Calimero hat auf eine weitere Studie hingewiesen, der zufolge die selbst eingeschätzte Sprachkompetenz von Einwanderern seit Jahrzehnten steigt.
Nun ja.
Meine Lehrer hätten für die Idee, dass ich meine sprachlichen Fähigkeiten selbst einschätze, wohl nur ein müdes Lächeln übrig gehabt. Und die moderne Psychologie auch.
-- La función didáctica del historiador está en enseñarle a toda época que el mundo no comenzó con ello. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Eine Anmerkung habe ich zur Studie. Aus meiner Sicht zeigt das Forschungsdesign nämlich eher, wie man die anderen einschätzt. Das hat zwar im zweiten Schritt auch was mit der Selbsteinschätzung zu tun, aber ich bin sicher, wenn man allen Probanden gesagt hätte "80 Prozent der Teilnehmer sind Professoren", hätte es eine Verschiebung nach schlecht gegeben. So denkt man "ja, wenn ich mich bei der Aufgabe schon schwer tu, wie wird es dann erst den anderen gehen?" Das lässt nur mittelbar auf die Einschätzung der absoluten Fähigkeit schließen.
Zitat von Meister PetzAus meiner Sicht zeigt das Forschungsdesign nämlich eher, wie man die anderen einschätzt.
Nun ja, mittelbar. Sowohl die Selbsteinschätzung als auch die objektive Klassifikation waren nicht absolut ("gut", "sehr gut"), sondern relativ zur Stichprobe. Ich gebe gerne zu, dass das etwas anderes ist als eine absolute Einschätzung der eigenen Fähigkeiten, aber so weit zu gehen, dass das Design nur darauf abhebt, wie man die anderen einschätzt, das würde ich nicht. Und selbst dann rekurriert die in der Welt beschriebene Studie ja darauf, ein Wert von 4,0 sei so gut wie die eines gebürtigen Deutschen, wir sind also auch hier implizit wieder bei relativen Maßstäben.
Zitat von Meister PetzDas hat zwar im zweiten Schritt auch was mit der Selbsteinschätzung zu tun, aber ich bin sicher, wenn man allen Probanden gesagt hätte "80 Prozent der Teilnehmer sind Professoren", hätte es eine Verschiebung nach schlecht gegeben.
Gut möglich. Aber die Stichprobe war, wie üblich bei den Psychologen, recht homogen: lauter undergraduates.
NB - Das schmutzige kleine Geheimnis der Psychologie: die Versuchspersonen sind fast immer (Psychologie-)Studenten. Überdurchschnittlich gebildet, Anfang 20, eher sprach- als mathematisch und naturwissenschaftlich begabt. Das rührt daher, dass die Psychologen ihren Versuchspersonen nur einen Hungerlohn an Entschädigung zahlen können und deswegen ihre Studenten per Prüfungsordnung dazu zwingen, mindestens X Stunden ihren Professoren und Kommilitonen als Versuchsperson zur Verfügung zu stehen. Denken Sie an diese denkbar unrepräsentative Stichprobe, wenn Sie wieder (etwa in Zettels Raum) davon lesen, "die Psychologie" habe etwas herausgefunden...
Zitat von Meister PetzSo denkt man "ja, wenn ich mich bei der Aufgabe schon schwer tu, wie wird es dann erst den anderen gehen?" Das lässt nur mittelbar auf die Einschätzung der absoluten Fähigkeit schließen.
Stimmt, siehe oben zu "absoluten Fähigkeiten". Aber Kruger und Dunnett stellen ja gerade die Hypothese auf, dass bei eben dieser meta-kognitiven Aufgabe ("bin ich besser als 25%? als 50%? als 75%) die Inkompetenteren es sich überhaupt nicht vorstellen können, dass es so viele Menschen gibt, die die Aufgabe besser meistern als sie. Sozusagen Inkompetenz bei der Beurteilung der eigenen Inkompetenz. An Gerichten gibt es die Kompetenzkompetenz - das hier wäre eher die Inkompetenzinkompetenz.
-- La función didáctica del historiador está en enseñarle a toda época que el mundo no comenzó con ello. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Zitat von ZREinerseits überschätzen inkompetente Zeitgenossen wohl ihre eigenen Fähigkeiten. Andererseits sind sie vielleicht sogar zu inkompetent, um Kompetenz bei anderen zu erkennen oder überhaupt den Abstand zwischen ihren eigenen und fremder Leute Fähigkeiten korrekt einzuschätzen.
Das kann ich beides aus eigener Anschauung bestätigen. Zwei solche Exemplare kenne ich leider. Doof wie ein Sack Schrauben, aber in der Selbstwahrnehmung halbgottgleich. Beliebte Aussagen nach einem fachlichen Versagen sind da folgende:
"Sag bloß, du hättest das gewusst." [Ja.] "Die anderen können das auch nicht besser!" [Doch, jeder.] "Der XY hat das auch schonmal gemacht!" [Und du musst denselben Fehler nochmal machen?]
Gegenüber jüngeren Kollegen kommt gern sowas:
"Mir kann keiner was vormachen, ich bin schon über 20 Jahre hier!" Oder: "Ich war schon arbeiten, da bist du noch mit der Trommel um den Christbaum gelaufen!" Wenn dann die Frage kommt: [Und warum bist du dann immernoch nicht weiter gekommen?], erfolgt mit Sicherheit die Antwort: "Die Chefs können mich halt nicht leiden, weil ich auch mal das Maul (sic) aufmache."
Beim Blick auf höher qualifizierte Tätigkeiten kommt sowas:
"Was ihr Computerklickerer da macht könnte ich schon lange, aber nur rumsitzen will ich nicht. Ich brauche die Bewegung." Oder: "Ich würde das ja auch machen, aber mich lasst ihr ja nicht!" Wenn man dem Qualifizierungswunsch aber dann nachgibt, kommt mit Sicherheit etwas Vorgeschobenes körperlicherseits, sobald die eigene Überforderung klar wird. Da geht das Sehen auf dem Monitor nicht wegen der Brille, oder die Zahlen sind zu klein, oder man bekommt Kopfschmerzen ... und überhaupt erklären einem die Kollegen das alles garnicht richtig.
Naja, Schuld sind jedenfalls immer die Anderen, oder widrige Umstände. Bis jetzt konnte ich mir nicht erklären, wie es zu einer solchen Diskrepanz zwischen Potential und Selbsteinschätzung kommt, aber jetzt hat das Elend endlich einen Namen. Dunning-Kruger Effect also. Man lernt nie aus (die meisten jedenfalls ).
Beste Grüße, Calimero
---------------------------------------------------- Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire
Herzlich willkommen, liebe Muyserin mit dem aparten Nick und dem schönen Avatar!
Und da ich eigentlich nichts anderes antworten kann, als daß ich Ihnen zustimme, das aber a bisserl wenig ist, hänge ich noch 1 lütte Information dran:
Es gibt einen weiteren cognitive bias, der recht ähnlich ist, den overconfidence effect.
Man kann ihn zB so demonstrieren: Man legt einer Gruppe von Versuchspersonen eine Liste von Aussagen vor, zu denen sie jeweils "stimmt" oder "stimmt nicht" ankreuzen sollen. Zum Schluß sollen sie als Prozentwert angeben, wieviele Aussagen sie nach ihrer Meinung richtig beurteilt haben.
Dann wertet man aus, wieviel Prozent tatsächlich richtig beurteilt wurden. Man wird finden, daß dieser Wert niederiger liegt als das, was die Versuchspersonen geschätzt haben. Das gilt fast immer für die Gesamtgruppe, und es gilt für die Mehrheit der einzelnen Personen.
Aber einige unterliegen diesem Bias nicht. (Hier im Forum kenne ich zum Beispiel einige hochgeschätzte Zimmerleute, von denen ich ziemlich sicher bin, daß bei ihnen kein overconfidence effect zu messen wäre. )
noch ein verwandter Versuchsaufbau, von dem ich mal gelesen habe:
Den Versuchspersonen wurden offene Fragen gestellt, die eine präzise quantitative Antwort haben. Etwa: "Wie viele Berge mit über 7000m Höhe gibt es auf der Welt?", "Wieviele Prozent der Weltbevölkerung haben Französisch als Muttersprache?", "Wie groß ist der durchschnittliche erwachsene deutsche Mann?", etc.).
Die Versuchspersonen sollten jeweils ein Intervall angeben, innerhalb dessen sich der tatsächliche Wert mit mindestens 90% Wahrscheinlichkeit befindet.
Mit diesem Versuchsaufbau kann man sehr schön die Selbstüberschätzung testen.
Jemand, der keinen blassen Schimmer hat, wie groß der durchschnittliche Deutsche ist (und dieses Unwissen auch erkennt), könnte zum Beispiel antworten "zwischen 0cm und 300cm". Damit wäre es auf jeden Fall auf der sicheren Seite. Bei realistischer Selbsteinschätzung der eigenen Ignoranz kann somit jeder Probant die Vorgabe, mindestens 90% der Intervalle ausreichend zu dimensionieren, erreichen.
Interessanterweise wurden aber die Intervalle typischerweise viel zu eng gewählt. Im Ergebnis waren (nach meiner Erinnerung) über 50% der tatsächlichen Werte außerhalb des geschätzten Intervalls.
Es überschätzten sich (wiederum nach meiner Erinnerung) auch nicht nur die "Dummen". Gerade auch die eigentlich informierten Probanden (die also oft relativ nahe am tatsächlichen Wert lagen) überschätzten ihre eigene Expertise oft (wählten also das Intervall dann eben doch zu eng).
Zitat von FlorianGerade auch die eigentlich informierten Probanden (die also oft relativ nahe am tatsächlichen Wert lagen) überschätzten ihre eigene Expertise oft (wählten also das Intervall dann eben doch zu eng).
Ja, das ist eine andere Art, den overconfidence effect zu demonstrieren bzw. zu untersuchen.
Hier ist ein Link zu einem kleinen (nur ein paar Minuten) Test für overconfidence mit dieser Methode.
Bei mir hat er auch funktioniert. ("Funktioniert" in dem Sinne, dass ich auch Over-Confident bin).
30% außerhalb der Range! Wirklich nicht so sehr toll.
Übrigens waren alle 3 Fehler auf Gebieten, auf denen ich mir selbst eigentlich besondere Kompetenz bescheinigen würde. (Während ich die Bereiche, in denen ich eigentlich keine Ahnung habe - wie Schwangerschaftsdauer von Elefanten oder Leergewicht eines Jumbos - alle "richtig" hatte). Zumindest bei mir stimmt also die These, dass es gerade die (sich selbst so beurteilenden) "Experten" sind, die sich überschätzen.
Die Diskussion erinnert mich doch sehr an den schönen Spruch von Descartes: "Nichts auf der Welt ist so gerecht verteilt wie der Verstand. Denn jedermann ist überzeugt, daß er genug davon habe."
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