Ganz geschafft habe ich das Datum nicht, aber ein kleiner Artikel zu meinem (nach Kant) Lieblingsphilosophen sollte es doch noch sein.
Nicht wahr, Sie kennen Schopenhauer porträtiert als mittelalten oder alten Mann? Das ist seltsam, wie sich meist Porträts durchsetzen, in denen der Betreffende ein bestimmtes Alter hat. Man stellt ihn sich dann nur so vor.
Es ist meist das Alter, von dem man denkt, daß er da besonders "blühte" (floruit sagte man einst). Aber Schopenhauer hatte seine kreativste Zeit, als er seine Dissertation schrieb.
Ich habe vor einigen Jahren mal eine Schopenhauer-Biographie gelesen. Ich erinnere mich nicht mehr an viele Einzelheiten, aber ein Punkt ist mir in Erinnerung geblieben. Der junge Schopenhauer, gerade habilitiert (?), hatte die sehr kluge Idee, seine Vorlesungen parallel mit einem anderen Professor seiner Fakultät anzusetzen - einem gewissen Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Needless to say, das Vorhaben ist desaströs gescheitert und Schopenhauer sprach praktisch in leeren Räumen.
Zitat von notquiteIch habe vor einigen Jahren mal eine Schopenhauer-Biographie gelesen. Ich erinnere mich nicht mehr an viele Einzelheiten, aber ein Punkt ist mir in Erinnerung geblieben. Der junge Schopenhauer, gerade habilitiert (?), hatte die sehr kluge Idee, seine Vorlesungen parallel mit einem anderen Professor seiner Fakultät anzusetzen - einem gewissen Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Needless to say, das Vorhaben ist desaströs gescheitert und Schopenhauer sprach praktisch in leeren Räumen.
Ja, das stimmt; nachlesen kann man es zum Beispiel in Rüdiger Safranskis "Schopenhauer und die wilden Jahre der Philosophie", vor zehn Jahren erschienen und jetzt zum Jahrestag neu aufgelegt. Sehr zu empfehlen.
Schopenhauer hatte eine tiefe Abneigung gegen die "Hegelei"; und zwar nicht erst seit dieser Sache in Berlin. Er hatte zuvor als Student Fichte gehört, einen ähnlichen Wortdrechsler wie Hegel, und war nachgerade empört über dessen Gerede. Ich habe ein Büchlein mit Kritzeleien von Schopenhauer, wo er zB. neben Aussagen von Fichte einen Eselskopf gemalt hat.
Schopenhauer dachte geradeheraus. Er haßte jede Geziertheit, jede hohle Phrase.
Hegel und Fichte zu lesen ist eine Qual, bis man endlich aus all dem Gerede die (dann oft schlichten) Gedanken herausgefischt hat. Schopenhauer in seiner klaren, präzisen und oft auch witzigen Art zu lesen ist ein Vergnügen.
Zitat von ZettelSchopenhauer in seiner klaren, präzisen und oft auch witzigen Art zu lesen ist ein Vergnügen.
Was empfehlen Sie dem Schopenhauer-Anfänger? Über die Weiber habe ich in meiner Jugend gelesen, sonst noch nichts...
Zitat von Zettel... X ist ein Vergnügen. Naja, für mich.
Das schöne an ZKZ ist ja gerade, dass eigentlich jeder hier diese Aussage für irgendein recht abstruses X unterschreiben könnte.
-- La función didáctica del historiador está en enseñarle a toda época que el mundo no comenzó con ello. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Ja, Schopenhauer war intellektuell ein zutiefst anständiger Mensch, im Gegensatz zu Hegel. Ich habe ihn teilweise und gern gelesen.
Menschlich soll er weniger gut zu ertragen gewesen sein. Warf mal seine Haushälterin die Treppe hinunter, hat ihr aber immerhin eine lebenslange Rente ausgesetzt. Und er hat 1848 preußische Soldaten durch sein Haus geführt, damit sie die Barrikade in der Straße von hinten unter Feuer nehmen konnten. (Quelle? Egon Friedell, glaube ich, Geschichte der Neuzeit) Klingt ja fies, aber die Barrikade ging ihm vermutlich ganz gewaltig auf die Nerven.
Übrigens, er soll, so habe ich mal gelesen, Göte geschrieben haben. Wie ist sowas möglich? Das würde bedeuten, daß Goethe sich selbst manchmal auch so schrieb, oder? Oder wollte er ihn nur ägern?. Vielleicht war die Schreibweise von Namen damals noch ganz frei und fließend.
Zitat von GorgasalWas empfehlen Sie dem Schopenhauer-Anfänger?
Während wir gespannt auf Zettels Antwort warten, hier mein Vorschlag: Die Kunst, Recht zu behalten. Ob dabei auch ein Bezug zu Zettels kleinem Zimmer gestiftet werden soll lasse ich dahingestellt.
Zitat von ZettelSchopenhauer in seiner klaren, präzisen und oft auch witzigen Art zu lesen ist ein Vergnügen.
Was empfehlen Sie dem Schopenhauer-Anfänger? Über die Weiber habe ich in meiner Jugend gelesen, sonst noch nichts...
Ich habe damals mit den "Aphorismen zur Lebensweisheit" angefangen und war sofort für Schopenhauer gewonnen. Aber das führt natürlich nicht in seine Philosophie hinein (so wenig wie die Eristrische Dialektik, auf die Leibniz hinweist), sondern nur in seinen Stil und seine Denkweise.
Das Problem bei Schopenhauer ist, daß er eigentlich nur ein Werk geschrieben hat, das er selbst immer "mein Hauptwerk" nannte. Die Grundgedanken standen schon, wie in dem Artikel erwähnt, in der Dissertation; das hat er dann ausgebaut und zu diesem gewaltigen "Die Welt als Wille und Vorstellung" gemacht.
Danach gab es eigentlich nur noch Nachträge, Ergänzungen, Erweiterungen; plus das eine oder andere zu bestimmten Einzelthemen. Versammelt ist das überwiegend in den beiden Bänden der "Parerga und Paralipomena", zu deutsch Nebenwerke und Beiseitegelassenes.
Aus dem ersten Band empfehle ich
* Über die Universitäts-Philosophie
---- eine herrliche, polemische Abrechnung mit Hegel und Konsorten ----
Aus dem zweiten Band:
* Über Philosophie und ihre Methode
* Einige Betrachtungen über den Gegensatz des Dings an sich und der Erscheinung
* Selbstdenken
---- diese drei Essays geben eine gute Einführung in seine Philosophie ----
Zitat von GeonautVielleicht war die Schreibweise von Namen damals noch ganz frei und fließend.
Sie ist es ja auch heute noch a bisserl. Theodor Heuß oder Heuss? Christian Ströbele oder Stroebele?
Sie haben Recht, die Schreibweise der Namen war damals noch wenig festgelegt. Goethe lud, nachdem er die Dissertation gelesen hatte, den jungen Mann zu sich ein und schickte dazu, wie damals üblich, ein "Billet" - adressiert an Dr. Arthur Schoppenhauer!
Zitat von GeonautVielleicht war die Schreibweise von Namen damals noch ganz frei und fließend.
Sie ist es ja auch heute noch a bisserl. Theodor Heuß oder Heuss? Christian Ströbele oder Stroebele? Sie haben Recht, die Schreibweise der Namen war damals noch wenig festgelegt. Goethe lud, nachdem er die Dissertation gelesen hatte, den jungen Mann zu sich ein und schickte dazu, wie damals üblich, ein "Billet" - adressiert an Dr. Arthur Schoppenhauer!
Nicht nur damals, auch später noch! Ich habe kürzlich auf einem Flohmarkt in Stuttgart ein Straßenschild "Göthestraße" erstanden (aus reiner Freude an der Kuriosität), und das würde ich vom Material und der Typographie als aus den 50er Jahren stammend einschätzen!
Zitat von Gorgasal Das schöne an ZKZ ist ja gerade, dass eigentlich jeder hier diese Aussage für irgendein recht abstruses X unterschreiben könnte.
Auch wenn es nicht zum Thema gehört: diesen Beitrag habe ich mir gerade gespeichert, um bei Gelegenheit darauf verweisen zu können, wenn wieder jemand fragt, was an ZKZ so besonders sei. Die Präzision und Genauigkeit, mit der hier diskutiert, gestritten und gearbeitet wird an einem kleinen – für viele sicherlich völlig nebensächlichen – Beispiel festgemacht: die Variable ist korrekt kursiv gesetzt.
Danke, werter Gorgasal!
[Korrektur] Peinlicherweise natürlich in dem Beitrag zur Qualität ein Tippfehler…
Zitat von GorgasalWas empfehlen Sie dem Schopenhauer-Anfänger?
Beim Herumsuchen zu einem anderen Thema bin ich jetzt zufällig darauf gestoßen, daß ein Faksimile von "Über das Sehn und die Farben" (1816) bei GoogleBooks zu finden ist.
Natürlich keine Einführung in Schopenhauers Philosophie, aber doch in sein Denken und Argumentieren.
Er war ein überzeugter Kantianer, wollte aber - wie Goethe in der Farbenlehre - Kant zu Ende denken.
Kant war der Meinung, daß wir zum Ding an sich keinen anderen Zugang haben als über unsere Anschauungsformen und Verstandeskategorien, die eben unsere sind und nicht in der äußeren Realität vorhanden.
Schopenhauer stimmte dem zu - deshalb "die Welt als Vorstellung" - machte aber die Ausnahme (und konnte sich dabei auf Stellen bei Kant stützen), daß wir zu unserem eigenen Willen, der den Charakter eines Dings an sich hat, einen unmittelbaren Zugang haben; deshalb auch "die Welt als Wille".
Diese Willensphilosophie kommt in der Farben-Schrift nicht vor; aber Kants Erkenntnistheorie sieht man überall hervorlugen.
erwähnt haben. Er scheint eine interessante Figur zu sein, ersichtlich z.B. aus diesem grandiosen Interview im CICERO ( http://www.cicero.de/97.php?ress_id=9&item=4907 ). In einem im letzten Jahr in der FAZ erschienenen Porträt findet sich folgende Passage:
Zitat Heute hat er sein Büro in einer schmucken kleinen Villa mit viel Stuck an der Decke und Blick ins Grüne. An einer kleinen Pinnwand hängt ein Schopenhauer-Spruch: „Wer auf die Welt gekommen ist, sie ernstlich und in den wichtigsten Dingen zu belehren, der kann von Glück sagen, wenn er mit heiler Haut davonkommt.“
Bitte beachten Sie diese Forumsregeln: Beiträge, die persönliche Angriffe gegen andere Poster, Unhöflichkeiten oder vulgäre Ausdrücke enthalten, sind nicht erlaubt; ebensowenig Beiträge mit rassistischem, fremdenfeindlichem oder obszönem Inhalt und Äußerungen gegen den demokratischen Rechtsstaat sowie Beiträge, die gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Hierzu gehört auch das Verbot von Vollzitaten, wie es durch die aktuelle Rechtsprechung festgelegt ist. Erlaubt ist lediglich das Zitieren weniger Sätze oder kurzer Absätze aus einem durch Copyright geschützten Dokument; und dies nur dann, wenn diese Zitate in einen argumentativen Kontext eingebunden sind. Bilder und Texte dürfen nur hochgeladen werden, wenn sie copyrightfrei sind oder das Copyright bei dem Mitglied liegt, das sie hochlädt. Bitte geben Sie das bei dem hochgeladenen Bild oder Text an. Links können zu einzelnen Artikeln, Abbildungen oder Beiträgen gesetzt werden, aber nicht zur Homepage von Foren, Zeitschriften usw. Bei einem Verstoß wird der betreffende Beitrag gelöscht oder redigiert. Bei einem massiven oder bei wiederholtem Verstoß endet die Mitgliedschaft. Eigene Beiträge dürfen nachträglich in Bezug auf Tippfehler oder stilistisch überarbeitet, aber nicht in ihrer Substanz verändert oder gelöscht werden. Nachträgliche Zusätze, die über derartige orthographische oder stilistische Korrekturen hinausgehen, müssen durch "Edit", "Nachtrag" o.ä. gekennzeichnet werden. Ferner gehört das Einverständnis mit der hier dargelegten Datenschutzerklärung zu den Forumsregeln.
Sie sind vermutlich noch nicht im Forum angemeldet - Klicken Sie hier um sich kostenlos anzumelden
Offline
Needless to say, das Vorhaben ist desaströs gescheitert und Schopenhauer sprach praktisch in leeren Räumen.
