Zitat von GorgasalBin ich der einzige, dem hier die Logik nicht ganz einleuchtet?
Nein, ich halte das auch für -öhm - schwer verständlich.
Natürlich war Wulff bis vor kurzem ein möglicher Merkel-Nachfolger. Aber mit einer versemmelten BuPrä-Kandidatur wäre er politisch für einige Zeit erledigt. Immerhin ist ER der Kandidat, über dessen Qualitäten derzeit abgestimmt wird.
Zitat von R.A.Natürlich war Wulff bis vor kurzem ein möglicher Merkel-Nachfolger. Aber mit einer versemmelten BuPrä-Kandidatur wäre er politisch für einige Zeit erledigt. Immerhin ist ER der Kandidat, über dessen Qualitäten derzeit abgestimmt wird.
Deswegen wundert es mich auch, dass er bei der Kandidatur zugesagt hat. Hat er tatsächlich keine Ambitionen auf die Kanzlerschaft, die ihm nach dieser Kandidatur so oder so nicht mehr offensteht? Oder geht er davon aus, dass Merkel sich so lange im Sattel halten wird, bis die CDU auf lange Zeit keinen Kanzler mehr stellen wird, à la Kohl?
-- La función didáctica del historiador está en enseñarle a toda época que el mundo no comenzó con ello. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Es gibt dort diejenigen, die auf eine möglichst baldige Bildung einer Volksfront-Regierung setzen. Aus ihrer Sicht könnte ein positives Signal an Rotgrün sinnvoll sein, auch wenn es nicht zur Wahl von Gauck reicht.
Es gibt andere, die warten wollen, bis die Kommunisten noch stärker geworden sind, bevor sie im Bund in die Regierung gehen. Aus deren Sicht wäre es günstiger, Jochimsen noch einmal kandidieren zu lassen.
Mit der seltsamen, immer wieder beschworenen Unterscheidung zwischen angeblichen "Pragmatikern" und "Fundamentalisten" oder "Chaoten" bei den Kommunisten hat das übrigens nichts zu tun. Es geht allein um zwei Strategien der Machtbeteiligung zwecks Vorankommens auf dem Weg in den Sozialismus. Diesen wollen die einen wie die anderen.
Zitat von GorgasalHat er tatsächlich keine Ambitionen auf die Kanzlerschaft, ...
Ein befreundeter Journalist (wahrscheinlich der einzige Liberale beim NDR ...) beobachtet die niedersächsische Landespolitik intensiv. Der meinte zu mir, Wulff wäre eigentlich nicht wirklich gerne Regierungschef. Er ist eher zurückhaltend, analysierend, bewegt mit Reden und mit Bürgerkontakt - aber nicht so der zupackende Entscheider.
Es ist gut möglich, daß die Präsidentenrolle viel besser zu ihm paßt als die Kanzlerrolle - und daß er das auch für sich selber erkannt hat.
Zitat von ZettelAus ihrer Sicht könnte ein positives Signal an Rotgrün sinnvoll sein, auch wenn es nicht zur Wahl von Gauck reicht.
Aber für dieses Signal werden sie m. E. nicht massiven innerparteilichen Ärger riskieren. Gauck ist beim StaSi-Flügel natürlich verhaßt, Joachimsen umgekehrt eine Kandidatin, die man nicht so einfach wieder in die Ecke schieben kann.
Die Linke wird wohl weiter geschlossen ihre Kandidatin wählen, um den Laden zusammen zu halten. Für rot/rot/grüne Signale finden sich noch andere Gelegenheiten.
Zitat Es geht allein um zwei Strategien der Machtbeteiligung zwecks Vorankommens auf dem Weg in den Sozialismus. Diesen wollen die einen wie die anderen.
Zitat von R.A.Natürlich war Wulff bis vor kurzem ein möglicher Merkel-Nachfolger. Aber mit einer versemmelten BuPrä-Kandidatur wäre er politisch für einige Zeit erledigt. Immerhin ist ER der Kandidat, über dessen Qualitäten derzeit abgestimmt wird.
Das sehen die meisten Kommentatoren anders. (Ich schalte derzeit a bisserl hin und her zwischen ARD, ZDF und Phoenix). Es herrscht die Meinung vor, daß die "Abweichler" nicht gegen Wulff gestimmt haben, sondern für Gauck und/oder gegen Merkel.
Außerdem stellt sich ja die Frage nach der Alternative, falls Merkel (was ich nicht hoffe und auch nicht erwarte; dafür ist sie zu robust) das Handtuch werfen sollte. Gegen von der Leyen hat sich schon vernehmbarer Protest artikuliert, als es nur um das Amt des Präsidenten ging. Koch ist raus, Rüttgers ist raus, Müller war nie eine ernsthafte Option. Schäuble kann es physisch nicht, und Guttenberg ist in der falschen Partei.
Zitat von ZettelWir brauchen die Kanzlerin, nicht nur innen-, sondern vor allem auch außenpolitisch. Sie hat diese Sache vergeigt, aber deshalb ist sie ja nicht auf einmal eine schlechte Kanzlerin geworden.
ganz genau, eine grottenschlechte Kanzlerin war sie schon vorher und wird sie hinterher leider auch bleiben.
Wofür wir sie brauchen, ist mir allerdings weiterhin völlig unklar. Kann sie auch nur einen nennenswerte Reform vorweisen? Hat sie überhaupt mal ein Thema angestoßen? Irgendetwas von sich aus angeschoben, ohne eine Diskussion zu beobachten, um sich hinterher zur Mehrheit zu stellen, wie auch immer die aussieht? Verrat an den Zusagen und Versprechungen, die den Deutschen zur Zustimmung des Euro gemacht wurden? Kritik an Israel im Einklang mit Islamisten, Kommunisten, ahnungslosen Gutmenschen, nützlichen Idioten und Antisemiten, ohne auf die Hintergründe hinzuweisen oder deutliche Worte gegenüber seinen Feinden zu finden? Usw. usf. Ich weiß nicht, wen Sie mit "wir" meinen, aber ich brauche Merkel ganz sicher so nötig wie einen Blinddarmdurchbruch ... und jeder andere auch, der die immer stärkere Bevormundung sowie den unerträglichen Etatismus und Interventionismus satt hat, der Ludwig Erhard im Grabe rotieren läßt.
In diesem Sinne sind die Ergebnisse der beiden bisherigen Wahlgänge unbedingt zu begrüßen.
Zitat von ZettelDas sehen die meisten Kommentatoren anders.
Das politische Interesse dieser Kommentatoren ist ja klar - denen geht es nur darum, die Regierung sturmreif zu schießen. Deswegen wird jetzt eine Staatsaffäre aus den Ergebnissen gemacht, gerade SpOn kommentiert geradezu hysterisch.
Daß Wulff in diesen Kommentaren keine eigenständige Rolle spielt, ist aber schon das erste Anzeichen, daß er machtpolitisch aus dem Rennen ist. Er ist keine eigenständige Figur mehr, nur noch ein MP auf Abruf. Er wird wahrgenommen nicht als Kandidat, sondern nur als Objekt Merkel'scher Machtpolitik. Als Kanzlerkandidat ist er verbrannt.
Zitat Außerdem stellt sich ja die Frage nach der Alternative,...
Schon richtig, einen Kronprinzen gibt es nicht - das ist der einzige Erfolg, den Merkel erreicht hat. Im Zweifelsfall müßte dann eben jemand ran, der derzeit noch als zweite Wahl gewertet würde. Immerhin ist aber die Meßlatte nicht sehr hoch. Selbst angesichts der traurigen Personalsituation der Union gibt es dort doch genügend Leute, die mehr Statur und Qualifikation haben als Gabriel.
Zitat von R.A. Schon richtig, einen Kronprinzen gibt es nicht - das ist der einzige Erfolg, den Merkel erreicht hat. Im Zweifelsfall müßte dann eben jemand ran, der derzeit noch als zweite Wahl gewertet würde. Immerhin ist aber die Meßlatte nicht sehr hoch. Selbst angesichts der traurigen Personalsituation der Union gibt es dort doch genügend Leute, die mehr Statur und Qualifikation haben als Gabriel.
Zitat von ZettelAus ihrer Sicht könnte ein positives Signal an Rotgrün sinnvoll sein, auch wenn es nicht zur Wahl von Gauck reicht.
Aber für dieses Signal werden sie m. E. nicht massiven innerparteilichen Ärger riskieren. Gauck ist beim StaSi-Flügel natürlich verhaßt, Joachimsen umgekehrt eine Kandidatin, die man nicht so einfach wieder in die Ecke schieben kann. Die Linke wird wohl weiter geschlossen ihre Kandidatin wählen, um den Laden zusammen zu halten. Für rot/rot/grüne Signale finden sich noch andere Gelegenheiten.
Eben hat laut "Phoenix" AFP gemeldet, daß die Kommunisten die Kandidatin Jochimsen zurückgezogen haben.
Zitat von ZettelDas sehen die meisten Kommentatoren anders.
Das politische Interesse dieser Kommentatoren ist ja klar - denen geht es nur darum, die Regierung sturmreif zu schießen.
Deswegen wird jetzt eine Staatsaffäre aus den Ergebnissen gemacht, gerade SpOn kommentiert geradezu hysterisch.
Die meinte ich nicht, lieber R.A., sondern zum Beispiel Friedrich Nowottny, der bei "Phoenix" ganz ausgezeichnet kommentiert hat (er stellt immer noch die meisten Jungen in den Schatten, was Intelligenz und Informiertheit angeht), oder Prof. Karl-Rudolf Korte.
Zitat von ZettelWir brauchen die Kanzlerin, nicht nur innen-, sondern vor allem auch außenpolitisch. Sie hat diese Sache vergeigt, aber deshalb ist sie ja nicht auf einmal eine schlechte Kanzlerin geworden.
ganz genau, eine grottenschlechte Kanzlerin war sie schon vorher und wird sie hinterher leider auch bleiben.
Hier im Forum wird ja, lieber RexCramer, in letzter Zeit ebenso engagiert wie umfassend diskutiert.
Falls es mal flau werden sollte, dann können wir ja mal wieder einer Diskussion pro und contra Angela Merkel veranstalten. Aber damit ich dazu so richtig Lust habe, müßte es schon sehr flau geworden sein.
Zitat von R.A. Schon richtig, einen Kronprinzen gibt es nicht - das ist der einzige Erfolg, den Merkel erreicht hat. Im Zweifelsfall müßte dann eben jemand ran, der derzeit noch als zweite Wahl gewertet würde. Immerhin ist aber die Meßlatte nicht sehr hoch. Selbst angesichts der traurigen Personalsituation der Union gibt es dort doch genügend Leute, die mehr Statur und Qualifikation haben als Gabriel.
zu Guttenberg.
Guter Einwurf.
Für Verschwörungstheoretiker: Die CSU hat bisher noch nie den Bundespräsidenten stellen dürfen und rächt sich jetzt fürchterlich, stimmt für Gauck und kegelt damit Merkel aus dem Amt, mit der noch ein paar alte Rechnungen offen sind. Von und zu Guttenberg ist tasächlich das letzte verbliebene As im Ärmel von CDU/CSU und die CSU erhofft in diesem Sog zu altem Glanz wiederzufinden. Die Bayern schneiden nicht ohne Grund beim Pisa-Test so gut ab, sie sind nämlich schlauer als andere, werden aber immer unterschätzt, vor allem von norddeutschen Nachrichtenmagazinen.
Zitat von ZettelWulff ist so gut wie durch. Interessant ist jetzt noch, für welche taktische Variante sich die Kommunisten entscheiden. Es gibt dort diejenigen, die auf eine möglichst baldige Bildung einer Volksfront-Regierung setzen. Aus ihrer Sicht könnte ein positives Signal an Rotgrün sinnvoll sein, auch wenn es nicht zur Wahl von Gauck reicht. Es gibt andere, die warten wollen, bis die Kommunisten noch stärker geworden sind, bevor sie im Bund in die Regierung gehen. Aus deren Sicht wäre es günstiger, Jochimsen noch einmal kandidieren zu lassen.
Offenbar konnte sich keine der beiden Gruppen durchsetzen; und nun ist etwas Kurioses herausgekommen: Jochimsen hat zurückgezogen, aber zugleich hat Gysi zu verstehen gegeben, daß die meisten Kommunisten nicht für Gauck stimmen, sondern sich enthalten werden.
Wulff wird also gewinnen. Die Partei "Die Linke" wird als gespalten erscheinen. Und ein klares Signal zugunsten einer Volksfront hat es auch nicht gegeben. So ziemlich der worst case für die Kommunisten.
Zitat von ZettelJochimsen hat zurückgezogen, aber zugleich hat Gysi zu verstehen gegeben, daß die meisten Kommunisten nicht für Gauck stimmen, sondern sich enthalten werden. Wulff wird also gewinnen. Die Partei "Die Linke" wird als gespalten erscheinen. Und ein klares Signal zugunsten einer Volksfront hat es auch nicht gegeben. So ziemlich der worst case für die Kommunisten.
Zitat von FAZ, wenn sie nicht gerade über Kandidatengattinnentätowierungen philosophiertKurz nach dem zweiten Wahlgang trafen die Partei- und Fraktionsführungen von SPD, Grünen und Linkspartei zusammen. Es ging darum, wie und ob die Linken nun doch noch für Gauck zu gewinnen sei. Das Problem: SPD und Grüne hatten ihnen anscheinend nichts anzubieten.
Zitat „Sehr pädagogisch“ müsse man mit den Linken reden und sie fragen, ob sie wirklich Schwarz-Gelb stabilisieren wollten, sagt der eine Fraktionsvorsitzende, Trittin.
"Sehr pädagogisch" wollen die Grünen ja mit allen reden - von erwachsenen Bürgern bis hin zu afghanischen Taliban.
-- La función didáctica del historiador está en enseñarle a toda época que el mundo no comenzó con ello. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Zitat von GorgasalNACHTRAG: sehr schön auch Trittins Wortwahl:
Zitat „Sehr pädagogisch“ müsse man mit den Linken reden und sie fragen, ob sie wirklich Schwarz-Gelb stabilisieren wollten, sagt der eine Fraktionsvorsitzende, Trittin.
"Sehr pädagogisch" wollen die Grünen ja mit allen reden - von erwachsenen Bürgern bis hin zu afghanischen Taliban.
A propos Wortwahl...
Zitat von Gysi über JochimsenWir haben ihr so aufrichtig und ehrlich wie möglich gedankt
Zitat von HarnaschDie Macht des Wortes ist alles, was dem Bundespräsidenten zur Verfügung steht: “Uns ist dieses Land anvertraut worden. Wir sollten es so oder besser hinterlassen, wie wir es vorgefunden haben.” Gleich in der Dankesrede zitiert der neue Bundespräsident.... Wen nochmal? Achja. Ein ICE-Klo.
Nicht ganz, das Motto "Die Welt besser hinterlassen, als wir sie vorfinden" ist ein Leitsatz Robert Baden-Powells, der, auf den die Pfadfinder zurückgehen. So kreativ ist man in der Werbeabteilung dann doch nicht.
Ich konnte mir die Wahl leider erst ab dem zweiten Wahlgang in Minutenhäppchen auf dem Tagesschau-Livestream ansehen. Kann sein, dass ich mich dadurch täuschen lasse, aber mir kam es so vor, als wäre Gauck in dieser Bundesversammlung so eine Art Alien. Ich sah ihn mehrfach alleine rumstehen, oder auf der offensichtlichen Suche nach einem möglichen Gesprächspartner umherwandern. Den Gipfel markierte dann Steinmeier, als er kurz vor Verkündung des Ergebnisses des dritten Wahlgangs, neben "seinem" Kandidaten sitzend, diesem den Rücken zuwandte als wäre der gar nicht da. Gauck hat währenddessen seine Hände betrachtet.
Eine Hauptperson behandelt man so nicht.
Vielleicht habe ich nur die falschen Bilder gesehen, aber genau genommen ist es ja wirklich so - Gauck passte da nirgends rein. Wulff und Jochimsen hatten ihre Politkollegen, die Medien- und Kulturmenschen ihresgleichen, naja und Sportler haben sicher auch genügend Gesprächspartner gefunden. Nur Gauck kam mir teilweise sehr einsam vor. Nichtmal bei seiner eigenen Truppe passte er ja rein (Sahra Wagenknecht bezeichnete ihn ja auch als "Rechtskonservativen und Neoliberalen").
Als dann rot-grün die geheuchelten Standing-Ovations zelebrierte, während Steinmeier so gütig lächelnd auf Gauck herabblickte, musste ich abschalten. Ich wünsche allen Beteiligten dieser Farce zumindest ein anhaltend schlechtes Gewissen.
---------------------------------------------------- Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire
Wenn Gauck gewählt wurden wäre (und sich am besten vor der Wahl viele FDP-Wahlmänner oder zumindest deren Landesverbände klar für ihn ausgesprochen hätten): großartig.
Wäre Wulf wirklich geschlossen gewählt wurde - großartig für die bürgerliche Koalition, man hätte Geschlossenheit bewiesen. Die Handlungsfähigkeit der Regierung wäre bewiesen wurden und somit der Bundespräsident zu einem Symbol der Regierungsfähigkeit von Schwarz-Gelb geworden (auch wenn der Bundespräsident vom Grundgesetz eigentlich als überparteiliches Symbol für andere Sachen vorgesehen war). Doch so war es nicht.
Das ist kein Sieg. Denn was für ein Eindruck hinterlässt das beim Bürger? Genau: Das Kungeln hat, trotz Widerstandes und der Aufrichtigkeit einzelner, mal wieder funktioniert. Und das wird als die Art wahrgenommen wie Schwarz-gelb funktioniert (wahrscheinlich wird man diese Eigenschaft auch der ganzen politischen Klasse zuschreiben und hätte nicht ganz unrecht). Der Ordnung des Grundgesetzes hat das nicht gut getan. Aber auch der Schwarz-gelben Regierung im Speziellen nicht.
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