Einen wichtigen Unterschied zur Situation in Hessen sollte man allerdings nicht vergessen: Damals gab es noch so etwas wie das "schwarz-gelbe Projekt". Liberale Prinzipien und die Logik des Machterwerbs führten jeweils zum selben Ergebnis: Die FDP fährt am besten, wenn sie mit der Union koaliert.
Inzwischen hat sich in Berlin leider gezeigt, dass dies nicht mehr gilt. In der Koalition mit Angela Merkel hat die FDP praktisch nichts durchsetzen können. Die Union scheint es geradezu darauf anzulegen, ihren Partner täglich zur Lachnummer zu machen. Die Frage ist jetzt, ob die FDP - sich damit einfach abfindet, um ihre Berliner Dienstwagen nicht zu gefährden; - irgendwann aus Prinzipientreue die Merkel-Koalition verlässt; oder - versuchen kann, über Ampel-Flirts doch noch Druck auf die Union aufzubauen.
Letztere Variante, links blinken um liberale Politik durchzusetzen, führt natürlich zum Schleuderkurs. Auf Merkels Beifahrersitz stumm nach links mitzufahren ist allerdings auch keine attraktive Lösung.
Zitat von JunoEinen wichtigen Unterschied zur Situation in Hessen sollte man allerdings nicht vergessen: Damals gab es noch so etwas wie das "schwarz-gelbe Projekt". Liberale Prinzipien und die Logik des Machterwerbs führten jeweils zum selben Ergebnis: Die FDP fährt am besten, wenn sie mit der Union koaliert.
Inzwischen hat sich in Berlin leider gezeigt, dass dies nicht mehr gilt.
Das kann man so sehen, lieber Juno; wir haben darüber ja schon oft diskutiert. Wenn die FDP in NRW der Meinung war, daß sie sich die Koalitionsfrage offenhalten sollte, dann hätte sie das auf ihrem Wahlparteitag am 2. Mai ja tun können. Jeder Wähler hätte sich dann überlegen können, ob er die FDP wählt, auch wenn er damit möglicherweise eine Ministerpräsidentin Hannelore Kraft wählt.
Ich kritisiere ja nicht die Avancen in Richtung Rotgrün als solche (in Bezug auf Rot haben sie übrigens in NRW Tradition; dort gab es die erste sozialliberale Koalition in einem Bundesland, wenn ich mich recht erinnere). Ich kritisiere, daß die FDP sich nach der Wahl nicht an das gehalten hat, was sie vor der Wahl versprochen hat.
Die FDP hat die Geschäftsgrundlage verlassen, auf der man sie gewählt hat. Das geht einfach nicht.
Zitat von JunoIn der Koalition mit Angela Merkel hat die FDP praktisch nichts durchsetzen können. Die Union scheint es geradezu darauf anzulegen, ihren Partner täglich zur Lachnummer zu machen. Die Frage ist jetzt, ob die FDP - sich damit einfach abfindet, um ihre Berliner Dienstwagen nicht zu gefährden; - irgendwann aus Prinzipientreue die Merkel-Koalition verlässt; oder - versuchen kann, über Ampel-Flirts doch noch Druck auf die Union aufzubauen. Letztere Variante, links blinken um liberale Politik durchzusetzen, führt natürlich zum Schleuderkurs. Auf Merkels Beifahrersitz stumm nach links mitzufahren ist allerdings auch keine attraktive Lösung.
Was man durchsetzen kann, lieber Juno, hängt - entschuldigen Sie, wenn ich a bisserl lehrerhaft werde - immer von zwei Faktoren ab: Erstens den realen Handlungsspielräumen und zweitens den Machtverhältnissen, die darüber entscheiden, wie diese Spielräume ausgefüllt werden.
Ein Finanzminister Westerwelle hätte versuchen können, der Finanzpolitik der Regierung seinen Stempel aufzudrücken. Die FDP wollte dieses Ressort nicht, weil sich Westerwelle im Glanz des AA sonnen wollte. Nun muß die FDP damit leben, daß Wolfgang Schäuble die Finanzpolitik macht. Man hätte alternativ für das Wirtschaftsministerium vielleicht einen fähigen parteilosen Liberalen finden können, etwa Sinn oder Henkel. Stattdessen hat man den netten Herrn Brüderle dorthin geschickt.
Durch solche Entscheidungen bestimmen sich die realen Machtverhältnisse. Und die Handlungsspielräume durch die finanzpolitische Situation, wie sie nun einmal da ist. Überall in Europa hat man drastische Sparprogramme aufgelegt. In dieser Situation die Steuern zu senken ist einfach nicht realistisch.
Westerwelle hat, immer zu großen Sprüchen neigend, pathetisch gesagt, er werde keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, der nicht substantielle Steuersenkungen vorsieht (aus dem Gedächtnis zitiert). Das war ein Fehler, und auf diesem Fehler sitzt jetzt die FDP.
Zitat (...) dann denke ich an Jörg-Uwe Hahn, den hessischen Kollegen von Andreas Pinkwart. Er befand sich nach den Wahlen vom 27. Januar 2008 in genau derselben Situation wie jetzt Pinkwart;
Nicht ganz. Der Unterschied ergibt sich aus den unterschiedlichen Landesverfassungen. Man meint ja immer, das System wäre in allen Bundesländern gleich: Der Landtag wählt den Ministerpräsidenten.
In Wahrheit ist das "Kleingedruckte" jedesmal etwas anders. Und in diesem Fall war dieses Kleingedruckte politisch höchst relevant: In Hessen kann ein neuer Ministerpräsident nur mit der Mehrheit der Mitglieder des Landtags gewählt werden. In NRW reicht die relative Mehrheit. Hätte in Hessen die NRW-Verfassung gegolten, dann wäre Ypsilanti heute Ministerpräsidentin.
Im "Kleingedruckten" gibt es noch viel mehr Unterschiede. Zum Beispiel braucht in Bayern der Ministerpräsident zur Ernennung oder Entlassung von Ministern die Zustimmung des Landtags. Er ist in diesem Punkt schwächer als die meisten anderen deutschen Regierungs-Chefs. In Bayern bleibt (anders als in Hessen) ein zurückgetretener Ministerpräsident auch nicht geschäftsführend im Amt bis ein neuer gewählt ist. Seine Aufgaben übernimmt stattdessen kommissarisch der Landtagspräsident.
Natürlich sind solche Details in "normalen" Zeiten toter Buchstabe. Sie werden aber dann relevant und spannend, wenn es keine klaren Mehrheitsverhältnisse gibt (bzw. in denen die Regierung sich des ständigen Vertrauens des Parlaments nicht sicher sein kann). Und so wie die Dinge liegen, wird es im Bund und in den Ländern immer häufiger zu Situationen kommen, in denen die Lage in diesem Sinne unübersichtlich ist. Und dann wird es eben spannend, was genau die Verfassung in einem solchen Falle vorschreibt.
Im Bund bekommt dann der Bundespräsident ECHTE Macht: Es steht ihm frei, ob er einen Minderheitenkanzler ernennt oder das Parlament auflöst. Deswegen wird der BuPrä in Zukunft eben nicht nur Symbolfigur sein wie bisher, sondern vielleicht auch einmal wirklich über die Regierungszusammensetzung entscheiden. Umso erfreulicher, dass sowohl Gauck als auch Wulff z.B. nie eine rot-grüne Minderheitsregierung akzeptieren würden. (Zumindest gehe ich davon aus. Unsere tollen Journalisten kommen ja leider nie auf die Idee, die BuPrä-Kandidaten danach zu fragen, wie sie sich in solchen Fällen entscheiden würden. Dabei ist das eigentlich die EINZIGE Frage, die politisch wirklich relevant ist).
In den Ländern gibt es ja keinen Präsidenten, der solche Krisen lösen könnte. Deshalb müssen die Verfassungen entsprechend schon vorab entsprechende Lösungs-Mechanismen eingebaut haben. (und wie in NRW und Hessen gesehen können diese ganz unterschiedlich gestaltet sein).
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