Noch einmal Walser: Wie schmerzhaft die Antisemitismus-Kampagne gegen ihn war, das hat er jetzt geschildert. Aus dem betreffenden "Spiegel"-Gespräch stammt das Zitat des Tages.

Die Kampagne im Hinterkopf, fand ich es mehr als merkwürdig, dass „Ein liebender Mann in der FAZ“ vorab erscheinen durfte – was im Übrigen Schirrmachers Rolle in dem Bubenstückchen vollends unglaubwürdig machte. Warum aber hat Walser diesen Schritt gemacht? Nun, ich glaube, es war eine Verlagssache. Rohwolt wird da vorsichtig vorgeschlagen und Walser mit etwas Überwindung zugestimmt haben. Schließlich ist die FAZ ja kein Solo-Projekt Schirrmacher...

Zitat von Sternenstaub

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Die Kampagne im Hinterkopf, fand ich es mehr als merkwürdig, dass „Ein liebender Mann in der FAZ“ vorab erscheinen durfte – was im Übrigen Schirrmachers Rolle in dem Bubenstückchen vollends unglaubwürdig machte. Warum aber hat Walser diesen Schritt gemacht? Nun, ich glaube, es war eine Verlagssache. Rohwolt wird da vorsichtig vorgeschlagen und Walser mit etwas Überwindung zugestimmt haben. Schließlich ist die FAZ ja kein Solo-Projekt Schirrmacher...

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Ja, so würde ich das auch beurteilen. So ein Vorabdruck ist ja zuvörderst eine geschäftliche Angelegenheit. Die Zeitung erwartet sich Leser, die das Blatt wegen der Folgen täglich kaufen; der Verlag erwartet sich Käufer, die das Buch nach seinem Erscheinen eben auch als Buch besitzen wollen. (Mein Großvater hat in der Nachkriegszeit solche Romane täglich aus der Zeitung ausgechnitten und sie zusammengeheftet, weil er sich Bücher nicht leisten konnte).

Vor der Affäre waren ja mehrere Romane Walsers ebenfalls in der FAZ vorabgedruckt worden; man nahm also nach einer Pause diese Tradition wieder auf. Walser mag es vielleicht auch als eine gewisse Genugtuung empfunden haben.

Interessieren würde mich, wie Schirrmacher jetzt über die Sache denkt; ob er sich vielleicht im Rückblick fragt, ob es nicht auch eine weniger spektkuläre Ablehnung getan hätte, wenn er - was ja sein gutes Recht war - den Roman halt nicht für die FAZ hatte haben wollen.

Mich, lieber Siebenschlaf, hat die Sache damals sehr beschäftigt. Ich habe immer auf der Seite derer gestanden, die gegen den Antisemitismus angehen, und tue das - wer hier mitliest, weiß das - auch weiter. Aber diejenigen, die damals gegen Walser gezetert haben, obwohl sie wissen mußten, daß er nicht die Spur eines Antisemiten ist, haben dieser Sache einen Bärendienst erwiesen.

Herzlich, Zettel

Gerade weil der Antisemitismusvorwurf eine Fallbeilwirkung nach sich zieht, sollte man damit nicht inflationär zu Werke gehen. Wenn er dann auch noch wie hier im gröbsten Maße unsinnig eingesetzt wird, kratzt das an seiner Reputation. Antibiotika sollten (!) schließlich auch nicht zur Schweinemast eingesetzt werden... Ich habe damals den Literaturbetrieb von seiner üblen Seite kennengelernt und würde ich Walser nicht in seinen Schriften kennen, müsste ich laut lachen über dieses Affentheater. Aber als Leser habe ich doch auch emotional reagiert. Was die Sache so widerwärtig macht, ist nicht die Ignoranz mancher Leute, die außer aus dem Zusammenhang gerissener Zitate der Friedenspreisrede nichts von Walser wissen, sondern die Arroganz des Feuilletons, wider besseren Wissens so einen Zirkus veranstaltet zu haben.
BTW: wer ist Siebenschlaf...