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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 1 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

20.03.2010 16:52
Zitat des Tages: Die Kampagne gegen Westerwelle Antworten

An dem Artikel, aus das Zitat des Tages entnommen ist, ist vor allem bemerkenswert, daß er in der "Süddeutschen Zeitung" erscheint.

Ansonsten schreibt sein Autor, ein erfolgreicher Architekt, das Offensichtliche: Die Kampagne gegen Guido Westerwelle ist ohne Substanz, und sie schadet massiv dem deutschen Ansehen und der deutschen Wirtschaft. In dem Artikel versuche ich die Hintergründe zu beleuchten.

Forentourist Offline



Beiträge: 36

20.03.2010 23:51
#2 RE: Zitat des Tages: Die Kampagne gegen Westerwelle Antworten

Zitat
und sie schadet massiv dem deutschen Ansehen und der deutschen Wirtschaft


Das möchte ich doch bestreiten, werter Zettel. Ich glaube nicht, dass man im Ausland solche Parteiquerelen überinterpretiert. Der Konflikt zwischen Sarkozy und Villepin war etwa in Deutschland lediglich eine Randnotiz in den Zeitungen. Ein paar Argenturmeldungen, die pflichtschuldigst abgedruckt wurden, aber kaum ein Kommentar.

Allerdings muss ich ihnen bei der Aussage, es laufe eine Kampagne gegen Westerwelle, durchaus zustimmen. Keine zentral geplante Verschwörung finsterer Mächte, sondern eine selbstlaufende Presseschlacht all derjenigen, die Westerwelle und seine Positionen nicht mögen. Und dies sind durchaus viele, haben doch über 85% der Wähler ausdrücklich nicht FDP gewählt.
Diese Nicht-FDP-Wähler finden sich nun ausgesprochen gut in der hiesigen Presselandschaft repräsentiert. Denn deutsche Journalisten sehen sich nicht unbedingt als kühle neutrale Beobachter, sondern als Volksaufklärer und Welterklärer, die die lieben Zeitungsleser gerne auf den rechten Weg weisen wollen. Dabei schlagen dann natürlich ihre eigenen politischen Vorstellungen durch, die nun einmal nicht "liberal" sind, auch wenn manche dieses Wort gerne für sich in Anspruch nehmen und das eigentlich Liberale mit der Vorsilbe "Neo-" verunzieren.
Diese Journalisten sehen sich gern als gute Demokraten und halten daher politische Eingriffe in nahezu jeden Teil des Alltags als gerechtfertigt an, sofern sie im Einklang mit der Mehrheitsmeinung geschehen und nicht ein paar kulturell antrainierte Tabus verletzen (wie etwa die Todesstrafe oder diverse Gleichheitsdogmen). Sie glauben, dass der Mensch nur Teil "der Gesellschaft" sei und mit dieser untrennbar verbunden. Freie Entfaltung ist danach nur in dem Maße legitim, wie "die Gesellschaft" dies den Individuen zugestehen will und es der Gesellschaft nutzt.
Gut spiegelt sich dies in der Partei der Grünen wieder, der ein überproportional großer Anteil der schreibenden Zunft zuneigt, und die sich gerne basisdemokratisch gibt, dabei aber einige zumindest skurile Einschränkungen wie das Frauenstatut kennt. Laut einer hübschen Studie, die auch nach der Parteineigung von Journalisten fragt, bekannten sich 35% zu den Grünen, 6% zur FDP, aber nur 8% zur CDU. Daher haben auch die meisten Journalisten volles Verständnis z.B. für Vorschläge, Managergehälter gesetzlich zu begrenzen - als ginge dies außer den betroffenen Managern und den Eigentümern des Unternehmens irgendwen etwas an. Wer Unternehmen, Eigentümer und Manager jedoch als Teil einer übergeordneten Gesellschaft sieht, kann auch ein übergeordnetes Interessse an Eingriffen derselben begründen. Für Liberale ist der Staat ein notwendiges übel, um Mord und Totschlag zu verhindern. Für den Rest ist der Staat lediglich das Mittel, um die Interessen "der Gesellschaft" zu vertreten - mal basisdemokratisch "Was die Mehrheit will, ist gerecht" argumentierend, mal etwas paternalistischer "Gemeinnutz geht vor Eigennutz (und was gemeinnützig ist, bestimmen wir {die Avantgarde des Proletariats/die aufgeklärten gebildeten Intellektuellen/der Führer des Volkes/etc. pp.})".
Nun haben die Journalisten jahrelang ihre Pflicht erfüllt, und vor den gesellschaftsschädlichen und -zersetzenden Ansichten eines Herrn Westerwelle gewarnt. Seine Big-Brother-PR-Auftritte wurden ihm beispielsweise noch jahrelang vorgehalten - Gerhard Schröder war einmal bei "Gute Zeiten, Schlechte Zeiten" und auch mindestens einmal bei "Wetten, dass...?". Als er ein amerikanisches Wohnmobil gelb anmalen ließ und damit auf Tour ging, rechnete man den Spritverbrauch aus und "enthüllte", er schlafe statt im "Guidomobil" im Hotelzimmer - als Müntefering 2009 hier einen Wahlkampfauftritt absolvierte, wurde die Bühne von einem Vierzigtonner transportiert, dessen Gewicht das Pflaster auf dem Marktplatz aufriss, und außer Lesern der Lokalzeitung dürfte dies kaum ein Mensch mitbekommen haben.
Zurück zum Thema: Die holzverarbeitende Industrie glaubt nun, sie habe ihr Plansoll an Guido-Bashing erfüllt, doch eine Rekordquote von über 14% der Wähler ist trotzdem so dumm, ihr Kreuz bei der F.D.P. zu machen. Die Presse ist geschockt. Da hatte man sich doch so gefreut, dass nach Ausbruch der Finanzkrise die Wirtschaft wieder stärker an die politische Kandarre genommen wird, statt sie weiter zu neoliberalisieren. Dieses eigene Versagen kränkt natürlich und daher meint man, nun eine "Schippe drauflegen" zu müssen beim Entlarven Westerwelles. Dies geschieht, indem man eine kleinere Verfehlung zum Skandal aufbauscht und eine interpretierbare Äußerung, nun, in seinem Sinne interpretiert.
So bedeuten dann auch Parteispenden Käuflichkeit (als ob die SPD nie Spenden von Unternehmen erhalten hätte, oder die Grünen zumindest von der Solarindustrie), genauso wie eine Mehrwertsteuersenkung auf Hoteldienstleistungen (die bei den Linken im Wahlprogramm steht und auch von der bayrischen SPD gefordert wurde), falls mit ihr eine Spende durch irgendwen einherging, der dem Hotelgewerbe nahesteht oder zumindest so aussieht; Westerwelles Äußerungen zu Wohlfahrtsempfängern, die im Vergleich zu früher kaum schärfer geworden sind, unterscheiden sich inhaltlich nur graduell von denen vieler SPD-Politiker (wie zuletzt von Frau Kraft), sind aber plötzlich wieder skandalisierbar; seine Begleiter auf Auslandsreisen werden auf mögliche Eigeninteressen durchleuchtet, obwohl Schröder oder Steinmeier ständig Wirtschafts- und Pressevertreter (unsere *hüstel* Volksaufklärer) mitnahm; hätte er seinen Lebensgefährten noch auf keine Reise mitgenommen, man würde ihm Vorwerfen, er geniere sich seiner Homosexualität und würde aus Furcht vor den Machos, Islamisten und Homophoben dieser Welt darauf verzichten, "ein Zeichen zu setzen" gegen Homophobie.

Dazu ein paar Schlagzeilen "Wie lange ist Westerwelle noch zu halten?", eine kleine Online-Leserumfrage (kommt nur ins Blatt, wenn das Ergebnis stimmt) und fertig ist die Kampagne. Die SPD macht mit, weil ihr sonst nichts einfällt und Westerwelle als konsensfähiger Punchingball gilt (und die SPD braucht nichts mehr als konsensfähige Themen, weil die Partei sich in so wenigen Sachen einig ist). Merkel verteidigt ihn nur halbherzig, weil er nur halb Verbündeter aber auch halb Konkurrent ist. Und die Mehrzahl der Deutschen mag ihn ohnehin nicht und hat ihn auch noch nie gewählt.

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