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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 22 Antworten
und wurde 1.797 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.01.2011 06:48
Schrumpft die Mittelschicht? Antworten

Die Daten liefern darauf keine Hinweise.

Sagen Forscher eines Instituts, das von der bayerischen Wirtschaft finanziert wird.

Aha!

Wieso aha?

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

21.01.2011 12:28
#2 RE: Schrumpft die Mittelschicht? Antworten

Zitat
ist ein analoger Einwand kaum je zu vernehmen, wenn Untersuchungen zu derartigen Themen aus dem Bereich etwa der Gewerkschaften kommen oder von ausgewiesen linken Wissenschaftlern vorgelegt werden.


In der linken Medienlandschaft gibt es solche Einwände natürlich nicht.

Ich für meinen Teil bringe diesen Einwand aber immer, wenn Studien von linken Auftraggebern (insbesondere z. B. die Grünen oder Greenpeace) stammen.
Wobei der Einwand natürlich nicht sein kann, daß die Studie damit automatisch falsch wäre - aber ich akzeptiere die dort aufgestellten Behauptungen solange nicht als Beleg, wie ich nicht die Studie selber geprüft habe.
In der Regel zeigt sich nämlich, daß diese wissenschaftlich nicht haltbar ist.

Wobei es dabei natürlich Abstufungen gibt. Es gibt Studien, die als solche gar nicht wirklich bezeichnet werden können (z. B. haben wir ja erst unlängst über die Frau Foroutan diskutiert).

Und es gibt Studien, von renommierten Wissenschaftlern, die im Hauptteil völlig seriös sind. Nur daß dieser Hauptteil gar nicht das belegt, was die Auftraggeber mit Hilfe der Studie behaupten und in ihre Pressemeldung schreiben. Oft belegen die Fakten der Studie sogar das Gegenteil.

Die Möglichkeit zu solchen Propagandalügen wird aber meist schon von den Wissenschaftlern vorbereitet. Auch wenn sie seriös sind - da berücksichtigen sie eben schon die Interessen des Geldgebers. In der Regel geschieht das dann in der Zusammenfassung, nur die wird (wenn überhaupt) von Journalisten gelesen.

Und da werden dann plötzlich Details in den Mittelpunkt gestellt, die zur These des Umfragestellers passen, aber eigentlich völlig nebensächlich sind und im Hauptteil von viel wichtigeren Faktoren überlagert werden (und die schaffen es dann nicht in die Zusammenfassung).
Da werden dann hypothetische Fragen erörtert, die über die eigentlichen Studienergebnisse völlig hinausgehen.
Und dann werden insbesondere mit Formulierungen wie "es ist nicht auszuschließen" die Punkte des Auftraggebers präsentiert, die sich in der Studie nicht belegen ließen.

Die eigentliche wissenschaftliche Arbeit bleibt davon natürlich unberührt, die behält ihren Wert.
Aber dem wissenschaftlichen Ethos entsprechen solche Auftragspräsentationen eigentlich nicht.

patzer Offline



Beiträge: 359

21.01.2011 13:19
#3 RE: Schrumpft die Mittelschicht? Antworten

ich empfehle zur erheiterung regelmäßig die studien und schlussfolgerungen des berühmten kriminologen professor christian pfeiffer.soweit mir bekannt,nimmt von seinen fachkollegen kaum einer ihn noch ernst.aber regelmäßige aufträge aus politik und umgebung sichern seinem institut ein hervorragendes auskommen.
gruß patzer

Nola ( gelöscht )
Beiträge:

21.01.2011 13:32
#4 RE: Schrumpft die Mittelschicht? Antworten

Zitat von patzer
ich empfehle zur erheiterung regelmäßig die studien und schlussfolgerungen des berühmten kriminologen professor christian pfeiffer.soweit mir bekannt,nimmt von seinen fachkollegen kaum einer ihn noch ernst.aber regelmäßige aufträge aus politik und umgebung sichern seinem institut ein hervorragendes auskommen.
gruß patzer



So z.B. hier:
topic-threaded.php?forum=27&threaded=1&id=3116&message=38820

Zitat
Eine neue Studie des Kriminologen Christian Pfeiffer sieht bei jungen Muslimen mit ausgeprägter Religiosität eine erhöhte Gewaltbereitschaft. Ursache soll deren "Macho-Kultur" sein.

Düsseldorf Diesmal hat Christian Pfeiffer ungewöhnlich lange mit der Veröffentlichung seiner Studie gezögert. "Der Befund ist zwar eindeutig", sagte der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen schon im Januar gegenüber unserer Zeitung, "aber vor der Veröffentlichung müssen wir uns erst noch mit dem Bundesinnenministerium abstimmen, wie wir die brisanten Ergebnisse öffentlich darstellen, ohne ein Erdbeben auszulösen."

Erst jetzt, fast ein halbes Jahr nach ihrem Abschluss, macht Pfeiffer die Studie publik.(...)



Pfeiffer hat in jeder sich bietenden Talk-Runde die Ergebnisse dieses Berichtes zu entkräften versucht.

♥lich Nola



"In Deutschland gilt derjenige als viel gefährlicher, der auf den Schmutz hinweist als der, der ihn gemacht hat." - Carl von Ossietzky

C. Offline




Beiträge: 2.639

21.01.2011 15:05
#5 RE: Schrumpft die Mittelschicht? Antworten

Zitat von Zettel
Aha!

Wieso aha?



Wer hat noch "Aha!" gesagt (außer Zettel, mal wieder)? Aha!

Allerdings geht es mir ähnlich. Bevor ich mir die Mühe mache, einen längeren Text, Studie, Betrachtung, Essay oder was auch immer, recherchiere ich lieber zuallervorderst, von wem der Zauber stammt, wer dahinter steht, warum das Werk überhaupt erscheint und wie es in Umlauf gebracht wird. Dieses Vorgehen hat mir sicherlich schon viel Zeit erspart, bei überschaubarem Verlust an Information.

Studien, die mit angeblich repräsentativen Umfragen gewürzt sind, haben den beruhigende Effekt mich in meiner Annahme zu bestätigen, dass das Ergebnis schon feststand, bevor der erste Umfrager ausgeschwirrt ist. Das trifft in der Regel dann zu, wenn dieses Ergebnis neuen Aktionismus zwingend macht, natürlich gesegnet mit der zusätzlichen Bereitstellung von "Mitteln" (€.€€€.€€€,€€).

Genug der Abschweife.



Zitat von Roman Herzog Institut
Gute Aufstiegschancen haben Bezieher niedriger Einkommen: Vonjeweils 100 Personen, die im Jahr 2004 weniger als 1.000 Euro netto im Monat verdienten, schafften innerhalb von fünf Jahren mehr als die Hälfte den sozialen Aufstieg. Im gleichen Zeitraum sind 38 von
100 Personen mit einem Monatsnettoeinkommenvon über 2.225 Euro in eine niedrigere Einkommensschicht abgestiegen. Mobilität ist hierzulande also in
beide Richtungen vorhanden



Leider gehen die Autoren in diesem Essay nicht auf die Gründe des Abstiegs ein. Nach meiner Vermutung spielt dabei der Ausstieg aus dem Berufsleben eine wesentliche Rolle, sei es alterbedingt oder, kaum zu glauben, durch die Geburt eines Kindes, Scheidung oder Wiederaufnahme des Berufs. Allerdings sind von einem alterbedingten Abstieg Beamte im Gegensatz zum BfA-Versicherten geschützt.


Zitat
In absoluten Zahlen bietet sich nach der INSM-Expertise folgendes Bild: Ein Durchschnittspensionär erhält aktuell 2300 Euro monatlich. Ein Eckrentner bekommt 1176 Euro. Der Pensionär verbucht demnach 1124 Euro mehr als der Standardrentner (95,6 Prozent mehr).

Im Jahr 2018 wird die Situation nach der aktuellen Expertise von Professor Fuest ohne durchgreifende Reformen der Altersversorgung im Öffentlichen Dienst folgendermaßen aussehen: Ein Standardrentner bezieht dann 1307 Euro Rente. Ein Durchschnittspensionär würde dann 2939 Euro erhalten. Die Differenz zwischen Pensionär und Rentner läge dann bei 1632 Euro. Das entspricht 124,9 Prozent einer Standardrente im Jahr 2018.



http://www.focus.de/finanzen/altersvorso..._aid_19622.html

Vielleicht sollte sich Herr Butterwegge einmal Gedanken darüber machen, wie sehr seine Pension zur Verarmung ganzer Landstriche beitragen wird. Ich werde sie mit Sicherheit lesen. Versprochen.

http://www.iceagenow.com/

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.01.2011 16:46
#6 RE: Schrumpft die Mittelschicht? Antworten

Zitat von C.
Allerdings geht es mir ähnlich. Bevor ich mir die Mühe mache, einen längeren Text, Studie, Betrachtung, Essay oder was auch immer, recherchiere ich lieber zuallervorderst, von wem der Zauber stammt, wer dahinter steht, warum das Werk überhaupt erscheint und wie es in Umlauf gebracht wird. Dieses Vorgehen hat mir sicherlich schon viel Zeit erspart, bei überschaubarem Verlust an Information.


Das versuche ich auch, dear C. Mit dem Ergebnis, daß vieles nicht in ZR erscheint, worauf mich jemand vielleicht aufmerksam gemacht hat, was mir selbst aufgefallen ist usw. Das Web ist ja ein Nest unseriöser "Informationen".

Nur: Daß eine Forschungseinrichtung von XYZ finanziert wird oder Drittmittel erhält, entwertet die betreffende Forschung nicht; so wenig, wie Händels Wassermusik deshalb schlecht ist, weil sie von Georg I in Auftrag gegeben wurde.

Herzlich, Zettel

Llarian Offline



Beiträge: 7.127

21.01.2011 17:44
#7 Es gibt keine neutrale, geförderte Forschung Antworten

Zitat
Nur: Daß eine Forschungseinrichtung von XYZ finanziert wird oder Drittmittel erhält, entwertet die betreffende Forschung nicht; so wenig, wie Händels Wassermusik deshalb schlecht ist, weil sie von Georg I in Auftrag gegeben wurde.


Wenn Wassermusik eine politische Aussage hätte, wäre die Situation eine gänzlich andere. Das wurde schon mehrfach hier diskutiert, lieber Zettel, und nicht immer ganz fair, denn jeder, der die deutsche Wissenschaft in Frage stellt, gerät zumindest mit Ihnen deutlich aneinander. Dabei ist die Sache doch ganz simpel: Wissenschaftler sind Menschen wie andere auch. Sie sind nicht ehtischer, moralischer oder besser als andere. Ich verstehe, dass Sie aus eigenem Hintergrund dieser Aussage zwar sachlich zustimmen, sie aber anders emfinden. Ich nehme mir trotzdem heraus zu sagen: Es ist so.
Und auch Wissenschaftler müssen beissen wie alle anderen auch. Und es beisst sich eben besser in einem eigenen Institut als in einer staubigen Rumpelkammer.
Wenn ich, als Drittmittlergeber, eine Studie, eine Forschung oder eine Entwicklung bezahle, dann gehören die Ergebnisse mir. Deswegen habe ich sie bezahlt. Ich mache das nicht als Mäzen (Ausnahmen davon mag es geben) oder aus Altruismus, sondern weil ich mir etwas davon verspreche. Und wenn ein bestimmter Ausgang einer Studie für mich von Vorteil ist, ein anderer nicht, dann werde ich zusehen, dass die einen gefördert werden, die anderen nicht. Selbst für den Fall, dass ich einen besonders erhabenen Wissenschaftler habe, der sich partout nicht ein bischen für meine Interessen interessiert, dann werde ich mit einem negativen Ergebnis mein Klo tapezieren, aber ich werde es sicher nicht veröffentlichen. Das Ergebnis ist mir, das mindesteste Recht, was mir zusteht, ist, dass ich es für mich behalte.
Anders gesagt: Selbst unter der Annahme, dass alle Wissenschaftler überhonorige Personen sind, moralischer und ethischer als alle anderen, wird TROTZDEM die Lehrmeinung gefördert, die das meiste Geld für den Auftraggeber bringt, simpel durch Selektion. Wenn eine Sache Indizien in die eine wie in die andere Richtung aufweist und entsprechend Wissenschaftler existieren, die die eine wie die andere Seite vertreten, dann werden singulär die gefördert und veröffentlicht, die die Seite vertreten, die lukrativer ist. Das ist ganz simpel. Ich bezahle zwei Arbeiten, bekomme zwei Ergebnisse. Fördern werde ich in Zukunft den, der das mir bessere Ergebnis geliefert hat.
Die Idee geförderte Forschung sei neutral ist schlicht unlogisch. Sie entspricht einem moralischen Gefühl, ist aber nicht mit der Handlung desjenigen kompatibel, der die Forschung bezahlt.

Das soll nicht heissen das geförderte Forschung per se schlecht ist. Sie kann trotzdem sehr gut begründet sein, sehr gut untersucht sein und vor allem richtig sein. Aber sie ist nicht neutral. Will sagen: Wenn ein Gutachten, dass von der Tabakindustrie bezahlt wird, ergibt, dass Rauchen nicht schadet, muss das nicht falsch sein, ich würde mir Argumente und Fakten auch dann ansehen. Aber die pure Aussage, "es gibt ein Gutachten von drei Professoren Dr. mult. irgendwas", die erachte ich als für sich betrachtet nutzlos.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.01.2011 17:49
#8 RE: Es gibt keine neutrale, geförderte Forschung Antworten

Zitat von Llarian
Wissenschaftler sind Menschen wie andere auch. Sie sind nicht ehtischer, moralischer oder besser als andere. Ich verstehe, dass Sie aus eigenem Hintergrund dieser Aussage zwar sachlich zustimmen, sie aber anders emfinden. Ich nehme mir trotzdem heraus zu sagen: Es ist so.


Ja, natürlich ist das so, lieber Llarian.

Und jede Berufsgruppe hat ihre eigene Berufsethik. Ein Arzt darf nichts tun, was dem Patienten schadet. Ein Statiker darf keine Brücke so berechnen, daß sie zusammenbricht. Ein Apotheker darf keine Rauschgifte ohne Rezept abgeben. Ein Automechaniker muß das Auto so reparieren, daß man nicht nach einem Kilometer aus der Kurve fliegt.

Und ein Wissenschaftler ist auf genau dieselbe Weise der Wahrheit verpflichtet. Er ist nicht ethischer oder ein besserer Mensch als andere, sondern es ist sein Job, die Wahrheit herauszufinden. Dafür wird er bezahlt.

Er wird nicht für Propaganda bezahlt. Dafür sind andere zuständig.

Herzlich, Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

21.01.2011 21:12
#9 RE: Es gibt keine neutrale, geförderte Forschung Antworten

Zitat von Zettel
Und ein Wissenschaftler ist auf genau dieselbe Weise der Wahrheit verpflichtet.


Da stimme ich völlig zu.
Nur gibt es bei Wissenschaftlern wenig Kontrollmechanismen. An guten Fachbereichen oder in seriösen Fächern gibt es ein akademisches Bewußtsein, das ist aber nicht selbstverständlich. An unserer im übrigen sehr guten (Fast-Elite-)Uni in Darmstadt gibt es einige wenige Fachbereiche, da ist wissenschaftliches Arbeiten fast die Ausnahme. Gerade Politik- und Sozialwissenschaften sind da sehr problematisch.

Wenn ein Arzt Kunstfehler macht, der Statiker falsch rechnet, der Automechaniker einen Unfall verschuldet - dann muß er mit harten Konsequenzen rechnen.
Aber ein Unwissenschaftler an einer Uni kann zeitlebens Müll produzieren, er behält Job und Status.

Zitat
Er wird nicht für Propaganda bezahlt. Dafür sind andere zuständig.


Aber er gibt bisweilen die Stichworte für die Propaganda. Ich habe das ja unten beschrieben, wie das bei vielen Studien läuft. Die eigentliche Studie mag seriös sein, aber sie ist bewußt so konzipiert, daß sie vom Auftraggeber mißbraucht werden kann. Das entspricht nicht mehr dem wissenschaftlichen Ethos, ist aber weithin üblich.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.01.2011 23:22
#10 RE: Es gibt keine neutrale, geförderte Forschung Antworten

Zitat von R.A.

Zitat von Zettel
Und ein Wissenschaftler ist auf genau dieselbe Weise der Wahrheit verpflichtet.


Da stimme ich völlig zu.
Nur gibt es bei Wissenschaftlern wenig Kontrollmechanismen. An guten Fachbereichen oder in seriösen Fächern gibt es ein akademisches Bewußtsein, das ist aber nicht selbstverständlich.



Bei staatlichen Unis ist das so. Private Unis unterliegen dem freien Wettbewerb, und wer dort schlechte Forschung macht, der ist seinen Job in der Regel genauso los wie in der freien Wirtschaft; es sei denn, er genießt tenure. Aber auch dann kann man ihn gewissermaßen unschädlich machen, indem er keine Forschungsmittel und keine Stellen für Mitarbeiter bekommt.

Zitat
An unserer im übrigen sehr guten (Fast-Elite-)Uni in Darmstadt gibt es einige wenige Fachbereiche, da ist wissenschaftliches Arbeiten fast die Ausnahme. Gerade Politik- und Sozialwissenschaften sind da sehr problematisch.

Das ist an THs oft so. Sie leisten sich solche Fächer ja gewissermaßen nur als Garnierung.

In den Naturwissenschaften, in Informatik, in den technischen Fächern ist die TH Darmstadt, soweit ich das verfolgt habe, Spitze; wie Sie es sagen. Meine ersten Varianzanalysen wurden am dortigen "Deutschen Rechenzentrum" gerechnet (gibt es das noch?). Man lochte die Daten ab, schickte sie per Post nach Darmstadt und freute sich wie ein Schneekönig, wenn nach Tagen oder auch schon mal Wochen die Ergebnisse kamen. Jedenfalls dann, wenn das signifikant geworden war, was man signifikant hatte haben wollen.

Herzlich, Zettel

monty Offline



Beiträge: 75

21.01.2011 23:39
#11 RE: Es gibt keine neutrale, geförderte Forschung Antworten

Zitat von Zettel
Man lochte die Daten ab, schickte sie per Post nach Darmstadt und freute sich wie ein Schneekönig, wenn nach Tagen oder auch schon mal Wochen die Ergebnisse kamen. Jedenfalls dann, wenn das signifikant geworden war, was man signifikant hatte haben wollen.


Ob das jetzt ein beabsichtigter Hinweis war, oder nicht, ich finde diese Aussage interessant. Denn diese Änderung der Arbeitsweise hat einen ziemlichen Einfluss auf die diskutierte Fragestellung. Denn wenn es sehr aufwändig ist, gewisse Berechnungen durchzuführe, wird man sich vorher genau überlegen, welche Rechnungen man durchführt (und vermutlich das tun, was im wissenschaftlichen Sinne für das Problem am angemessensten ist). Und wenn dann die Ergebnisse eintreffen, wird man sie so aktzeptieren, wie sie sind. Heutzutage lassen sich solche Berechnungen allerdings problemlos in Minuten am eigenen PC durchführen. Die Verleitung, so lange an Parametern oder Eingabedaten herumzubasteln, bis eben das gewünschte Ergebnis herauskommt, ist viel größer.
Dies jetzt einfach mal These. Ich gehöre selbst zur jungen Generation und habe nicht wirklich eine Ahnung, wie es noch vor 30 oder 40 in der Forschung aussah. Meinungen dazu fände ich trotzdem interessant.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.01.2011 00:00
#12 RE: Es gibt keine neutrale, geförderte Forschung Antworten

Zitat von monty
Heutzutage lassen sich solche Berechnungen allerdings problemlos in Minuten am eigenen PC durchführen. Die Verleitung, so lange an Parametern oder Eingabedaten herumzubasteln, bis eben das gewünschte Ergebnis herauskommt, ist viel größer.

Dies jetzt einfach mal These. Ich gehöre selbst zur jungen Generation und habe nicht wirklich eine Ahnung, wie es noch vor 30 oder 40 in der Forschung aussah. Meinungen dazu fände ich trotzdem interessant.


Wenn Sie erst mal mit meiner vorliebnehmen, lieber Monty: Sie haben schlicht Recht; jedenfalls habe ich es so erlebt. Die Versuchung ist in der Tat groß, wenn der eine Test nichts Klares bringt, es einmal mit einem anderen zu versuchen usw.

Jeder lernt in der Statistikvorlesung (oder sollte es lernen), daß das nicht geht. Alle Auswertungen müssen festgelegt werden, bevor man überhaupt die Daten sammelt. Denn die meisten statistischen Tests messen ja die Wahrscheinlichkeit, daß etwas zufällig eintritt, das man vorhergesagt hat. Nicht nachhergesagt.

Nachträglich kann man etwas nur mit post-hoc-Tests prüfen, die dafür gemacht sind. Aber dagegen wird notorisch verstoßen. Man quetscht und drangsaliert die Daten, bis sie unter der Folter gestehen.

An sich ist das nicht weiter schlimm; denn wenn etwas nicht stimmt, dann wird es ja durch mißglückte Replikation entlarvt. Aber kurzzeitig kann jemand sich mit so etwas schon einen Karrierevorteil "erarbeiten".

Herzlich, Zettel

Llarian Offline



Beiträge: 7.127

22.01.2011 03:21
#13 RE: Es gibt keine neutrale, geförderte Forschung Antworten

Eine schöne Sammlung an Beispielen, aber nehmen wir sie wirklich mal daher:
> Ein Arzt darf nichts tun, was dem Patienten schadet.
Nein, darf er nicht. Aber er darf durchaus eine Menge tun, was dem Patienten nichts nützt. Ich bin natürlich sicher, dass die diversen Reisen, die von der Pharmaindustrie an Ärzte verschenkt werden, rein der altruistischen Weiterbildung dient und nicht der Idee geschuldet ist, das ein Arzt vielleicht doch lieber das eine statt dem anderen Medikament einzusetzen, egal ob das mehr kostet.
> Ein Statiker darf keine Brücke so berechnen, daß sie zusammenbricht.
Auch richtig. Aber ein Statiker, der für einen Betonbauer arbeitet, wird auch nicht das große Problem haben an bestimmten Stellen eine Lösung, die viel Beton inkludiert, ein wenig in seiner Betrachtung zu bevorteilen. Der Beton hält auch. Vielleicht wäre es billiger gegangen. Aber das ist nicht seine Fragestellung.
> Ein Apotheker darf keine Rauschgifte ohne Rezept abgeben.
Nun, das ist Gesetz. Wir sprechen ja nun von Ethik und Moral. Und Apotheker haben keine Probleme damit homöopathischen Unsinn zu verkloppen, sich gar in schon groteske Ideen wie Tierhomöopathie zu verlieren oder einen Kräterschnaps für 20 Euro die Flasche zu verkaufen, weil die Werbung sagt man lebe davon länger. Nichts davon ist verboten, das wenigste schadet jemandem. Ausser dem Geldbeutel des Kunden.
> Ein Automechaniker muß das Auto so reparieren, daß man nicht nach einem Kilometer aus der Kurve fliegt.
Richtig, aber keiner hindert den Automechaniker mal ne Birne mehr auszutauschen oder eine durchaus funktionierende Bremsscheibe gegen eine neue zu tauschen, die alte war halt "kaputt".

Sie sehen, lieber Zettel, ein jeder kommt so durch, wie er kann. Und die Moral eines Menschen ist recht flexibel, je nachdem wo sein Nutzen steht. Das ist beim Wissenschaftler nicht anders. Ein Wissenschaftler, der im Auftrag der Grünen ein Gutachten zur Situation von Solardächern in Deutschland verfasst, wird nicht darauf hinweisen, wie gefährlich Solarzellen sein können, wenn ein Hausbrand entsteht, er wird auch nicht die Spiegelwirkung dieser Anlagen in den Vordergrund stellen, er wird Kostenrechnungen vorlegen und vielleicht einen Vergleich mit einem Kohlekraftwerk der siebziger Jahre. Das ist alles nicht falsch. Was er schreibt ist wahr. Nur nicht nützlich. Ich muss nicht lügen, um eine bestimmte Aussage zu machen oder eine zu ignorieren.

Und wie ich nicht müde werden zu betonen, es muss auch so sein. Denn ansonsten würde es niemand beauftragen. Keine Industrie, kein Geschäftsmann, keine Partei gibt Geld für etwas aus, was ihm oder ihr nichts nützt oder gar schadet.

Uwe Richard Offline



Beiträge: 1.255

22.01.2011 08:09
#14 RE: Schrumpft die Mittelschicht? Antworten

Zitat von Zettel
Die Daten liefern darauf keine Hinweise.

Sagen Forscher eines Instituts, das von der bayerischen Wirtschaft finanziert wird.



Andere Wissenschaftler sehen das etwas anders – jedenfalls wenn die Mittelschicht in der Nähe von AKWs angesiedelt ist. Sie haben nämlich nachgewiesen, dass in der Nähe von Atomanlagen die Geburtenrate sinkt und weniger Mädchen zur Welt kommen.

Um den Reichtum gerechter zu verteilen, und der grassierenden Kinderarmut in der Bunte Republik entgegenzuwirken, böte es sich an, die Oberschicht in der Nähe von AKWs wohnen und damit schrumpfen zu lassen. Das Leben könnte sooo schön sein – wenn wir nur die Wissenschaft ernsthafter anwendeten.


Ein schönes Wochenende wünscht

Uwe Richard

--
„Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“ – sagt Ingeborg Bachmann

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.01.2011 11:01
#15 Drittmittelforschung Antworten

Zitat von Llarian
Und wie ich nicht müde werden zu betonen, es muss auch so sein. Denn ansonsten würde es niemand beauftragen. Keine Industrie, kein Geschäftsmann, keine Partei gibt Geld für etwas aus, was ihm oder ihr nichts nützt oder gar schadet.


Da stimme ich Ihnen, lieber Llarian, ja zu. Aber Drittmittelforschung ist etwas anderes als Gefälligkeitsgutachten.

Es gibt viele Gründe für Drittmittelgeber, die Forschung zu fördern. Ich habe mich damit einigermaßen eingehend befaßt und zB auch amerikanische Kollegen befragt, wie sie das sehen. Die wichtigsten Gründe sind:

* Die Geldgeber sind schlicht für die Förderung der Forschung da. Das sind die sogenannten funding agencies. In den USA beispielsweise die National Science Foundation, in Deutschland die DFG, die Volkswagenstiftung, die Bertelsmannstiftung. Zahlreiche kleinere Stiftungen. Zum Beispiel gibt es in Bad Homburg die wunderbare Werner-Reimers-Stiftung, in deren schönem Haus ich manche interdisziplinäre Tagung erlebt habe.

Wer behauptet, daß diese Stiftungen Einfluß auf die jeweils finanzierte Forschung nehmen, der kennt die Materie einfach nicht. Selektiv sind sie insofern, als bestimmte Forschungsthemen gefördert werden und andere weniger oder nicht. Aber auf die Ergebnisse haben die Geldgeber nicht den geringsten Einfluß und wollen ihn auch nicht haben.

* Auftragsforschung im Rahmen der Angewandten Forschung. Das ist etwas völlig anderes: Unternehmen vergeben Aufträge an Unis oder an andere Forschungseinrichtung, statt bestimmte Fragen der Angewandten Forschung, auf die sie für ihren Betrieb eine Antwort haben wollen, selbst in ihren Labors zu bearbeiten. Dabei geht es nicht um Grundlagenforschung, sondern darum, beispielsweise neue Materialien zu entwickeln, bestimmte Software usw. In diesem Bereich wollen die Auftraggeber natürlich eine Gegenleistung, die sich für sie rechnet. Aber eine ehrliche, solide. Dafür bezahlen sie ja und nicht für Propaganda.

* Grundlagenforschung von Drittmittelnehmern, die auch solche Auftragsforschung machen. Wer gute Auftragsforschung will, der fördert oft auch die Grundlagenforschung. Und zwar in zweierlei Hinsicht:

Erstens sind die Übergänge fließend. Ein Beispiel ist die Genforschung. Sie dient oft angewandten Zwecken, also genetischen Veränderungen, die unter der irreführenden Bezeichnung "Genmanipulationen" laufen. Aber wer auf diesem Gebiet forscht, der trägt damit oft auch zum Grundlagenwissen bei.

Zweitens finanzieren die Drittmittelgeber auch ganz bewußt reine Grundlagenforschung. Zum einen, weil sie oft nur auf diese Weise gute Forscher für ihre Angewandte Forschung bekommen. Der Forscher X sagt dem Unternehmen Y: OK, ich erforsche das Thema Z für Sie; aber dafür müssen Sie mich bei meiner Grundlagenforschung in diesem Bereich finanziell unterstützen. Zweitens dient das der Nachwuchsgewinnung; beispielsweise durch die Förderung von Dissertationen.

* Forschung, von der man sich eine bestimmte Außenwirkung erhofft. Das ist ein ganz peripheres Phänomen; in den meisten Wissenschaften und für die meisten Unternehmen spielt es überhaupt keine Rolle. Aber es wird wieder und wieder in der Öffentlichkeit diskutiert: Die Tabakindustrie fördert Forschung mit dem Ziel, Rauchen als weniger schädlich darzustellen usw.

Ja, das gibt es, lieber Llarian. Es ist ungefähr so repräsentativ für die Drittmittelforschung, wie die Pariser Taschendiebe repräsentativ für Frankreich sind.

Aber darauf wird herumgeritten. Ja, ich gebe zu, daß mich das ärgert und daß ich deshalb des öfteren darauf eingehe. Auch einem Franzosen würde es nicht gefallen, wenn sein Land wegen der Pariser Taschendiebe ständig als eine Nation von Verbrechern dargestellt werden würde.

Herzlich, Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

24.01.2011 11:43
#16 RE: Drittmittelforschung Antworten

Zitat von Zettel
* Forschung, von der man sich eine bestimmte Außenwirkung erhofft. Das ist ein ganz peripheres Phänomen ...


Auf die Gesamtforschung bezogen ist das natürlich richtig.
Aber wir reden hier ja über den ganz winzigen Bruchteil von Forschung bzw. Studien, die in den Medien zitiert werden.

Und das sind natürlich überwiegend Arbeiten, bei denen diese bestimmte Außenwirkung intendiert ist. In der Regel bestellt da eine Interessengruppe gezielt bei einem Wissenschaftler/Institut eine ganz bestimmte Fragestellung in der fast immer erfüllten Erwartung, dann auch die gewünschte Antwort begründen zu können.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

24.01.2011 11:58
#17 RE: Drittmittelforschung Antworten

Gerade eben habe ich in der Diskussion "Weg mit der Integration" ein ganz wunderbares Beispiel für Auftragsforschung der üblen Art gefunden.
Da lassen die Gewerkschaften sich bestätigen, daß die deutschen Arbeiter in den letzten Jahren reale Lohnkürzungen hinnehmen mußten. Was eine völlig absurde Falschinterpretation der Statistik ist.
Aber es lief unwidersprochen in allen Medien.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.01.2011 12:05
#18 RE: Drittmittelforschung Antworten

Zitat von R.A.
Aber wir reden hier ja über den ganz winzigen Bruchteil von Forschung bzw. Studien, die in den Medien zitiert werden.

Und das sind natürlich überwiegend Arbeiten, bei denen diese bestimmte Außenwirkung intendiert ist. In der Regel bestellt da eine Interessengruppe gezielt bei einem Wissenschaftler/Institut eine ganz bestimmte Fragestellung in der fast immer erfüllten Erwartung, dann auch die gewünschte Antwort begründen zu können.

Dem stimme ich nicht zu, lieber R.A.

In den Medien zitiert werden ganz überwiegend Forschungsergebnisse, die als irgendwie spektakulär gelten. "Wissenschaftler haben jetzt herausgefunden, daß ...". Diese Berichte gehen fast immer auf die Pressestellen der betreffenden Unis oder von Fachzeitschriften zurück. Wer forscht, der versorgt seine Pressestelle mit Publikationen, von denen er denkt, sie könnten für diese vielleicht interessant sein. Ich habe das routinemäßig machen lassen; manchmal kam eine Pressemitteilung heraus, oft nicht.

Ein Beispiel, das ich kürzlich in ZR kommentiert habe, ist die Dissertation von Nadja Milewski, die über die Pressestelle der Uni Rostock einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde (Sarrazin auf dem Prüfstand der Wissenschaft (4); ZR vom 24. 9. 2010).

Die einzige "Interessengruppe", die dabei beteiligt ist, ist die Uni, an der diese Forschung stattfand und die sich von der Mitteilung eine Steigerung ihres Ansehens erhofft. Ebenso machen es oft Zeitschriften wie Nature und Science.

Daß Gruppen aus Politik und Wirtschaft solche Pressemitteilungen verschicken, kommt vor. Aber es ist nicht repräsentativ.

Herzlich, Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

24.01.2011 12:35
#19 RE: Drittmittelforschung Antworten

Zitat von Zettel
In den Medien zitiert werden ganz überwiegend Forschungsergebnisse, die als irgendwie spektakulär gelten.


Das ist natürlich richtig. Aber diese Ergebnisse fallen oft unter "Vermischtes" (oder natürlich "Wissenschaft", wo es so ein Ressort überhaupt gibt), manchmal in "Wirtschaft", seltener gelangen sie in andere Ressorts.

Was ich meinte waren die "Studien", die wirklich Aufmerksamkeit bekommen, die zitiert, diskutiert und kommentiert werden, die auch mal aufs Titelblatt kommen.
Ich habe jetzt nicht nachgezählt, aber da dominieren m. E. die Auftragsstudien mit politischem Interessenhintergrund.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.01.2011 12:41
#20 RE: Drittmittelforschung Antworten

Zitat von R.A.
Was ich meinte waren die "Studien", die wirklich Aufmerksamkeit bekommen, die zitiert, diskutiert und kommentiert werden, die auch mal aufs Titelblatt kommen.

Ich habe jetzt nicht nachgezählt, aber da dominieren m. E. die Auftragsstudien mit politischem Interessenhintergrund.

Gut möglich. Sie haben in dem anderen Thread die irreführenden Zahlen zur Lohnentwicklung erwähnt. Haben Sie dazu evtl. bessere Zahlen, also solche, bei denen der Effekt des Rückgangs der Arbeitslosigkeit herausgerechnet ist? Könnte vielleicht eine Marginalie ergeben.

Herzlich, Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

24.01.2011 13:08
#21 RE: Drittmittelforschung Antworten

Zitat von Zettel
Haben Sie dazu evtl. bessere Zahlen, also solche, bei denen der Effekt des Rückgangs der Arbeitslosigkeit herausgerechnet ist?


Ich habe mein Material eben nicht zur Hand. Es gab auch mehrere ähnliche Aussagen dieser Art in letzter Zeit (mit unterschiedlichen Zeiträumen).
Es ist aber gut möglich, daß sich die Zahlen durchaus in der Studie selber finden, bzw. das Rohmaterial, aus dem man diesen Effekt berechnen könnte.

Der Gag ist ja hier, daß die Behauptung "der Durchschnittslohn ist gesunken" ja stimmt. Was aber nicht heißt, daß im Schnitt ein Arbeitnehmer weniger hätte als vorher. Nur daß eben etwas 2 Millionen Ex-Arbeitslose damals mit ihrem Lohn von 0 nicht in die Statistik eingingen.

Colombia Offline



Beiträge: 119

24.01.2011 23:58
#22 RE: Drittmittelforschung Antworten

Zitat von R.A.

Zitat von Zettel
Haben Sie dazu evtl. bessere Zahlen, also solche, bei denen der Effekt des Rückgangs der Arbeitslosigkeit herausgerechnet ist?


Ich habe mein Material eben nicht zur Hand. Es gab auch mehrere ähnliche Aussagen dieser Art in letzter Zeit (mit unterschiedlichen Zeiträumen).
Es ist aber gut möglich, daß sich die Zahlen durchaus in der Studie selber finden, bzw. das Rohmaterial, aus dem man diesen Effekt berechnen könnte.

Der Gag ist ja hier, daß die Behauptung "der Durchschnittslohn ist gesunken" ja stimmt. Was aber nicht heißt, daß im Schnitt ein Arbeitnehmer weniger hätte als vorher. Nur daß eben etwas 2 Millionen Ex-Arbeitslose damals mit ihrem Lohn von 0 nicht in die Statistik eingingen.




Das ist ähnlich wie die (zumindest vor einigen Jahren) dauernde Aussage der Gewerkschaften, dass die Produktivität gestiegen sein und nun die Löhne auch demensprechend steigen müssten.
Tatsächlich war auch die Durchschnittsproduktivität gestiegen, weil eben die am wenigstens Produktiven entlassen wurden. An der Produktivität der weiterhin beschätigten hatte sich (außer im üblichen Rahmen) nicht groß was verändert, weswegen eine Erhöhung der Löhne keinen Sinn ergab und nur die verbliebenen Arbeitsplätze ebenfalls unsicherer gemacht hätte.

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

25.01.2011 19:20
#23 RE: Drittmittelforschung Antworten

Zitat
In der Regel bestellt da eine Interessengruppe gezielt bei einem Wissenschaftler/Institut eine ganz bestimmte Fragestellung in der fast immer erfüllten Erwartung, dann auch die gewünschte Antwort begründen zu können.



Zitat
In den Medien zitiert werden ganz überwiegend Forschungsergebnisse, die als irgendwie spektakulär gelten. "Wissenschaftler haben jetzt herausgefunden, daß ...". Diese Berichte gehen fast immer auf die Pressestellen der betreffenden Unis oder von Fachzeitschriften zurück. Wer forscht, der versorgt seine Pressestelle mit Publikationen, von denen er denkt, sie könnten für diese vielleicht interessant sein. Ich habe das routinemäßig machen lassen; manchmal kam eine Pressemitteilung heraus, oft nicht.



Ich möchte aber doch R.A. zustimmen. Wer das Institut von Herrn Pfeiffer mit einer Studie über jugendliche Kriminelle beauftragt, hat - behaupte ich - die Erwartung, dass mit vielen Zahlen und Statistiken "belegt" würde, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund nicht krimineller sind als Jugendliche ohne M. Hätte Frau Heisig ein Forschungsinstitut geleitet, hätte sie Aufträge bekommen gewiss nicht von den Linken und den Grünen, sondern von Auftraggebern welcher Art auch immer, die belastbare Zahlen gesucht hätten im Sinne des Buches von Frau Heisig. Wie soll es den sonst sein? - Hier sind wir wieder beim Wissenschaftsdisput und den unterschiedlichen Fachrichtungen. Ich glaube gerne, dass ein Drittmittelgeber, der einen Auftrag an Ingenieur- oder Naturwissenschaften vergibt, dies aus einem Erkenntnisinteresse heraus tut. In der Politik geht es aber um im weitesten Sinne sozialwissenschaftliche Fragen, und hier gilt doch, dass für alles und jedes es die "richtige" Statistik gibt (wir brauchen die Diskussion nicht wiederholen; schon klar: es sind Fragen der Datenqualität, der Datenauswahl, der Datenaufbereitung, der Fragestellung an die Daten - nur wird hier viel getrickst und geschummelt). Hier gilt m.E. sehr wohl, dass ein Auftraggeber sich genau überlegt, wen er für welche Frage mit welcher Forschung beauftragt.

Ich selbst habe erlebt, wie ein C4-bezahlter Forscher in einem DFG-Projekt der Überzeugung war, der Sachverhalt X verhalte sich in einer bestimmten Weise, und daher die Projektmitarbeiter anwies, doch nach Belegen für diese Annahme zu suchen. Nicht: Suchen Sie Belege zur Klärung der Frage, wie sich X verhält; sondern: Ich bin überzeugt, das X so ist, das muss sich doch finden lassen. Die Grenze zwischen einer Arbeitshypothese und einer Ergebnisvorwegnahme können manchmal sehr fließend sein, wenn das Material unterschiedliche Auswertungen ermöglicht.

Gerade in den Geistes-/Gesellschaftswissenschaften geht Wissen um Statistik nach meinem Eindruck oft gegen Null, was aber trotzdem viele nicht hindert, mit Zahlen und Prozentwerten zu agieren. Nur selten werden solche zahlengestützten Aussagen auch auf Signifikanz getestet, allein deswegen, weil der normale Geistes-/Gesellschaftswissenschaftler allenfalls eine Alltagsdefinition von "Signifikanz" hat. Ich hatte das Glück, dass mein Chef vor histor. Sprachwissenschaft sich auch mit Mathematik beschäftigt hat, das kam den Ergebnissen in Sprachwissenschaft sehr zugute. Das war aber die absolute Ausnahme.

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