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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 7 Antworten
und wurde 806 mal aufgerufen
 Gesellschaft und Medien
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

28.06.2006 15:13
Bush und der Klimaschutz Antworten

Eine Randbemerkung in Zettels Raum kommentiert einen aktuellen Artikel in Spiegel-Online.

Wenn man solche Artikel genau liest, dann merkt man, wie sie unter dem Deckmantel der "Meldung" Vorurteile schüren.

Turbofee Offline



Beiträge: 329

29.06.2006 23:51
#2 RE: Bush und der Klimaschutz Antworten
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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

30.06.2006 01:08
#3 RE: Bush und der Klimaschutz Antworten

In Antwort auf:
Ich will jetzt wirklich nicht unhöflich sein, deshalb sage ich ganz artig: Das ist so, daß die Presse selten objektiv und nicht tendenziell ist. Es ist eher unwahrscheinlich, daß das nur in der deutschen Presse so ist. Die Presse in anderen Ländern schürt wahrscheinlich Vorurteile gegen andere Dinge.

Vielleicht sollte man, liebe Turbofee, zwei Arten von "tendenziös" unterscheiden:

  • Zum einen das Zuspitzen, das Reißerische, bis hin zu Fälschungen, wie sie mal vor Jahrzehnten Günter Wallraff als "Hans Esser" bei der Bild-Zeitung aufgedeckt hat. (Wobei er, nebenbei bemerkt, mit exakt denselben reißerischen Methoden gearbeitet hat)

  • Und andererseits die politisch tendenziöse Berichterstattung. Nennen wir sie die parteiliche.

  • Jedes Presseorgan kann man auf diesen beiden Dimensionen lokalisieren, und sie korrelieren kaum miteinander. Das heißt, eine Zeitung kann knochentrocken oder reißerisch sein, und unabhängig davon kann kann sie sich um eine objektive Berichterstattung bemühen oder politischen Meinungsjournalismus betreiben.

  • Wie reißerisch eine Zeitung ist, das ist eine Frage des Publikums, an das sie sich wendet. Die Boulevardpresse ist nun mal reißerisch. Deshalb waren Wallraffs Aktion und seine "Anklage" auch ziemlich albern. Im Grunde hat er der Bildzeitung vorgeworfen, ein Boulevardblatt zu sein. Je nun.

  • Wie politisch tendenziös eine Zeitung ist, das ist aber eine Frage der Pressetradition und der Besitzverhältnisse Der Besitzverhältnisse, das liegt auf der Hand: Eine Zeitung im Besitz der SPD, eine Zeitung im Besitz eines politisch engagierten Pressezars, wie es Axel Springer war, wird in der Regel parteilich sein, eine von einem unabhängigen Herausgebergremium geleitete Zeitung wie die FAZ viel weniger. Es ist aber auch eine Frage der Pressetradition, und da scheint mir ein wesentlicher Unterschied zwischen der europäischen und der amerikanischen Tradition zu liegen.

  • Wenn man sich die Entstehung der modernen Presse anschaut, dann fallen zwei sehr unterschiedliche Traditionen ins Auge: Zum einen sind Zeitungen aus dem Bedürfnis heraus entstanden, über die lokalen Aktualitäten informiert zu werden. Zum anderen entstanden sie als Organe politischer Parteien oder Strömungen.

    Im Deutschland des 19. Jahrhunderts waren ein Beispiel für die eine Gattung die von Heinrich von Kleist herausgegebenen Berliner Abendblätter, für die andere die Neue Rheinische Zeitung von Karl Marx.

    In den USA nun überwogen von Anfang an die Zeitungen, die über Aktualitäten informierten. Das lag wohl zum einen daran, daß in dieser von Anfang an demokratischen Gesellschaft ein viel freierer Informationsfluß herrschen konnte als in den meisten Staaten Europas. Zum anderen waren die Parteien dort nie so ideologisch festgelegt wie in Deutschland.

    Und das, denke ich, ist die Ursache dafür, daß man auch heute noch der überregionalen amerikanischen Presse mehr trauen kann als den meisten europäischen Zeitungen, auch den seriösen.

    Dieselbe Zeitung kann sich mal für die Wahl eines Demokraten, mal für die eines Republikaners aussprechen. Aber das tut sie im Meinungsteil; es ist durch "Opinion" gekennzeichnet. Im Nachrichtenteil ist man bemüht, objektiv zu berichten.

    Das zeigt sich bis hinein in die Sprache. Wenn über Äußerungen eines Politikers berichtet wird, dann heißt es zB monoton "... he said ...". Deutsche Zeitungen schreiben mal "unterstrich er" und mal "behauptete er".

    Schon damit wird dem Leser suggeriert, was er nach Ansicht der Redaktion von der betreffenden Äußerung halten soll. Siehe den Beitrag in Zettels Raum, an den dieser Thread anschließt.

    In Antwort auf:
    Es ist ja eigentlich noch recht zivil, wenn sie nur Vorurteile schüren und nichts Schlimmeres tun. Aber ich glaube, das sollte ich in dieser freundlichen Umgebung hier nicht weiter vertiefen.

    Liebe Turbofee, nach meinem Verständnis darf auch in einer freundlichen Umgebung hart diskutiert werden.

    Wahrscheinlich ist es überhaupt nur in einer freundlichen Umgebung möglich, hart zu diskutieren, ohne daß man einander deswegen böse wird.

    Herzlich, Zettel


    Zettel Offline




    Beiträge: 20.200

    30.08.2006 23:30
    #4 RE: Bush und die Armen Antworten

    Ein aktuelles Beispiel für die Art, wie in Spiegel-Online tendenziös berichtet wird, ist hier zu besichtigen - ein Bericht (jedenfalls ist er nicht als Kommentar gekennzeichnet) von mal wieder Marc Pitzke.

    Das Thema ist Präsident Bushs Besuch in Lousiana anläßlich des Jahrestags von Katrina. Bush hat Kirchen besucht, er hat sich mit Bürgern getroffen, er hat Reden gehalten und er hat die Verantwortung für Fehler seiner Regierung übernommen. Bei Pitzke liest sich das so (Hervorhebungen von mir):

    Gebetsrunden, handverlesene "Begegnungen", schwülstige Reden und Bushs abermalige Beteuerung, er übernehme "volle Verantwortung" für das Versagen seiner Regierung: Am Ende seiner Stippvisite zum gestrigen Jahrestag des Jahrhundert-Hurrikans - eine Stippvisite, die nicht mal 24 Stunden dauerte - blieben das nur leere und, schlimmer noch, zynische Gesten.

    Kaum ein Satzteil, der nicht die Berichterstattung mit negativer Kommentierung vermischt. Das Wort Begegnungen in Anführungszeichen, und dazu "handverlesen" - als würden nicht in jedem Staat der Welt die Personen überprüft, die mit dem Staatsoberhaupt zusammentreffen. Der Besuch von Kirchen wird als "Gebetsrunden" verunglimpft. Wenn Bush etwas sagt, dann sind das "Beteuerungen", und so fort, bis hin zu der unverfrorenen Unterstellung, alles das seien nur "zynische Gesten".

    Das ist nicht die Sprache eines Journalisten, sondern die der Agitprop. In der Vermischung von Meldung und Meinung durchaus auf dem Niveau der Nazi-Propaganda oder der journalistischen Produkte von Karl-Eduard von Schnitzler.



    Und natürlich schafft Pitzke, seine Anti-Bush-Propatanda irgendwie mit dem Thema "Armut" anzureichern. Was er Bush anläßlich von dessen Reise nach Louisiana vorwirft, das ist "Chuzpe vor allem auch angesichts des Elends unzähliger anderer, namenloser, vergessener Amerikaner. Und zwar jener 37 Millionen, die in den ganzen USA weiter in Armut leben."




    Wie es der Zufall will, ist zu diesem Thema gerade ein sehr interessanter Artikel in TCS Daily erschienen, geschrieben von Tim Worstall. Eine konservative, mit der US-Industrie verbandelte WebSite - also ein schönes Gegengewicht zu dem, was Spiegel Online an vorgeblichen oder tatsächlichen Informationen bietet. Im Stil jedenfalls ungleich sachlicher als der Beitrag in Spiegel-Online.

    Auch dort geht es um die Einkommensverteilung in den USA im Vergleich zu anderen Ländern. Es wird eine Grafik analysiert,die von einer sehr US-kritischen Institution verbreitet wird, dem Economic Policy Institute. Die Grafik ist so angelegt, daß man auf den ersten Blick sieht (und vermutlich sehen soll): Nirgends in den fortgeschrittenen Industrieländern ist das Einkommen so ungleich verteilt wie in den USA.

    Was auch stimmen mag. Worstall guckt sich aber die Grafik etwas genauer an. Dort ist aufgetragen, wieviel Prozent des Median-Einkommens die zehn Prozent Ärmsten haben und die zehn Prozent Reichsten. (Das Median-Einkommen ist dasjenige, unterhalb und oberhalb von dem jeweils genau 50 Prozent der Bevölkerung liegen). Der Bezugs-Median ist für alle Länder der für die Einkommen in den USA.

    Was man sofort in der Grafik sieht: In den USA haben die ärmsten 10 Prozent der Bevölkerung ein Einkommen in Höhe von 39 Prozent des Median-Einkommens, während die reichsten zehn Prozent 210 Prozent erreichen.

    In Finnland dagegen ist die Ungleichverteilung viel geringer - 38 Prozent zu 111 Prozent.

    Was nun aber - darauf weist Worstall hin - nichts anderes heißt, als daß die ärmsten zehn Prozent der Bevölkerung in Finnland ungefähr dasselbe Einkommen haben wie die ärmsten zehn Prozent in den USA; sogar geringfügig weniger.



    So "schlecht" geht es - nach dieser als US-kritisch gedachten Grafik - den Armen in den USA.

    In Deutschland liegt der Wert bei 41 Prozent des amerikanischen Median-Einkommens, also geringfügig höher als in den USA. Deutlich höher - bei etwas mehr als 50 Prozent - liegt er überhaupt nur in zwei Ländern in der Grafik - Norwegen und der Schweiz.

    Mit anderen Worten: Was die USA wirklich von vielen Ländern Europas unterscheidet, ist nicht, daß es den Ärmsten schlechter geht, sondern daß die Reichen besonders viel verdienen.

    Was natürlich nicht heißt, daß es ihnen "besser geht". Ob man nun 100 oder nur 10 Millionen Euro im Jahr verdient - das dürfte sich auf den Lebensstandard oder gar den Lebensgenuß kaum auswirken.

    Reader Offline



    Beiträge: 803

    30.08.2006 23:54
    #5 RE: Bush und die Armen Antworten

    In Antwort auf:
    Was nun aber - darauf weist Worstall hin - nichts anderes heißt, als daß die ärmsten zehn Prozent der Bevölkerung in Finnland ungefähr dasselbe Einkommen haben wie die ärmsten zehn Prozent in den USA; sogar geringfügig weniger.


    Und wie weiß man, wieviel ärmer oder besser man in welchem Land mit demselben Einkommen dran ist?
    Subventionen, die in einem Land gewährt werden und im anderen nicht, staatliche Krankenversicherungen vs. aus eigener Tasche bezahlen sowie andere soziale Leistungen sind bei solchen Vergleichen meist nicht berücksichtigt. Mir ist in den USA so mancher Deutsche begegnet, der dachte, er hätte sich ein Supergehalt ausgehandelt, vor Ort aber erfahren mußte, dass er viel mehr Ausgaben aus eigener Tasche bezahlen mußte als in Deutschland und so sein Traumgehalt gar keines war.

    Reader Offline



    Beiträge: 803

    31.08.2006 08:37
    #6 RE: Bush und der Klimaschutz Antworten


    Zitat von Zettel
    In den USA nun überwogen von Anfang an die Zeitungen, die über Aktualitäten informierten. Das lag wohl zum einen daran, daß in dieser von Anfang an demokratischen Gesellschaft ein viel freierer Informationsfluß herrschen konnte als in den meisten Staaten Europas. Zum anderen waren die Parteien dort nie so ideologisch festgelegt wie in Deutschland.

    Und das, denke ich, ist die Ursache dafür, daß man auch heute noch der überregionalen amerikanischen Presse mehr trauen kann als den meisten europäischen Zeitungen, auch den seriösen.


    Darf ich zu dieser Diskussion auf einen Kommentar des amerikanischen Kolumnisten George Will in der WASHINGTON POST aufmerksam machen, auf den ich unter diesem Diskussionsfaden hingewiesen habe? Ich finde, er ist ein gutes Beispiel dafür, wie man auch in einem Kommentar fair berichten kann.

    Schönen Gruß,
    R.r


    Zettel Offline




    Beiträge: 20.200

    31.08.2006 09:25
    #7 RE: Bush und der Klimaschutz Antworten
    Zitat von Reader
    Darf ich zu dieser Diskussion auf einen Kommentar des amerikanischen Kolumnisten George Will in der WASHINGTON POST aufmerksam machen, auf den ich unter diesem Diskussionsfaden hingewiesen habe? Ich finde, er ist ein gutes Beispiel dafür, wie man auch in einem Kommentar fair berichten kann.

    Ja, das ist ein sehr gutes Beispiel für eine journalistische Form, die in den USA hochentwickelt ist, die es dagegen in Deutschland kaum gibt. Man könnte sie die "analytische Kolumne" nennen.

    "Kommentar" bedeutet in der deutschen Presse und erst Recht im TV, daß jemand zu allgemein bekannten Fakten seine/ihre Meinung kundtut. Sehr oft das, was sich jeder halbwegs informierte Leser oder Zuschauer auch gedacht hat oder hätte denken können. Wenn zB Tarifverhandlungen stattfinden, dann steht im "Handelsblatt", daß die Gewerkschaften "ihre Forderungen nicht überziehen" sollen, und die "Frankfurter Rundschau" schreibt, daß Lohnsteigerungen zur Ankurbelung der Konjunktur erforderlich seien.

    Die analytische Kolumne in der US-Presse dagegen bietet neue Informationen - ist oft vollgepackt mit neuen Informationen -, die der Autor recherchiert, die man ihm zugetragen hat usw. Der Unterschied zur reinen Meldung ist, daß der Kolumnist diese Informationen ordnet, interpretiert, oft zu Fragen zuspitzt und schließlich dann auch seine eigene Meinung kundtut.



    Aus früheren Jahrzehnten erinnere mich an die ausgezeichneten Kolumnen von Milton Friedman in "Time" Magazine und von Zbigniew Brzezinski in "Newsweek". Im "Nouvel Observateur" sind die Kolumnen von Jacques Julliard und Jean Daniel vergleichbar. In der deutschen Tages- wie auch Wochenpresse kenne ich nichts Vergleichbares.

    Zettel Offline




    Beiträge: 20.200

    31.08.2006 09:47
    #8 Aktuelles Beispiel Antworten

    Diese Meldungen aus den USA stehen im Augenblick unmittelbar untereinander auf der Startseite von Spiegel-Online:

  • TREIBHAUSGASE - Schwarzenegger macht auf Grün
  • TV- Panne: CNN sendet während Bush- Rede live aus dem Klo
  • Republikaner- Wahlkampf: Angst soll Bush zum Sieg verhelfen
  • USA: Rumsfeld warnt vor Terror- Appeasement
  • "Katrina"- Tournee: Bushs zynische Gesten

  • Die Überschrift der Meldung über Rumsfeld ist so formuliert, wie es sich gehört: Sie gibt eine kurze Zusammenfassung des Inhalts der Meldung. Die vier anderen Überschriften sind tendenziös.

     Sprung  



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