Manchem mag diese Rede zu pathetisch klingen; mancher mag finden, daß Gauck eigentlich nur Selbstverständlichkeiten gesagt hat.
Aber das Selbstverständliche muß manchmal laut gesagt werden; und gegen die Trickserei und die Kleinkariertheit, mit der auf der politischen Ebene die Frage der Nachfolge Köhlers bearbeitet wird, erscheint mir das kraftvolle Pathos Gaucks als eine wahre Wohltat.
Schon richtig - Gauck hätte ein sehr guter Kandidat sein können. Aber derzeit läßt er sich von rot/grün instrumentalisieren. Wäre ich in der Bundesversammlung, würde ich ihn deswegen wohl nicht wählen.
Zitat von R.A.Schon richtig - Gauck hätte ein sehr guter Kandidat sein können. Aber derzeit läßt er sich von rot/grün instrumentalisieren. Wäre ich in der Bundesversammlung, würde ich ihn deswegen wohl nicht wählen.
Ich schon. Die Instrumentalisierung würde ich unter List der Vernunft verbuchen
Die "List der Vernunft" würde ich dann sehen, wenn Gauck durch seine Wahl etwas in seinem Sinne bewirken würde. Dazu sehe ich aber wenig Chancen.
Direkte Macht hätte er ja fast nicht. Und gute Reden können nur so wirken, wie sie transportiert werden.
Selbst eine so klare, liberale und demokratische Rede wie die aktuelle wird ja nicht als politisches Plädoyer rezipiert - sondern als unverbindliche Erbauung. Da sitzen Linke aller Art ganz problemlos im Publikum und applaudieren. Sie können einfach so tun, als würde Gaucks Position einer rot/rot/grünen Politik völlig entsprechen.
Eine Wirkung könnte er m. E. nur dann erzielen, wenn er so direkt und eindeutig formuliert, daß auch die Medien das nicht mehr ignorieren können. Wenn er z. B. ganz explizit gegen kommunistische Politiker angehen und diese auch beim Namen nennen würde. Und das würde sich halt mit der überparteilichen Rolle des BuPrä nicht vereinbaren.
Er kann noch so sehr Werte hochhalten, die von den Linken de facto abgelehnt werden. Dadurch, daß er IHR Kandidat ist, können sie so tun, als wären es auch ihre Werte. Damit hilft er ihnen ungewollt bei ihrer Camouflage.
Zitat von R.A.Er kann noch so sehr Werte hochhalten, die von den Linken de facto abgelehnt werden. Dadurch, daß er IHR Kandidat ist, können sie so tun, als wären es auch ihre Werte.
Und die List dahinter ist doch da: Sie können nicht nur so tun, sie müssen! Er kann die DDR als Unrechtsstaat bezeichnen, und West- und Ostlinke müssen säuerlich lächeln. Er kann die Marktwirtschaft als Ausdruck der Freiheit loben und sie müssen applaudieren. Eine von Köhlers Angriffsflächen war doch gerade die, dass er ein Gewächs von Schwarz und Gelb war, und die gesamte Linke konnte ihn als Präsident der Heuschrecken verunglimpfen. Damit wäre Schluss.
Ich glaube, die Anhänger der Volksfront unterschätzen das Ei, das sie sich damit ins Nest gelegt haben.
Zitat von Meister PetzEr kann die DDR als Unrechtsstaat bezeichnen, und West- und Ostlinke müssen säuerlich lächeln.
Das ärgert aber nur die Hardcore-Kommunisten, die ihn ohnehin nicht wählen.
SPD/Grüne und die angeblich demokratisierten "Linken" haben aber kein Problem damit, die DDR von früher zu kritisieren. Das waren schließlich die Leute, die gar keinen "richtigen Sozialismus" gemacht haben. Je mehr sich die Linksfront von der DDR offiziell distanziert, desto leichter kann sie linke Maßnahmen durchsetzen.
Zitat Er kann die Marktwirtschaft als Ausdruck der Freiheit loben und sie müssen applaudieren.
Man kann dem Lob der Marktwirtschaft applaudieren und diese dann in der Praxis einschränken und zurückdrängen. Nur ganz verbohrte Linksextreme sagen offen, daß sie die Marktwirtschaft ablehnen. Den übrigen geht es doch "nur" darum, die Marktwirtschaft zu regulieren, sie "menschenfreundlich zu zähmen", "Auswüchse" zu verhindern.
Die "List" sehe ich daher eher umgekehrt: Gerade weil die Linken sich so ostentativ hinter einem bürgerlichen Kandidaten versammeln, können sie ihre eigentlichen Absichten um so ungenierter verfolgen. Völlig gegen seine Intention wird Gauck zum Tarnmantel von Bevormundungspolitikern.
Zitat von Meister PetzEr kann die DDR als Unrechtsstaat bezeichnen, und West- und Ostlinke müssen säuerlich lächeln.
Das ärgert aber nur die Hardcore-Kommunisten, die ihn ohnehin nicht wählen. SPD/Grüne und die angeblich demokratisierten "Linken" haben aber kein Problem damit, die DDR von früher zu kritisieren.
Ich kann mich, lieber R.A., an keine Äußerung eines kommunistischen Politikers erinnern, der die DDR als Unrechtsstaat bezeichnet hätte. Auch wenn es sich um einen Softcore-Kommunisten handelt.
Luc Jochimsen, gewiß eine Softcore-Kommunistin, hat sich ja zu dieser Frage gerade erst wieder gewunden wie eine Schlangenfrau: Zwar sei an DDR-Bürgern Unrecht begangen worden, aber die DDR sei kein Unrechtsstaat gewesen, weil "solche Definitionen juristisch und staatsrechtlich haltbar sein" sollten, was aber nicht der Fall sei. Was ja logischerweise bedeutet, daß für Jochimsen auch der Staat der Nazis kein Unrechtsstaat war.
Es geht, lieber R.A., um die historische Kontinuität. Nach allen Umtaufen ist diese Partei noch immer die SED, die sich als der legitime und einzige Erbe der DDR betrachtet und die eine neue DDR will.
Natürlich kritisiert man das, was man als Fehler, als Auswüchse, als menschliches Versagen von Ulbricht und Co ansieht. Aber daß ein Kommunist die DDR als ein im Ganzes abzulehnendes Gebilde ansieht und daß er die Bundesrepublik mit ihrem Grundgesetz als seine politische Heimat betrachtet, das habe ich noch von keinem gehört.
Falls einer das meinen sollte, dann ist er in dieser Partei fehl am Platz, dann ist er nur irrtümlich ihr Mitglied.
Zitat von Zettel Luc Jochimsen, gewiß eine Softcore-Kommunistin, hat sich ja zu dieser Frage gerade erst wieder gewunden wie eine Schlangenfrau: Zwar sei an DDR-Bürgern Unrecht begangen worden, aber die DDR sei kein Unrechtsstaat gewesen, weil "solche Definitionen juristisch und staatsrechtlich haltbar sein" sollten, was aber nicht der Fall sei. Was ja logischerweise bedeutet, daß für Jochimsen auch der Staat der Nazis kein Unrechtsstaat war.
Womit sie voll und ganz auf der Linie liegt, wie sich SPD, Grüne und "Demokratisierte Linke" eine ideale Präsidentin vorstellen:
Zitat Gesine Schwan lehnt in der Debatte über die DDR die Bezeichnung „Unrechtsstaat“ ab. Die SPD-Kandidatin für das Bundespräsidentenamt prangerte dennoch Willkür und Justiz im SED-Staat an. (...) „Sie (die DDR, MP) war ein Staat, in dem Willkür und Unsicherheit begünstigt wurden. Die Justiz war ausdrücklich ein Instrument der SED und damit nicht unabhängig“, sagte Schwan. Dies habe die Bevölkerung verunsichert. „Das heißt aber doch nicht, dass jede einzelne Handlung etwa im Arbeits- oder Verkehrsrecht unrecht war“, fügte sie hinzu.
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