekam die UMP mit einem Teil der ehemaligen UDF, dem Nouveau Centre (zusammen als Majoritè) 26,02 Prozent und der andere Teil der ehemaligen UDF, das MoDem, 4,20 Prozent; macht zusammen 30,22 Prozent gegenüber 33,72, ein Rückgang um 3,51 Prozentpunkte.
Die beiden Lager haben also gegenüber 2004 leicht verloren, die UMP unwesentlich mehr. Gewiß kein Erdrutsch.
Zitat von FTT_2.0- Sie hat schwächer abgeschnitten als ein PS, der vor nicht allzulanger Zeit nicht einmal in der Lage war, einigermaßen reibungslos seinen Vorsitzenden zu bestimmen und auch sonst noch konzeptionell unglaublich ausgebrannt ist.
Sie hat nicht schwächer abgeschnitten als die PS, obwohl das den ganzen Wahlabend lang gemeldet wurde. Die UMP/Nouveau Centre erreichte 26,02 Prozent, die PS 23,52 Prozent. Eine Überlegenheit der PS ergibt sich erst dann, wenn man ihr auch die Union de la Gauche zuschlägt, mit teils kommunistischen Kandidaten. Es ist halt bei diesen diversen Listen schwierig, zu entscheiden, wen man mit wem zusammenrechnet.
Zitat von FTT_2.0- Vor dem Hintergrund, dass die Grünen in den meisten Regionen eben doch Listenverbindungen mit dem PS eingehen werden, der FN hingegen keine mit der UMP, besteht für die UMP kaum eine Chance, den Kopf noch großartig aus der Schlinge zu ziehen. Selbst in der Bretagne, wo es eine triangulaire mit zwei linken Listen geben wird, sieht es nicht gut aus.
Das stimmt, aber auch das habe ich ja in dem Artikel, geschrieben in der Wahlnacht, keineswegs ausgeschlossen. Wenn Sie es bitte noch einmal lesen wollen:
Zitat von Gedanken zu Frankreich (33)Im für die Linke günstigsten Fall kann sie im zweiten Wahlgang einen so großen Sieg erringen wie 2004. Aber noch ist das keineswegs sicher.
Zitat von FTT_2.0- Die Wahlen haben, eben weil die Regionen in Frankreich als politische Einheit in der Bevölkerung nicht wirklich angenommen werden, tatsächlich eine Rolle als Stimmungsgstest.
Darf ich auch hierzu den Artikel zitieren?
Zitat von Gedanken zu Frankreich (33) Auch vor diesem Hintergrund [der geringen Befugnisse der Regionen] muß das Ergebnis der Regionalwahlen relativiert werden. Es ist wichtig als Indikator der Stimmung in Frankreich; an den Machtverhältnissen ändert es faktisch nichts, wie immer es aussehen wird.
Und schließlich noch ein weiterer Punkt, den ich in dem Artikel nicht erwähnt habe: Die Wahlbeteiligung war deutlich niedriger als 2004. Damals lag sie bei 60,84 Prozent, jetzt nur noch bei 46,36 Prozent! Niedrige Wahlbeteiligungen gehen fast stehts auf Kosten der Parteien der Mitte und der gemäßigten Rechten.
Viele bürgerliche Wähler sind mit Sarkozy unzufrieden (Ich habe seinen Niedergang ja in dieser Serie dokumentiert). Aber nur wenige von ihnen wählen deshalb links; die meisten bleiben zu Hause.
2004 erhielten die vereinten Listes de Gauche 8.938.654 Stimmen. Jetzt kamen Sozialisten, Kommunisten und vereingte sozialistisch-kommunistische Listen zusammen auf 6.811.071. Von einem Linksruck in Frankreich kann also keine Rede sein.
Zitat von ZettelDaß die UMP im Vergleich zu den législatives stark abgenommen hat, steht in dem Artikel. Daß auch die französischen Medien das Ergebnis als Niederlage Sarkozys sehen, habe ich in meiner Antwort an R.A. geschrieben. Das ändert aber nichts daran, daß die Balance zwischen links und rechts ungefähr dieselbe geblieben ist wie vor sechs Jahren. (In der Wahlnacht hatte ich aufgrund der Hochrechnungen vermutet, daß vielleicht die Rechte sogar relativ etwas besser abgeschnitten haben könnte; das hat sich nicht bestätigt). In Deutschland würde man die Änderungen als Zu-oder Abnahme gegenüber den vorausgehenden Wahlen auf derselben Ebene ausdrücken; und da kann eben keine Rede von einer eklatanten Niederlage der UMP sein.
Zitat von FTT_2.0- die gemäßigte Rechte hat offenbar noch schwächer abgeschnitten als in der ersten Runde der katastrophalen Regionalwahlen 2004.
Hier sind die Ergebnisse des ersten Wahlgangs 2004 und hier die aktuellen. 2004 gab es schon im ersten Wahlgang gemeinsame Listen von Sozialisten und Kommunisten (Listes de Gauche). Sie erreichten 36,86 Prozent. Jetzt traten die beiden Parteien getrennt an; nur in einigen Regionen vereint als Union de la Gauche. Die Sozialisten erreichten 23,52 Prozent, die Kommunisten (zusammen mit der Lafontaine-Partei Parti de Gauche) 5,94 Prozent, die Union de la Gauche 5,62 Prozent. Zusammen also 35,62 Prozent; ein Rückgang um 1,24 Prozentpunkte. 2004 erreichten die Listes de Droite (UMP und UDF) 33,73 Prozent. Jetzt bekam die UMP mit einem Teil der ehemaligen UDF, dem Nouveau Centre (zusammen als Majoritè) 26,02 Prozent und der andere Teil der ehemaligen UDF, das MoDem, 4,20 Prozent; macht zusammen 30,22 Prozent gegenüber 33,72, ein Rückgang um 3,51 Prozentpunkte. Die beiden Lager haben also gegenüber 2004 leicht verloren, die UMP unwesentlich mehr. Gewiß kein Erdrutsch.
Nun ja, gegenüber einem unakzeptablen Ergebnis ist ihr Stimmenanteil noch einmal um 10 Prozent von 33,7 auf 30,22 Prozent eingebrochen, selbst wenn man die Stimmen des MoDem dazuzählt, die man eigentlich nicht der majorité zurechnen sollte.
Zitat von Zettel
Zitat von FTT_2.0- Sie hat schwächer abgeschnitten als ein PS, der vor nicht allzulanger Zeit nicht einmal in der Lage war, einigermaßen reibungslos seinen Vorsitzenden zu bestimmen und auch sonst noch konzeptionell unglaublich ausgebrannt ist.
Sie hat nicht schwächer abgeschnitten als die PS, obwohl das den ganzen Wahlabend lang gemeldet wurde. Die UMP/Nouveau Centre erreichte 26,02 Prozent, die PS 23,52 Prozent. Eine Überlegenheit der PS ergibt sich erst dann, wenn man ihr auch die Union de la Gauche zuschlägt, mit teils kommunistischen Kandidaten. Es ist halt bei diesen diversen Listen schwierig, zu entscheiden, wen man mit wem zusammenrechnet.
Das ist in der Tat unübersichtlich.
Zitat von Zettel
Zitat von FTT_2.0- Vor dem Hintergrund, dass die Grünen in den meisten Regionen eben doch Listenverbindungen mit dem PS eingehen werden, der FN hingegen keine mit der UMP, besteht für die UMP kaum eine Chance, den Kopf noch großartig aus der Schlinge zu ziehen. Selbst in der Bretagne, wo es eine triangulaire mit zwei linken Listen geben wird, sieht es nicht gut aus.
Das stimmt, aber auch das habe ich ja in dem Artikel, geschrieben in der Wahlnacht, keineswegs ausgeschlossen. Wenn Sie es bitte noch einmal lesen wollen:
Zitat von Gedanken zu Frankreich (33)Im für die Linke günstigsten Fall kann sie im zweiten Wahlgang einen so großen Sieg erringen wie 2004. Aber noch ist das keineswegs sicher.
Zitat von FTT_2.0- Die Wahlen haben, eben weil die Regionen in Frankreich als politische Einheit in der Bevölkerung nicht wirklich angenommen werden, tatsächlich eine Rolle als Stimmungsgstest.
Darf ich auch hierzu den Artikel zitieren?
Zitat von Gedanken zu Frankreich (33) Auch vor diesem Hintergrund [der geringen Befugnisse der Regionen] muß das Ergebnis der Regionalwahlen relativiert werden. Es ist wichtig als Indikator der Stimmung in Frankreich; an den Machtverhältnissen ändert es faktisch nichts, wie immer es aussehen wird.
Ich hatte den Text schon sorgfältig gelesen. Allerdings sind dies aus meiner Sicht eben Argumente dafür, dass die Deutung "Schlappe für Sarkozy" absolut vertretbar ist. Ihrer Lesart nach "relativiert sich" dagegen dieses Ergebnis, wenn die Stimmenanteile der majorité sich von einem historisch-niedrigem Niveau noch einmal verschlechtern. Ich sehe das nicht so.
Zitat von ZettelUnd schließlich noch ein weiterer Punkt, den ich in dem Artikel nicht erwähnt habe: Die Wahlbeteiligung war deutlich niedriger als 2004. Damals lag sie bei 60,84 Prozent, jetzt nur noch bei 46,36 Prozent! Niedrige Wahlbeteiligungen gehen fast stehts auf Kosten der Parteien der Mitte und der gemäßigten Rechten. Viele bürgerliche Wähler sind mit Sarkozy unzufrieden (Ich habe seinen Niedergang ja in dieser Serie dokumentiert). Aber nur wenige von ihnen wählen deshalb links; die meisten bleiben zu Hause.
Weswegen es immer noch eine Schlappe für Sarkozy bleibt. Interessehalber: Haben Sie Quellen, die belegen, dass eine niedrige Wahlbeteiligung der Linken und der extremen Rechten zugute kommen?
Zitat von ZettelDie beiden Lager haben also gegenüber 2004 leicht verloren, die UMP unwesentlich mehr. Gewiß kein Erdrutsch.
Nun ja, gegenüber einem unakzeptablen Ergebnis ist ihr Stimmenanteil noch einmal um 10 Prozent von 33,7 auf 30,22 Prozent eingebrochen, selbst wenn man die Stimmen des MoDem dazuzählt, die man eigentlich nicht der majorité zurechnen sollte.
Das sind, in der üblichen Rechenweise, drei Prozentpunkte. Und die PS und die Kommunisten haben zusammen gut einen Prozentpunkt verloren. Also eine leichte Verschiebung, mehr nicht.
Doch, bei diesem Vergleich muß man das MoDem der Majorité zuschlagen, denn seine Vorläuferpartei UDF trat ja 2004 auch auf gemeinsamen Listen mit der UMP an. Ansonsten haben Sie natürlich Recht - das MoDem gehört in der Nationalversammlung nicht zur Majorité; just deshalb hat sich ja das Nouveau Centre gebildet.
Übrigens hat Bayrou, der 2007 ein ernsthafter Konkurrent von Sarkozy und Ségolène Royal gewesen war, mit um die 4 Prozent mit seinem MoDem miserabel abgeschnitten. In Frankreich mit seinem traditionellen Lagerdenken hat eben - ich habe das damals öfter einmal geschrieben - eine Partei der Mitte keine gute Chance. Ou - ou.
Zitat von FTT_2.0Ich hatte den Text schon sorgfältig gelesen. Allerdings sind dies aus meiner Sicht eben Argumente dafür, dass die Deutung "Schlappe für Sarkozy" absolut vertretbar ist. Ihrer Lesart nach "relativiert sich" dagegen dieses Ergebnis, wenn die Stimmenanteile der majorité sich von einem historisch-niedrigem Niveau noch einmal verschlechtern. Ich sehe das nicht so.
Relativieren heißt ja nicht, das Gegenteil behaupten. Die Regierungsmehrheit hat gegenüber den Vergleichswahlen von vor sechs Jahren nur unerheblich verloren, und die parlamentarische Opposition (Sozialisten und Kommunisten) hat ebenfalls verloren, nur etwas weniger. Das ist die korrekte Darstellung des Ergebnisses. Und diese relativiert eben die Behauptungen von einer dramatischen Niederlage der Regierungsmehrheit. Jedenfalls so, wie ich den Begriff "relartivieren" verstehe und gemeint habe.
Zitat von FTT_2.0
Zitat von ZettelUnd schließlich noch ein weiterer Punkt, den ich in dem Artikel nicht erwähnt habe: Die Wahlbeteiligung war deutlich niedriger als 2004. Damals lag sie bei 60,84 Prozent, jetzt nur noch bei 46,36 Prozent! Niedrige Wahlbeteiligungen gehen fast stehts auf Kosten der Parteien der Mitte und der gemäßigten Rechten. Viele bürgerliche Wähler sind mit Sarkozy unzufrieden (Ich habe seinen Niedergang ja in dieser Serie dokumentiert). Aber nur wenige von ihnen wählen deshalb links; die meisten bleiben zu Hause.
Weswegen es immer noch eine Schlappe für Sarkozy bleibt. Interessehalber: Haben Sie Quellen, die belegen, dass eine niedrige Wahlbeteiligung der Linken und der extremen Rechten zugute kommen?
Vielleicht finde ich Umfragedaten, die das belegen. Ich habe es als eine allgemeine Erfahrung genannt: Wenn eine Regierung schlecht abschneidet, ohne daß die Opposition davon profitieren kann, sondern wenn viele Wähler zu Hause bleiben, dann deutet das nicht auf einen Umschwung zugunsten der Opposition hin, sondern nur auf eine Unzufriedenheit der Wähler der Regierungsmehrheit mit dieser Regierung.
Aber ich würde gern, lieber FTT, nicht nur meinen Artikel verteidigen (was ich jetzt zur Genüge versucht habe; ob es Sie überzeugt, weiß ich nicht), sondern auch noch ein wenig produktiv diskutieren:
Zum einen ist das Abschneiden der Grünen erstaunlich. Sie waren in Frankreich traditionell viel unbedeutender als in Deutschland; ich müßte es jetzt nachsehen, aber ihr Präsidentschaftskandidat Antoine Waechter krebste nach meiner Erinnerung einmal irgendwo um die 5 Prozent oder weniger herum. Jetzt liegen sie bei über 12 Prozent; einem Ergebnis also, auf das auch die deutschen Grünen stolz wären. Ich muß gestehen, daß ich diesen Aufstieg der Grünen nicht verfolgt habe. Cohn-Bendit scheint wohl wesentlich dazu beigetragen zu haben. Kennen Sie andere Gründe?
Zweitens möchte ich darauf hinweisen, daß es wohl weniger um Sarkozy gegangen ist. Dessen Popularität war nach seiner Wahl stark gesunken (siehe die Folgen 21 bis 23 der Gedanken zu Frankreich); nicht so sehr wegen seiner Politik, sondern weil sein Benehmen nicht so war, wie die Franzosen das von der Würde des Amts erwarten. Dann hatte er sich stabilisiert und lag zeitweise gleichauf mit Fillon.
Die jetzige schlechte Stimmung liegt wesentlich daran, daß Frankreich die Krise nicht so gut bewältigt hat wie Deutschland. Und das liegt nun wieder wesentlich an Faktoren wie der 35-Stundenwoche und der fehlenden Kooperation zwischen dem patronat und den immer noch wesentlich kommunistisch beherrschten Gewerkschaften. Aber wenn es schlecht läuft, lastet man das natürlich der Regierung an.
Jetzt liegen die ersten Hochrechnungen für den zweiten Wahlgang vor. Bei den letzten Wahlen hatte im zweiten Wahlgang die Linke (Sozialisten und ihre Verbündeten) 49,9 Prozent und die Rechte (UMP mit ihren Verbündeten) 36,8 Prozent erreicht. Die aktuelle Hochrechnung gibt der Linken 54,3 Prozent und der Rechten 36,1 Prozent.
Sarkozy hat also kein "Debakel" erlitten, sondern seine Partei mit ihren Verbündeten hat ihr Ergebnis gehalten. Die Linke hat, falls die Hochrechnung sich bewahrheitet, ungefähr 4 Prozentpunkte hinzugewonnen.
Zitat von Zettel Aber ich würde gern, lieber FTT, nicht nur meinen Artikel verteidigen (was ich jetzt zur Genüge versucht habe; ob es Sie überzeugt, weiß ich nicht), sondern auch noch ein wenig produktiv diskutieren: Zum einen ist das Abschneiden der Grünen erstaunlich. Sie waren in Frankreich traditionell viel unbedeutender als in Deutschland; ich müßte es jetzt nachsehen, aber ihr Präsidentschaftskandidat Antoine Waechter krebste nach meiner Erinnerung einmal irgendwo um die 5 Prozent oder weniger herum. Jetzt liegen sie bei über 12 Prozent; einem Ergebnis also, auf das auch die deutschen Grünen stolz wären. Ich muß gestehen, daß ich diesen Aufstieg der Grünen nicht verfolgt habe. Cohn-Bendit scheint wohl wesentlich dazu beigetragen zu haben. Kennen Sie andere Gründe?
Mir scheinen unter anderem noch zwei weitere Gründe möglich:
1. Die Grünen speisen sich aus - was mit Blick auf deren Zustand plausibel erschiene - enttäuschten Wählern des PS.
2. Die Grünen profitieren von dem in Frankreich seit einigen Jahren steigenden Unwillen und -behagen über den Bipartismus, wie er sich in der starken Kandidatur Bayrous vor drei Jahren manifestiert hat. Dafür spräche, dass die Grünen, wie Sie ja schon gesagt haben, lange Zeit nicht eindeutig links gesehen wurden und teilweise auch noch werden.
Zitat von ZettelJetzt liegen die ersten Hochrechnungen für den zweiten Wahlgang vor. Bei den letzten Wahlen hatte im zweiten Wahlgang die Linke (Sozialisten und ihre Verbündeten) 49,9 Prozent und die Rechte (UMP mit ihren Verbündeten) 36,8 Prozent erreicht. Die aktuelle Hochrechnung gibt der Linken 54,3 Prozent und der Rechten 36,1 Prozent. Sarkozy hat also kein "Debakel" erlitten, sondern seine Partei mit ihren Verbündeten hat ihr Ergebnis gehalten. Die Linke hat, falls die Hochrechnung sich bewahrheitet, ungefähr 4 Prozentpunkte hinzugewonnen.
Ich denke, da kommen wir nicht mehr zusammen. Immerhin hat der centre-droit dieses Jahr auch noch Korsika verloren. D.h. sie haben sich sogar noch einmal verschlechtert. Der Stimmenanteil ist bei einer Mehrheitswahl sowieso bestenfalls zweitrangig.
Zitat von FTT_2.0Immerhin hat der centre-droit dieses Jahr auch noch Korsika verloren. D.h. sie haben sich sogar noch einmal verschlechtert. Der Stimmenanteil ist bei einer Mehrheitswahl sowieso bestenfalls zweitrangig.
Danach haben 2010 die Rechten, die Listes de la majorité (LMAJ) 7.496.897 Stimmen gleich 35,37 Prozent und damit 511 Sitze erhalten.
Zum Vergleich die offiziellen Resultate für die Listes de droite (LDR) 2004: 9.519.098 Stimmen gleich 36,84 Prozent und damit 522 Sitze. Also minimale Verluste.
2010 haben die Linken, die Listes d'Union de la gauche (LUG) 9.833.795 Stimmen gleich 46,40 Prozent und damit 1006 Sitze erhalten.
2004 erhielten die Listes de gauche (LGA) 12.897.688 Stimmen gleich 49,91 Prozent und damit 1126 Sitze.
Die Vereinigte Linke hat also, sofern man nur diese Einheitslisten betrachtet, sogar verloren.
Allerdings traten diverse andere linke Listen an. Selbst dann, wenn man diese alle zusammenzählt - also auch Listen nur von Kommunisten und von Divers Gauche, das sind meist Linksextremisten -, kommt man nicht auf die 54,06 Prozent für die Linke, die durch die Medien geistern. Diese ergeben sich erst, wenn man auch noch die 0,98 Prozent für rein grüne Listen dazuaddiert; also für solche Grüne, die sich ausdrücklich nicht für den zweiten Wahlgang einer linken Liste angeschlossen haben.
Wenn man für 2004 die Ergebnisse für alle linken Listen addiert, dann hat damals die gesamte Linke 50,34 Prozent erhalten und damit 1162 Sitze. Diesmal waren es 53,08 Prozent und 1162 Sitze. Die Linke hat, wie es der Zufall will, ihre Sitzzahl genau gehalten.
Man kann es drehen und wenden, wie man will, lieber FTT: Die Ergebnisse sind weitgehend dieselben wie vor sechs Jahren. In Deutschland ist es üblich, fast ausschließlich solche Vergleiche zu den jeweils selben Wahlen für die vorausgegangene Legislaturperiode anzustellen. Die Schlagzeile hätte dann etwa lauten müssen: "Leichte Verluste für die Rechte; die Linke gewinnt leicht und hält die Zahl ihrer Sitze".
Herzlich, Zettel
PS: Korsika ging zwar an die Linke; dafür hat die Rechte ein oder zwei DOMs erobert, ich muß das noch einmal nachsehen.
Zitat von ZettelIch muß gestehen, daß ich diesen Aufstieg der Grünen nicht verfolgt habe. Cohn-Bendit scheint wohl wesentlich dazu beigetragen zu haben. Kennen Sie andere Gründe?
Mir scheinen unter anderem noch zwei weitere Gründe möglich: 1. Die Grünen speisen sich aus - was mit Blick auf deren Zustand plausibel erschiene - enttäuschten Wählern des PS. 2. Die Grünen profitieren von dem in Frankreich seit einigen Jahren steigenden Unwillen und -behagen über den Bipartismus, wie er sich in der starken Kandidatur Bayrous vor drei Jahren manifestiert hat. Dafür spräche, dass die Grünen, wie Sie ja schon gesagt haben, lange Zeit nicht eindeutig links gesehen wurden und teilweise auch noch werden.
Beides kommt mir plausibel vor. Zu Punkt 2 könnte eine Rolle spielen, daß die Grünen einen Teil der früheren UDF-Wähler übernommen haben dürften. Die UDF war immer eine Partei "klein, aber fein", vor allem ihre Komponente, die früheren Républicains Indépendants. Bayrou hat sie zunächst gewinnen können; inzwischen ist sein MoDem aber schon fast bedeutungslos geworden. Es erreichte jetzt im zweiten Wahlgang gerade noch 0,84 Prozent.
Das wäre also bei den Grünen eine Entwicklung ähnlich wie in Deutschland: Sie stoßen in liberale Wählerschichten vor.
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