Auch ohne die iranische Atomrüstung ist die Lage im Nahen Osten besorgniserregend. Innerhalb von zwei Jahren hat Präsident Obama es geschafft, die USA als Machtfaktor faktisch aus dem Spiel zu bringen.
Diese Entwicklung gibt jetzt sicher für "Desertec" endlich den nötigen Schub. http://www.focus.de/wissen/wissenschaft/...aid_537618.html Ich möchte ja nicht wissen, wieviel deutsche Steuergelder dort bereits "in den Sand gesetzt sind".
Es ist nicht auszuschließen, dass Islamisten in Tunesien an die Macht kommen könnten, doch bisher deutet nichts darauf, dass diese ihre Finger im Spiel haben. Es werden weder Parolen in diese Richtung gebrüllt, noch sieht man grüne Flaggen etc. Von daher scheint mir der Aufstand nicht islamistisch geprägt und wenn man die Forderung hört, nach einer besseren wirtschaftlichen Situation etc., sind es auch eher nicht die Islamisten, die hierauf Antworten haben könnte. Aktuelle gibt es wohl niemanden, der die Lage beruhigen könnte, aber dass heißt auch nicht, dass hier Islamisten die Lücken werden füllen. Von daher ist nach meiner Einschätzung alles offen dort.
Zitat von StefanieAktuelle gibt es wohl niemanden, der die Lage beruhigen könnte, aber dass heißt auch nicht, dass hier Islamisten die Lücken werden füllen. Von daher ist nach meiner Einschätzung alles offen dort.
So ist es. Bei Revolutionen ist das nun einmal die Regel, daß sich kaum prognostizieren läßt, was aus ihnen hervorgeht. Eine alte Ordnung zerbricht; Macht verfällt, Gesetze gelten nicht mehr. Da entsteht ein Freiraum, in dem sie die Kräfte entfalten. Welche am Ende die stärkste ist, weiß man kaum jemals.
Ein typischer Verlauf ist, daß zunächst Reformer innerhalb des Regimes an die Macht gelangen, dann die gemäßigte Opposition und schließlich die Radikalen. So war es in der französischen Revolution, in der russischen, in der iranischen. Manchmal fehlt auch die erste Phase, wie bei der cubanischen und der portugiesischen Revolution; und manchmal gelingt es, die dritte Phase zu vermeiden; so wie in Deutschland 1919 und in Portugal in den siebziger Jahren.
Ich stimme Ihnen zu:
Zitat von StefanieEs ist nicht auszuschließen, dass Islamisten in Tunesien an die Macht kommen könnten, doch bisher deutet nichts darauf, dass diese ihre Finger im Spiel haben. Es werden weder Parolen in diese Richtung gebrüllt, noch sieht man grüne Flaggen etc.
Aber es ist eben oft so, daß die Radikalen nicht sofort das Bild einer Revolution bestimmen. Nicht die Jakobiner in der französischen Revolution, nicht die Bolschewiken in der russischen Revolution, die ja nicht erst im Oktober 1917 begann. In Portugal spielten die Kommunisten anfangs kaum eine Rolle; später sah es zeitweilig so aus, als könnten sie die Macht erobern.
Man weiß eben überhaupt nicht, wie stark die Islamisten in Tunesien sind. In Algerien war die FIS bei Wahlen die stärkste Partei und hat dann der Regierung einen langen und sehr grausamen Bürgerkrieg geliefert. Tunesien liegt direkt nebenan.
Zitat von NonkonformistIch möchte ja nicht wissen, wieviel deutsche Steuergelder dort bereits "in den Sand gesetzt sind".
Ich schon
Allerdings erhöhen sich Erdogans Chancen für sein Osmanisches Reich und so sind wir in der glücklichen Lage alles aus einer Hand zu bekommen, wenn wir sie gründlich waschen.
Zitat von ZettelAuch ohne die iranische Atomrüstung ist die Lage im Nahen Osten besorgniserregend. Innerhalb von zwei Jahren hat Präsident Obama es geschafft, die USA als Machtfaktor faktisch aus dem Spiel zu bringen.
In der Washington Times analysiert jetzt Daniel Pipes die Situation ähnlich, wie ich es in dem Artikel versucht habe. Er nennt drei Gründe zur Sorge (Kommentare von mir):
Zitat The first worry concerns Tunisia itself. (...) Tunisian Islamists had a minimal role in overthrowing Mr. Ben Ali, but they will surely scramble to exploit the opportunity that has opened to them. Indeed, the leader of Tunisia's main Islamist organization, Ennahda, has announced his first return to the country since 1989.
Inzwischen wurde bekannt, daß die Ennahda der Übergangsregierung nicht angehören wird. Sie dürfte also die neue Opposition werden und versuchen, eine nächste Stufe der Revolution vorzubereiten; so wie die Bolschewiken das während der Kerensky-Regierung gemacht haben.
Zitat The second worry concerns nearby Europe, already deeply incompetent at dealing with the Islamist challenge. Were Ennahda to take power and then expand networks, provide funds, and perhaps smuggle arms to allies in nearby Europe, it could greatly exacerbate existing problems there.
Ein islamistisches Regime vor der Haustür Europas - das wäre ungefähr so, wie wenn die USA es 1962 zugelassen hätten, daß die UdSSR Cuba zu einem russischen Raketenstützpunkt ausbaut. Worst case.
Zitat The third and greatest worry concerns the possible domino effect on other Arabic-speaking countries.
Hier führt Pipes das aus, was auch in meinem Artikel zu lesen ist. Interessant ist seine Unterscheidung zwischen drei Phasen, was die Stabilität der Regimes angeht:
Anfangs - ab den späten vierziger Jahren - waren Staatsstreiche allgegenwärtig. Dann lernten die Regimes, durch den Aufbau effizienter Unterdrückungsapparate, sich an der Macht zu halten; es gab fast keine Umstürze mehr. Durch Al Jazeera und das Internet gibt es jetzt in der dritten Phase eine Informationsfreiheit, die sie nicht mehr im Griff haben; das erzeugt eine neue Instabilität.
Zitat What Franklin D. Roosevelt allegedly said of a Latin America dictator, "He's a bastard, but he's our bastard," applies to Mr. Ben Ali and the other Arab strongmen, leaving U.S. government policy in seeming disarray. President Obama's ambiguous after-the-fact declaration that he "applaud(s) the courage and dignity of the Tunisian people" can conveniently be read either as a warning to assorted other "bastards" or as a better-late-than-never recognition of awkward facts on the ground.
Die USA spielen faktisch keine Rolle mehr in der Region. Der lahme Kommentar Obamas drückt das aus. Er wird ihm Nachhinein immer diejenigen verbal unterstützen, die gewinnen.
Gewiß spielen bei einem solchen Prozeß viele Faktoren eine Rolle - aber die Unfähigkeit des US-Präsidenten steht aus meiner Sicht weit oben. Außer einer Rede in Kairo, die wie ein Kotau vor dem Islam klang, und außer dem Erzwingen von "Friedensgesprächen", von denen von Anfang an klar war, daß sie wie das Hornberger Schießen ausgehen würden, hat Obama keine US-Präsenz im Nahen Osten gezeigt.
Intifada ist eigentlich nur das arabische Wort für "Erwachen, Aufschrecken, Aufstand," aber seit den Aufständen der palästinensischen Araber gegen die israelische Besatzung hat das Wort (auch auf arabisch) einen starken Unterton, der je nach Sprecher und Situation islamistisch, nationalistisch, antiimperialistisch oder pan-arabisch sein kann. Was Ghannouchi hier gemeint hat, ist klar, aber auch unter nicht-Islamisten könnten die jüngsten Ereignisse als "tunesische Intifada" in die Geschichte eingehen.
"الانتفاضة التونسية" (al-intifada at-tunisija, die tunesische Intifada) hat immerhin schon 34.000 Google-Suchergebnisse und über 200 Facebook-Fans.
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