An das Zitat von Nils Minkmar knüpfe ich einige Überlegungen zum politischen Agieren unter den Bedingungen des, sagen wir, journalistisch-politischen Komplexes in Berlin.
Fast ein Beitrag der kritisch mit A Merkel und ihrer Politik umgeht und dann doch die Entschaerfung:
"Oder sollten wir es vielleicht eher so sehen, daß auch die Kanzlerin Gefangene dieses erbarmungslosen Politbetriebs in Berlin ist, dieses journalistisch-politischen Komplexes, vor dem der ausgezeichnete und im besten Sinn redliche Bundespräsident Köhler kapituliert hat? Ist es vielleicht so, daß die Kanzlerin Husarenritte für erforderlich hält, um in diesem Biotop aus Gerüchten, Intrigen und Enthüllungen überhaupt noch handlungsfähig zu sein?"
Ah ja die dunklen Maechte im Hintergrund...und selbst Merkel kann dagegen nicht an. Und so liegt die Schuld letztlich auch nicht bei ihr sondern bein namen- und wesenslosen "journalistisch-politischen Komplex" und bei einem "Biotop aus Gerüchten, Intrigen und Enthüllungen"...ziemlich praktisch. Denn nicht Koehler mit seinem mehr als missverstaendlichen Interview das dahingehend interpretiert werden konnte die Bundeswehr sei dazu da Siemens den Weg zum Grossauftrag im Ausland freizuschiessen, und Merkel mit ihrer chaotischen Kandidatensuche bzw -wahl nach seinem Ruecktritt sind verantwortlich fuer die Situation, sondern eine amorphe Masse in Berlin. Seltsam dass Merkel wenn es nicht gerade um das Amt des BP geht diese angeblich noetigen Husarenritte kaum einsetzt sondern eher hopscotch betreibt: Zwei (zaghafte) Schritte vor und einen (grossen) Schritt zurueck.
Zitat von john jFast ein Beitrag der kritisch mit A Merkel und ihrer Politik umgeht und dann doch die Entschaerfung.
Entschärfung würde ich es nicht nennen, lieber John. Es ist die andere Seite der Medaille, über die ich mir Gedanken gehabt habe, nachdem ich im Internet den Artikel von Berg und Fleischhauer über die Motive für Köhlers Rücktritt gelesen habe.
Köhler hat sich so verhalten, wie man sich vielleicht auch einen Kanzler wünschen würde - offen, direkt, sachorientiert. Damit hat er die Meute auf sich gezogen; so schäbig ist zuletzt nur der Präsident Lübke behandelt worden, als er geistig abzubauen begonnen hatte.
Im "Spiegel" kann man heute sogar wörtlich die SMS lesen, die Gabriel der Kanzlerin in Sachen Gauck geschrieben hat. Wer wann mit wem telefoniert, welche Gruppen sich getroffen haben usw. - als wird der Presse gesteckt.
Warum tun das die betreffenden Politiker? Natürlich ist es a tit for a tat. Wer einen Journalisten gut bedient, der kann auch erwarten, von diesem Journalisten gut behandelt zu werden. Außerdem kann man die Presse benutzen, um durch Indiskretionen dem politischen Gegner zu schaden oder im innerparteilichen Machtspiel zu punkten.
In gewissem Umfang ist das immer so gewesen. Aber zur Zeit Adenauers und auch noch Helmut Schmidts hatte dazu das Monopol im wesentlichen das Bonner Büro des "Spiegel", dazu eine Handvoll Korrespondenten der großen Zeitungen, die aber selten investigativen Journalismus betrieben.
Inzwischen macht nicht nur "Focus" es heute so wie der "Spiegel", sondern im harten Kampf der Tagespresse machen es heute alle großen Zeitungen so. Das ist, was ich den journalistisch-industriellen Komplex genannt habe.
Wer sich in diesem Biotop behaupten will, der darf sich augenscheinlich nicht so verhalten wie Köhler. Wenn er sich so verhält wie Merkel, kann er sich offenbar gut behaupten und durchsetzen.
Ein Werturteil ist das nicht. Es ist nun einmal so. Meine persönliche Wertung habe ich in dem vorausgehenden Artikel abgegeben: Die Art, wie die Kanzlerin in einer einsamen Entscheidung den Mann gekürt hat, der voraussichtlich der nächste Bundespräsident sein wird, entsprach in keiner Weise dem, was die Väter des Grundgesetzes gewollt hatten, als sie die die Institution der Bundesversammlung schufen.
Wenn Sie, lieber John, beide Artikel zusammennehmen, dann haben Sie ungefähr meine Meinung zu diesem Thema. Sie ist halt a bisserl verwickelter als ein kerniges "Die Kanzlerin ist an allem schuld".
"The buck stops here" hatte Harry S Truman auf dem beruehmten Schild auf seinem Schreibtisch im Oval Office stehen. Was steht bei Angela Merkel auf ihrem Schreibtisch? "The buck stops here except when I feel under pressure from the journalistic-industrial complex in which case I resort to the following evasive maneuvers..."
Natuerlich ist fast jede politische Frage ein bisschen "verwickelter" als "soundso ist schuld" aber die Kanzlerin als Regierungschefin steht in der Verantwortung. Dies mit einem Hinweis auf die (angeblich) aggressive Presse- und Medienlandschaft abzutun ist mE zu wenig.
Was Koehler betrifft: Er gab ein Interview dass er selbst durch seinen Sprecher hinterher als missverstaendlich bezeichen liess. Er korrigierte allerdings die missverstaendlichen Formulierungen nicht - "offen, direkt, sachorientiert" ist das eher nicht. Er erntete die zu erwartende Kritik die allerdings relativ massvoll ausfiel - und die Karawane war eigentlich schon laengst weitergezogen (und hat momentan mit den Sparplaenen eh mehr als genug zu tun) als er auf einmal zuruecktrat.
Bitte beachten Sie diese Forumsregeln: Beiträge, die persönliche Angriffe gegen andere Poster, Unhöflichkeiten oder vulgäre Ausdrücke enthalten, sind nicht erlaubt; ebensowenig Beiträge mit rassistischem, fremdenfeindlichem oder obszönem Inhalt und Äußerungen gegen den demokratischen Rechtsstaat sowie Beiträge, die gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Hierzu gehört auch das Verbot von Vollzitaten, wie es durch die aktuelle Rechtsprechung festgelegt ist. Erlaubt ist lediglich das Zitieren weniger Sätze oder kurzer Absätze aus einem durch Copyright geschützten Dokument; und dies nur dann, wenn diese Zitate in einen argumentativen Kontext eingebunden sind. Bilder und Texte dürfen nur hochgeladen werden, wenn sie copyrightfrei sind oder das Copyright bei dem Mitglied liegt, das sie hochlädt. Bitte geben Sie das bei dem hochgeladenen Bild oder Text an. Links können zu einzelnen Artikeln, Abbildungen oder Beiträgen gesetzt werden, aber nicht zur Homepage von Foren, Zeitschriften usw. Bei einem Verstoß wird der betreffende Beitrag gelöscht oder redigiert. Bei einem massiven oder bei wiederholtem Verstoß endet die Mitgliedschaft. Eigene Beiträge dürfen nachträglich in Bezug auf Tippfehler oder stilistisch überarbeitet, aber nicht in ihrer Substanz verändert oder gelöscht werden. Nachträgliche Zusätze, die über derartige orthographische oder stilistische Korrekturen hinausgehen, müssen durch "Edit", "Nachtrag" o.ä. gekennzeichnet werden. Ferner gehört das Einverständnis mit der hier dargelegten Datenschutzerklärung zu den Forumsregeln.