Naiv? Die Unterschreibenden vermutlich, die Initiatoren sicher nicht. Dazu das Zitat des Tages aus dem "Neuen Deutschland".
Die "Friedensbewegung" der achtziger Jahre hat sich bekanntlich ausschließlich gegen die westliche Raketenrüstung gewandt, nie gegen diejenige der UdSSR. Heute weiß man, warum: Diese Bewegung war weitgehend kommunistisch gesteuert.
Sie versuchen's halt immer wieder, und meist mit Erfolg.
Das heißt nicht, daß jede Friedensbewegung solchen Zielen dienen muß. "Schwerter zu Pflugscharen" in der DDR war ein Gegenbeispiel.
Zitat von ZettelDie "Friedensbewegung" der achtziger Jahre hat sich bekanntlich ausschließlich gegen die westliche Raketenrüstung gewandt, nie gegen diejenige der UdSSR. Heute weiß man, warum: Diese Bewegung war weitgehend kommunistisch gesteuert. Sie versuchen's halt immer wieder, und meist mit Erfolg. Das heißt nicht, daß jede Friedensbewegung solchen Zielen dienen muß. "Schwerter zu Pflugscharen" in der DDR war ein Gegenbeispiel.
Ich war Ende der 80er Jahre in einer Evangelischen Studentengemeinde (ESG), die im Sinne von »Schwerter zu Pflugscharen« friedensbewegt war. Wir hatten allerdings auch noch andere Themen. Es gab eine Partner-ESG aus Baden-Württemberg, mit der wir uns zwei Mal im Jahr getroffen haben. Die Leute von dort dachten im Prinzip in der Friedensfrage ähnlich wie wir. Natürlich träumten wir davon, dass beide Seiten ihre Raketen abrüsten würden. Politisch würde ich die meisten Leute aus der Partner-ESG als Grün bis Linksliberal einschätzen, es gab auch ein paar eher konservative Christen. Nach meinem Eindruck von diesen Treffen und nach meiner Erinnerung an diese Zeit war nicht die gesamte westliche Friedensbewegung kommunistisch unterwandert.
Zitat von stefanolix Nach meinem Eindruck von diesen Treffen und nach meiner Erinnerung an diese Zeit war nicht die gesamte westliche Friedensbewegung kommunistisch unterwandert.
Das war sie gewiß nicht, lieber Stefanolix. Aber die Weichenstellungen wurden weitgehend von Kommunisten vorgenommen. Das folgende konnte ich auf die Schnelle nicht verifizieren, aber ich habe eine ziemlich gute Erinnerung, es in einer zuverlässigen Quelle (könnte das Buch von Bettina Röhl gewesen sein) gelesen zu haben: Es gab im Vorfeld des Krefelder Appells den Versuch von Mitgliedern der Friedensbewegung (die eben zu den Nichtkommunisten gehörten), in den Aufruf auch den Abbau sowjetischer Raketen aufzunehmen. Das wurde abgebügelt mit dem Hinweis darauf, daß wir hier im Westen seien und uns nur um unsere eigenen Angelegenheiten zu kümmern hätten (sinngemäß).
Zitat von stefanolix Es gab eine Partner-ESG aus Baden-Württemberg, mit der wir uns zwei Mal im Jahr getroffen haben.
Rein interessehalber: Wie war das denn möglich? Durften Sie in den Westen ausreisen, oder ließ die DDR Friedensbewegte so einfach in die DDR einreisen? Wenn ja, durften diese sich frei bewegen, durften sie Veranstaltungen abhalten?
Ich kann mich erinnern, daß die Stasi westliche Friedensbewegte, die nicht dem kommunistischen Umfeld angehörten - Petra Kelly zum Beispiel - ausgesprochen unfreundlich behandelt hat.
Denn es liegt ja auf der Hand: Eine Friedensbewegung im Westen wollte man, um die Nato zu schwächen. Aber das Virus sollte, wenn irgend möglich, nicht in die DDR gelangen.
Zitat von ZettelRein interessehalber: Wie war das denn möglich? Durften Sie in den Westen ausreisen, oder ließ die DDR Friedensbewegte so einfach in die DDR einreisen? Wenn ja, durften diese sich frei bewegen, durften sie Veranstaltungen abhalten? Ich kann mich erinnern, daß die Stasi westliche Friedensbewegte, die nicht dem kommunistischen Umfeld angehörten - Petra Kelly zum Beispiel - ausgesprochen unfreundlich behandelt hat. Denn es liegt ja auf der Hand: Eine Friedensbewegung im Westen wollte man, um die Nato zu schwächen. Aber das Virus sollte, wenn irgend möglich, nicht in die DDR gelangen.
Im Schutz der Kirche und auf »kirchlichem Boden« (Kirche, Gemeindehaus) waren Diskussionen mit westlichen Studenten möglich. Wir wussten, dass wir dabei auch beobachtet wurden. So haben sich z.B. oft zum Semesteranfangsgottesdienst merkwürdig lauschende Unbekannte eingefunden, die dann nach den Fürbitten recht schnell verschwanden. Zur Erklärung: Mit Fürbitten konnte man z.B. seine Sorge um die Opfer der Demokratiebewegung in China oder um den Frieden artikulieren.
Im Schutz der Weimarer Herderkirche gab es beispielsweise auch einen kleinen »Giftschrank« mit verbotenen Büchern, die wir aus Mitteln des »Innerdeutschen Ministeriums« über viele Umwege bekommen haben. Klar, wenn man Pech hatte, wurden solche Bücher an der Grenze beschlagnahmt. Es ging aber oft gut.
Zu den Treffen: Die westlichen Studenten kamen grundsätzlich immer in die DDR. Nur unser Studentenpfarrer durfte vor dem Mauerfall in den Westen reisen. Ich war bei zwei Treffen, dann kam schon die friedliche Revolution. Ich erinnere mich aber noch sehr gut an das letzte Treffen vor dem Mauerfall. Da haben wir uns in Berlin getroffen. Am Abend haben wir einige Gäste zum Checkpoint gebracht, aber es haben auch Studenten im Gemeindehaus mit uns übernachtet. Ich weiß nicht, wie frei sich die Gäste bewegen durften. Während des kurzen Treffens wollten wir nicht noch aus Ostberlin herausfahren.
Die Studenten sind nicht als Gruppe aufgetreten, die eine politische Botschaft in die DDR tragen wollte. Damit hätten sie doch das eigentliche Ziel (Gedankenaustausch, Informationsaustausch) gefährdet. So wurden sie von den DDR-Behörden wie ganz normale Bürger der BRD behandelt, die kurz nach Ostberlin eingereist sind.
Zitat von stefanolixIm Schutz der Kirche und auf »kirchlichem Boden« (Kirche, Gemeindehaus) waren Diskussionen mit westlichen Studenten möglich. Wir wussten, dass wir dabei auch beobachtet wurden. So haben sich z.B. oft zum Semesteranfangsgottesdienst merkwürdig lauschende Unbekannte eingefunden, die dann nach den Fürbitten recht schnell verschwanden. Zur Erklärung: Mit Fürbitten konnte man z.B. seine Sorge um die Opfer der Demokratiebewegung in China oder um den Frieden artikulieren.
Im Schutz der Weimarer Herderkirche gab es beispielsweise auch einen kleinen »Giftschrank« mit verbotenen Büchern, die wir aus Mitteln des »Innerdeutschen Ministeriums« über viele Umwege bekommen haben. Klar, wenn man Pech hatte, wurden solche Bücher an der Grenze beschlagnahmt. Es ging aber oft gut.
Dieser "Freiraum" der Kirche in der DDR erstaunt mich immer wieder, lieber Stefanolix. Er wurde dem Regime ja am Ende auch zum Verhängnis.
Was aber hat die SED bewogen, ihn überhaupt erst zuzulassen, wo man sonst so darauf bedacht war, "alles in der Hand" zu haben? Sollte es ein Ventil sein? Hielt man die Frommen für ungefährlich, weil naiv? Oder war das vielleicht der Preis, den man dafür zahlte, daß die Kirche als Ganze als "Kirche im Sozialismus" überwiegend das Regime stützte?
Zitat von ZettelDieser "Freiraum" der Kirche in der DDR erstaunt mich immer wieder, lieber Stefanolix. Er wurde dem Regime ja am Ende auch zum Verhängnis. Was aber hat die SED bewogen, ihn überhaupt erst zuzulassen, wo man sonst so darauf bedacht war, "alles in der Hand" zu haben? Sollte es ein Ventil sein? Hielt man die Frommen für ungefährlich, weil naiv? Oder war das vielleicht der Preis, den man dafür zahlte, daß die Kirche als Ganze als "Kirche im Sozialismus" überwiegend das Regime stützte? Herzlich, Zettel
Weil ich diese Frage auch mit meinen Schülern im Religionsunterricht diskutiere: Der Kirche haben zu Beginn der DDR noch über 80 % der Bevölkerung angehört. Deshalb konnte die Kirche nur differenziert bekämpft werden, wenn man eine gewisse Zustimmung der Menschen gewinnen wollte. Der Kampf gegen die Kirche ist in unterschiedlichen Phasen in unterschiedlicher Intensität erfolgt. Besonders hart in den 50-ern. Immerhin hat der politische Druck zu einer gewaltigen Kirchenaustrittswelle geführt. Am Ende der DDR waren noch etwas über 20 % in der Kirche. Die Jugendweihe war ein erfolgreiches Druckmittel, ebenso die Einschränkung persönlicher Chancen von bekennenden Christen (ich durfte z.B. auch nicht studieren). 1969 ist es der SED gelungen, die Evangelischen Kirchen von der gesamtdeutschen EKD abzuschneiden. Das sind schon eine ganze Menge subtile Schritte. Dazu kam allerdings auch die ideologische Überzeugung, dass die Religion im Sozialismus absterben werde.
Die Erfahrungen von stefanolix (meine Erfahrungen sind ähnlich) gehören in die späte Honecker-Zeit, der ja zunächst in vielen Fragen entspannter agiert hat als Ulbricht. In den Achtziger Jahren ist dann auch in Rechnung zu stellen, dass er immer mehr auf wirtschaftliche Unterstützung aus dem Westen angewiesen war, so dass er sich keine allzu restriktive Politik gegenüber der Kirche mehr leisten konnte. Vielleicht spielten im Falle der friedensbewegten Freunde aus dem Westen auch taktische Überlegungen eine Rolle, dass man sich ihnen gegenüber bewusst nicht von der allzu harten Seite gezeigt hat. Schließlich hat man ja dann auch versucht im Osten die Friedensbewegung zu instrumentalisieren, indem man ihr größere Freiheiten zugestand (z.B. der "Olof-Palme-Friedensmarsch", an dem sich auch christliche Gruppen beteiligten). Alles nicht vollständig, aber ein paar Gedanken.
Zitat von HerrAlles nicht vollständig, aber ein paar Gedanken.
Sehr hilfreiche Gedanken, lieber Herr. Vielen Dank.
Vor allem den Gesichtspunkt der Abhängigkeit vom Westen finde ich interessant, denn im Westen hat man das nach meinem Eindruck nicht erkannt und viel zu wenig als Druckmittel eingesetzt. Bis zum Herbst 1989 war die vorherrschende Meinung, daß das Regime fest im Sattel saß und daß mit einer Wiedervereinigung in den kommenden Generationen nicht gerechnet werden konnte. 1987 durfte Honecker ja sogar zum Staatsbesuch in die Bundesrepbulik kommen. Das war der letzte Schritt bei der Anerkennung der Zweistaatlichkeit.
Ich denke - kann es aber nicht beweisen -, daß die Alimentierung der DDR sogar dem Ziel diente, das Regime zu stabilisieren. Man fürchtete im Westen Unruhen à la Polen. Diejenigen, die in der Botschaft der Bundesrepublik Zuflucht suchten, wurden ja auch menschenunwürdig behandelt; ich habe dazu einmal einen Artikel geschrieben.
Jetzt bin ich a bisserl vom Thema abgekommen. Aber auch was die Kirche angeht, wäre m.E. das Verhalten der westdeutschen EKiD aufzuarbeiten. Mein Eindruck ist - aber er mag falsch sein - , daß auch die EKiD lieber mit der "Kirche im Sozialismus" zusammengearbeitet als die Aufmüpfigen in der Kirche von unten ermuntert hat.
Zitat von ZettelMein Eindruck ist - aber er mag falsch sein - , daß auch die EKiD lieber mit der "Kirche im Sozialismus" zusammengearbeitet als die Aufmüpfigen in der Kirche von unten ermuntert hat.
Mir scheint, da ist Ihre Wahrnehmung zu undifferenziert, so wie es die Formulierung "Kirche im Sozialismus" selber war. "Kirche im Sozialismus" war eine Beruhigungsformel, die jeder interpretiert hat, wie er wollte: die einen als Zustimmung zum Sozialismus, die anderen als kritische Solidarität, wieder andere als bloße Ortsbestimmung: Kirche in einem sozialistischen Staat, den wir uns nicht ausgesucht haben, aber wo wir irgendwie (über-)leben müssen; und manche haben sie auch ganz abgelehnt. Mit dem Verhältnis der Kirche zum Staat war es im Grunde genommen wie mit der westdeutschen Politik: Man hat sich in unterschiedlich starkem Maße auf Gespräche und Kompromisse mit der DDR-Führung eingelassen, ohne sich grundsätzlich vereinnahmen zu lassen.
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