Eigentlich hätte diese Rede des türkischen Premiers weltweit Schlagzeilen machen müssen. Aber es wurde eher nebenher darüber berichtet; diesmal mit der rühmlichen Ausnahme der "Welt".
Nach einigem Suchen bin ich auf den (weitgehend) originalen Text der Rede gestoßen; aus ihm statt das Zitat des Tages.
Die Türkei gelingt der Machtzuwachs, weil die inzwischen ihre Wirtschaft gut in Schuss haben. Ähnlich wie die Deutschen nach dem WK 2. Und den vielen höchst unterschiedlichen Türkinnen und Türken, die ich in meinem Leben kennengelernt hab, wünsch ich das - bis auf 2 oder 3 Ausnahmen - von ganzen Herzen. Wir profitieren von den türkischen Verbindungen in den Nahen Osten. Schliesslich wird das ein immer interessanterer Markt. Bin ich da nicht ganz in Übereinstimmung mit unserem Außenminister, Herrn Dr. Guido Westerwelle? Eine Hegemonialmacht im Nahen Osten halt ich für sehr unwahrscheinlich. Jeder dieser vielen Unterdrücker möchte halt sein kleines fieses Reich behalten, ohne dass ihm die Nachbarn zu sehr reinfunken. Wir müssen uns aber echt daran gewöhnen, dass eben eine Menge Länder aufholen und dabei halt auch politische Macht gewinnen.
Und eine funktionierende Türkei kann doch ausstrahlen nach Tunesien, Algerien, Marokko. Wünschen tue ich es diesen armen Teufeln.
Zitat von ZettelEigentlich hätte diese Rede des türkischen Premiers weltweit Schlagzeilen machen müssen.
Aber nein, das sind die üblichen orientalischen Höflichkeitsfloskeln bei einem Staatsbesuch, darüber wird zu Recht wenig berichtet.
Kuwait hat Geld und ist ein wichtiger Kunde, gerade für die türkische Bauindustrie. Da muß der Premier schon ein gut Wetter machen und die freundschaftliche Verbundenheit betonen. Außenpolitisch werden sich die Kuwaitis (und die übrigen Araber) davon wenig beeindrucken lassen.
Wobei es natürlich richtig ist, daß diverse Kreise in der Türkei von der großen osmanischen Vergangenheit träumen und gerne eine große Einflußsphäre in Nahost hätten. Ob Erdogan selber daran glaubt, weiß ich nicht, bezweifele ich eher. Daß er diese Kreise pflegen muß, weil sie zu seinen Unterstützern gehören, ist aber klar.
Aber unabhängig von Erdogans persönlichen Ansichten halte ich diese Großmachtsträume für unrealistisch. Die Türkei hat Potential, ist aber ziemlich isoliert. Mit jedem einzelnen Nachbarn besteht eine historisch tief begründete Feindschaft, die nur punktweise überwunden wird, wenn wirklich mal wichtige Gründe es erfordern. Und gerade mit den Arabern ist es schwierig - die haben nämlich jetzt das Geld und damit ist es eher die Türkei, die sich anbiedern muß, also gerade das Gegenteil von Vormacht spielen. Die ganze blumig beschworene islamische Gemeinsamkeit ändert ja nichts daran, daß zwischen den historischen Rivalen Türken, Persern und Arabern völlig offen ist, wer nun Koch oder Kellner sein soll. Jeder hat die Chef-Ambitionen - aber keine Akzeptanz bei den beiden anderen.
Richtig ist aber, daß eine islamistische Türkei nicht in die EU gehören würde, eine kemalistische dagegen sehr wohl. Und das Problem ist, daß beide Entwicklungsrichtungen im Raum stehen und noch völlig offen ist, welche sich durchsetzen wird.
Wobei ich früher ja gesagt hätte, daß genau eine EU-Mitgliedschaft dafür sorgen würde, daß sich die kemalistische Richtung irreversibel in der Türkei durchsetzt. Aber da bin ich mir inzwischen nicht sicher, dazu ist die EU selber viel zu nachgiebig gegenüber dem Islamismus. Es ist ja sogar so, daß genau die "Vorbereitung auf den EU-Beitritt" für Erdogan und Co als Hebel benutzt wird, um kemalistische Schutzmechanismen gegen den Islamismus (z. B. Kopftuchverbot) auszuhebeln.
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