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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 6 Antworten
und wurde 1.102 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.08.2010 03:45
Zitat des Tages: Revolution in Venezuela Antworten

Viele Achtundsechziger haben ihn geträumt, diesen Traum vom ganz anderen Sozialismus. Sie haben sich eine Gesellschaft erträumt, in der die Menschen aus freiem Antrieb ständig politisieren, statt ihrer Arbeit nachzugehen und ihre Freizeit genießen; in der alle Freude daran haben, ständig in Räten und Vollversammlungen zu sitzen und die Arbeit zu tun, die bisher Politiker taten.

Sogar die Betriebe sollten "selbstverwaltet" werden; die Arbeiter sollten auch noch die Aufgabe des Managements übernehmen, und das freudig und ständig.

Und das alles aus reiner Freude an solchem "selbstbestimmten Leben".

Die meisten haben diesen Traum der Unvernunft ausgeträumt, als sie älter wurden. Aber der Traum lebt offenbar in Jüngeren weiter.

Juno Offline



Beiträge: 332

18.08.2010 10:26
#2 RE: Zitat des Tages: Revolution in Venezuela Antworten

Dieser Sozialismus ist eben auch ein Karriereversprechen für den jungen Revolutionär, die Perspektive eines Aufstiegs zur Allmacht und zum Superstarstatus (Marx, Lenin, Mao, Che), ohne die Mühsal und die Anpassungszwänge einer Ochsentour.

Wer älter wird, findet irgendwann seine eigenen Wege und Arrangements, und lässt den Traum vom revolutionären Heldentum allmählich fallen, so wie auch die Berufsträume Popstar oder Fußballprofi abgelegt werden.
Oder er bemerkt doch wenigstens, dass es im revolutionären Alltag dieser Bewegung ziemlich gewöhnlich, kleinlich und mies zugeht, und dass die angeblichen Helden alles andere als das sind. Was vom Mythos Che Guevara bleibt ist der mickrige Karrierismus eines Klaus Ernst.

Vom desaströsen Scheitern der sozialistischen Politikexperimente selbst einmal ganz abgesehen.

Wirklich gefährlich wird es allerdings, wenn diese Begegnung mit der Realität nach dem Motto abläuft: Umso schlimmer für die Realität.

Im "Stern" war unlängst ein Interview mit dem venezolanischen "Berufsrevolutionär" (vulgo: Terroristen) Carlos zu lesen, der es in den 70er Jahren zu einiger Weltberühmtheit gebracht hat. Dieser Herr sah sich schon in früher Jugend ermächtigt, über Leichen zu gehen, und hat das dann hemmungslos praktiziert. Ein Leben im Luxushotel gehörte selbstverständlich auch dazu.

Die revolutionären Spinnereien in der Jungen Welt und anderswo wären nur lächerlich, wenn man nicht befürchten müsste, dass der eine oder andere dieser Kindsköpfe irgendwann wieder in solch blutrünstigem Größenwahn endet.

Boris Eichler Offline




Beiträge: 15

18.08.2010 12:05
#3 RE: Zitat des Tages: Revolution in Venezuela Antworten

Buttkereit mag's, wenn's zur Sache geht. Fabrikbesetzungen empfiehlt er den Gewerkschaften hier in Deutschland. Seine Stammkundschaft: Neues Deutschland, junge Welt und: der Deutschlandfunk. http://www.dradio.de/dlf/sendungen/andruck/853807/

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.08.2010 12:09
#4 RE: Zitat des Tages: Revolution in Venezuela Antworten

Zitat von Juno
Dieser Sozialismus ist eben auch ein Karriereversprechen für den jungen Revolutionär, die Perspektive eines Aufstiegs zur Allmacht und zum Superstarstatus (Marx, Lenin, Mao, Che), ohne die Mühsal und die Anpassungszwänge einer Ochsentour.

Etwas, was zum Beispiel auch die RAF-Anführer kennzeichnete. Viele haben das damals ja eher als jugendliche Spinnerei angesehen, aber Baader und seine GenossInnen waren damals ungefähr im selben Alter wie die von Ihnen genannten, als diese ihre revolutionäre Karriere begannen. Carlos erwähnen Sie ja auch.

Zitat von Juno
Wer älter wird, findet irgendwann seine eigenen Wege und Arrangements, und lässt den Traum vom revolutionären Heldentum allmählich fallen, so wie auch die Berufsträume Popstar oder Fußballprofi abgelegt werden.


Falls die Revolution nicht zustandekommt oder scheitert. Falls sie gelingt, verwandeln sich die jugendlichen Idealisten meist blitzschnell in eiskalte Kommissare und Bürokraten.

Zitat von Juno
Was vom Mythos Che Guevara bleibt ist der mickrige Karrierismus eines Klaus Ernst.


Mein Zitat des Tages. Habe es ins Sammelsurium gestellt.

Zitat von Juno
Die revolutionären Spinnereien in der Jungen Welt und anderswo wären nur lächerlich, wenn man nicht befürchten müsste, dass der eine oder andere dieser Kindsköpfe irgendwann wieder in solch blutrünstigem Größenwahn endet.

Exakt. Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.

Danke für diesen schönen Beitrag!

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.08.2010 15:15
#5 RE: Zitat des Tages: Revolution in Venezuela Antworten

Zitat von Boris Eichler
Seine Stammkundschaft: Neues Deutschland, junge Welt und: der Deutschlandfunk. http://www.dradio.de/dlf/sendungen/andruck/853807/

Und niemanden stört es offenbar, wenn jemand zugleich für linksextreme Publikationen und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk arbeitet.

Da würde ich mir etwas mehr von der Abgrenzung wünschen, die im Fall rechtsextremer Publikationen selbstverständlich ist. Was gäbe es für eine Empörung, wenn herauskäme, daß jemand, der etwa in einer NPD-Zeitung publiziert, zugleich auch seine Manuskripte an den Deutschlandfunk verkaufen darf!

Herzlich, Zettel

lemmyPaz Offline



Beiträge: 90

18.08.2010 22:46
#6 wir haben den Kalten Krieg gewonnen, lieber Zettel Antworten

der Chavismus ist etwas anderes. Etwas üblereres.
Sozialistische Regierungen waren in der Lage für law & order zu sorgen. Im Bolibanismus nimmt die Gewalt selbst für lateinamerikanische Verhältnisse erschreckende Formen an. In keinem Land, nicht in Mexiko, nicht in Kolumbien, ist die Mordrate so hoch wie in Venezuela.
Die öffentlichen Investitionen sind sehr niedrig. Straßen, Krankenhäuser, die Elektrizitäts- und Wasserversorgung verrotten in einer Wolke der Unfähigkeit und Korruption.
Mit den Erdöleinnahmen kauft man Lebensmittel. Davon verfault ein Großteil in den Häfen. Noch mehr versickert in korrupten Kanälen im In- und Ausland.
Gleichzeitig verschuldet man sich unter horrenden Zinssätzen in China und bei der inländischen z.T. neuen Ober- und Mittelschicht. Die verticken die Bonds weiter in die USA, um so an Dollars zu kommen, an denen es mangelt.
Helge Buttgereit ist unbedeutend. Hab sein Buch gelesen. Er knüpft an Raul Zelik an, dem einzigen von diesen deutschen Autoren über die Region, der sein Geld wert ist. Der stellte die bolibananische Revolution stark als basisdemokratische Veranstaltung der consejos comunales dar. Der Rest ist propragandistischer Abschaum (Harald Neuber) oder eben Kindergarten. Buttgereit kennt Leute in Bolivien, besitzt aber nicht die Reife, das irgendwie kritisch zu hinterfragen. Zelik hat Chávez jüngst in einem Neues Deutschland Artikel scharf kritisiert. Sehr spät, aber immerhin. Ich hab große Toleranz gegenüber Leuten, die sich als nicht einmal 20-jährige in sozialen Projekten in Kolumbien aufgehalten haben. Dort wurde damals eine ganze Partei von Paramilitärs abgeschlachtet.

Vor Chavez gab es in Venezuela hervorragende Universitäten. Aber eben auch eine sehr schlechte allgemeine Schulbildung. Der Durchschnitt der venezoelanischen Schüler schnitt in interregionalen Vergleichen am schlechtesten von allen Südamerikanern ab. Und öffentliche lateinamerikanische Schulen sind in jedem Land nach wie vor zu oft ein täglicher Anschlag an die noch zu entwickelnden intelektuellen und ethischen Fähigkeiten vieler lateinamerikanischer Kinder.

Trotz des Aufschwungs insbesondere der Jahre 2003 bis 2008 und 2010 - ? bleibt die Region relativ arm und mit den weltweit größten sozialen Gegensätzen. Einige linke Regierungen sind nicht so schlecht, Lula da Silva und Michelle Bachelet waren auf ihre Art sogar sehr erfolgreich. Das sind oder waren allerdings Regierungen, die etwas von fiskalischer und geldpolitischer Stabilität verstanden und Unternehmer nicht als ihren Feind ansahen. Auch die Lugos, Correas, Morales, Mujicas und Kirchners haben neben Schatten eben auch einiges an Licht zu bieten. Sebastián Piñera hat trotz guter ökonomischer Zahlen (5% Wachstum trotz Erdbeben bei nur 1,5% Krisen-Schrumpfung 2009 unter Bachelet sowie einer Senkung der Arbeitslosenrate von 10% auf 7,5% dieses Jahr) ein Problem mit den Umfragen. Die Basis der Profiteure des in Chile sehr langen und klar spürbaren Aufschwungs bleibt halt zu stark auf diejenigen beschränkt, die ohnehin mehr als genug haben.

Chávez ist in diesen verständlichen Versuchen einer realo-linken Politik eine Absurdität. Und als die wird er untergehen. Es fragt sich nur wann. Je länger er an der Regierung bleiben wird, desto verotteter wird die Infrastruktur des Landes sein, desto mehr Kriminelle wird es beheimaten, desto mehr Schulden wird er angehäuft haben. Aber mit Sozialismus hat das nur am Rande zu tun. Jener ist 1989 nach langem Siechtum verschieden.

lemmyPaz Offline



Beiträge: 90

18.08.2010 23:08
#7 RE: Zitat des Tages: Revolution in Venezuela Antworten

... und es gibt eine Menge guter Humor über die Lage und mutige Zeitungen.
El Nacional erschien heute im "censorship mode". Die chavistas haben nun neue Gesetze "zum Schutz der Jugend" erlassen, nachdem Bilder aus einem Leichenschauhaus von mehreren Medien veröffentlicht wurden.
http://devilsexcrement.com/2010/08/18/el...ensorship-mode/
Verschieden Blogger berichten - unter zunehmender Angst - weiter aus den tiefen des inneren Kongos, zu dem Venezuela immer weiter abdriftet.
Die besten unter ihnen ein Homosexueller, ein ehemaliges Wunderkind der Physik Fakultät einer guten venezoelanischen Uni, der vor Jahren in den Bankensektor gegangen ist und ein deutlich linksliberaler amerikanischer Lateinamerika-Korrespondent mit zu wenig Aufträgen. Für Buttgereit halt typische Schweinebucht-Rednacks, die das koloniale Generalkapatinat unter US Flagge wieder herstellen wollen. ;-)
Ich bewundere Mut und Patriotismus dieser Menschen.

Die Lage in Venezuela ist vor allem 3 Dinge: bizarr, absurd und sinnlos.

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