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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 24 Antworten
und wurde 1.527 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Kallias Offline




Beiträge: 2.300

11.02.2011 17:36
Der Nurkuppelbau Antworten

Angeregt durch Reiner aus dem Saarland, der das Bauwerk der DITIB-Moschee in Köln-Ehrenfeld mit einem Kernkraftwerk verglichen hat, habe ich mich systematisch mit der Frage der Kuppelform und insbesondere dem Gebäudetyp des Nurkuppelbaus beschäftigt, und ein kleines Bilderbuch darüber verfertigt.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.02.2011 18:06
#2 RE: Der Nurkuppelbau Antworten

Was für ein wunderbarer Artikel, lieber Kallias. Das ist das Niveau des "New Yorker"; Sie kennen ihn, andere mögen vielleicht nachschauen wollen. Sie verstehen dann, was ich ausdrücken will.

Ich bin beim Betrachten aller dieser Bilder und beim Lesen Ihres schönen, klugen Texts richtig fröhlich geworden.

Herzlichen Dank!

Ihr Zettel

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

11.02.2011 18:38
#3 RE: Der Nurkuppelbau Antworten

Herzlichen Dank, besonders für die Erwähnung der Bauwerke aus Dresden. Ich dachte schon beim Scrollen: Was könnte er denn aus Dresden noch ausgewählt haben ;-)

Reiner aus dem Saarland Offline



Beiträge: 272

11.02.2011 19:01
#4 RE: Der Nurkuppelbau Antworten

Wunderbarer Beitrag. Davon könnten sich FAZ.NET oder welt-online eine Scheibe abschneiden.

Kallias Offline




Beiträge: 2.300

11.02.2011 19:05
#5 RE: Der Nurkuppelbau Antworten

Zitat von stefanolix
Was könnte er denn aus Dresden noch ausgewählt haben ;-)

Dieses: http://de.wikipedia.org/wiki/Glaskugelhaus_Dresden und dieses: http://de.wikipedia.org/wiki/Forschungsi...0%93_Sternwarte war noch in der Auswahl. Ein kugelverliebter Ort!

Herzliche Grüße,
Kallias

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

11.02.2011 20:01
#6 RE: Der Nurkuppelbau Antworten

Beeindruckend, welch schöne Bauwerke die Bahá'í da so gebaut haben. Whow!

Bei unseren fossilen Kraftwerken gibt es solche Kuppelbauten übrigens kaum. Lediglich eine ordentliche Verpuffung kann dafür sorgen, dass schnöde, geradlinige Umhausungen ganz der Natur folgend "die ideale technische Form"* annehmen. (*Lieblingsspruch meines ehem. Kesseldozenten)

Hatten sie als Inbegriff des Nurkuppelbaus eigentlich auch das Tropical Islands, die ehemalige Cargolifter-Werft in der Auswahl? Oder scheidet die aus, weil zu langgestreckt?

Beste Grüße, Calimero

----------------------------------------------------
Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire

Kallias Offline




Beiträge: 2.300

11.02.2011 22:41
#7 RE: Der Nurkuppelbau Antworten

Zitat von Calimero
Hatten sie als Inbegriff des Nurkuppelbaus eigentlich auch das Tropical Islands, die ehemalige Cargolifter-Werft in der Auswahl? Oder scheidet die aus, weil zu langgestreckt?

Oh, die Cargolifter-Halle, die hatte ich glatt vergessen - ich hätte sogar getippt, daß Tropical Islands längst pleite gemacht hat, und nun machen sie sogar etwas Gewinn.

Begrifflich - das ist jetzt ein bißchen schwierig; da wäre ja etwas Ahnung von Architekturtheorie vonnöten. Das Wort "Nurkuppelbau" ist frei erfunden (nun ja, in Analogie zu "Nurflügler" gebildet); jede Ähnlichkeit mit existierenden architektonischen Begriffen wäre rein zufällig.

Es geht um den nach außen und vor allem nach oben strebenden Gestus eines Gebäudes, der ggf. niedrigere Anbauten (wie die seitlichen Kühltürme, über die Sie bei dem Kölner AKW diskutiert haben) mit einbezieht, sagen wir, wie die Flanken eines Berges. Dadurch ergibt sich eine große Gestaltungsfreiheit, die eine rein geometrisch definierte Bauform nicht bieten kann, und die von den Bahai-Architekten weidlich ausgenutzt wurde.

Halbkugelförmige Bauten, langgestreckt die die Cargolifter-Halle oder nicht, haben für mein Gefühl diesen aufstrebenden Gestus nicht, sondern wirken eher wie ein Schutzschirm. Natürlich ist jedes Gebäude eine Schutzhülle, aber es muß ja nicht danach auch aussehen. Ebenso erheben sich die meisten Gebäude über den Erdboden, aber wenn eines eine Show daraus macht und überdies eine quadratische oder runde Standfläche hat, dann handelt es sich um einen Nurkuppelbau.

Herzliche Grüße,
Kallias

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.02.2011 22:59
#8 RE: Der Nurkuppelbau Antworten

Zitat von Kallias
Begrifflich - das ist jetzt ein bißchen schwierig; da wäre ja etwas Ahnung von Architekturtheorie vonnöten. Das Wort "Nurkuppelbau" ist frei erfunden (nun ja, in Analogie zu "Nurflügler" gebildet); jede Ähnlichkeit mit existierenden architektonischen Begriffen wäre rein zufällig.


Wie ist das eigentlich historisch? Und wie statisch?

Ich habe keine Ahnung von Statik, stelle mir aber vor, daß solche Bauten den Vorteil haben, den auch Rundbögen haben: Sie fallen nicht leicht zusammen, weil die Steine im Fall einer Belastung sich gegeneinander verklemmen. Freilich kann der Druck bei Bögen seitlich ausweichen, weswegen es ja auch alle diese Stützpfeiler gibt, die dem standhalten sollen.

Das erste Mal habe ich begriffen, daß die Schönheit von Architektur vor allem auch statische Gründe hat, als ich als junger Mann an einer Führung durch die Sainte Chapelle in Paris teilgenommen habe. Oben leichte, luftige Gothik. Und darunter eine Art Krypta mit mächtigen Säulen. Warum so mächtig, warum alles so dick und schwer? Nicht wegen des Stils, erläuterte die Führerin, sondern weil es ja die Sainte Chapelle tragen mußte.



Das Historische: Mir kommt das alles irgendwie () sehr byzantisch vor und also römisch. Die arabische Kultur ist ja, wie ich immer mal wieder gern anmerke, auch eine der Nachfolgekulturen des Römischen Reichs, nur eben des oströmischen. Kommt die Moscheekuppel daher?

Und warum gibt es solche Kuppeln (meines Wissens) eigentlich nicht bei griechischen Tempeln?

Herzlich, Zettel

Kallias Offline




Beiträge: 2.300

12.02.2011 00:06
#9 RE: Der Nurkuppelbau Antworten

Zitat von Zettel
Wie ist das eigentlich historisch? Und wie statisch?

Ich vermute schon sehr, daß der "Nurkuppelbau" überhaupt keine Geschichte hat. Solche Bauten kommen nur sporadisch vor; bei manchen hat vielleicht nur der Platz nicht für weitausgreifende Quaderbauten gereicht.

Statisch: bei der Dresdner Frauenkirche wurde meines Wissens ein Eisenring verwendet, um die Kuppel zusammenzuhalten. Stahlbeton hält gleichzeitig Zug und Druck aus, damit kann man wohl fast jede beliebige Form realisieren.

Zitat von Zettel
Das Historische: Mir kommt das alles irgendwie () sehr byzantisch vor und also römisch. Die arabische Kultur ist ja, wie ich immer mal wieder gern anmerke, auch eine der Nachfolgekulturen des Römischen Reichs, nur eben des oströmischen. Kommt die Moscheekuppel daher?

Anscheinend. Beim Felsendom als erstem Sakralbau der Muslime haben sogar griech. Baumeister mitgewirkt.

Zitat von Zettel
Und warum gibt es solche Kuppeln (meines Wissens) eigentlich nicht bei griechischen Tempeln?

Die Tholoi hatten wohl Kuppeln. Anscheinend liebten die Griechen jedoch mehr die Rechtecke; was immer das zu besagen hat.

Tja, was könnte es besagen? Ich kann da nur aus einer etwas trüben Quelle schöpfen, dem Werk "Metaphilosophie" von Henri Lefebvre (1965).

Er referiert das Werk des Historikers Jérôme Carcopino: La Vie quotidienne à Rome à l'apogée de l'Empire, Paris, Hachette, 1939.

Demnach hatten die Römer die kreisförmige Stadtgrenze, die eine religiöse Bedeutung hatte, von den Etruskern übernommen. Die Kreissymbolik wirkte sich dann auf die Gestalt der Kleidung (die Toga z.B. war ein Kreissegment mit Durchmesser 2,72m) und die Baukunst aus. Die Griechen dagegen liebten geradlinige Formen sowohl in der Kleidung als auch bei den Bauten. Soweit Carcopino.

Lefebvre spekuliert dann drauflos: "Der Kreis schließt sich im Raum und öffnet sich zur Zeit. Das Viereck öffnet sich im Raum und verschließt sich gegen die Zeit." (ed. suhrk. 734, S. 236)

Das soll vielleicht heißen: die Römer waren vor allem wehrhaft und geschichtsbewußt, die Griechen weltoffene Handelsleute.

Ohne richtigen Nachweis von Zusammenhängen kommen mir solche Interpretationen allerdings ein wenig wie Spökenkiekerei vor. Fantasievolle Assoziationen sind ja recht einfach zu finden, haben aber mit Geschichtsschreibung kaum etwas zu tun, und wie ich finde, auch wenig mit Philosophie. Für's Feuilleton dagegen sind sie wunderbar geeignet!

Herzliche Grüße,
Kallias

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

12.02.2011 11:24
#10 RE: Der Nurkuppelbau Antworten

Zitat von Kallias

Zitat von Zettel
Wie ist das eigentlich historisch? Und wie statisch?

Ich vermute schon sehr, daß der "Nurkuppelbau" überhaupt keine Geschichte hat. Solche Bauten kommen nur sporadisch vor; bei manchen hat vielleicht nur der Platz nicht für weitausgreifende Quaderbauten gereicht.



Schade.

Ich hatte mir eine schöne Baugeschichte ausgemalt, beginnend, sagen wir, mit den bronzezeitlichen Tumuli, dann diesen Kuppelbauten der Etrusker (habe den Namen vergessen) und der Römer, von dort nach Ostrom, von Byzanz in den Orient, bis hin zu den Baha'i und zurück ins Abendland, nach Kölle am Rhing.

Zitat
Anscheinend liebten die Griechen jedoch mehr die Rechtecke; was immer das zu besagen hat.

Tja, was könnte es besagen? Ich kann da nur aus einer etwas trüben Quelle schöpfen, dem Werk "Metaphilosophie" von Henri Lefebvre (1965).

Er referiert das Werk des Historikers Jérôme Carcopino: La Vie quotidienne à Rome à l'apogée de l'Empire, Paris, Hachette, 1939.

Demnach hatten die Römer die kreisförmige Stadtgrenze, die eine religiöse Bedeutung hatte, von den Etruskern übernommen. Die Kreissymbolik wirkte sich dann auf die Gestalt der Kleidung (die Toga z.B. war ein Kreissegment mit Durchmesser 2,72m) und die Baukunst aus. Die Griechen dagegen liebten geradlinige Formen sowohl in der Kleidung als auch bei den Bauten. Soweit Carcopino.

Lefebvre spekuliert dann drauflos: "Der Kreis schließt sich im Raum und öffnet sich zur Zeit. Das Viereck öffnet sich im Raum und verschließt sich gegen die Zeit." (ed. suhrk. 734, S. 236)

Das soll vielleicht heißen: die Römer waren vor allem wehrhaft und geschichtsbewußt, die Griechen weltoffene Handelsleute.

Hm, wie die Zeit da hineinkommt, habe ich nicht ganz verstanden.

Vielleicht haben die Griechen einfach das irrationale Π nicht gemocht, apollinisch, wie sie waren? (Wenn sie nicht gerade ihren dionysischen Tag hatten ).

Herzlich, Zettel

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

12.02.2011 12:03
#11 RE: Der Nurkuppelbau Antworten

Zitat von Kallias
Statisch: bei der Dresdner Frauenkirche wurde meines Wissens ein Eisenring verwendet, um die Kuppel zusammenzuhalten. Stahlbeton hält gleichzeitig Zug und Druck aus, damit kann man wohl fast jede beliebige Form realisieren. (…)



Die Originalkonstruktion George Bährs war kühn, aber nicht perfekt. Es kam schon bald zu Rissen in den Pfeilern und Wänden unterhalb der Kuppel. Das waren Schäden, die immer wieder notdürftig behoben wurden, aber nicht systematisch verhindert werden konnten. Bei der Rekonstruktion Ende der 1930er bis Anfang der 1940er Jahre hat man das dann versucht und erstmalig Stahlbeton eingesetzt. 1945 wurde die Frauenkirche zerstört. Beim Wiederaufbau wurden sehr exakt konstruierte Steine sowie Stahlbeton- und Spannbeton-Elemente eingesetzt und nach heutiger Erkenntnis werden nun die Kräfte richtig abgeleitet. Jedenfalls sind bisher keine Risse bekannt.

Man muss aber immer betonen, dass George Bähr als Rechenhilfsmittel lediglich das Parallelogramm der Kräfte kannte (zeichnerische Ermittlung der Resultierenden aus Teilkräften). Mehr hatte er nicht zur Verfügung. In den 1990er Jahren konnten in Vorbereitung des Wiederaufbaus FEM-Programme eingesetzt werden. Damit wurden die alten Schadensbilder quasi begründet und man konnte Alternativen durchrechnen. Von der ursprünglich geplanten Holzkonstruktion waren noch Skizzen überliefert. George Bähr hatte nämlich bei der pro forma vorgelegten Planung der Holzkonstruktion schon Ideen für die spätere Kuppel ausprobiert (er träumte schon von der Kuppel, bevor er sie durchsetzen konnte).

-----

Nachträgliche Ergänzung: Ich habe gerade eine Promotion gefunden, die von einem ehemaligen Kommilitonen stammt. Darin kann man sich über die Historie der Frauenkirche informieren. Leider sind die einzelnen Abschnitte als einzelne PDF-Dateien hinterlegt, teilweise ziemlich kurz. Aber ich weiß, dass er sich jahrelang sehr intensiv damit befasst hat und dass es zum Verständnis der Frauenkirche beitragen kann: http://www.matthias-lugenheim.de/promotion.php

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

12.02.2011 13:31
#12 RE: Der Nurkuppelbau Antworten

Zitat von Zettel
Vielleicht haben die Griechen einfach das irrationale π nicht gemocht, apollinisch, wie sie waren?


In der Spielshow käme jetzt ein lautes MÖH!, und eine attraktive junge Frau würde Sie von Ihrem Pult wegbegleiten.

Zitat von Wikipedia
Although π (pi) has been studied since ancient times, and so has the concept of irrational number, it was not until the 18th century that Johann Heinrich Lambert proved that π is irrational.

--
Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

12.02.2011 13:34
#13 RE: Der Nurkuppelbau Antworten

Zitat von Gorgasal

Zitat von Zettel
Vielleicht haben die Griechen einfach das irrationale π nicht gemocht, apollinisch, wie sie waren?


In der Spielshow käme jetzt ein lautes MÖH!, und eine attraktive junge Frau würde Sie von Ihrem Pult wegbegleiten.

Zitat von Wikipedia
Although π (pi) has been studied since ancient times, and so has the concept of irrational number, it was not until the 18th century that Johann Heinrich Lambert proved that π is irrational.





Na gut, bewiesen wurde es erst durch Johann Heinrich Lambert. Aber geahnt hat man es doch vorher auch schon ;-)

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

12.02.2011 13:44
#14 RE: Der Nurkuppelbau Antworten

Zitat von stefanolix

Zitat von Gorgasal

Zitat von Zettel
Vielleicht haben die Griechen einfach das irrationale π nicht gemocht, apollinisch, wie sie waren?


In der Spielshow käme jetzt ein lautes MÖH!, und eine attraktive junge Frau würde Sie von Ihrem Pult wegbegleiten.

Zitat von Wikipedia
Although π (pi) has been studied since ancient times, and so has the concept of irrational number, it was not until the 18th century that Johann Heinrich Lambert proved that π is irrational.





Na gut, bewiesen wurde es erst durch Johann Heinrich Lambert. Aber geahnt hat man es doch vorher auch schon ;-)



Recht haben Sie:

Zitat von Wikipedia
Maimonides mentions with certainty the irrationality of π in the 12th century.


Leider ist die Referenz denkbar unbefriedigend... Das wäre dann wohl hier, aber um dem jetzt erschöpfend nachzugehen, ist mein Hebräisch doch zu rostig.

--
Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

12.02.2011 18:48
#15 RE: Der Nurkuppelbau Antworten

Zitat von Gorgasal

Zitat von Zettel
Vielleicht haben die Griechen einfach das irrationale π nicht gemocht, apollinisch, wie sie waren?


In der Spielshow käme jetzt ein lautes MÖH!, und eine attraktive junge Frau würde Sie von Ihrem Pult wegbegleiten.

Zitat von Wikipedia
Although π (pi) has been studied since ancient times, and so has the concept of irrational number, it was not until the 18th century that Johann Heinrich Lambert proved that π is irrational.




Lieber Beckmesser, zum einen war diese Anspielung auf Nietzsche, wie Ihnen vielleicht nicht entgangen ist, nicht ganz ernst gemeint; ich hätte aber zur Sicherheit ein Smiley dahintersetzen sollen.

Zum anderen ist es eine Frage, ob man etwas weiß, und eine andere, ob es streng bewiesen ist. Ich glaube, das, was man weiß, aber noch nicht beweisen kann, nennt man in der Mathematik eine Vermutung.

Vermutlich gibt es über Pi eine reiche Literatur; darin wird sich sicher finden, wie man in der Antike das Iterationsverfahren zur Bestimmung seines Werts (gehörte zu den vielen spannenden Dingen, an die ich mich aus dem Matheunterricht erinnere) aufgefaßt hat: Man konstruiert ein N-Eck aus Tangenten, ein in den Kreis eingezeichnetes N-Eck und läßt jeweils die Zahl der Ecken gegen Unendlich gehen. Die Fläche, die beide N-Ecks anstreben, ist die Kreisfläche, aus der man natürlich Pi sofort berechnen kann (hoffe, das stimmt alles; es war 1954 oder 1955, daß ich das bewundernd gelernt habe). Das Verfahren ist, meine ich mich zu erinnern, sogar nach einem griechischen Mathematiker benannt.

Herzlich, Zettel

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

12.02.2011 20:33
#16 RE: Der Nurkuppelbau Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von Gorgasal

Zitat von Zettel
Vielleicht haben die Griechen einfach das irrationale π nicht gemocht, apollinisch, wie sie waren?


In der Spielshow käme jetzt ein lautes MÖH!, und eine attraktive junge Frau würde Sie von Ihrem Pult wegbegleiten.

Zitat von Wikipedia
Although π (pi) has been studied since ancient times, and so has the concept of irrational number, it was not until the 18th century that Johann Heinrich Lambert proved that π is irrational.




Lieber Beckmesser, zum einen war diese Anspielung auf Nietzsche, wie Ihnen vielleicht nicht entgangen ist, nicht ganz ernst gemeint; ich hätte aber zur Sicherheit ein Smiley dahintersetzen sollen.



Das MÖH! bezieht sich ja auch nicht auf die Geburt des Nurkuppelbaus aus dem Geist des π...

Zitat von Zettel
Zum anderen ist es eine Frage, ob man etwas weiß, und eine andere, ob es streng bewiesen ist. Ich glaube, das, was man weiß, aber noch nicht beweisen kann, nennt man in der Mathematik eine Vermutung.


In der Tat. Conjecture. Listen von möglichen Beweistechniken finden sich hier und hier.

Zitat von Zettel
Vermutlich gibt es über Pi eine reiche Literatur; darin wird sich sicher finden, wie man in der Antike das Iterationsverfahren zur Bestimmung seines Werts (gehörte zu den vielen spannenden Dingen, an die ich mich aus dem Matheunterricht erinnere) aufgefaßt hat: Man konstruiert ein N-Eck aus Tangenten, ein in den Kreis eingezeichnetes N-Eck und läßt jeweils die Zahl der Ecken gegen Unendlich gehen. Die Fläche, die beide N-Ecks anstreben, ist die Kreisfläche, aus der man natürlich Pi sofort berechnen kann (hoffe, das stimmt alles; es war 1954 oder 1955, daß ich das bewundernd gelernt habe). Das Verfahren ist, meine ich mich zu erinnern, sogar nach einem griechischen Mathematiker benannt.


Oh ja. Noch ein ε gewiefter ist es, wenn man gleichzeitig Polygone in den Kreis ein- und um ihn herumbeschreibt, dann bekommt man gleich obere und untere Schranken für π. Konvergiert allerdings relativ langsam. Pythagoras lieferte die noch relativ einfache Abschätzung 223/71 < π < 22/7 mit 96-seitigen Polygonen. Liu Hui erhielt die Näherung 3.1416 mit 3072-seitigen Polygonen. Schmerzhaft.

--
Margot Käßmann erhält für ihren Rücktritt nach einer betrunkenen Autofahrt den Europäischen Kulturpreis für Zivilcourage. - Der Spiegel, nicht am 1. April

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

12.02.2011 21:21
#17 RE: Der Nurkuppelbau Antworten

Zitat von Kallias

Zitat von stefanolix
Was könnte er denn aus Dresden noch ausgewählt haben ;-)

Dieses: http://de.wikipedia.org/wiki/Glaskugelhaus_Dresden und dieses: http://de.wikipedia.org/wiki/Forschungsi...0%93_Sternwarte war noch in der Auswahl. Ein kugelverliebter Ort!

Herzliche Grüße,
Kallias




Ich habe Ihnen eine Foto-Antwort geschrieben ;-)
http://stefanolix.wordpress.com/2011/02/...eln-in-dresden/

Herzliche Grüße
Stefan

.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

13.02.2011 04:42
#18 RE: Der Nurkuppelbau Antworten

Zitat von Zettel
Man konstruiert ein N-Eck aus Tangenten, ein in den Kreis eingezeichnetes N-Eck und läßt jeweils die Zahl der Ecken gegen Unendlich gehen. Die Fläche, die beide N-Ecks anstreben, ist die Kreisfläche, aus der man natürlich Pi sofort berechnen kann (hoffe, das stimmt alles; es war 1954 oder 1955, daß ich das bewundernd gelernt habe). Das Verfahren ist, meine ich mich zu erinnern, sogar nach einem griechischen Mathematiker benannt.


Ich habe jetzt nachgesehen: Es war Archimedes.

Spannend daran finde ich den Gedanken, daß ein Kreis nichts anderes ist als ein N-Eck mit N=. Ob man das schon als einen ersten Schritt zur Infinitesimalrechnung verstehen kann?

Herzlich, Zettel

Kallias Offline




Beiträge: 2.300

12.07.2012 19:15
#19 Allah in Ehrenfeld Antworten

In der ARD-Mediathek kann man sich zur Zeit die Dokumentation "Allah in Ehrenfeld" über den Moscheebau ansehen. In der ersten Stunde geht es um die Auseinandersetzung im Vorfeld (Giordano, Schramma, Pro Köln etc. pp.); interessant wird es dann ab etwa Minute 58 mit faszinierenden Aufnahmen von der Baustelle sowie den neueren Problemen um Baumängel, Bauästhetik und sonstige Probleme.

Vieles bleibt leider unklar, doch anscheinend stößt das vorgesehene béton brut der Kuppelschalen bei den türkischen Religionsbehörden auf Ablehnung. Man hätte sie wohl lieber in Weiß.

Tatsächlich wird Weiß oder eine sehr helle Farbe bei Kuppelbauten anscheinend im allgemeinen bevorzugt, vermutlich um den Eindruck drückender Schwere zu vermeiden. Im Film sieht der Beton ausgesprochen hell aus, so daß der ästhetische Kurswechsel nicht unbedingt zwingend erscheint. Doch grundsätzlich ist die Abkehr von der strengen und inzwischen auch etwas altbackenen 60er-Jahre-Moderne zu begrüßen, da es gerade bei einem Nurkuppelbau sehr wesentlich auf Leichtigkeit und Offenheit ankommt, wenn er nicht wie ein Festungswerk aussehen soll.

Tischler ( gelöscht )
Beiträge:

12.07.2012 20:39
#20 RE: Allah in Ehrenfeld Antworten

Zitat
Vieles bleibt leider unklar, doch anscheinend stößt das vorgesehene béton brut der Kuppelschalen bei den türkischen Religionsbehörden auf Ablehnung. Man hätte sie wohl lieber in Weiß.




Der Bau ist mittlerweile nicht mehr in dem, auf ihrem Bild zu sehenden, Sichtbeton.
Dort sind ja auch noch die Nähte der Schalbretter zu sehen.
Die Oberfläche ist jetzt in einem pastellenem Creme Ton, der einen sehr homogenen Eindruck
ergibt.

Von der Architektur ist dieses Gebäude für Köln ein absoluter Gewinn. Wenn ihr Foto
das Gebäude von der anderen Seite zeigte, würde man die bunte Verglasung erkennen
die die Lücken zwischen den freistehenden Halbschalen schließt.
Die erinnern mich im übrigen sehr an die Fenster des Doms. Also die historischen,
nicht das auch sehr gelungene von G. Richter.

Vielleicht ist dieser Zusammenhang auch vom Architekten gewollt. Die Architeten Böhm
sind seit den 20er Jahren auch im Sakralbau heftig tätig.

Und vielen Dank für ihren schönen Bericht. Jetzt kann ich den Abend mit interessanten
Bildern beschließen

Herzlich

Tischler

Kallias Offline




Beiträge: 2.300

12.07.2012 22:27
#21 RE: Allah in Ehrenfeld Antworten

Zitat von Tischler im Beitrag #20
Die Oberfläche ist jetzt in einem pastellenem Creme Ton, der einen sehr homogenen Eindruck
ergibt.

Von der Architektur ist dieses Gebäude für Köln ein absoluter Gewinn.
Das freut mich sehr! Der Entwurf war schon begeisternd - hoffentlich gelingt ihnen der Rest auch noch.

Herzliche Grüße,
Kallias

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

12.07.2012 22:42
#22 RE: Der Nurkuppelbau Antworten

Danke, Kallias, für diesen schönen Beitrag aus einem mir kaum vertrauten Themenbereich. Der Nurkuppelbau gehört zu Deutschland.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 13.551

12.07.2012 23:14
#23 RE: Der Nurkuppelbau Antworten

Kleine Fußnote :
Für Hans Sedlmayr (neben Arnold Gehlen in der ganz-frühen-Bundesrepublik vielleicht der sichtbarste Vertreter des konservativen Kulturpessismismus), im "Verlust der Mitte" von 1948, war der Kugelbau das sichtbarste Zeichen von eben dem Verlust der Mitte und des Maaßes, nachgerade des Kulturbolschewismus (El Lissitzki e tutti quanti)
http://de.wikipedia.org/wiki/Verlust_der_Mitte

Zitat Umberto Eco
______
Das Trauma des Flachdachs zieht sich (neben dem Trauma des Kugelbaus) durch Sedlmayrs gesamten Diskurs [...] Nachdem Sedlmayr die Architektur als eine besondere Form von Verhältnis zum Boden identifiziert hat, sieht er sie allenthalben zerfallen und birgt das Haupt unter dem Flügel. Die Tatsache, daß jemand kugelförmig statt kubus- oder pyramidenförmig baut, raubt ihm den Atem: Wie dem Verrückten die sieben Streichhölzer, erscheinen ihm die Kugeln von Ledoux bis Fuller als unwiderlegliche Zeichen für ein Ende der architektonischen Zeiten. Mit der Sicht einer Kugel als Epiphanie des Verlustes der Mitte wären Parmenides und Augustinus schwerlich einverstanden gewesen, aber Sedlmayr ist auch bereit, die gegebenen Archetypen zu ändern, um die Geschehnisse, die er als Symbole auserwählt, das bedeuten zu lassen, was er von vornherein bereits wußte.(Über Gott und die Welt, 281-82)
______

Hausmann Offline



Beiträge: 710

13.07.2012 03:30
#24 RE: Der Nurkuppelbau Antworten

Guten Morgen lieber Zettel!

Zitat
Man konstruiert ein N-Eck aus Tangenten, ein in den Kreis eingezeichnetes N-Eck und läßt jeweils die Zahl der Ecken gegen Unendlich gehen. Die Fläche, die beide N-Ecks anstreben, ist die Kreisfläche, aus der man natürlich Pi sofort berechnen kann (hoffe, das stimmt alles; es war 1954 oder 1955, daß ich das bewundernd gelernt habe). Das Verfahren ist, meine ich mich zu erinnern, sogar nach einem griechischen Mathematiker benannt.

Ich habe jetzt nachgesehen: Es war Archimedes.


Ja, dieses Beweisverfahren mittels inneren und äußeren Polygone stammt von ihm (Über die Kreismessung), nicht von Pythagoras, und ich erinnere mich ebenso an eine entsprechende Analysisvorlesung. Der größte antike Mathematiker steht damit in einer langen Reihe. Ägypter (Papyrus Rhind), Babylonier (Haddad 104), Inder, Chinesen und frühere Griechen (Anaxagoras) beschäftigten sich bereits mit Kreisumfang, Kreisfläche, Kegelvolumen, Kugel u.a. Geradezu rätselhaft sind dabei entsprechende Lücken bei Euklid (Buch 6 und 12).

Zitat
Spannend daran finde ich den Gedanken, daß ein Kreis nichts anderes ist als ein N-Eck mit N=∞. Ob man das schon als einen ersten Schritt zur Infinitesimalrechnung verstehen kann?

Ein ganz wichtiger Schritt zur Integralrechnung auf alle Fälle. (Als problematisch wird übrigens das uneffiziente griechische Zahlensystem geschildert.)

mfG

Kallias Offline




Beiträge: 2.300

13.07.2012 11:16
#25 RE: Der Nurkuppelbau Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #23
Zitat Umberto Eco
______
Die Tatsache, daß jemand kugelförmig statt kubus- oder pyramidenförmig baut, raubt ihm den Atem: Wie dem Verrückten die sieben Streichhölzer, erscheinen ihm die Kugeln von Ledoux bis Fuller als unwiderlegliche Zeichen für ein Ende der architektonischen Zeiten.
Lt. Wikipedia ist Sedlmayr ein recht einflußreicher Kulturtheoretiker gewesen, auch wenn Eco ihn hier als Witzfigur hinstellt. Kugelbauten sind i.a. unpraktisch, deshalb gibt es ja wohl so wenige davon. Dennoch ist die Form für manche Bauzwecke bestens geeignet: Fullers Biosphère z.B. interpretiert das alte Thema der Orangerie bzw. des Palmenhauses originell und in einem positiven Sinne atemberaubend.

Als Synthese von Turm, Kugel und Quader ist der Nurkuppelbau ein überaus flexibles Modell für Solitärbauten jeglicher Art. Der Verlust der Enge, den ein "konservativer Kulturpessimismus" beklagen mag, ist dafür gern in Kauf zu nehmen.

Herzliche Grüße,
Kallias

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