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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 26 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

27.07.2010 03:08
Zitat des Tages: "Sie machen weiter" Antworten

Ein ehemaliger CIA-Chef hat sich zum Iran geäußert. Es könnte sein, daß sich da etwas zusammenbraut.

Juno Offline



Beiträge: 332

27.07.2010 09:48
#2 RE: Zitat des Tages: "Sie machen weiter" Antworten

Eine äußerst dubiose Rolle spielen in dieser Geschichte auch die amerikanischen Geheimdienste selbst. Sie haben den Iranern Ende 2007 praktisch einen Persilschein ausgestellt:

http://www.nytimes.com/2007/12/04/world/...st/04intel.html
http://www.dni.gov/press_releases/20071203_release.pdf

Ich weiß nicht, inwieweit Herr Hayden persönlich damals involviert war. Dieser Report zog der Iran-Politik der späten Bush-Regierung aber jegliche Legitimation unter den Füßen weg - und verfolgte auch offenkundig dieses politische Ziel.

In der Hall of Fame der krassesten und verantwortungslosesten Fehleinschätzungen von Geheimdiensten hat dieser NIE 2007 schon heute seinen Platz sicher.

Uwe Richard Offline



Beiträge: 1.253

27.07.2010 10:02
#3 RE: Zitat des Tages: "Sie machen weiter" Antworten

Lieber Zettel,

die Lage wird sich so oder so zuspitzen. Obwohl ich Obama nicht besonders mag, gehe ich im Gegensatz zu Ihnen nicht davon aus, dass er ein Appeaser ist, auch wenn er in der Öffentlichkeit so erscheint. Denn es gibt ja, nach Bastiat, immer noch das, was man nicht sieht. Selbst wenn er also so wäre, wie Sie ihn sehen, kann er sich dem militärisch Notwendigen nicht entziehen.

Fazit: Ein Militäreinsatz gegen den Iran wird immer wahrscheinlicher.


Uwe Richard

--

Wer mich ertragen kann, erträgt auch das Leben -- Uwe R.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

27.07.2010 11:09
#4 RE: Zitat des Tages: "Sie machen weiter" Antworten

Zitat von Uwe Richard
Obwohl ich Obama nicht besonders mag, gehe ich im Gegensatz zu Ihnen nicht davon aus, dass er ein Appeaser ist, auch wenn er in der Öffentlichkeit so erscheint. Denn es gibt ja, nach Bastiat, immer noch das, was man nicht sieht. Selbst wenn er also so wäre, wie Sie ihn sehen, kann er sich dem militärisch Notwendigen nicht entziehen.

Fazit: Ein Militäreinsatz gegen den Iran wird immer wahrscheinlicher.


Er wäre aber, lieber Uwe Richard, möglicherweise zu vermeiden gewesen, wenn man ihn von vornherein glaubwürdig angedroht hätte.

Das ist nun einmal die vertrackte strategische Logik: Wenn der Gegner weiß, daß man entschlossen ist, notfalls ernst zu machen, dann wird er sich so verhalten, daß man nicht ernst machen muß. Wenn man ihm aber Schwäche signalisiert, dann ermuntert man ihn zu einem Verhalten, das am Ende die Anwendung von Gewalt unumgänglich macht.

Das wird durch München 1938 illustriert, als der negative Fall. Der positive Fall ist die erfolgreiche Abschreckungspolitik, wie sie John Foster Dulles ("brinkmanship") und Konrad Adenauer vertreten haben.

Sie haben einen atomaren Krieg vermeiden können, weil sie klar signalisiert haben, daß sie ihn notfalls führen würden, statt einer sowjetischen Erpressung stattzugeben. So hat sich auch Kennedy in der Cubakrise verhalten.

Herzlich, Zettel

JeffDavis Offline



Beiträge: 448

27.07.2010 11:47
#5 RE: Zitat des Tages: "Sie machen weiter" Antworten

Zitat von Zettel

Das ist nun einmal die vertrackte strategische Logik: Wenn der Gegner weiß, daß man entschlossen ist, notfalls ernst zu machen, dann wird er sich so verhalten, daß man nicht ernst machen muß. Wenn man ihm aber Schwäche signalisiert, dann ermuntert man ihn zu einem Verhalten, das am Ende die Anwendung von Gewalt unumgänglich macht.
Das wird durch München 1938 illustriert, als der negative Fall. Der positive Fall ist die erfolgreiche Abschreckungspolitik, wie sie John Foster Dulles ("brinkmanship") und Konrad Adenauer vertreten haben.



Das ist ein Irrtum, lieber Zettel. Ihre Annahmen setzen voraus, daß sich die Gegenseite prinzipiell in den gleichen gedanklichen Bahnen bewegt wie Sie, "vernünftig" denkt wie Sie, und letztlich zumindest einen änlichen "Wertekanon" teilt wie Sie (also zB vor einem Krieg zurückschreckt). Das ist mE schon bei der vereinfachenden Gleichung "festes Auftreten = kein Krieg" im Falle von München und im Kalten Krieg nicht ganz richtig, und bei der aktuellen iranischen Führung bestimmt nicht zutreffend.

People who are wise, good, smart, skillful, or hardworking don't need politics, they have jobs.
(P.J.O'Rourke)

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

27.07.2010 12:30
#6 RE: Zitat des Tages: "Sie machen weiter" Antworten

Zitat von JeffDavis

Zitat von Zettel

Das ist nun einmal die vertrackte strategische Logik: Wenn der Gegner weiß, daß man entschlossen ist, notfalls ernst zu machen, dann wird er sich so verhalten, daß man nicht ernst machen muß. Wenn man ihm aber Schwäche signalisiert, dann ermuntert man ihn zu einem Verhalten, das am Ende die Anwendung von Gewalt unumgänglich macht.
Das wird durch München 1938 illustriert, als der negative Fall. Der positive Fall ist die erfolgreiche Abschreckungspolitik, wie sie John Foster Dulles ("brinkmanship") und Konrad Adenauer vertreten haben.


Das ist ein Irrtum, lieber Zettel.



Nein, das ist kein Irrtum, geschätzter JeffDavis. In den beiden Fällen, die ich genannt habe, ist es evident. Für den Iran ist es kein Irrtum, sondern wahrscheinlich, wenn auch nicht bewiesen.

Als der Botschafter Henderson Hitler die Kriegserklärung überreicht, war dieser, so berichteten es Augenzeugen, konsterniert. Er hatte aufgrund der Appeasement-Politik damit gerechnet, daß das UK ihm auch den Angriff auf Polen würde durchgehen lassen. Es gibt - meines Wissens, kennen Sie gegenteilige Quellen? - keinen Hinweis darauf, daß Hitler den Angriff auf Polen gewagt hätte, wenn er überzeugt gewesen wäre, daß dies zum Krieg mit dem UK und Frankreich führen würde.

Hitler war ein Ideologe, aber kein Narr. Er wollte den Eroberungskrieg im Osten, aber um keinen Preis noch einmal einen Zweifrontenkrieg. Man kann das in "Mein Kampf" ausführlich lesen.

Das zweite Beispiel ist ebenso eindeutig: "Brinkmanship" war der - meines Wissens von Dulles dafür geprägte -Begriff dafür, daß man sich am Rande eines Kriegs bewegen müsse, um diesen zu verhindern.

Wenn man die ersten Jahrgänge des "Spiegel" liest, was ich immer mal wieder tue, dann wird deutlich, für wie wahrscheinlich man damals einen "Dritten Weltkrieg" gehalten hat. Die UdSSR hatte planmäßig ihre Fünften Kolonnen in Ländern wie Frankreich und Italien aufgebaut; die KPs waren dort zeitweilig die jeweils stärksten Parteien. Es war alles andere als sicher, daß der Kalte Krieg nicht zu einem heißen werden würde. Die Festigkeit des Westens hat das verhindert. Die Sowjets waren Ideologen, aber keine Narren.

Auch die in Teheran Herrschenden (also Chamenei sowie die Revolutionsgarden, sicher nicht Ahmadinedschad) sind Ideologen, aber keine Narren.

Herzlich, Zettel

fedchan Offline



Beiträge: 129

27.07.2010 13:42
#7 RE: Zitat des Tages: "Sie machen weiter" Antworten

Hallo und Guten Tag.

Zitat
Es gibt - meines Wissens, kennen Sie gegenteilige Quellen? - keinen Hinweis darauf, daß Hitler den Angriff auf Polen gewagt hätte, wenn er überzeugt gewesen wäre, daß dies zum Krieg mit dem UK und Frankreich führen würde.



Ich habe Haffners Anmerkungen zu Hitler im Ohr, in denen er zu dieser Frage auf die Bormann-Diktate verweist, in denen Hitler gesagt habe, er hätte lieber 1938 Krieg geführt, ihn aber nicht haben können, weil England und Frankreich alle seine Forderungen akzeptiert hätten. Haffner meint, Hitler habe fest mit Krieg gegen Frankreich, nicht jedoch gegen England gerechnet. Folgerichtig sei ein Feldzug gegen Frankreich sehr gut vorbereitet gewesen, nicht hingegen eine Invasion auf den Britischen Inseln.

JeffDavis Offline



Beiträge: 448

27.07.2010 15:04
#8 RE: Zitat des Tages: "Sie machen weiter" Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von JeffDavis

Das ist ein Irrtum, lieber Zettel.


Nein, das ist kein Irrtum, geschätzter JeffDavis.




Ihre Ausführungen sind mE keine Widerlegung meiner Ansicht. Sie gehen immer noch davon aus, die iranischen Führer seien keine "Narren", womit Sie unterstellen, sie teilten Ihre Aufassung von "Vernunft" und "Narretei". Ich finde es eher evident, daß dies nicht der Fall ist. Saddam Hussein hat auch nicht in Ihrem Sinne "vernünftig" gehandelt, sonst hätte er den USA zumindest vorübergehend nachgegeben, um sein Regime nicht zu gefährden. Es lassen sich in der Geschichte noch zahlreiche Beispiele dafür finden, daß Regierungen und Völker nicht "vernünftig" handeln.

Selbst wenn die iranische Führung von der Entschlossenheit der USA zur Anwendung von Gewalt ausgeht, wer sagt denn, daß sie einen Krieg nicht trotzdem riskiert? Weil sie weiß, daß die USA angesichts der aktuellen Lage das Land militärisch gar nicht besetzen können? Weil sie eine Seeblockade nicht fürchtet? Weil sie aus religiösen Gründen den Tod nicht fürchtet, ja sogar für erstrebenswert hält? Weil sie eine nukleare Option der USA für unwahrscheinlich hält?

Oder sie wägt die Optionen der USA ab, und kommt am Ende dieses Prozesses zu der Überzeugung, die USA könnten weder das Regime stürzen noch das iranische Ziel "atomare Bewaffnung" verhindern, selbst wenn sie wollten? Weil die iranische Führung keinen Sinn darin sieht, auf die atomare Bewaffnung als Ziel vorab und freiwillig zu verzichten, weil evtl. die USA (oder Israel) im schlimmsten Falle die Anlagen durch Luftangriffe zu zerstören suchen werden? Und das es sich vor diesem Hintergrund lohnt, ein Risiko auf sich zu nehmen?

Sie haben zwar recht, daß Obamas Politik die Sache für den Westen schwieriger macht, aber Ihre Annahme, der Iran wäre bei einer unmißverständlichen Politik bereits eingeknickt, ist nach wie vor nicht mehr als eine Hypothese.

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(P.J.O'Rourke)

john j Offline




Beiträge: 591

27.07.2010 16:25
#9 RE: Zitat des Tages: "Sie machen weiter" Antworten

Woher sie wissen wollen dass Michael Hayden seine Worte "sorgfaeltig" waehlt wenn es um den Iran geht bleibt ihr Geheimnis. Immerhin stand er der CIA vor als sie 2007 die Atombsterbeungen des Iran als harmlos fuer den Rest der Welt klassifizierte. Was die harte Linie gegen den Iran betrifft - haerter als G W Bush koennte Obama auch nicht agieren. Und selbst waehrend den 8 Jahren Bush hat den Iran sein Atomprogramm weiterverfolgt. Warum glauben sie dass eine aehnliche Politik Obama's einen anderen Effekt auf den Iran haben sollte? Die Regierung in Teheran weiss dass die USA (und Israel) zu einem Militaerschlag weder den Willen noch die Kraft haben solange bspw die USA im Irak und in AF engagiert sind und Israel mit Gaza etc beschaeftigt ist.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

27.07.2010 16:59
#10 RE: Zitat des Tages: "Sie machen weiter" Antworten

Zitat von JeffDavis
Sie haben zwar recht, daß Obamas Politik die Sache für den Westen schwieriger macht, aber Ihre Annahme, der Iran wäre bei einer unmißverständlichen Politik bereits eingeknickt, ist nach wie vor nicht mehr als eine Hypothese.


Ich habe das so, glaube ich, nicht formuliert. Denn was gewesen wäre, wenn, kann niemand sagen; das haben wir ja schon früher ausführlich diskutiert. Man kann aber sagen, was ist, und man kann begründet vermuten, warum es so ist.

Obama hat wieder und wieder beschwichtigt. Die historische Erfahrung sagt, daß das dann, wenn man es mit Diktaturen zu tun hat, die Gefahr eines Kriegs erhöht. Das ist es, was ich in dem Artikel geschrieben habe.

Zitat von JeffDavis
Ihre Ausführungen sind mE keine Widerlegung meiner Ansicht. Sie gehen immer noch davon aus, die iranischen Führer seien keine "Narren", womit Sie unterstellen, sie teilten Ihre Aufassung von "Vernunft" und "Narretei".


Nein, das unterstelle ich keineswegs. Ich weiß überhaupt nicht, wie das auf iranisch heißt und was Chamenei & Co unter diesen Begriffen verstehen.

Ich sage nur, daß sie, auch wenn sie Ideologen sind, dennoch zweckrational handeln können. Es ist nicht zweckrational, daß der Iran sich auf einen Krieg mit den USA einläßt.

Zitat von JeffDavis
Saddam Hussein hat auch nicht in Ihrem Sinne "vernünftig" gehandelt, sonst hätte er den USA zumindest vorübergehend nachgegeben, um sein Regime nicht zu gefährden.


Gerade Saddam belegt meine These. Sie haben das ja, lieber JeffDavis, selbst recherchiert - wie er im Vertrauen auf Rußland und Frankreich überzeugt war, daß es nicht zur Invasion kommen werde. Er hat falsch kalkuliert, aber er hat rational kalkuliert und ist nicht irgendeinem blinden Haß oder einer blinden Ideologie gefolgt.

Natürlich gibt es in der Geschichte auch Beispiele für irrationales Verhalten von Staatsmännern; Pol Pot ist ein Beispiel. Oder Caligula, wenn wir a bisserl weiter zurückgehen.

Aber sehr oft sind auch bei Ideologen nur die Ziele ideologisch und also unvernünftig; die Strategie und Taktik ist aber rational. Auch bei Stalin, bei Hitler, bei Mao.

Zitat von JeffDavis
Selbst wenn die iranische Führung von der Entschlossenheit der USA zur Anwendung von Gewalt ausgeht, wer sagt denn, daß sie einen Krieg nicht trotzdem riskiert?


Ich jedenfalls sage das nicht. Ich sage nur, daß die Politik Obamas es wahrscheinlich gemacht hat, daß es zu einem Krieg kommt, und daß ein entschlossenes Auftreten von Anfang an ihn vermutlich hätte verhindern können.

Also, wo mein "Irrtum" Ihrer Ansicht nach liegt, weiß ich immer noch nicht. Vielleicht sollten Sie auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß die Wahrheit nicht ausschließlich auf Ihrer Seite verortet ist und daß nicht alles, was von Ihrer Meinung abweicht, deshalb gleich ein Irrtum ist.

Aber das hatten wir ja schon. Mehrfach.

Herzlich, Zettel

JeffDavis Offline



Beiträge: 448

27.07.2010 17:43
#11 RE: Zitat des Tages: "Sie machen weiter" Antworten

Zitat von Zettel

Ich sage nur, daß sie, auch wenn sie Ideologen sind, dennoch zweckrational handeln können. Es ist nicht zweckrational, daß der Iran sich auf einen Krieg mit den USA einläßt.



Zweckrational im Zettelschen Sinn oder zweckrational im iranischen Sinn?

Chamenei etcpp. sehen die Zweckrationalität mit Sicherheit ganz anders als Sie. Die werden ganz zweckrational einen richtigen Krieg mit den USA für ausgeschlossen und das militärische Risiko für kalkulierbar halten. Würde ich übrigens auch, wenn ich an deren Stelle wäre. Bei der aktuellen Lage - johnj hat es ebenfalls angedeutet - ist das Risiko eines Krieges mit den USA nahezu Null. Solange die Army und die Marines in Afghanistan und im Irak gebunden sind, kommen eine militärische Besetzung und ein Sturz des Regimes nicht in Betracht, eine Seeblockade ist in diesem Fall ungeeignet, ein Nuklearschlag politisch nicht vermitelbar. Allenfalls Luftschläge zur Zerstörung der Atomanlagen sind eine Option.

Es ist zweckrational, es unter diesen Umständen darauf ankommen zu lassen, weil die iranische Führung wenig riskiert. Wenn Bush den Irak nicht angegriffen hätte, sähe die Lage anders aus...

Zitat von Zettel

Zitat von JeffDavis
Saddam Hussein hat auch nicht in Ihrem Sinne "vernünftig" gehandelt, sonst hätte er den USA zumindest vorübergehend nachgegeben, um sein Regime nicht zu gefährden.


Gerade Saddam belegt meine These. Sie haben das ja, lieber JeffDavis, selbst recherchiert - wie er im Vertrauen auf Rußland und Frankreich überzeugt war, daß es nicht zur Invasion kommen werde. Er hat falsch kalkuliert, aber er hat rational kalkuliert und ist nicht irgendeinem blinden Haß oder einer blinden Ideologie gefolgt.





Gerade Saddam widerlegt Ihre These. Er hat anfänglich und eine Zeit lang auf Rußland und Frankreich vertraut, das aber schon vor dem Konflikt aufgegeben. Ansonsten geht aus meinem Beitrag und den Recherchen klar hervor, daß Saddam in einer irrealen Traumwelt lebte und alles andere als rational in unserem Sinne handelte. Er hatte seine eigene Rationalität (Regimesicherung an oberster Stelle, dann die Gefahr von Seiten des Irans, zuletzt die Gefahr von Seiten der USA) und völlig andere Prioritäten. Es ist richtig, daß er nur Luftangriffe und ggf. einen Einmarsch im südlichen Irak für möglich hielt, er hielt sich aber für einen gottbegnadeten Staatsmann und glaubte, die USA jederzeit - wie schon die ganze Welt 1991 - besiegen zu können. Saddam ist ein Paradebeispiel gegen Ihre These.

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(P.J.O'Rourke)

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

27.07.2010 19:14
#12 RE: Zitat des Tages: "Sie machen weiter" Antworten

Zitat von JeffDavis
Zweckrational im Zettelschen Sinn oder zweckrational im iranischen Sinn?


Ich glaube, lieber JeffDavis, wir müssen uns mal gründlich über Rationalität unterhalten.

Sie haben mir ja gar attribuiert, ich hätte das Verhalten von Chamenei, Saddam etc pp als "vernünftig" eingestuft, was ich alter Kantianer hoffentlich nie geschrieben habe (und wenn doch, dann shame on me; dann habe ich geschludert).

Mit zweckrational meine ich, daß jemand ein Ziel in einer Weise verfolgt, die unter den gegebenen Umständen - soweit sie ihm bekannt sind und soweit er sie richtig bewertet - zur Erreichung dieses Ziels geeignet sind. Es geht also um Verstand, nicht Vernunft.

Mir scheint, daß auch Sie selbst Zweckrationalität in diesem Sinn auch den Herren in Teheran und auch Saddam durchaus zuschreiben:

Zitat von JeffDavis
Die werden ganz zweckrational einen richtigen Krieg mit den USA für ausgeschlossen und das militärische Risiko für kalkulierbar halten. Würde ich übrigens auch, wenn ich an deren Stelle wäre. Bei der aktuellen Lage - johnj hat es ebenfalls angedeutet - ist das Risiko eines Krieges mit den USA nahezu Null. Solange die Army und die Marines in Afghanistan und im Irak gebunden sind, kommen eine militärische Besetzung und ein Sturz des Regimes nicht in Betracht, eine Seeblockade ist in diesem Fall ungeeignet, ein Nuklearschlag politisch nicht vermitelbar. Allenfalls Luftschläge zur Zerstörung der Atomanlagen sind eine Option.
Es ist zweckrational, es unter diesen Umständen darauf ankommen zu lassen, weil die iranische Führung wenig riskiert.


Bingo! Sie handeln also auch nach Ihrer Auffassung zweckrational.

Zitat von JeffDavis
Gerade Saddam widerlegt Ihre These. Er hat anfänglich und eine Zeit lang auf Rußland und Frankreich vertraut, das aber schon vor dem Konflikt aufgegeben.


Wann eigentlich genau? Haben Sie dazu etwas gefunden? Nach meiner Erinnerung an das, was ich damals gelesen habe, hatte er noch wenige Tage vor der Invasion die Erwartung, diese werde nicht stattfinden. Aber wie auch immer - er hat sich, gegeben seine Informationen und deren Bewertung, zweckrational verhalten; nämlich im Dienst seines Ziels, zu überleben und seine Herrschaft zu erhalten.

Zitat von JeffDavis
Er hatte seine eigene Rationalität (Regimesicherung an oberster Stelle, dann die Gefahr von Seiten des Irans, zuletzt die Gefahr von Seiten der USA)


Bingo.



Daß Diktatoren dazu neigen, Sachverhalte falsch einzuschätzen, weil sie nicht offen informiert werden und weil sie sich selbst überschätzen, ist ja unbestritten. Man kann das an Hitler studieren.

Aber das ändert nichts daran, daß sie in der Regel zweckrational handeln und nicht beispielsweise getrieben von einem "Zerstörungswillen", einer "Todessehnsucht" oder dergleichen. Das wäre es, was ich irrational nennen würde.

Und das waren nicht einmal Stalins Schauprozesse. Sie waren aus seiner Sicht zweckrational, denn sie dienten dazu, eine Rote Armee und eine Partei zu schaffen, die im bevorstehenden Krieg gegen Deutschland rücksichtslos würden benutzt werden können.

Herzlich, Zettel

Leibniz Offline




Beiträge: 383

27.07.2010 20:05
#13 RE: Zitat des Tages: "Sie machen weiter" Antworten

Zitat von Zettel
Aber das ändert nichts daran, daß sie in der Regel zweckrational handeln und nicht beispielsweise getrieben von einem "Zerstörungswillen", einer "Todessehnsucht" oder dergleichen. Das wäre es, was ich irrational nennen würde.


Diese Überlegungen zum Begriff der 'Rationalität' sind Sophisterei. Ich erinnere mich an diesen, ich glaube 14 jährigen, Jungen, den Hamas Schergen fragten, ob er nicht gerne mit ein paar hübschen Jungfrauen spielen würde. Sie erklärten ihm, was der Koran angeblich dazu sagt, worauf der Junge sagte 'klar doch' und sie ihm einen Dynamitgürtel umlegten und zu einer israelischen Grenzwache schickten.

Zweckrationalität und Irrationalität schließt sich doch nicht aus.

Leibniz Offline




Beiträge: 383

27.07.2010 21:10
#14 RE: Zitat des Tages: "Sie machen weiter" Antworten

Zitat von JeffDavis
Sie gehen immer noch davon aus, die iranischen Führer seien keine "Narren", womit Sie unterstellen, sie teilten Ihre Aufassung von "Vernunft" und "Narretei".

Zitat von Zettel
Nein, das unterstelle ich keineswegs. Ich weiß überhaupt nicht, wie das auf iranisch heißt und was Chamenei & Co unter diesen Begriffen verstehen.

Und so will es denn der Zufall, dass Ahmadinejad es uns erklaert.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

27.07.2010 21:20
#15 RE: Zitat des Tages: "Sie machen weiter" Antworten

Zitat von Leibniz
Zweckrationalität und Irrationalität schließt sich doch nicht aus.

Exakt. Irrationale (im Sinn von vernunftwidrige) Ziele werden auf eine rationale (im Sinn von zweckmäßige) Weise verfolgt. Die Vernunft versagt, aber der Verstand funktioniert.

Herzlich, Zettel

JeffDavis Offline



Beiträge: 448

28.07.2010 11:44
#16 RE: Zitat des Tages: "Sie machen weiter" Antworten

Zitat von Leibniz

Diese Überlegungen zum Begriff der 'Rationalität' sind Sophisterei.



Richtig. Vor allem haben sie nichts mit der praktisch-politischen Frage zu tun, ob ein festes Auftreten gegenüber dem Iran und eine damit verbundene glaubhafte Kriegsdrohung zu einem Stopp des Atomprogramms führen können. Deshalb werde ich, lieber Zettel, auch keine Zeit mit einer theoretischen Diskussion über Rationalität verplempern. Ich konzediere sofort, daß Sie mir da überlegen sind. Sie können herzlich gern weiter Toynbee lesen oder Kants Weltfriedensphantasien; ich beschäftige mich lieber mit der Literatur über die Schlagkraft der amerikanischen Streitkräfte, die Entwicklung der chinesischen maritimen Fähigkeiten und vergleichbaren militärischen, geopolitischen und strategischen Fragen von praktischer Relevanz.


Sicher ist, daß Obamas Auftreten und das des Westens nichts dazu beitragen. Umgekehrt wird die iranische Führung angesichts der aktuellen militärischen Kräfteverhältnisse und der politische Lage zu dem Schluß kommen, den ich bereits dargestellt habe. Eine ernsthafte Kriegsgefahr, verbunden gar mit einer Gefahr für die Existenz des Regimes, sehe ich nicht. Es gibt deshalb keinen Grund für die iranische Führung, auf ihr Ziel einer atomraren Bewaffnung zu verzichten. Selbst dann nicht, wenn Obama glaubwürdig drohen würde, denn ihm fehlen aktuell die Mittel, sie auch wahrzumachen. Ob die Iraner auf rationale, zweckrationale oder dumme Weise zu dieser Schlußfolgerung gelangt, ist weniger von Belang.

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(P.J.O'Rourke)

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

28.07.2010 11:55
#17 RE: Zitat des Tages: "Sie machen weiter" Antworten

Zitat von JeffDavis
Sie können herzlich gern weiter Toynbee lesen oder Kants Weltfriedensphantasien; ich beschäftige mich lieber mit der Literatur über die Schlagkraft der amerikanischen Streitkräfte, die Entwicklung der chinesischen maritimen Fähigkeiten und vergleichbaren militärischen, geopolitischen und strategischen Fragen von praktischer Relevanz.


So hat jeder sein Feld.

Haben Sie übrigens Kants "Zum ewigen Frieden" gelesen? Wenn ja, dann fürchte ich, daß Sie es nicht verstanden haben. Das ist nämlich genau das Gegenteil von Phantasien; eine schonungslose Analyse. Der Titel ist übrigens parodistisch gemeint.

Eher dürften Ihre militärischen und geopolitischen Autoren in Phantasien schwelgen als ausgerechnet der kalte Skeptiker Kant. Naja.

Wann hat denn nun Saddam nach Ihrer Kenntnis gemerkt, daß ihn Frankreich und Rußland nicht vor der Invasion bewahren werden?

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

28.07.2010 12:18
#18 RE: Zitat des Tages: "Sie machen weiter" Antworten

Zitat von Zettel
Haben Sie übrigens Kants "Zum ewigen Frieden" gelesen?


Hier ist eine kleine Lesehilfe.

Müßte doch eigentlich auch für den Militärhistoriker interessant sein; schon wegen der Überlegungen zu stehenden Heeren.

Uwe Richard Offline



Beiträge: 1.253

28.07.2010 15:11
#19 Toynbee und der ewige Frieden Antworten

@JeffDavis @Zettel

Es ist immer wieder erfrischend Ihrer Diskussion zu verfolgen. Mich haben Sie, lieber Zettel, jetzt so weit, dass ich Kants Werk Zum ewigen Frieden lesen werde. Ihnen, JeffDavis wäre ich dankbar, wenn Sie einige Werke der von Ihnen genannten Themen benennen würden, damit ich mich auch da mal "reinlesen" kann.

Passend dazu hier ein Link zur Akademie für Analytische Irrelevanz.


Einen schönen Tag wünscht

Uwe Richard

--

Wer mich ertragen kann, erträgt auch das Leben -- Uwe R.

JeffDavis Offline



Beiträge: 448

02.08.2010 22:51
#20 RE: Toynbee und der ewige Frieden Antworten

Zitat von Uwe Richard
@JeffDavis Ihnen, JeffDavis wäre ich dankbar, wenn Sie einige Werke der von Ihnen genannten Themen benennen würden, damit ich mich auch da mal "reinlesen" kann.



Zur chin. Rüstung habe ich gelesen:

Blasko, Chinese Army Today: Tradition and Transformation for the 21st Century
Shambaugh, Modernizing China's Military
US Department of Defense, China's Navy 2007
US-DoD, Annual Report on the Military Power of the PRC
RAND, China's Air Force Enters the 21st Century
Gordon, Chinese Aircraft and Aviation Industry since 1951
Li, History of the Modern Chinese Army
Edmonds & Tsai ed., Taiwan's Maritime Security
Prabhakar/Ho/Bateman, ed.: Evolving Maritime Balance in the Asia-Pacific, Maritime Doctrines and Nuclear Weapons at Sea

Alles neuere Bücher aus den letzten Jahren. Die englischen Wikipedia-Seiten sind im übrigen auch ein guter Einstieg, die deutschsprachigen verfolge ich nicht.

Empfehlenswert auch:

http://www.china-defense.com
http://www.sinodefence.com

Ergänzend:
http://www.comw.org/cmp/index.html


Für die US-Streitkräfte ist es schon schwieriger, weil eine sehr große Fülle an Material vorliegt. Auch hier sind die amtlichen Seiten der US-Navy, der USAF, der US-Army und des USMC ein erster Einstieg (auch die englischsprachigen Wikipedia-Seiten sind sehr ausführlich).

Alle Teilstreitkräfte der USA haben Kriegsschulen, militärhistorische Forschungseinrichtungen und vergleichbare Dienststellen, die einen Teil ihrer Erkenntnisse auch zum Download bereithalten (soweit sie für die Öffentlichkeit überhaupt zugänglich sind).

Ein etwas lückhafter Überblick über einiges Material findet sich hier:

http://www.theblackvault.com/m/articles/...ent-Collections

In mehreren Abteilungen werden Dokumente mit militärischem, strategischem und politischem Inhalt zum Download bereitgehalten. So finden sich zB die 5 Bände des „Iraqi Persepectives Project (Gegenstand eines anderen Threads in ZKZ), ein Bericht „Army Aviation Strike Force: A New Strategic Asset for the 21st. Century, ein dickes Buch „Air Power Advantage: Planning the Gulf War Air Campaign 1989-91“ uvm.


An Büchern habe ich:

- Cordesman/Kleiber: Iran's Military Forces and Warfighting Capabilities
- Wright: The US and Persian Gulf Security, The Foundations of the War on Terror
- Yetiv: The Absence of Grand Strategy, The US in the Gulf 1972-2005
- Lock-Pullan: US Intervention Policy and US-Army Innovation, From Vietnam to Iraq
- National Defense Panel: Transforming Defence, National Security in the 21st Century
- US-DoD: Strengthening Transatlantic Security, US-Strategy for the 21st Century
- Till: Seapower – Guide for the 21st Century
- Vego: Operational Warfare at Sea, Theory and Practice
- Dorman ua, Ed.: Changing Face of Maritime Power


Das ist nur ein kleiner Überblick. Schon aus Platzgründen habe ich zahlreiche, mehr technische und historische Fragen behandelnde Bücher weggelassen. Meines Erachtens findet der Interessierte schon im Internet massenhaft ausgezeichnetes Material. Man muß allerdings genügend Zeit für die Suche aufwenden.

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(P.J.O'Rourke)

JeffDavis Offline



Beiträge: 448

02.08.2010 23:21
#21 RE: Iran/Saddam Antworten

@Zettel - Saddam/Iran

In der Literatur habe ich kein konkretes Datum gefunden, ab dem SH nicht mehr an den Einfluß Frankreichs und Rußlands glaubte. Wie auch, er wird sich kaum über Nacht dazu entschlossen haben, sondern es wird ein langer Prozeß gewesen sein. Im übrigen kommt es mE darauf auch nicht entscheidend an, denn in dem Buch von Woods et al. werden noch zwei weitere Faktoren genannt, die ich in meinem Artikel auch behandelt habe.

Ich kann daher nur empfehlen, das Buch im Internet zu suchen, herunterzuladen und zu lesen. Die genaue Fundstelle habe ich nicht mehr auswendig parat. Aber wenn sie den kpl Titel bei Google eingeben, dann dürfte sich (zB bei archive.org) das Buch schnell finden lassen. Auf besagter Foreign Affairs -Seite findet sich mW auch ein Link.


Wenn Sie an Ihrer Ansicht festhalten wollen, es komme entscheidend auf F und RU an, dann bitte. In den Akten der irakischen Führung findet sich dafür jedenfalls keine Stütze. Auf Ihre Neigung, komplexe Situationen/militärische Lagen, vielschichtige Abläufe und Entscheidungsprozesse, vergröbernd auf ein, zwei Punkte zu reduzieren, und dabei alles auszublenden, was Ihrer gedanklichen Konstruktion entgegensteht, habe ich bereits hingewiesen. Ihre sehr gewagte These bzgl. des Irak-Planes der Regierung Bush und zu seinem Scheitern wg. Schröder & Co ist dafür mE ein charakteristisches Beispiel.

Sie beschränken sich auch im jetzigen Thread auf die schlichte Behauptung, ein Krieg gegen die USA sei nicht „zweckrational“. Das eigentliche Problem kommt bei Ihnen gar nicht vor. Die Frage nämlich, ob aus der Sicht des Iran erstens die USA überhaupt einen full scale war führen können, und zweitens, ob es nicht riskiert werden kann, Luftangriffe der USA hinzunehmen. Die Frage also, ob die USA aktuell tatsächlich ihr Ziel, die atomare Bewaffnung des Iran zu verhindern, mit militärischer Gewalt in der einen oder anderen Form erreichen können.

Richtig ist, daß unter normalen Umständen der Iran militärisch keine Chance gegen die USA hat. Mag er zu Lande zahlenmäßig noch gleichstark oder sogar leicht überlegen sein, an Kampfkraft, Professionalität und Erfahrung ist er der US-Army und den Marines weit unterlegen. Die iranische Marine und Luftwaffe sind den US-Gegenparts so himmelweit unterlegen, daß sie nur ehrenvoll untergehen können. Jeder Einfluß auf die militärischen Ereignisse wäre Zufall.

Ebenso wie SH könnte der Iran allerdings auch in so einem Fall trotzdem an den Sieg glauben und den Krieg wählen.

In Wahrheit ist aber das Risiko eines Krieges für den Iran recht gut kalkulierbar. Aktuell können die USA/Israel nur begrenzte konventionelle Luftangriffe gegen die iranische Atomindustrie führen, ggf. noch gegen andere Militärziele. Auch begrenzte Kommandoangriffe sind uU denkbar. Full scale war können sie zZt. aber aus den bereits geschilderten Gründen meiner Meinung nach nicht führen. Der Iran riskiert also im schlimmsten Fall die Vernichtung der Atomanlagen, wenn die USA oder Israel das politisch riskieren. Gerade das ist aber fraglich (Obama macht es schlimmer, aber auch bei einem festen Auftreten könnte der Iran das Risiko eingehen). Es besteht daher kein Grund für die Iraner, schon jetzt freiwillig den USA den politischen Sieg zuzugestehen, wenn noch gar nicht feststeht, daß sie ihn führen und militärisch ihr Ziel erreichen würden. Ob und in welchem Umfang die Anlagen wirksam zerstört werden können, ist dabei noch gar nicht berücksichtigt.

Im Gegenteil: Es bleibt dem Iran nur ein begrenztes Zeitfenster, bis die USA durch den Truppenabbau im Irak (und nach einer entsprechenden Auffrischung) wieder über stärkere militärische Optionen verfügen.

Die iranische Führung geht mE zZt klug vor. Es gibt - für mich – nur einen Punkt, den ich nicht so richtig einschätzen kann, nämlich wie die anderen arabischen Staaten, insbesondere Saudi-Arabien und die Golfstaaten, weiter vorgehen werden. Einen atomar bewaffneten Iran können sie nicht dulden, offen mit den USA oder gar Israel zusammenarbeiten geht politisch auch kaum. Im Hintergrund laufen aber mit Sicherheit Gespräche.

Inwieweit die iranische Führung eine militärische Option der Araber einkalkuliert, ist mir ebenfalls nicht klar.



Zu Kants Weltfriedensplan kommt noch in den nächsten Tagen ein Beitrag.

People who are wise, good, smart, skillful, or hardworking don't need politics, they have jobs.
(P.J.O'Rourke)

Uwe Richard Offline



Beiträge: 1.253

03.08.2010 00:07
#22 RE: Toynbee und der ewige Frieden Antworten

Lieber JeffDavis, da haben Sie sich ja mächtig ins Zeug gelegt. Vielen Dank für die vielen Buchtipps und Links.


Ich werde dann mal beginnen, mich ins Thema "einzulesen"; keine leichte Aufgabe, wie mich dünkt.


Es grüßt Sie

Uwe Richard

--

Wer mich ertragen kann, erträgt auch das Leben -- Uwe R.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

03.08.2010 00:47
#23 RE: Iran/Saddam Antworten

Lieber JeffDavis,

wir sind beide keine Historiker, die Zugang zu den US-Archiven oder gar den Archiven Saddams hätten. Von mir weiß ich das. Von Ihnen setze ich es voraus. Falls ich damit falsch liegen sollte, korrigieren Sie mich bitte.

Also sind wir beide auf Sekundärliteratur angewiesen. Im jetzigen Fall haben wir beide dieselben Autoren als Quelle benutzt, nämlich Kevin Woods und seine Mitautoren. Ich habe mich im März 2009 in diesem Artikel auf deren Beitrag in Foreign Affairs 2006 gestützt.

Sie haben mich seinerzeit nach diesem Artikel gefragt, weil der Link nicht mehr funktionierte. Aber ich konnte Ihnen den Artikel leider nicht schicken, weil ich ihn nicht gespeichert hatte. Daraufhin haben Sie sich das Buch derselben Autorengruppe besorgt und darüber hier im Forum einen sehr interessanten Artikel geschrieben.

Wir stützen uns also, beide keine Fachhistoriker, auf dasselbe Material, das Sie in der ausführlicheren Form einer Monographie gelesen haben (warum übrigens können Sie diese nicht verlinken, wenn sie im Netz zugänglich ist und Sie sie durchgearbeitet haben?). Wir beide stellen Mutmaßungen an. Ich allerdings werfe Ihnen nicht vor, daß Sie Mutmaßungen anstellen.

Zitat von JeffDavis
In der Literatur habe ich kein konkretes Datum gefunden, ab dem SH nicht mehr an den Einfluß Frankreichs und Rußlands glaubte. Wie auch, er wird sich kaum über Nacht dazu entschlossen haben, sondern es wird ein langer Prozeß gewesen sein.


Mutmaßung. Sie hatten aber behauptet, daß er nicht mehr daran glaubte, und ich hatte Sie daraufhin nach der Quelle gefragt.

Zitat von JeffDavis
Wenn Sie an Ihrer Ansicht festhalten wollen, es komme entscheidend auf F und RU an, dann bitte. In den Akten der irakischen Führung findet sich dafür jedenfalls keine Stütze.


Mutmaßung. Bestenfalls. Sie stellen eine Behauptung auf, die sie allenfalls dann vertreten könnten, wenn Sie diese Akten gelesen hätten.

In dem Foreign-Affairs-Artikel jedenfalls schreiben die Autoren das Gegenteil. Zitat aus meinem Artikel:

Zitat von ZR
Hatte er diese Illusion? Wie sah es überhaupt in der irakischen Regierung in den Monaten vor dem Krieg aus? Dazu ist 2006 in Foreign Affairs ein außerordentlich aufschlußreicher Artikel von Kevin Woods, James Lacey und Williamson Murray erschienen. Die Autoren stützen sich auf Material, das das U.S. Joint Forces Command (USJFCOM) in zweijähriger Arbeit zusammengetragen hatte und dessen Geheimhaltung kurz zuvor aufgehoben worden war - Hunderttausende von Dokumenten des Saddam- Regimes, Verhöre von Dutzenden militärischen und politischen Führern des Irak unter Saddam.

Es ergibt sich ein erstaunliches, ein fast unglaubliches Bild.

Nach den Aussagen der Insider des Regimes rechnete Saddam Hussein bis zuletzt damit, daß dieser Krieg nicht stattfinden werde. Er tat es, weil er Frankreich und Rußland als seine Verbündeten ansah und deren Einfluß für groß genug hielt, um die Amerikaner an der Invasion zu hindern.


Das habe ich mir, lieber JeffDavis, nicht ausgedacht, sondern es wird von den Autoren durch Dokumente belegt.

Zitat von JeffDavis
Auf Ihre Neigung, komplexe Situationen/militärische Lagen, vielschichtige Abläufe und Entscheidungsprozesse, vergröbernd auf ein, zwei Punkte zu reduzieren, und dabei alles auszublenden, was Ihrer gedanklichen Konstruktion entgegensteht, habe ich bereits hingewiesen.


Was soll das? Müssen Sie auf Argumente ad hominem zurückgreifen? - Jede historische Interpretation macht genau das, was Sie beanstanden. Sie können überhaupt keinen geschichtlichen Ablauf beschreiben, ohne daß Sie eine Reduktion auf bestimmte Punkte vornehmen.

Zitat von JeffDavis
Sie beschränken sich auch im jetzigen Thread auf die schlichte Behauptung, ein Krieg gegen die USA sei nicht „zweckrational“. Das eigentliche Problem kommt bei Ihnen gar nicht vor. Die Frage nämlich, ob aus der Sicht des Iran erstens die USA überhaupt einen full scale war führen können, und zweitens, ob es nicht riskiert werden kann, Luftangriffe der USA hinzunehmen.


Sehen Sie, so vergröbern Sie; reduzieren auf ein, zwei Punkte.

Ansonsten danke für Ihren interessanten Beitrag, der freilich viel angenehmer zu lesen wäre, wenn Sie ihn nicht mit ganz unnötiger Polemik garnieren würden. Naja.

Herzlich, Zettel

JeffDavis Offline



Beiträge: 448

03.08.2010 20:38
#24 RE: Iran/Saddam Antworten

Zitat von Zettel
(warum übrigens können Sie diese nicht verlinken, wenn sie im Netz zugänglich ist und Sie sie durchgearbeitet haben?). Wir beide stellen Mutmaßungen an. Ich allerdings werfe Ihnen nicht vor, daß Sie Mutmaßungen anstellen.



Weil ich die Seite nicht gebookmarked habe und im Nachhinein nicht mehr die URL angeben kann. Wenn ich das Buch aber im Netz gefunden habe, sollten Sie es auch finden können, da Sie vermutlich für Ihre Artikel mehr im Netz recherchieren als ich.

Ich werfe Ihnen auch keine Mutmaßungen vor, und ich kritisisiere entgegen Ihrer Behauptung auch nicht Sie, sondern die Methode, mit der Sie oft Ihre außen- und sicherheitspolitischen Thesen entwickeln. Sie wenden zwar ein, historische Interpretation mache genau das, was ich beanstande. Das stimmt aber nur bei oberflächlicher Betrachtung, weil sich die Qualität der historischen Interpretation eben auch darin bemerkbar macht, wie sie zu ihren Ergebnissen kommt. Wenn ich eine These zu SHs Strategie aufstelle, von drei sich aus den Primärquellen ergebenden Faktoren aber nur einen berücksichtige, dann sind meine Schlußfolgerungen deutlich weniger fundiert und überzeugend, als wenn eine These alle drei berücksichtigt.


Zitat von Zettel

Mutmaßung. Sie hatten aber behauptet, daß er nicht mehr daran glaubte, und ich hatte Sie daraufhin nach der Quelle gefragt.



Im Buch von Woods et al. finden sich diese Hinweise im Kapitel I, S.28f, und im Kapitel V, S.89f. In der Fußnote 23 zur ersten Fundstelle heißt es auch, daß SHs Ansicht über die Wirkung der diplomatischen Tätigkeit gegenüber Frankreich und Rußland mehr auf seiner Einbildung als auf einem tatsächlichen Einfluß beruhte. Er richtete seine Maßnahmen mehr an seinen eigenen Erwartungen von Erfolg aus als an tatsächlichen Ereignissen.

Woods et al haben tausende erbeuteter irakischer Akten ausgewertet und mehrere Dutzend irakischer Spitzenmilitärs und -politiker interviewt. Man sollte annehmen, daß sich damit eine verläßliche Bewertung der irakischen Seite erzielen läßt. Da es sich um professionelle Fachleute handelt, die das Projekt begleitet haben, gehe ich bis zum Beweise des Gegenteils davon aus, daß sie ihr Handwerk beherrschen und korrekte Schlußfolgerungen gezogen haben. Also keine Mutmaßungen, sondern auf Primärquellen beruhende Schlußfolgerungen, die ich in meinem Artikel lediglich wiedergegeben habe. Ein Gemisch aus drei wesentlichen Punkten, das Vertrauen auf F und Rußland einer davon.


Wenn Sie auf Woods et al im FA - Artikel verweisen, dann ist das in Ordnung, weil "die Autoren das durch Dokumente belegen". Wenn ich auf dieselben Autoren und dieselben Dokumente verweise, nur aus ihrem viel ausführlicheren Buch, dann sind es nur Mutmaßungen.

Die Formulierung aus dem Artikel "Nach den Aussagen der Insider des Regimes rechnete Saddam Hussein bis zuletzt damit, daß dieser Krieg nicht stattfinden werde. Er tat es, weil er Frankreich und Rußland als seine Verbündeten ansah und deren Einfluß für groß genug hielt, um die Amerikaner an der Invasion zu hindern." ist ja von Ihnen. Woods et el. erwähnen im 2.Kapitel des Buches die verschiedenen anderen Faktoren, die zu SHs Strategie geführt haben (in meinem Beitrag die Ziffern 1, 2 und 4). Sie alle sind zusammen zu betrachten, während bei Ihnen nur der Einfluß Frankreichs und Rußlands vorkommt.

Zitat von Zettel

Zitat von JeffDavis
Sie beschränken sich auch im jetzigen Thread auf die schlichte Behauptung, ein Krieg gegen die USA sei nicht „zweckrational“. Das eigentliche Problem kommt bei Ihnen gar nicht vor. Die Frage nämlich, ob aus der Sicht des Iran erstens die USA überhaupt einen full scale war führen können, und zweitens, ob es nicht riskiert werden kann, Luftangriffe der USA hinzunehmen.


Sehen Sie, so vergröbern Sie; reduzieren auf ein, zwei Punkte




Haben Sie eine derartige Antwort wirklich nötig?

People who are wise, good, smart, skillful, or hardworking don't need politics, they have jobs.
(P.J.O'Rourke)

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

03.08.2010 23:30
#25 RE: Iran/Saddam Antworten

Zitat von JeffDavis
Im Buch von Woods et al. finden sich diese Hinweise im Kapitel I, S.28f, und im Kapitel V, S.89f. In der Fußnote 23 zur ersten Fundstelle heißt es auch, daß SHs Ansicht über die Wirkung der diplomatischen Tätigkeit gegenüber Frankreich und Rußland mehr auf seiner Einbildung als auf einem tatsächlichen Einfluß beruhte. Er richtete seine Maßnahmen mehr an seinen eigenen Erwartungen von Erfolg aus als an tatsächlichen Ereignissen.


Exakt so.

Herzlich, Zettel

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