Ich habe dieses Thema schon mehrfach am Rande angesprochen. Anläßlich der Berufung der ersten deutschen Ministerin, die türkischer Herkunft ist, schien es mir einen eigenen Artikel wert zu sein: Die Bezeichnung "Deutschtürken" für Deutsche türkischer Herkunft ist falsch; so falsch, als würde man den ehemaligen amerikanischen Außenminister Henry Kissinger einen "Amerikadeutschen" nennen.
Ich würde das alles ja noch recht locker sehen, wenn es denn widerspruchsfrei bliebe. Aber wenn dieselben Leute, die mir bei Fragen der Staatsbürgerschaft oder der Einordnung gesellschaftlicher Probleme nicht müde werden zu erläutern, dass es sich bei den in Deutschland geborenen Nachkommen von Türken selbstverständlich um Deutsche handele wie dich und mich und sonst gar nichts, mir bei der erstbesten Gelegenheit begrifflich ("Deutschtürken") und faktisch (doppelte Staatsbürgerschaft, Deutschkenntnisse) zu verstehen geben, dass sie das eben doch nicht seien, sondern irgendwie etwas anderes, dann ist Misstrauen wohl nicht die ungesündeste aller möglichen Reaktionen.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Hm, also der korrekte Begriff dürfte wohl eigentlich "Turkdeutsche" sein, wobei da lustigerweise beide Wortbestandteile für professionelle Wortdrechsler irgendwie unangenehm zu sein scheinen. Turk, wie Turkvölker ... uiuiui, hinterstes Weitwegistan. Deutsche? Ach herrjeh ... geht ja garnicht, der Begriff ist schließlich hochgradig kontaminiert - eine Vertreterin eines Turkvolks als Deutsche zu bezeichnen ... das grenzt ja an Beleidigung!
Andererseits können auch rein sprachästhetische Gründe für den Begriff "Deutschtürke" sprechen. Ich kenne z.B. auch die Begriffe Griechodeutscher, Hispanodeutscher oder Italodeutscher nicht.
Deutsch-Türke, oder Turk-Deutscher? Mir scheint, dass es an der angesprochenen Klientel liegt, wo man sie gemeinhin verortet. Mir persönlich wären ganz einfach "Nachbarn" lieber, die sich engagieren, nicht kriminell sind, ihre Kinder vernünftig erziehen und für ebendiese und sich selbst hier was reißen wollen. Da ist mir die Genauigkeit der Zuordnung von Nomen und Präfix in der deutschen Sprache herzlich egal.
Beste Grüße, Calimero
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Ich wollte gerade das gleiche anmerken wie Calimero - meiner Auffassung nach müsste der Begriff "Turkdeutsche" lauten, und ich verwende ihn auch, wenn ich in einer Diskussion den Diskussionspartner darauf aufmerksam machen möchte, dass diese Leute für mich ebensosehr Deutsche sind wie sie selbst.
"Griechodeutscher" müsste aber doch "Graecodeutscher" sein, Calimero, oder? Wobei das mit den Griechen, Spaniern und Italienern ja schon etwas anders ist - die allerwenigsten kommen auf die Idee, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen. Weil sie für sie als EU-Bürger ja auch keinen großen Nutzen bringt.
Zitat von karstenduerotinIch wollte gerade das gleiche anmerken wie Calimero - meiner Auffassung nach müsste der Begriff "Turkdeutsche" lauten, und ich verwende ihn auch, wenn ich in einer Diskussion den Diskussionspartner darauf aufmerksam machen möchte, dass diese Leute für mich ebensosehr Deutsche sind wie sie selbst.
Ja, wahrscheinlich haben Sie beide Recht. In Analogie zu "Turkvölker" wäre das wohl die beste Bezeichnung. Mir ist allerdings nicht ganz klar, wieso bei diesem Begriff der Umlaut verschwunden ist. Vielleicht hat es etwas mit der Phonologie und/oder Orthographie des Türkischen zu tun. Liest hier vielleicht jemand mit, der Türkisch kann?
Zitat von karstenduerotin"Griechodeutscher" müsste aber doch "Graecodeutscher" sein, Calimero, oder? Wobei das mit den Griechen, Spaniern und Italienern ja schon etwas anders ist - die allerwenigsten kommen auf die Idee, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen. Weil sie für sie als EU-Bürger ja auch keinen großen Nutzen bringt.
Ist das so? Ich kenne dazu, lieber Karsten, keine Zahlen, vermute aber, daß es zwei Gruppen gibt: Diejenigen, die nur vorübergehend in Deutschland leb(t)en und wieder in ihre Heimat zurückkehr(t)en, also die eigentlichen Gastarbeiter mit ihren Familien. Das dürfte z.B. bei den Italienern und den Spaniern die große Mehrheit sein. Und die Minderheit, die sich zur endgültigen Einwanderung nach Deutschland entschließt und dann auch die deutsche Staatsbürgerschaft annimmt oder anstrebt. Und assimilationswillig ist.
Ich hatte eine Mitarbeiterin, Kind von italienischen Einwanderern, Nach- und auch Vorname italienisch. Als ich sie einmal fragte, ob sie sich nicht für einen ausgeschriebenen Forschungsaufenthalt an einer italienischen Uni bewerben wolle, hatte sie kein Interesse und sagte mir, daß sie kaum Italienisch könne.
Ja, es müßte wohl "Graeco-Deutsche" und auch "Hispano-Deutsche" und "Italo-Deutsche" heißen, wenn man diese Begriffe, wie "Turk-Deutsche" , mittels Analogie bildet. Aber es besteht dafür offenbar kein Bedarf - weil die Betreffenden eben entweder Griechen, Italiener, Spanier bleiben, die nur in Deutschland leben; oder aber sich so assimilieren, daß ihre Herkunft keine Rolle mehr spielt.
Zitat von karstenduerotin "Griechodeutscher" müsste aber doch "Graecodeutscher" sein, Calimero, oder?
Weiß ich nicht, das eine klingt so unelegant wie das andere. Aus Gründen der Sprachästhetik wird es da wohl bei "Deutschgriechen" bleiben müssen. Wobei es mir, wie angedeutet, am liebsten wäre, wenn hier geborene und aufgewachsene Menschen sich einfach als Deutsche sehen und auch gesehen werden (können). Das geht aber nur über die selbstverständliche Beherrschung der Landessprache und Akzeptanz der Landeskultur.
Ich denke bei diesem Thema immer an die TV-Serie "Die Sopranos". Auch wenn Mafiaboss Toni Soprano immer wieder betont "Wir sind Italiener!" weiß er doch genau, dass man eigentlich Amerikaner ist, und die amerikanische Kultur lebt. Kein Mensch soll seine Wurzeln vergessen oder verleugnen müssen, weil ein Gutteil der eigenen Identität daran hängt, aber man muss sie nicht dauernd überbetonen. Das gilt sowohl für die Einwanderer als auch für die Aufnahmegesellschaft.
Beste Grüße, Calimero
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Ich würde den Begriff "Deutschtürke" im historischen Kontext deutschen Staatsbürgerschaftsverständnis als durchaus passend sehen. Deutscher ist, und das ist meiner Kenntnis nach in der Deutlichkeit eigentlich nur traditionellerweise in Deutschland und Israel so, wessen Eltern Deutsche sind. Blutsrecht also. Deutscher kann demnach gar nicht sein oder werden, wer türkische Eltern hat. Der Begriff scheint mir vor diesem Hintergrund, der immerhin auch rechtlich bis 1998 von Bestand war, also vollständig passend. Ihre Befremdung ergibt sich wohl eher aus der Akzeptanz des rot-grün-reformierten, eher republikanischen Modells.
Zitat von HajoIch würde den Begriff "Deutschtürke" im historischen Kontext deutschen Staatsbürgerschaftsverständnis als durchaus passend sehen. Deutscher ist, und das ist meiner Kenntnis nach in der Deutlichkeit eigentlich nur traditionellerweise in Deutschland und Israel so, wessen Eltern Deutsche sind. Blutsrecht also. Deutscher kann demnach gar nicht sein oder werden, wer türkische Eltern hat. Der Begriff scheint mir vor diesem Hintergrund, der immerhin auch rechtlich bis 1998 von Bestand war, also vollständig passend. Ihre Befremdung ergibt sich wohl eher aus der Akzeptanz des rot-grün-reformierten, eher republikanischen Modells.
Nein, das denke ich nicht, lieber Hajo. Deutscher im rechtlichen Sinn war schon immer, wer die deutsche Staatsbürgerschaft hat.
Die Unterscheidung zwischen ius soli und ius sanguinis, die Sie ansprechen, bezieht sich auf die Art, wie man die Staatsbürgerschaft durch Geburt erwirbt. Nach dem ius soli erwirbt man sie durch den Ort seiner Geburt; jedes in Frankreich geborene Kind ist damit automatisch Franzose. Nach dem ius sanguinis erbt man die Staatsbürgerschaft von seinen Eltern; durch Geburt war also bis 1998 jemand nur dann Deutscher, wenn die Eltern die deutsche Staatsbürgerschaft hatten.
Seit 1998 gilt das seltsame Optionsmodell, wonach man durch Geburt in Deutschland sowohl die deutsche Staatsbürgerschaft als auch diejenige der Eltern erwirbt, aber eine davon zwischen dem 18. und dem 21. Lebensjahr wieder ablegen muß. In der Tat ein rotgrünes Monstrum.
In meinem Artikel geht es aber nicht um diese Frage. Wer die deutsche Staatsbürgerschaft hat, der ist Deutscher. Wenn eine deutsche Staatsbürgerin türkischer Herkunft Ministerin in einem deutschen Bundesland wird, dann wird sie das nicht als Türkin, auch nicht Deutschtürkin, sondern als Deutsche. So, wie Henry Kissinger nicht als Deutscher oder Amerikadeutscher US-Minister wurde, sondern als Amerikaner.
Obwohl er das Amerikanische bekanntlich mit einem schaurigen deutschen Akzent spricht, während Frau Özkan vermutlich allenfalls einen Hamburger Akzent hat.
Zitat von Zettel So, wie Henry Kissinger nicht als Deutscher oder Amerikadeutscher US-Minister wurde, sondern als Amerikaner. Obwohl er das Amerikanische bekanntlich mit einem schaurigen deutschen Akzent spricht, während Frau Özkan vermutlich allenfalls einen Hamburger Akzent hat.
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Zitat von ZettelNicht wahr, Sie empfänden es als absurd und anmaßend, wenn wir Kissinger, den früheren amerikanischen Minister, einen Amerika-Deutschen nennen würden?
In der Tat falsch, weil Kissinger ja ganz eindeutig ein Ferdder (Fürther) ist.
Das Staatsbürgerschaftsrecht ist meiner Erinnerung nach eher ein Allparteienmonster als ein rot-grünes gewesen.
Zitat von karstenduerotin"Griechodeutscher" müsste aber doch "Graecodeutscher" sein, Calimero, oder? Wobei das mit den Griechen, Spaniern und Italienern ja schon etwas anders ist - die allerwenigsten kommen auf die Idee, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen. Weil sie für sie als EU-Bürger ja auch keinen großen Nutzen bringt.
Ist das so? Ich kenne dazu, lieber Karsten, keine Zahlen, vermute aber, daß es zwei Gruppen gibt: Diejenigen, die nur vorübergehend in Deutschland leb(t)en und wieder in ihre Heimat zurückkehr(t)en, also die eigentlichen Gastarbeiter mit ihren Familien. Das dürfte z.B. bei den Italienern und den Spaniern die große Mehrheit sein. Und die Minderheit, die sich zur endgültigen Einwanderung nach Deutschland entschließt und dann auch die deutsche Staatsbürgerschaft annimmt oder anstrebt. Und assimilationswillig ist.
Ich habe vor einigen Monaten mal eine derartige Studie (vom BMI?) in den Händen gehabt, aus der hervorging, dass tatsächlich EU-Ausländer, wie Italiener, sich deutlich weniger für die deutsche Staatsbürgerschaft interessieren als andere Ausländergruppen. Als einer der Gründe wurde karstenduerotins Beobachtung angeführt, derzugfolge für EU-Ausländer Aufwand und Ertrag nicht unbedingt in Verhältnis stünden.
Zitat von Zettel... und wir sprechen von der "graecoromanischen Kultur". Warum also nicht "Graecodeutscher"?
Jetzt musste ich aber grad heftigst grinsen lieber Zettel. Wir sind nicht sie. Das gemeine Volk, zu dem ich mich zähle, spricht nicht von der "graecoromanischen Kultur".
Unsereins hat, wenn überhaupt, lediglich eine Vorstellung der "griechischen Kultur" durch Homers phantastische Sagen (und dies nicht in altgriechischer Versform, sondern durch Gustav Schwabs Übersetzungen ... oder - wahrscheinlicher - durch Hollywood).
Die "römische Kultur" ist widerum was anderes. Männer in Togas (Togen?) im Senat ... Wagenrennen und Gladiatoren ... römische Legionen, marschierend auf der Via Appia ... Kreuzigungen und Christenverfolgung.
Griechische Kultur: Götter, Mythen, Spartaner und Mykener, Troja und Odysseus Römische Kultur: Politik, Militär, Infrastruktur, Zivilisation
Wie sie sehen, ich habe noch nie was von graecoromanischer Kultur gehört. Daher ist mir der Begriff unbekannt und wirkt das graeco- in meinen Ohren unelegant.
Beste Grüße, Calimero
P.S. Ich grinse immernoch.
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Lieber Zettel, das ist sprachtheoretisch alles richtig. Bei korrekter Logik müßte es in der Tat "Turkdeutscher" o. ä. heißen. Ich würde das Thema aber sehr viel niedriger hängen. Nach meinem Empfinden hat sich "Deutsch-Türke" eingebürgert, weil es sich besser spricht als die Umkehrung (in welcher Form auch immer), eine besondere politische Absicht ist mit diesem Sprachgebrauch nicht verbunden.
Und obwohl man ja die von Ihnen genannten Analogieschlüsse machen könnte - es gibt de facto bei keiner Einwanderergruppe eine gebräuchliche Bezeichnung der Art "xy-Deutscher". Auch wenn die Einbürgerungsquote bei Griechen oder Italienern etc. niedriger sein sollte - natürlich gibt es viele eingebürgerte Deutsche mit einem solchen Hintergrund. Und niemand spricht deswegen von "Spanisch-Deutschen" oder "Hispano-Deutschen" oder "Italo-Deutschen" etc., auch nicht von "Polen-Deutschen" oder "Hugenotten-Deutschen" auf frühere Einwandererwellen bezogen.
Zitat von Zettel Wir sagen "Italoamerikaner", und wir sprechen von der "graecoromanischen Kultur". Warum also nicht "Graecodeutscher"?
Lieber Zettel, ich vermute, weil das Wort "Deutscher" so deutsch ist, dass es aus den anderen, romanisch-geprägten Nationalitätenbezeichnungen herausfällt. Da knirscht etwas: "Graecogermane" oder "Graecoallemanne" würde viel besser klingen. Analog müsste es dann vermutlich "Turkogermane" heißen. Aber wir nennen uns nun mal "Deutsche", was auch aus den Wortbildungsgesetzen für alle anderen Völker herausfällt. Oder wir müssten ganz deutsche Wörter bilden: Türkisch-Deutscher, Griechisch-Deutscher usw. Aber das klingt auch unelegant.
Ich neige deshalb ganz leicht der Ansicht zu, dass die Bezeichnung "Deutschtürke" nicht von vornherein bestimmte integrationspolitische Implikationen mit sich führt.
Zitat von R.A.auch nicht von "Polen-Deutschen" oder "Hugenotten-Deutschen" auf frühere Einwandererwellen bezogen.
Nee, bei den Polen spricht man schlicht von Polen. Egal, wie lange ihre Vorfahren schon hier leben... ;)
Hm lieber Karsten, im Ruhrgebiet ist das, glaube ich, nicht so. Soweit ich das mitbekommen habe, ist dort der Cervinski ein genauso guter Kumpel wie der Kumpel Anton; siehe zum Exempel hier:
Zitat von Zettel Wir sagen "Italoamerikaner", und wir sprechen von der "graecoromanischen Kultur". Warum also nicht "Graecodeutscher"?
Lieber Zettel, ich vermute, weil das Wort "Deutscher" so deutsch ist, dass es aus den anderen, romanisch-geprägten Nationalitätenbezeichnungen herausfällt. Da knirscht etwas: "Graecogermane" oder "Graecoallemanne" würde viel besser klingen. Analog müsste es dann vermutlich "Turkogermane" heißen.
Wirklich? Wie ich schon Calimero geantwortet habe: Was gut oder elegant klingt, hängt wesentlich daran, ob man daran gewöhnt ist. Warum sollte "Graecodeutscher" schlechter klingen als "Italoamerikaner" oder "Francokanadier"?
Zitat von HerrAber wir nennen uns nun mal "Deutsche", was auch aus den Wortbildungsgesetzen für alle anderen Völker herausfällt.
Könnten Sie das erläutern? Deutschland --> der Deutsche, Irland --> der Ire, Rußland --> der Russe; wo ist der Unterschied?
Zitat von HerrIch neige deshalb ganz leicht der Ansicht zu, dass die Bezeichnung "Deutschtürke" nicht von vornherein bestimmte integrationspolitische Implikationen mit sich führt.
Man kann das natürlich schwer belegen, wie jede solche sprachkritische Überlegung. Nach den Gesetzen der deutschen Worbildung bei zusammengsetzten Wörtern ist jedenfalls ein Deutschtürke ein Türke mit dem Zusatz "deutsch".
Ich behaupte ja nicht, lieber Herr, daß da eine Verschwörung gegen die Assimilation dahintersteckt. Ich sage nur, daß jemand, der diesen Begriff gebraucht, damit eben von Türken spricht. Vielleicht tut er das bewußt, vielleicht ohne Nachdenken.
Wenn man nachgedacht hat, dann sollte man meines Erachtens diesen Begriff bewußt entweder gebrauchen oder vermeiden. Ihn bewußt verwenden, wenn man der Meinung ist, die eingewanderten Türken sollten Türken bleiben; wenn man also einen binationalen Staat anstrebt. Ihn vermeiden, wenn man der Meinung ist, daß Deutschland eine Nation bleiben sollte.
Zitat von Zettel Könnten Sie das erläutern? Deutschland --> der Deutsche, Irland --> der Ire, Rußland --> der Russe; wo ist der Unterschied?
Der "Deutsche" ist substantiviertes Adjektiv. Das ist bei anderen Nationalitäten anders: Wir sagen nicht der "Irische", der "Polnische" usw.
Zitat von Zettel Wenn man nachgedacht hat, dann sollte man meines Erachtens diesen Begriff bewußt entweder gebrauchen oder vermeiden. Ihn bewußt verwenden, wenn man der Meinung ist, die eingewanderten Türken sollten Türken bleiben; wenn man also einen binationalen Staat anstrebt. Ihn vermeiden, wenn man der Meinung ist, daß Deutschland eine Nation bleiben sollte.
Ja, das finde ich auch. Das Problem ist nur, dass es das umgekehrte Wort eben praktisch nicht gibt, so dass man, will man die Herkunft dieser deutschen Ministerin kennzeichnen, nur auf Ungetüme wie "Deutsche türkischer Abstammung", "türkischstämmige Deutsche" oder "Deutsche mit türkischem Migrationshintergrund" ;) zurückgreifen kann.
Zitat von Zettel Könnten Sie das erläutern? Deutschland --> der Deutsche, Irland --> der Ire, Rußland --> der Russe; wo ist der Unterschied?
Der "Deutsche" ist substantiviertes Adjektiv. Das ist bei anderen Nationalitäten anders: Wir sagen nicht der "Irische", der "Polnische" usw.
Hm, sind Sie da sicher? Ich habe jetzt mal nachgesehen, was die Wikipedia hier zur Etymologie des Worts "Deutsche" schreibt. Die Wortwurzel ist danach das ahd. diot = Volk. Es scheint, daß eher das Adjektiv vom Nomen abgeleitet ist als umgekehrt. "Der Deutsche" ist kein substantiviertes Adjektiv, sondern das Adjektiv "deutsch" ist von dem Nomen abgeleitet.
Daß Nomen und Adjektiv dieselbe Wortform haben, ist übrigens in anderen Sprachen verbreitet. "Les Français", "the British", "los Españoles" usw.
Zitat von Zettel Hm, sind Sie da sicher? Ich habe jetzt mal nachgesehen, was die Wikipedia hier zur Etymologie des Worts "Deutsche" schreibt. Die Wortwurzel ist danach das ahd. diot = Volk. Es scheint, daß eher das Adjektiv vom Nomen abgeleitet ist als umgekehrt. "Der Deutsche" ist kein substantiviertes Adjektiv, sondern das Adjektiv "deutsch" ist von dem Nomen abgeleitet.
Ich hatte in Grimms Wörterbuch nachgeschaut. Demnach ist der adjektivische Gebrauch älter, der substantivische erst seit dem 12. Jahrhundert belegt.
Ich verstehe die Ueberschrift ihres Artikels nicht, die Dame besitzt doch sicher die deutsche Staatsbuergerschaft - andernfalls koennte sie wohl kaum Ministerin werden bzw sein. Also wird hier nicht eine "Tuerkin" zur Ministerin sondern eine Deutsche.
Zitat Hm, sind Sie da sicher? Ich habe jetzt mal nachgesehen, was die Wikipedia hier zur Etymologie des Worts "Deutsche" schreibt. Die Wortwurzel ist danach das ahd. diot = Volk. Es scheint, daß eher das Adjektiv vom Nomen abgeleitet ist als umgekehrt. "Der Deutsche" ist kein substantiviertes Adjektiv, sondern das Adjektiv "deutsch" ist von dem Nomen abgeleitet.
Die Besonderheit des Wortes "deutsch" ist diese: Normalerweise sind die (adjektivischen) Sprachbezeichnungen vom Namen des Landes bzw. Volkes abgeleitet: England > englisch, Polen > polnisch, Niederlande > niederländisch etc.
Im Falle von "deutsch" ist es umgekehrt - hier ist der Volks- und Landesname von dem Adjektiv abgeleitet, das sich semantisch zunächst auf die Sprache bezieht. Fränkisches *þeúdisk (belegt nur als lat. theodiscus) meint "volkssprachlich", "in der Sprache der *þeoda (*þeoda = "öffentlich handelnde Menschengruppe oder Personenverband", nicht gentil / national zu verstehen).
Aus diesem Adjektiv wird im 11. Jahrhundert ein Volksbegriff deutsch, diutisk, diutsch; erstmals in den Straßburger altsächs. Glossen (vor 1029) Germania = thiudisca liudi ("die Leute, die thiudisc sprechen"). Seit dem 11. Jh. gibt es dann auch Belege für diutsche lant und ähnlich, bezogen übrigens auf das Imperium Sacrum, das bekanntlich nicht nur deutschsprachige Gebiete umfasste, sondern auch Burgund und Norditalien.
Wer es genauer wissen will:
Wolfgang Haubrichs: 'die tiutsche und die andern zungen': Von der Vielfalt und Entwicklung eines Sprach- und Volksbegriffs. In: Kultureller Wandel und die Germanistik in der Bundere-publik. Vorträge des Augsburger Germanistentags 1991. Hg. von Johannes Janota. Bd. 1. Tübingen 1993, S. 21-41
Ingo Reiffenstein: Bezeichnungen der deutschen Gesamtsprache. In: Sprachgeschichte. Ein Handbuch ... Hg. von Werner Besch u. a. 1. Auflage [!!]. 2. Halbband. Berlin, New York 1985, S. 1717-1727 [auch in der Neuauflage, habe hier die Angaben nicht zur Hand]
Thomas Klein: Zum Alter des Wortes 'deutsch'. In: LiLi = Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik. 24 (1994), Heft 94, S. 12-25
Heinz Thomas: 'Sprache' und 'Nation'. Zur Geschichte des Wortes 'deutsch' vom Ende des 11. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts. In: Nation und Sprache. Dis Diskussion ihres Verhältnisses in Geschichte und Gegenwart. Hg. von Andreas Gardt. Berlin, New York 2000, S. 47-101.
Zitat von GansguoterDie Besonderheit des Wortes "deutsch" ist diese: Normalerweise sind die (adjektivischen) Sprachbezeichnungen vom Namen des Landes bzw. Volkes abgeleitet: England > englisch, Polen > polnisch, Niederlande > niederländisch etc.
Im Falle von "deutsch" ist es umgekehrt - hier ist der Volks- und Landesname von dem Adjektiv abgeleitet, das sich semantisch zunächst auf die Sprache bezieht. Fränkisches *þeúdisk (belegt nur als lat. theodiscus) meint "volkssprachlich", "in der Sprache der *þeoda (*þeoda = "öffentlich handelnde Menschengruppe oder Personenverband", nicht gentil / national zu verstehen).
Aus diesem Adjektiv wird im 11. Jahrhundert ein Volksbegriff deutsch, diutisk, diutsch; erstmals in den Straßburger altsächs. Glossen (vor 1029) Germania = thiudisca liudi ("die Leute, die thiudisc sprechen"). Seit dem 11. Jh. gibt es dann auch Belege für diutsche lant und ähnlich, bezogen übrigens auf das Imperium Sacrum, das bekanntlich nicht nur deutschsprachige Gebiete umfasste, sondern auch Burgund und Norditalien.
Zitat von ZettelIch habe dieses Thema schon mehrfach am Rande angesprochen. Anläßlich der Berufung der ersten deutschen Ministerin, die türkischer Herkunft ist, schien es mir einen eigenen Artikel wert zu sein: Die Bezeichnung "Deutschtürken" für Deutsche türkischer Herkunft ist falsch; so falsch, als würde man den ehemaligen amerikanischen Außenminister Henry Kissinger einen "Amerikadeutschen" nennen.
Jetzt steht "Spiegel-Online" ein Interview mit Frau Özkan, in dem sie sich als "erste deutsche Ministerin mit türkischen Wurzeln" bezeichnet und nicht als "Deutschtürkin". Recht so!
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