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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 3 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

02.01.2011 10:14
Zwischen den Jahren (3): Zukunft der Aufklärung Antworten

In die Zukunft blicken können wir nicht; leider. Der Guru Marx hat das seinen Jüngern weisgemacht; er hat damit mehr Unheil angerichtet als irgendein Denker in der Geschichte der Menschheit.

Aber sich über die Zukunft Gedanken zu machen, das ist uns wohl angeboren. Über die eigene, aber auch über den weiteren Gang der Geschichte. Diesem Hang habe ich in diesem dritten und letzten Teil der kleinen Serie ein wenig nachgegeben.

Bernd314 Offline



Beiträge: 133

05.01.2011 00:29
#2 RE: Zwischen den Jahren (3): Zukunft der Aufklärung Antworten

Zitat
Aus den Eingeweiden von Vögeln, aus der Hand, den Sternen. Aus dem Kaffeesatz. Aus den Modellen des IPCC, um ein modernes Beispiel zu nennen.



Natürlich hat es noch nie ein "perfektes" Modell der Wirklichkeit gegeben, aber der Vergleich von Kaffeesatzleserei mit modernen Klimamodellen erscheint mir doch unverhältnismäßig wissenschaftsfeindlich - indem er 2000 Jahre Fortschritt in Mathematik, Physik, Statistik und Hochleistungsrechnertechnologie ignoriert.

Seriöse Wissenschaft hat doch (spätestens seit Popper) gar nicht den Anspruch, absolut perfekte Welterklärungsmodelle zur Ableitung apoditktischer Orakelsprüche mit 100% Trefferquote zu erstellen.
Vielmehr liegt der Wert der Wissenschaft in der Bereitstellung zwar nicht perfekter, aber immer besserer(*) Näherungen an die Wirklichkeit.

Isaac Asmiov bringt es in seinem lesenswerten Essay The Relativity of Wrong auf den Punkt:

Zitat
when people thought the earth was flat, they were wrong. When people thought the earth was spherical, they were wrong. But if you think that thinking the earth is spherical is just as wrong as thinking the earth is flat, then your view is wronger than both of them put together.


-----
(*) "besser" im Sinne von "nützlicher für menschliche Anwendungen". So war z.B. das "flat-Earth"-Modell aus dem oben verlinkten Asmiov-Artikel für einfachen Strassenbau und Kartierung kleinerer Ländereien ausreichend, während für die Navigation zur Eroberung der Ozeane bereits das Kugelmodell benötigt wurde, welches wiederum für moderne Anwendungen wie Raumfahrt/GPS noch weiter zum Ellipsoid bzw. Geoid verfeinert werden musste usw. usw.
So gingen über die Jahrhunderte alle naturwissenschaftlichen Modellverfeinerungen mit einem realen/messbaren Fortschritt an menschlicher Mobilität, Produktivität, Lebensqualität und nicht zuletzt Erkenntnisgewinn einher und genau das ist der Unterschied zu den esoterischen/schamanistischen/religiösen oder pseudowissenchaftlichen Ritualen wie das das genannte Vogeleingeweide- oder Kaffeesatzlesen.

- Bei allem berechtigten Misstrauen gegenüber einer linksgrün-ideologischen Einfärbung des IPCC sollte sich die Kritik meiner Meinung nach nicht gegen die verwendeten wissenschaftlichen Methoden und Modelle richten: diese sind eben nicht aus Politik, Ideologie und Meinungen gemacht sondern aus Mathematik, Physik und Informatik

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

05.01.2011 06:36
#3 RE: Zwischen den Jahren (3): Zukunft der Aufklärung Antworten

Zitat von Bernd314

Zitat
Aus den Eingeweiden von Vögeln, aus der Hand, den Sternen. Aus dem Kaffeesatz. Aus den Modellen des IPCC, um ein modernes Beispiel zu nennen.



Natürlich hat es noch nie ein "perfektes" Modell der Wirklichkeit gegeben, aber der Vergleich von Kaffeesatzleserei mit modernen Klimamodellen erscheint mir doch unverhältnismäßig wissenschaftsfeindlich - indem er 2000 Jahre Fortschritt in Mathematik, Physik, Statistik und Hochleistungsrechnertechnologie ignoriert.



Ähäm ... ich glaube, lieber Bernd, daß jemand bei mir Wissenschaftsfeindlichkeit vermutet, ist sozusagen eine Premiere 2011.

Wenn Sie ein wenig in diesem Forum blättern (Sie können zum Beispiel in die Suchfunktion IPCC eingeben, Klima oder dergleichen), dann werden Sie finden, daß ich gegen diejenigen, die von "Betrug" und dergleichen sprechen, immer ziemlich vehement verteidigt habe, daß die Klimatologie eine seriöse Wissenschaft ist.

Auch in ZR können Sie sich ziemlich viele einschlägige Artikel ansehen, wenn sie nach IPCC site:zettelsraum.blogspot.com und entsprechende andere Suchbegriffe googeln. Es gibt auch eine (anscheinend eher wenig genutzte) Suchfunktion des Blogs (links oben in der Kopfleiste).

Meine Bemerkung, die Sie mißverstanden haben, bezog sich nicht auf die Wissenschaftlichkeit der Klimatologie, sondern darauf, daß die Menschen in die Zukunft blicken wollen und dabei die Möglicheit, das mit Erfolg zu tun, überschätzen.

Und das gilt auch für die Modelle des IPCC. Es sind eben das, Modelle. Man kann mit ihnen nicht in die Zukunft blicken, sondern sie beantworten nur die Frage, wie sich ein System aus Differentialgleichungen verhält, wenn man es mit bestimmten hypothetischen Daten füttert.

Das ist an sich gute Wissenschaft. Es wird zur Kaffeesatzleserei, wenn man es mit Prophetie verwechselt. Das tut das Öko-Publikum. Das tun leider auch manche Klimatologen, jedenfalls wenn sie sich gegenüber der Öffentlichkeit äußern.

Gute Klimatologen sind wie alle Naturwissenschaftler Skeptiker und wissen sehr wohl, daß auch ihnen nicht die Gabe der Prophetie verliehen ist. Vielleicht lesen Sie, lieber Bernd, einmal, was ich zu Prof. Judith Curry geschrieben habe:

http://zettelsraum.blogspot.com/2010/11/...-rationale.html
http://zettelsraum.blogspot.com/2010/11/...-ausma-des.html

Zitat von Bernd314
Seriöse Wissenschaft hat doch (spätestens seit Popper) gar nicht den Anspruch, absolut perfekte Welterklärungsmodelle zur Ableitung apoditktischer Orakelsprüche mit 100% Trefferquote zu erstellen.
Vielmehr liegt der Wert der Wissenschaft in der Bereitstellung zwar nicht perfekter, aber immer besserer(*) Näherungen an die Wirklichkeit.


So ist es. Und da kann man viel weiter zurückgehen als bis zu Popper. Zu Francis Bacon, zu Hume, den Neukantianern.

Zitat
Bei allem berechtigten Misstrauen gegenüber einer linksgrün-ideologischen Einfärbung des IPCC sollte sich die Kritik meiner Meinung nach nicht gegen die verwendeten wissenschaftlichen Methoden und Modelle richten: diese sind eben nicht aus Politik, Ideologie und Meinungen gemacht sondern aus Mathematik, Physik und Informatik


Exakt. Nur spielt sich Wissenschaft halt in einem politisch-gesellschaftlichen Umfeld ab. Auch Ozeanologen, Glaziologen, Atmosphären- und Geowissenschaftler, auch Systemtheoretiker und Meteorologen wollen gern viel Geld, um ihre Ideen umzusetzen, um Mitarbeiter zu bezahlen usw.

Dieses Geld bekommen sie dann, wenn sie hinreichend plausibel machen, daß ihre Forschung wichtig ist. Und es gibt nun mal nichts Wichtigeres als die Zukunft der Menschheit.

Also wird man schon mal a bisserl plakativ. Manche Wissenschaftler setzen sich vielleicht auch zusätzlich zum Hut des Forschers noch den des Ökos auf.

Es entsteht in der Öffentlichkeit ein Bild, nein ein Glaube, der mit der Realität der in Relation dazu bescheidenen wissenschaftlichen Erkenntnisse wenig zu tun hat.

Herzlich, Zettel

Bernd314 Offline



Beiträge: 133

05.01.2011 20:36
#4 RE: Zwischen den Jahren (3): Zukunft der Aufklärung Antworten

Zitat

daß jemand bei mir Wissenschaftsfeindlichkeit vermutet, ..


na ja, nicht wirklich ... ehrlich gesagt wäre ZR (als eines der niveauvollsten deutschsprachigen Blogs überhaupt) nicht zuletzt dank der immer wieder lesenswerten Wissenschafts-Miniserien auch einer der letzten Orte, wo ich eine solche Wissenschaftsfeindlichkeit ernsthaft vermuten würde
Aber gerade deshalb habe ich mich ja so sehr über den "Vogeleingeweide-Vergleich" geärgert/gewundert.

Zitat

Meine Bemerkung, die Sie mißverstanden haben, bezog sich nicht auf die Wissenschaftlichkeit der Klimatologie, sondern darauf, daß die Menschen in die Zukunft blicken wollen und dabei die Möglicheit, das mit Erfolg zu tun, überschätzen.



ok, dann habe ich das wohl tatsächlich missverstanden... allerdings sollte man die Fortschritte bei der ständigen Verfeinerung unsere Modelle der Wirklichkeit auch nicht unterschätzen (siehe das genannte Asimov-Zitat)

Zitat

Vielleicht lesen Sie, lieber Bernd, einmal, was ich zu Prof. Judith Curry geschrieben habe:



bin ich gerade dabei ! sehr guter Artikel, der mir entgangen sein muss (hatte in den letzten Monaten leider nicht genügend Zeit für die täglich ZR-Lektüre

Zitat

Manche Wissenschaftler setzen sich vielleicht auch zusätzlich zum Hut des Forschers noch den des Ökos auf.



das ist richtig, wobei man aber fairerweise sagen muss, dass es auch hierzulande in der öffentlichen Darstellung zumindest teilweise schon auch sehr rational argumentiert wird (z.B. Hinweis auf breite Konfidenzintervalle, Unterschied zw. Szenarien und Prognosen etc.)
Wahrscheinlich geht es mir aber inzwischen so, dass ich die unsachlich daherkommenden (d.h. laber-politisch-ideologisch-meinungsmanipulativ verseuchten) Informationen halb unbewusst herausfiltere, so dass die rationalen Debattenbeiträge in meiner Erinnerung etwas überrepräsentiert sind

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