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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 13 Antworten
und wurde 1.329 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

27.05.2010 17:23
Marginalie: Afghanistan-Eiertanz Antworten

Bundespräsident Köhler hat es ein wenig so gemacht wie der kleine Junge in "Des Kaisers neue Kleider". Er hat zu Afghanistan das gesagt, was alle wissen, was zu sagen aber unschicklich ist. Dazu diese Marginalie.

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

27.05.2010 18:12
#2 RE: Marginalie: Afghanistan-Eiertanz Antworten

Dazu fällt mir eine Rede des Staatsekretärs des Äußeren, Freiherr von Marschall, im Februar 1897 vor dem Reichstag ein zur Frage, ob Gelder für zwei Kreuzer bewilligt werden sollten:

Zitat
Aber eine andere Forderung wird ebenso bestimmt gestellt: das ist, daß deutsche Rechte und deutsche Interessen gegen fremde Unbill jederzeit wirksam geschützt werden, und daß zu diesem Zweck das deutsche Schwert scharf und schneidig sei zu Wasser und zu Land. Keine Volksvertretung wird geneigt sein, dieser Forderung der Nation Widerstand zu leisten. [...]
Die Frage, ob Deutschland Weltpolitik treiben soll, hängt untrennbar zusammen mit der ande-ren, ob Deutschland Weltinteressen hat, oder ob es keine hat. Diese Frage ist längst entschieden, und der Bundesrath und der Reichstag sind gar nicht darüber gehört worden. Die deut-schen Kaufleute, die Hunderte von Millionen an deutschen Produkten in überseeische Länder geben, die deutschen Reeder, die Tausende von Schiffen ausrüsten, um die Meere aller Länder zu befahren, und die Deutschen, die über das Meer ziehen, um dort eine neue Heimat zu gründen, – die haben auf dem großen Schachbrett der Welt die deutschen Steine aufgestellt in der Erwartung, daß wir sie schützen und nützen. Sollen wir diese Erwartung täuschen? Ich meine, der Gedanke, daß wir dazu zu arm, zu schwach, zu elend sind, – der kann bei einem Deutschen nicht aufkommen; wir würden dann aufhören, das zu sein, was wir Dank großer Zeiten geworden sind.
Der Kraftüberschuß an Gut und Blut, den eine große, aufstrebende Nation abgiebt an fremde Länder, der bildet doch wirthschaftlich und politisch, materiell und ideell ein gar kostbares Kapital. Dieses Kapital zu erhalten, zu pflegen, es nutzbar zu machen für das Mutterland, ist eine unserer ersten Pflichten, und für den Kreis dieser Pflichten nehme ich das Wort „Weltpolitik“ in Anspruch; in diesem Sinne wollen und müssen wir Weltpolitik treiben.
Die Gefahr, daß wir auf diese Weise auf eine abschüssige Bahn gelangen, besteht nicht. Wer das fürchtet, sieht Gespenster am hellen Tage. Die einheimischen Interessen, die uns zunächst liegen mit allen ihren Lasten, mit allen ihren täglichen Sorgen, bilden das Schwergewicht, das uns abhalten wird, über dem Meere Abenteuer zu suchen.



Unterschiede zu Köhler? Gemeinsamkeiten? Werde ich mal meine Schüler untersuchen lassen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

27.05.2010 18:31
#3 RE: Marginalie: Afghanistan-Eiertanz Antworten

Zitat von Gansguoter
Dazu fällt mir eine Rede des Staatsekretärs des Äußeren, Freiherr von Marschall, im Februar 1897 vor dem Reichstag ein zur Frage, ob Gelder für zwei Kreuzer bewilligt werden sollten:

Zitat
(...) Die Gefahr, daß wir auf diese Weise auf eine abschüssige Bahn gelangen, besteht nicht. Wer das fürchtet, sieht Gespenster am hellen Tage. Die einheimischen Interessen, die uns zunächst liegen mit allen ihren Lasten, mit allen ihren täglichen Sorgen, bilden das Schwergewicht, das uns abhalten wird, über dem Meere Abenteuer zu suchen.



Eine interessante Passage, gesprochen fast zwei Jahrzehnte vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs. Meinte der Minister mit "abschüssige Bahn" eine heraufziehende Konfrontation mit dem UK?

Zitat von Gansguoter
Unterschiede zu Köhler? Gemeinsamkeiten? Werde ich mal meine Schüler untersuchen lassen.


Als "Besinnungsaufsatz"? (Heißt das heute noch so?). Anders als die meisten meiner Mitschüler habe ich diese Besinnungsaufsätze sehr gemocht, vor allem in der Oberstufe.

Das wurde damals, in den fünfziger Jahren, systematisch geübt:

Erst die Stoffsammlung; ungefähr eine halbe bis eine dreiviertel Stunde laterales Denken, assoziieren, die Gedanken wandern lassen. Später nannte man das Brainstorming.

Dann die Gliederung; dafür gab es sehr nützliche Schemata: An das Thema heranführen, das Problem entwickeln, das Für und Wider darstellen, Bewertungen vornehmen und Folgerungen ableiten usw. Dann, wenn Zeit war, erst ins Unreine schreiben und dann ins Reine.

Das wurde erbarmungslos gebimst. Allein für das Thema "Gliederung" waren ein paar Wochen Deutschunterricht vorgesehen. Damals, auf einem erzkonservativen Gymnasium, habe ich halbwegs ordentlich schreiben gelernt.

Herzlich, Zettel

c@lvin Offline



Beiträge: 26

27.05.2010 19:24
#4 RE: Marginalie: Afghanistan-Eiertanz Antworten

(zumindest in Baden-Württemberg) heißt dergleichen jetzt "Erörterungsaufsatz". Idealer Weise wird der auch so gegliedert, wie von Ihnen, lieber Zettel, beschrieben. Allerdings wurde es zumindest bei uns an der Schule nicht mehr wirklich geübt; in der Mittelstufe werden dergleichen Aufsätze zwar ständig geschrieben, bei uns ging die systematische Vorbereitung allerdings zwischen "politisch bildenden" Lektüren unter. In der Oberstufe gab es auch keine systematische Vorbereiutng, Begründung: Die Mehrheit der Mitschüler werde im Abitur sowieso eine Interpretation schreiben. Zwei Wochen vor dem Abitur gab es dann noch einen kurzen Crashkurs darüber, was die Operatoren in der Erörterungsaufgabe bedeuten bedeuten, das war 's.

Es grüßt
c@lvin

Marriex Offline



Beiträge: 185

27.05.2010 20:45
#5 RE: Marginalie: Afghanistan-Eiertanz Antworten

Zitat
die mit ähnlichen Argumenten ihre Seeherrschaft verteidigten.



Welche dem Sklavenhandel ein Ende bereitete.

Diskus Offline



Beiträge: 206

27.05.2010 21:14
#6 RE: Marginalie: Afghanistan-Eiertanz Antworten

Zitat
Welche dem Sklavenhandel ein Ende bereitete.


Wer? Die britische Seeherrschaft??

dirk Offline



Beiträge: 1.538

27.05.2010 21:18
#7 RE: Marginalie: Afghanistan-Eiertanz Antworten

So wie ich es verstehe, redet er ja von wirtschaftslichen Interessen als zusäztliche (!) Gründe, warum uns die Welt um uns herum nicht egal sein kann.

Zumal er ja nichts über die Legimität von militärischen Einsätzen gesagt hat. Grundsatzüberlegungen legitimieren einen Einsatz, wie den gegen die Taliban, wie den am Horn von Afrika, wie den im Kosovo, wie auch einen in Darfur oder Nordkorea.

Eine Kosten Nutzen Rechnung aber entscheidet, ob man einen militärischen Einsatz auch durchführt. Das ist ja bei den Grünen nicht anders. Ansonsten könnten sie ja nicht erklären, warum sie zwar für den Einsatz in Afghanistan sind, nicht aber für einen in Darfur oder Nordkorea.

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

27.05.2010 21:41
#8 RE: Marginalie: Afghanistan-Eiertanz Antworten

Ja, natürlich die britische Seeherrschaft. Seit dem 2. Jahrzehnt des 19. Jh. Nachdem in GB der Sklavenhandel verboten war, wurde die britische Flotte eingesetzt, um verdächtige Schiffe zu kontrollieren und ggf. auch aufzubringen. Siehe z.B. Flaigs Geschichte der Sklaverei.

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

27.05.2010 22:18
#9 RE: Marginalie: Afghanistan-Eiertanz Antworten

Zitat von c@lvin
(zumindest in Baden-Württemberg) heißt dergleichen jetzt "Erörterungsaufsatz". Idealer Weise wird der auch so gegliedert, wie von Ihnen, lieber Zettel, beschrieben. Allerdings wurde es zumindest bei uns an der Schule nicht mehr wirklich geübt; in der Mittelstufe werden dergleichen Aufsätze zwar ständig geschrieben, bei uns ging die systematische Vorbereitung allerdings zwischen "politisch bildenden" Lektüren unter. In der Oberstufe gab es auch keine systematische Vorbereiutng, Begründung: Die Mehrheit der Mitschüler werde im Abitur sowieso eine Interpretation schreiben. Zwei Wochen vor dem Abitur gab es dann noch einen kurzen Crashkurs darüber, was die Operatoren in der Erörterungsaufgabe bedeuten bedeuten, das war 's.
Es grüßt
c@lvin



In Bayern, auf einem Gymnasium in den 90ern, mit Lehrern die als 'Konservative Hardliner' verschriehen waren (in Wahrheit aber wohl SPD-Anhaenger waren, zumindest SPIEGEL-Leser) habe ich das auch so gelernt. Eroerterung oder auch literarische Eroerterung. Stoffsammlung, Thesen, Gliederung, etc. pp.

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

27.05.2010 22:24
#10 RE: Marginalie: Afghanistan-Eiertanz Antworten

Es ist schon laecherlich: Es waren die Gruenen, die anfuehrten, man ginge nach Afganistan um Frauenrechte durchzusetzen.
Deutsche Soldaten kaempfen damit kleine Maedchen in die Schule gehen koennen? Waere das die bessere Schlagzeile?

Das Problem ist, dass um die Ursachen und Gruende fuer diesen Einsatz nie ehrlich diskutiert wurde. Wir sind mitgegangen, weil der Freie Westen angegriffen wurde, weil die Auseinandersetzung mit den Feinden der freien Gesellschaft dort gefuehrt wird. Alles andere sind (nette) Nebenprodukte: Frauenrechte, Demokratie und eben auch Handelsinteressen.

Der Denkfehler der in dieser Diskussion gemacht wird, ist den Afganistan-Einsatz mit einem Sekundaereffekt zu begrunden. Auch wird der Fehler gemacht, das Eintreten fuer Freiheit in wirtschaftliche und gesellschaftliche zu trennen. Dem ist einfach nicht so. Freiheit ist unteilbar und Freiheit fuer Maedchen in die Schule zu gehen bedeutet auch Freiheit fuer Konzerne mit den Eltern des Maedchen Geschaefte zu machen.

dirk Offline



Beiträge: 1.538

27.05.2010 22:32
#11 RE: Marginalie: Afghanistan-Eiertanz Antworten

Zitat
Das Problem ist, dass um die Ursachen und Gruende fuer diesen Einsatz nie ehrlich diskutiert wurde. Wir sind mitgegangen, weil der Freie Westen angegriffen wurde, weil die Auseinandersetzung mit den Feinden der freien Gesellschaft dort gefuehrt wird. Alles andere sind (nette) Nebenprodukte: Frauenrechte, Demokratie und eben auch Handelsinteressen.



Richtig. Afghanistan wurde von Köhler vermutlich auch gar nicht gemeint. Wirtschaftliche Interessen sprechen jedenfalls nicht für den Einsatz. Sicherheitsinteressen und ethische schon

Marriex Offline



Beiträge: 185

28.05.2010 08:38
#12 RE: Marginalie: Afghanistan-Eiertanz Antworten

Ja, türlich, Kopierfehler.

Politur Offline



Beiträge: 49

28.05.2010 17:30
#13 scheinheilige Diskussion Antworten

Ich finde die ganze , insbesondere von der Opposition. Es wird so getan, als gäbe es keine anderen Gründe und alle anderen wären nur vorgeschoben gewesen, um die wirtschaftlichen zu verschleiern. Das ist falsch!

Das mag jetzt für Pazifisten und so manchen Linken etwas befremdlich klingen, aber ich bitte dennoch über folgende These nachzudenken:
Humanitäre und wirtschaftliche Gründe für einen Militäreinsatz müssen sich nicht ausschließen!

Köhler spricht von einer Stabilisierungsmission. Das hilft den Menschen vor Ort in Sicherheit zu leben. Die Stabilisierung wird auch durch einen wirtschaftlichen Aufbau erreicht. Gleichzeitig haben die Terroristen keinen Rückzugsraum mehr und wir erleiden keinen wirtschaftlichen Schaden durch weitere Anschläge.

Köhler spricht von den freien Handelswegen. Wird vor Somalia die Piraterei eingeschränkt, werden die Handelswege sicherer. Gleichzeitig erhalten Somalische Piraten weniger Geld, was die "Regierung" in Somalia stärkt und langfristig zu geordneten Verhältnissen in diesem Land führen kann.

In beiden Fällen profitieren die Menschen vor Ort und die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands. Wo ist das Problem?

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

31.05.2010 15:08
#14 RE: Marginalie: Afghanistan-Eiertanz Antworten

Und jetzt ist er deswegen zurückgetreten. Ratlos.

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