Zum geplanten und jetzt gescheiterten JMStV habe ich bisher nichts geschrieben, weil ich mir über die Auswirkungen der vorgesehenen Änderungen im Unklaren war.
Das hat sich nun erledigt. Zum ersten Mal haben die Kommunisten ein wichtiges Gesetzgebungsvorhaben in der Bundesrepublik zu Fall gebracht.
Ein kleiner Vorgeschmack auf die neue Republik, die wir bekommen werden, wenn erst einmal die Volksfront zur bundesrepublikanischen Normalität gehören wird.
Ich habe lachen muessen. Das Scheitern dieses (unsaeglichen) Staatsvertrages kann man auch anders lesen: Die CDU stimmt gegen ihren eigenen Staatsvertrag und stoppt damit ein inhaltlich schlechtes Gesetz, da man nun ohne Gesichtsverlust in der Opposition dagegen sein darf.
Dieser Interpretation würde ich mich auch eher anschließen. Ein Glück, daß es so gekommen ist. Ob man nun lieber den Fraktionen der CDU und FDP danken soll, daß sie jetzt endlich ihre Sinne wieder beisammen haben oder den Kommunisten, die der neuen Landesregierung auf die Sprünge geholfen haben: In der Sache ist das Scheitern überaus erfreulich.
Zitat Zum ersten Mal haben die Kommunisten ein wichtiges Gesetzgebungsvorhaben in der Bundesrepublik zu Fall gebracht.
Naja, so wichtig war das jetzt auch wieder nicht, sonst hätten sich wohl CDU und FDP nicht der Super-Volksfront angeschlossen. Natürlich werden sich jetzt die Kinderschutzprogrammanbieter ärgern, aber damit kann ich leben.
Zitat von DagnyDas Scheitern dieses (unsaeglichen) Staatsvertrages kann man auch anders lesen:
Ist er denn so unsäglich, liebe Dagny? Wenn ich es richtig verstehe, läuft er darauf hinaus, daß die bisherige "Alterskontrolle" (der Besucher muß durch irgendein Verfahren nachweisen, daß er über 18 ist) nicht mehr verlangt wird.
Ich lese überall, wie schlimm die Novelle ist, aber eine einleuchtende Begründung habe ich noch nicht gefunden. Vielleicht habe ich es einfach noch nicht verstanden, welche Gefahren da lauern?
Herzlich, Zettel
Calimero
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)
Beiträge:
16.12.2010 12:25
#6 RE: Marginalie: JMStV scheitert an den Kommunisten
Zitat von ZettelIch lese überall, wie schlimm die Novelle ist, aber eine einleuchtende Begründung habe ich noch nicht gefunden. Vielleicht habe ich es einfach noch nicht verstanden, welche Gefahren da lauern?
Wenn ich das richtig begriffen habe geht es darum, dass sämtliche Netzangebote (somit auch Blogs und Foren) mit einer Altersfreigabe versehen werden müssten um der Gefahr verklagt zu werden aus dem Wege zu gehen. Quasi eine Anpassung an TV-Angebote - auch mit der Möglichkeit Webseiten nur zur Nachtzeit freizugeben. Habe ich das falsch verstanden?
---------------------------------------------------- Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire
Die Rolle der Kommunisten ist hier doch marginal. Die Gesetzesunterstützer SPD und CDU verfügen über eine deutliche Mehrheit im Landtag, sie hätten das Gesetz problemlos beschließen können. Die Position der Kommunisten ist dabei völlig egal.
Aber die CDU hat sich entschlossen, hier zu taktieren und die Regierung trotz der inhaltlichen Übereinstimmung vorzuführen. Das ist ein kindisches und destruktives Verhalten. Und deswegen ein bundesweites großes Projekt zu kippen, ist völlig verantwortungslos. Als demokratische Partei hat die NRW-CDU hier versagt.
Aber sie hat Glück gehabt, daß durch die nachfolgenden taktischen Kapriolen der SPD die Verantwortungslosigkeit der CDU in den Hintergrund getreten ist. Eigentlich hätten SPD und Grüne ja die Mehrheit im Parlament gehabt (weil zwei CDU MdLs fehlen), aber internes Chaos hat dann zur Kurswende geführt.
Wenn das alles bei einem wirklich wichtigen Gesetz passiert wäre, wäre es ein Skandal erster Güte gewesen. Gott sei Dank ist damit aber ein sehr schlechtes Gesetz verhindert worden. Dann war also auch die Destruktivität der CDU mal zu etwas gut.
Zitat von ZettelIch lese überall, wie schlimm die Novelle ist, aber eine einleuchtende Begründung habe ich noch nicht gefunden.
Wir haben bisher schon eine sehr schlechte Gesetzgebung - die aber so realitätsfern ist, daß sie komplett ignoriert wurde (u. a. auch von Zettels Raum ;-). Ein typisches Beispiel also dafür, wie der Gesetzgeber den Rechtsstaat untergräbt.
Mit der Novellierung bestünde im Prinzip die Möglichkeit, gesetzkonform zu handeln. Allerdings mit erheblichem Aufwand, den man eigentlich überhaupt nicht zumuten kann und der alle "kleinen" Web-Angebote massiv gefährdet. Weil jetzt nämlich umgekehrt die Gefahr besteht, daß sie kostenpflichtig abgemahnt werden, wenn sie den Aufwand nicht betreiben. Die schon bestehende Abmahn-Problematik in Deutschland ist also noch deutlich ausgeweitet worden.
Das wird noch verschärft dadurch, daß die Novellierung in vielen Punkten unscharf formuliert ist, daß viele Lücken bleiben - es ist also selbst unter Fachleuten noch sehr umstritten, wie eigentlich gesetzmäßiges Handeln aussehen müßte. Also eine ideale Grundlage für Abmahnmißbrauch.
Das Grundproblem besteht halt darin, daß die verantwortlichen Entscheider und die ihnen zuarbeitenden "Experten" technisch völlig inkompetent sind. Alleine schon die Vorstellung, das Internet als Radio einzustufen, ist absurd.
Ich sehe in dieser krassen Inkompetenz eine zunehmende Gefahr für den Standort Deutschland. Anderswo haben die Politiker wahrscheinlich auch nicht mehr Ahnung - aber dann halten sie sich wenigstens mit Regelungen zurück.
Das JMStV bzw. seine Urheber sind ein gutes Beispiel für Hammerstein-Equord: "Hüten muss man sich vor dem, der gleichzeitig dumm und fleißig ist; dem darf man keine Verantwortung übertragen, denn er wird immer nur Unheil anrichten."
Ob besser oder schlechter als der bisheriger Vertrag, ich halte beide Verträge für unerträgliche Eingriff in die persönliche Freiheit (auch Kinder und Jugendliche haben Anspruch darauf, ihre Eltern noch viel mehr), in die Informationsfreiheit und in den Verantwortungsbereich von Eltern.
Der Vertrag behandelt Kinder, ohne Rücksicht auf ihren persönlichen Entwicklungsstand, und Erwachsene wie unmündige, dumme Menschen. Wer meint von seinem Schreibtisch aus das Leben in jugendtauglich und nicht jugendtauglich einteilen zu können, ist entweder arrogant oder bar jeder Lebenserfahrung. Schon aus den Formulierungen kann man erkennen, dass die Verfasser nach Worten ringen, um das Leben allumfassend in Worte und Phrasen zu fassen und dann herauszuschälen, was für Kinder und Jugendliche verboten sein soll.
Die Durchführung der Vertragsbestimmungen wird auch nur indirekt vom Staat übernommen. Er nimmt alle(!) Informationsanbieter in die Pflicht und macht sie unter Strafandrohung zu Erfüllungsgehilfen des Staates.
Zitat von vivendiDer Vertrag behandelt Kinder, ohne Rücksicht auf ihren persönlichen Entwicklungsstand, und Erwachsene wie unmündige, dumme Menschen.
Die Kinder sollen schon frühzeitig ans Erwachsensein gewöhnt werden.
Allerdings befürchte ich, dass der Jugendschutz nur ein Vorwand ist, Kinderschutzprogramme hebelt jeder Zehnjährige aus, selbst wenn er nur eine rudimentäre Ahnung vom Computer hat, aber hat mindestens zehn Freunde, die es ihm zeigen können. Der Staat will Handlungsfähigkeit auf einem Gebiet beweisen, ist aber damit überfordert, kann allerdings zumindest diejenigen beeindrucken, die ebenfalls vom technischen Fortschritt überfordert sind.
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