Silvio Berlusconi gehört, ähnlich wie George W. Bush, zu jenen Staatsmännern, an denen jeder linke Journalist meint sein Mütchen kühlen zu dürfen.
Da wurmt es, wenn sie dennoch erfolgreich sind. Die Amerikaner haben gegen den dringenden Rat der deutschen Journalisten Bush in eine zweite Amtszeit gewählt; die Italiener können und können nicht von Berlusconi lassen, wo sie doch in fast jeder deutschen Zeitung lesen können, wie schlecht sie mit ihm dran sind.
Ich denke, hier muss man 4 Dinge auseinander halten:
a) Italien ist ein gespaltenes Land zwischen linken - Sozialdemokraten, Sozialisten - und Konservativen, vielleicht auch Klerikern/Katholiken auf der anderen Seite. Siehe (wie heisst der Schwarz-Weiss Film mit dem Padre und dem Sozialistischen Buegermeister? - Faellt mir grad nicht ein, kennt aber jeder, schaetze ich.) Diese beiden Kreise sind disjunkt. Wer links ist, kennt niemanden der konservativ ist und waehlt und vice versa. Der Journalist macht sich nicht die Muehe, uber diesen Graben zu blicken.
b) Berlusconi macht Politik fuer die Kleinunternehmer, die Restaurantbesitzer, die Kaffeeladenbersitzer etc. pp. Da hat der Regierungschef schon mal Verstaendnis dafuer, dass eine Rechnung verloren geht und nicht alle Buecher so akkurat gefuehrt werden. In der Wirtschaftskrise wurde geschaetzt, die Wirtschaftsleistung in Itlien laege um 20-25% uber den offiziellen Regierungszahlen. Irgendwo muss das herkommen. Berlusconi macht Politik fuer diese Leute.
c) Beamte, Akademiker, haben diese Moeglichkeiten nicht und haben fuer die Sorgen eines (Klein-) Unternehmers kein Verstaendnis. Sie haben daher fuer Berlusconi noch weniger Verstaendnis. Journalisten fallen meist auch in diese Gruppe.
d) Die amoroesen Affairen und moeglicherweise zwielichten Geschaefte des B. Tja, das ist potentiell wirklich ein Skandal. Moralisch das eine (mag man sehen wie man will) und rechtlich das andere. Warum kommt Berlusconi damit durch? Vermutlich siehe b).
Na supi, bunga bunga, die Toskanafraktion kapituliert .
Aber es gibt ja noch so viele andere schöne antiimperialistische Flecken auf der Erde, die zum Wohlfühlen einladen: Nordkorea, Venezuela, Iran, Waziristan, bei Kuba würde ich mich allerdings beeilen, das geht nicht mehr lange gut. Auch die Türkei ist im Kommen:Sonne, Mond und Sterne
Zitat von Marriex@ a) "Don Camillo und Peppone! @ c) "Journalisten fallen meist auch in diese Gruppe." Jein, die meisten schreiben aber für sie.
@a) Danke. @b) Hm. Ich hatte mich bewusst dafuer entschieden, Journalisten auch zur Gruppe der Beamten, Linksintelligenz etc. zu zaehlen, die nicht (Klein-) Unternehmerisch denken. Warum? Ich denke, die meisten Journalisten sind im Umfeld von Professoren, der Uni, als Studenten sozialisiert und fallen daher eben auch in diese Gruppe. Salonsozialisten, akademisches Prekariat. Sowas in der Art?
Hi Dagny, Berlusconi ist schwer zu ersetzen: Er kann ganz gut mit Gaddafi, was Italien hilft, der Flüchlinge wegen nicht immerzu in die Schlagzeilen zu kommen (Lybien verhindert den Strom nach Italien). Außerdem hat Italien mit ganz anderen ausländischen Autonomen zu tun, die (Chinesen) hocken da, importieren Billigwaren und kümmern sich um nichts, sind nicht einmal amtlich gemeldet.Irgendwie muß Italien aber einen Oberwurstel haben - und den kennt man halt, also läßt man ihn. Gruß, Inger
In diesen Zusammenhang passt vielleicht auch ein seltsames Schauspiel, das ich kürzlich im "heute-journal" erlebte:
Da plauderte doch die Moderatorin mit einer italienischen Oppositionspolitikern in vollem Einverständnis darüber, wie schlecht doch dieser Berlusconi sei, und äußerte ihr Unverständnis, warum die Italiener den noch nicht losgeworden seien (sinngemäß). Das ist das Praktische am öffentlich-rechtlichen Fernsehen: Es lässt keine Zweifel aufkommen, wo die Guten stehen.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Zitat von Dagny a) Italien ist ein gespaltenes Land zwischen linken - Sozialdemokraten, Sozialisten - und Konservativen, vielleicht auch Klerikern/Katholiken auf der anderen Seite. Siehe (wie heisst der Schwarz-Weiss Film mit dem Padre und dem Sozialistischen Buegermeister? - Faellt mir grad nicht ein, kennt aber jeder, schaetze ich.) Diese beiden Kreise sind disjunkt. Wer links ist, kennt niemanden der konservativ ist und waehlt und vice versa. Der Journalist macht sich nicht die Muehe, uber diesen Graben zu blicken.
Der erste Satz stimmt, der letzte nicht (immer meiner Beobachtung nach), wobei die "Katholiken" auf beiden Seiten (und im Zentrum) zu finden sind. Die "Margherita" von Rutelli sind ja beispielsweise democristiani. Im Prinzip war auch Prodi einer. Ich glaube auch, dass solche Zentristen (wie wiederholt geschehen) im Grunde in Italien auch in der Lage sind, Wahlen zu gewinnen. Ein großes Problem des centrosinistra liegt daran, was sie sich am linken Rand ans Bein binden (müssen?), um parlamentarische (Mittelinks-)Mehrheiten zu erringen. Kommunisten u.a. sind nicht nur schwer zu vermitteln für manche Wählermilieus, sondern haben eben, wie Zettel es ja schreibt, mehrmals für schöne Regierungskrisen gesorgt. Spiegelbildlich auf der anderen Seite der Mitte findet sich Bossi und seine Lega, die einen Teil der Wähler in den centrosinistra treibt. Ähnliches gilt ja auch für Berlusconi, der mit seiner Persönlichkeit und - man muss es sagen - seinem ewigen Kampf mit und gegen die italienische Justiz tatsächlich stark polarisiert.
Unter der Decke eines noch recht jungen und teilweise etwas aufgesetztem bipolarismo gibt es in meinen Augen noch eine starke Sehnsucht nach einer neuen starken zentristischen Partei, quasi einer neuen Dc. Es ist ja das, was Leute wie Casini, Rutelli und Fini mit unterschiedlichem politischem Hintergrund dazu veranlasst, einen terzo polo ins Auge zu fassen. In Mailand bspw. mutmasst man ja wohl schon, dass ein solcher Kandidat auf dem Ticket einer zentristischen Bewegung gute Chancen in den nächsten Bürgermeisterwahlen hätte.
Zitat Wer links ist, kennt niemanden der konservativ ist und waehlt und vice versa.
Das kann ich aus eigener Erfahrung nicht bestätigen. Wohl aber, dass normalerweise politische Diskussionen vermieden werden, wenn man weiß, dass beide Pole am Tisch vertreten werden. Oft kommt es natürlich auch vor (zumindest bei mir), dass man sich in Gruppen wiederfindet, die so von ihrer moralischen Überlegenheit und der Minderwertigkeit der anderen Position überzeugt sind, dass "Außenseiter" lieber schweigen. Aber dieses Verhalten hat ja in Deutschland auch Einzug gehalten, seitdem man erkannt hat, dass die Liberalen Handlanger des Teufels sind.
Zitat von Ulrich LadurnerDoch bleibt es das offene Geheimnis seines Erfolges, dass er um den zynischen Realismus vieler Italiener weiß. Sie glauben nicht an schöne Worte, sondern an Fakten, sie können zwischen dem schönen Schein und der tatsächlichen Macht genau unterscheiden. Sie wissen, was nützlich ist und was nicht.
Gianfranco Fini, der Herausforderer Berlusconis, ist an diesem ausgeprägten Realitätssinn Italiens gescheitert. Er konnte zwar schöne, hehre Reden halten, doch wirkliche Macht hatte er nicht.
Prodi hat auch eine Vertrauensabstimmung knapp gewonnen und wenige Wochen später ist die Regierung dann über den Jordan gegangen. So gesehen war die Vertrauensabstimmung doch möglicherweise nur der Anfang. Wenn der Cavaliere jetzt nicht die Mehrheit erweitern kann, hat ja sogar der eigene Minister Maroni angekündigt, dass die Lega Neuwahlen bevorzugen würde.
so ist das auch mein Eindruck (und die Don-Camillo-Filme sind zwar kein verlässliche Basis, aber auch gibt es zwar zwei Lager, die aber dennoch in den meisten Charakteren koexistieren).
Man sollte doch dem - letztlich rassistischen - Geschwätz des Herrn Ladurner nicht auf den Leim gehen: mag ja sein, daß Italiener mehr Verständnis haben, wenn nicht alles streng nach Vorschrift läuft und deshalb Berlusconi mehr aushalten als teutschkorrekte Links-Journalisten. Aber Berlusconi hat nicht deshalb drei Wahlen gewonne, weil man den Ganoven so liebt, sondern weil er es nunmal bisher geschafft hat, die politischen Kräfte rechts der Mitte hinter sich zu scharen. Zwar verliert er dann auch mal, aber dann kommt die Linke ans Ruder und zeigt schon bald ihre Verbortheit und Unfähigkeit und als Alternative steht dann wiederum Berlusconi bereit.
Mit dem Mißtrauensvotum hat Berlusconi es eine weitere Runde geschafft, aber früher oder später ist das Spiel vorbei. Hoffentlich zumindest! Dann können sich Italiens Nicht-Linke von ihm emanzipieren.
Man sollte übrigens nicht vergessen, welche Partei vor 1994 mit Berlusconi verbandelt war - es war nicht etwa die DC sondern die PSI des Herrn Craxi.
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