Der Artikel Kellers, dem ich das Zitat entnommen habe, ist sehr lang. Er ist die Einleitung zu einem eBook, das sich mit der Geschichte der WikiLeaks-Veröffentlichungen durch die NYT befaßt. Sekundärverwertung, die story behind the story.
Viel Aufregendes habe ich in Kellers Artikel nicht gefunden. Mein Eindruck ist, daß ihm die Zusammenarbeit mit diesem windigen Assange inzwischen etwas peinlich ist und er sein Blatt zu rechtfertigen versucht.
Nonkonformist
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28.01.2011 08:21
#2 RE: Zitat des Tages: "Wikileaks hat manipuliert"
Lieber Herr Zettel, daß Wikileaks eine unseriöse Quelle ist, sollte eigentlich jedem denkenden Menschen klar sein. Die Geschichte mit dem Hubschraubereinsatz wirkte von Anfang an sehr unwahrscheinlich. Der Nachrichtenkonsument muß immer seinen "gesunden Menschenverstand" einschalten, leider machen das nur die wenigsten. Sollten Sie aber der Meinung sein, daß Wikileaks kriminell ist und abgeschaltet werden muß, so bin ich anderer Auffassung. Ich bin froh, daß es Wikileaks gibt. Man schüttet ja auch keinen Korb mit Äpfeln weg, nur weil viele faule darunter sind, sondern man sucht sich die guten heraus. Ein schönes Beispiel für Nachrichtenmanipulation konnte man gestern wieder erleben. Das "Rosa-Luxemburg-Sprachrohr" Leipziger Volkszeitung hatte das Gerücht aufgebracht, Kapitän Schatz hätte eingestanden, die Kadetten als "minderwertiges Menschenmaterial" bezeichnet zu haben. Die "Qualitätszeitung" SZ mit ihrem Journalisten Oliver das Gupta hatte nichts Eiligeres zu tun, als diese Meldung zu übernehmen und als Tatsache hinzustellen ("Ein Schelm, der Böses dabei denkt"). Mir kam das unwahrscheinlich vor und deshalb habe ich die Nachrichtenlage tagsüber überwacht. Promt kam am Nachmittag das Dementi vom Verteidigungsministerium. Auf meinen Protest hin kam dann ein schwacher Rückzieher an versteckter Stelle im Artikel, später wurde der Artikel ganz versteckt. Bis dahin hatten aber schon über 200 Kommentatoren ihrer "Bundeswehrantipathie" freien Lauf gelassen. Ich nenne soetwas "Hetze", fordere aber nicht die Abschaffung der "Süddeutschen Zeitung".
auch wenn ich damals schon die Aufmachung des gekürzten Videos für unnötig reißerisch hielt: das ungekürzte Video war zu jeder Zeit im gleichen Umfang verfügbar. Die Kürzungen erschienen mir damals angebracht, der Aussage Kellers, hier seien „klar“ Bewaffnete zu erkennen kann ich mich nicht anschließen. Ich möchte dem Piloten/WSO jedoch hier zugestehen, daß sie a) eine größere Erfahrung im Auswerten von BIV-Aufnahmen haben und b) natürlich unter einem gewissen Streß standen. Auch einige andere Analysten scheinen Waffen zu erkennen, bei weitem jedoch nicht alle (zumindest nicht bei der relevanten Personengruppe, um die es geht. Später im Video tauchen wohl zweifelsfrei Bewaffnete auf.).
All diese Kritik ist aber tatsächlich nicht neu, sogar die in dieser Hinsicht ja meistens... eher abenteuerlich eingestellte deutsche Wikipedia ist sehr vorsichtig bei der Bewertung des Bildmaterials und unterschreibt ein Standbild mit „Bewaffnete Personen auf der Aufnahme des Helikopters.“
Der Aufreger damals waren ja auch weniger die ursprünglichen Irrtümer bei der Aufklärung der Reportergruppe (und schon gar nicht die harschen Worte dazu) sondern die erkennbar unprofessionelle Verhaltensweise der Hubschrauberbesatzung und die Tatsache, daß nach der ersten Feuerfreigabe auch weitere Gruppen großzügig bedeckt wurden, ohne nochmals aufzuklären, ob tatsächlich eine Bedrohung vorliegt.
1. Wikileaks hat damals sowohl die volle Version des Videos (39 Minuten) als auch die editierte Version veroeffentlicht.
2. Reuters, deren Mitarbeiter bei dem Vorfall getoetet wurden, hatte sich zuvor vergeblich bemueht unter FoIA eine Kopie des Videos zu erhalten. Die US Army gab spaeter an ihre eigene Kopie des Videos nicht finden zu koennen.
3. Ob Bewaffnete in dem Video zu sehen sind oder nicht - der Van hatte jedenfalls keine Bewaffneten an Bord und das wurde auch nicht mal von der US Army selber behauptet. Und die ueblen Stellen im Soundtrack des Videos haben mit Bewaffneten auch nichts zu tun.
4. "Collateral Murder" - wie haette Wikileaks das Video ihrer Meinung nach nennen sollen: "A Series of Unfortunate Events"? Oder wie die US Army: "Nothing to See Here Folks"?
Zitat von john j4. "Collateral Murder" - wie haette Wikileaks das Video ihrer Meinung nach nennen sollen: "A Series of Unfortunate Events"? Oder wie die US Army: "Nothing to See Here Folks"?
Am Tag der Veröffentlichung des Videos, am 5. April 2010, gab das zuständige US-Oberkommando das Ergebnis der offiziellen Untersuchung bekannt. Dazu die Wikipedia (Hervorhebungen von mir; Nummern, die auf Anmerkungen verweisen, entfernt; zur besseren Lesbarkeit Absätze eingefügt):
Zitat The report states that at least two members of the group which were first fired on were armed, that two RPGs and one AKM or AK-47 rifle could be seen in the helicopter video, and that these weapons were picked up by the follow-up U.S. ground troops.
The report concludes that the Reuters employees were in the company of armed insurgents. It also states that "The cameras could easily be mistaken for slung AK-47 or AKM rifles, especially since neither cameraman is wearing anything that identifies him as media or press". The report recommends encouraging journalists in Iraq to wear special vests to identify themselves, and to keep the U.S. military updated about their whereabouts. Reporters "furtive attempts to photograph the Coalition Ground Forces made them appear as hostile combatants". (...)
According to the U.S. Army investigation report released by the United States Central Command, the engagement started at 10:20 Iraqi local time and ended at 10:41. A unit from Bravo Company 2–16 was within 100 meters of the individuals that were fired upon with 30mm AH-64 Apache cannons. The company was charged with clearing their sector of any small armed forces, and had been under fire from small arms and rocket-propelled grenades (RPGs). The company was supported by two Apache helicopters from the 1st Cavalry Division's Aviation Brigade, callsigns "Crazyhorse 1/8" and "Crazyhorse 1/9". Two men were identified by Crazyhorse 1/8 as carrying an RPG launcher and an AKM or AK-47. When the cameraman on the ground aimed his camera in the direction of Bravo Company 2–16, a pilot remarked "He's getting ready to fire".
An Apache maneuvered around a building to get a clear field of fire and shot all nine men, killing eight. A van then arrived and attempted to load a wounded man. After getting permission to fire, the Apache crew fired on the van. When Bravo Company arrived at the scene, they reported finding two RPGs and an AK-47 or AKM. They also found two Canon EOS digital cameras with telephoto lenses. Two children were found in the van, a four year old girl with gunshot wounds and embedded windscreen glass wounds and an eight year old boy with multiple wounds, including brain damage arising from shrapnel damage to his right temporal lobe. Both children were evacuated to the 28th Combat Support Hospital via Forward Operating Base Loyalty, then transferred to an Iraqi medical facility the next day.
While the Air Weapons Team was providing support at the first engagement area they were informed by ground troops that they were receiving small arms fire from the south/southwest. The crew for Crazyhorse 1/8 then located multiple individuals with weapons about 400 meters east of coalition forces and was given clearance to engage the targets. However, the co-pilot/gunner then observed a child and some other non-combatants in the vicinity of the individuals and decided to hold off on the engagement until the non-combatants were clear. After the non-combatants were clear Crazyhorse 1/8 engaged the targets. The crew for Crazyhorse 1/9 could not engage due to target obfuscation from buildings and dust.
The team observed several individuals from this group, some possibly wounded, run into a large multistory building. The co-pilot/gunner for Crazyhorse 1/9 spotted three individuals near this building get into a red SUV and drive away to the west. For about 5 to 10 minutes the team diverted its attention to this vehicle. However, according to the co-pilot for Crazyhorse 1/8 they failed to positively identify the occupants as combatants and returned to the previous engagement area. This account of first bringing the wounded children to the Combat Support Hospital appears to be contradicted by orders by radio that form part of the video record, which forbids it and orders that the children be handed over to local police.
Es waren also Kampfhandlungen im Gang. Die Reuters-Leute haben sich in Gefahr begeben und sind bedauerlicherweise dabei ums Leben gekommen. Zivilisten wurden von den US-Soldaten nicht absichtlich angegriffen.
Warum hat Wikileaks diese manipulierte Fassung des Videos überhaupt erstellt? (Auf die Kamera wurde durch eine opitische Markierung hingewiesen, auf die Waffen nicht). Ich kann darin kein Bemühen um eine Dokumentation sehen, wohl aber Agitation. Sie wurde nur allzu bereitwillig übernommen. Wieder einmal hatte man der Welt den ugly American vorgeführt.
Abgesehen davon, wie man diesen konkreten Fall bewertet, sollte niemand übersehen, dass auch von Wikileaks nicht die "ungeschminkte Wahrheit" kommt, sondern lediglich eine andere Sicht. Es geht gar nicht anders.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
In dem als das Video veröffentlicht wurde, war WilkiLeaks für mich erledigt. Ich fand die Idee immer großartig und denke sie hat Zukunft und solche Plattformen sind notwendig. Aber eine veröffentlichung "Collateral Murder" zu nennen, also absichtliches und planvolles töten von Zivilisten im Titel festzustellen, ist eben mehr als eine Plattform für geleakte Dokumente zu sein. Hier wird Stellung bezogen. Das video ist eigentlich indiskutabel. Sich im Beisein von Bewaffnten in die Nähe von Kampfhandlungen zu begeben ist nicht wirklich klug, dabei passieren schreckliche Dinge. Der Slang der Soldaten, geschenkt, Krieg verroht, wer seine Söhne in den Krieg schickt muss wissen was er ihnen antut, das ist sicher ein Verdienst, aber dafür reicht eigentlich ein Ausflug auf Youtube. Tragisch ist der ganze Vorfall für den Fahrer des Van, aber es hätte sich auch um Aufständische handeln können, die den Schauplatz von Waffen und Verwundeten reinigen wollten. Gerade die BW weiß wie unklug es ist, nicht sofort zum Schauplatz eines Bombardements vorzurücken, um Beweise zu sichern. Viele Leichen ohne Waffen sind einfach ein PR Gau. Tragisch, aber ich würde es tatsächlich "A Series of Unfortunate Events" nennen. Ganz ohne Sarkasmus. "Fog of War" ist leider schon vergeben.
mfg C.k.
Skeptiker
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Beiträge:
29.01.2011 12:39
#8 RE: Zitat des Tages: "Wikileaks hat manipuliert"
Leider ist es dem nachträglichen Betrachter dieser Aufzeichnung mit dem Wissen des geschehenen tragischen Irrtums nicht mehr möglich, sich diese vor der Schussabgabe vermeintliche objektiv richtige Wahrnehmung und Schlussfolgerung aus der Sicht des Schützen vor der Beschießung der Opfer vorzustellen, weil wir selber als Zuschauer nur noch den bewiesenen Irrtum und damit nur noch die Folgen des Geschehens daraus wahrnehmen können.. Eine nachträgliche objektive Bewertung verbietet sich m. E. damit von selber. Man könnte dies durchaus mit Verkehrs- und Jagtunfällen vergleichen, bei denen durch ähnliche subjektive tragische Wahrnehmungsfehler immer noch, vermutlich unvermeidlich. unzählige Menschen getötet und verletzt werden.
So wurde zum Beispiel in unserer Gegend u.a. kürzlich eine Bäuerin beim Unkrautpflücken von einem Jäger als vermeintliches Wildschwein erschossen. Ähnliche, m. E. unvermeidlichen menschlichen Wahrnehmungsirrtümer gibt es mittlerweile zu tausenden.
Die Aufzeichnung des Einsatzes mittels Vidio war und ist für eine nachträgliche Fehleranalyse innerhalb des Militärs richtig und auch notwendig. Solche Aufzeichnungen danach auch mit illegalen Mitteln einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zumachen ist m.E. aus vielen Gründen trotzdem notwendig und richtig. Grüße...
Es ist aber wirklich zu schön: Da werden Wikileaks vertrauliche Daten gestohlen. Und Assange nennt den Datendieb - völlig zu Recht natürlich - auch tatsächlich Datendieb. Und geht gegen diesen juristisch vor.
Zitat von FlorianEs ist aber wirklich zu schön: Da werden Wikileaks vertrauliche Daten gestohlen. Und Assange nennt den Datendieb - völlig zu Recht natürlich - auch tatsächlich Datendieb. Und geht gegen diesen juristisch vor.
-- Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel
Wikileaks hat Daten nicht gestohlen, denn diese sind ja noch im Besitz und in voller Zugriffsmöglichkeit der vorigen Besitzer. Wikileaks hat Daten höchstens unauthorisiert kopiert (genaugenommen war es wohl irgendein Individuum das nicht Teil der Wikileaks Organisation ist) und veröffentlicht. Im vorliegenden Fall scheinen die Daten tatsächlich gestohlen worden zu sein, Assange hat wohl keinen Zugriff mehr darauf.
Ich bin ja kein Rechtsexperte für solche Fragen, aber ist Datendiebstahl im landläufigen Sprachgebrauch wirklich mit Diebstahl im rechtlichen Sinne gleichzusetzen?
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