Es gibt einige spezifische Bedeutungen. Vor allem aber scheint Linken dieses Wort einzufallen, wenn sie irgend etwas äh bäh finden. Ein Nachfolger des etwas aus der Mode gekommenen "reaktionär".
Als angelegentlicher Ernst-Jünger-Leser (da haben wir's! Wer T.S. liest, liest auch E.J.! Gotcha), frage ich mich, wie lange es dauert, bis jemand den Titel des Jüngerschen Reiseessays "Am Sarazenenturm" (hu: Kreuzzügler; s.o.) in "Am Sarrazinenturm" umbiegt.
Wenn ich das etymologisch richtig sehe, bedeutet die Endung auf "-esk" ja soviel wie "in der Art von", also kafkaesk = in der Art von Kafka. Also eigentlich bedeutet dann sarrazinesk nur "auf die Art von Sarrazin".
Mithin also trocken, faktenorientiert, akribisch recherchiert, etwas gestelzt. Oder?
Das kann man je nach Kontext dann verschieden interpretieren. Ich würde da in meinem eigenen Sprachgebrauch keine Wertung einbringen. Genau das passiert aber im Rahmen der genannten Beispiele. Nicht nur das "wie" wird beschrieben, sondern es wird implizit damit eine Wertung verknüpft. Ein klassisches argumentum ad hominem.
Übrigens finde ich persönlich Wortschöpfungen mit "esk" nett - meine Herzdame verhält sich manchmal recht utaesk, und das begeistert mich regelmäßig
Zitat von Krischan im Beitrag #3Wenn ich das etymologisch richtig sehe, bedeutet die Endung auf "-esk" ja soviel wie "in der Art von", also kafkaesk = in der Art von Kafka. Also eigentlich bedeutet dann sarrazinesk nur "auf die Art von Sarrazin".
Mithin also trocken, faktenorientiert, akribisch recherchiert, etwas gestelzt. Oder?
Das kann man je nach Kontext dann verschieden interpretieren.
Ich fand die Verwendung im "Ofen-Forum" am interessantesten. Während die Linken diese Wortschöpfung nur undifferenziert im Sinne von "ganz schlimm" verwenden, scheint dort jemand intelligent und ironisch auf Sarrazins Rolle des unbequemen Mahners zu referenzieren: Es wäre übertriebenes Anspruchsdenken, selbst bei klirrender Kälte ein Hochheizen der Wohnung auf 30 Grad zu erwarten. Und wie Sarrazin sagt der Betreffende, daß es etwas bescheidener auch ginge - und er erwartet sich damit unbeliebt zu machen.
Zitat von Krischan im Beitrag #3Wenn ich das etymologisch richtig sehe, bedeutet die Endung auf "-esk" ja soviel wie "in der Art von", also kafkaesk = in der Art von Kafka. Also eigentlich bedeutet dann sarrazinesk nur "auf die Art von Sarrazin".
Mithin also trocken, faktenorientiert, akribisch recherchiert, etwas gestelzt. Oder?
Bei "kafkaesk" wie bei "sarrazinesk" bezieht der übliche Gebrauch des Wortes sich aber auf übertragene Verhältnisse in den Bereichen der sog. Wirklichkeit, nicht auf stilistische Merkmale; bei "kafkaesk" etwa auf die Situation, sich in einer irrsinnig gewordenen Bürokratie im Kreis zu bewegen, ohne Hoffnung, nirgends, nicht darauf, existentialistische Parabeln in einem ganz speziellen, lakonischen, beinah drögen Stil zu schreiben, der seine spezielle Einfärbung auf der radikalen Reduktion der Adjektivitis schöpft - wo sie bei Kafka vorkommen, stammen sie zumeist aus dem Papierjargon der Stempelkissen- und Formblatthöllen, in die er seine Opfer verbannt: man könnte es fast einen "Bauhausstil" nennen: wenige, ganz leicht pastose Einfärbungen, strikte Geradauslinien, more geometrico. (Musil macht zur gleichen Zeit etwas Ähnliches; nur in umgekehrter Richtung: bei ihm neigt jedes epitheton [in]ornans zur Metastasenbildung). Das "-esk"-e bei Kafkaesk hat ja einen Vorläufer in der Wendung "Hoffmannesk" (und könnte sich daraus ableiten); das sind aber sensu strictu literarische "Nachtstücke in Hoffmanns Manier". Ansonsten ist das Schicksal der Adjektivisierung Borges widerfahren (im Englischen und der Romanistik zumindest), ebenfalls seulement dans la royaume du liitérature. Borgesk/borgesian wird's, wenn Unser Autor philosophische Paradoxa zum Zentrum der Erzählung macht (Kafka [schon wieder...] und Lewis Caroll sind insofern vorweggenommene Nachfolger von Borges; sh. den Essay "Kafka und seine Vorläufer"); Lovecraft auch (der ja mittlerweile zum klassischen Kanon der Moderne zählt; oder auch nicht; aber in der Library of America, dem Pendant zur Pléjade, steht er), und, wie "hoffmannesk", ist "lovecraftian" pejorativ eingefärbt: wenn einer die Sinnlosigkeit eines gottlosen, chaotischen Universums versinnbildlichen will und dafür auf einen "unsichtbaren pfeifenden Oktopus" (Edmund Wilsons Wendung) zurückgreift (obschon die Vorstellung von "Heidegger mit Tentakeln aus der 4. Dimension" was hat... ).
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #7Bei "kafkaesk" wie bei "sarrazinesk" bezieht der übliche Gebrauch des Wortes sich aber auf übertragene Verhältnisse in den Bereichen der sog. Wirklichkeit, nicht auf stilistische Merkmale; bei "kafkaesk" etwa auf die Situation, sich in einer irrsinnig gewordenen Bürokratie im Kreis zu bewegen, ohne Hoffnung, nirgends, nicht darauf, existentialistische Parabeln in einem ganz speziellen, lakonischen, beinah drögen Stil zu schreiben, der seine spezielle Einfärbung auf der radikalen Reduktion der Adjektivitis schöpft - wo sie bei Kafka vorkommen, stammen sie zumeist aus dem Papierjargon der Stempelkissen- und Formblatthöllen, in die er seine Opfer verbannt: man könnte es fast einen "Bauhausstil" nennen: wenige, ganz leicht pastose Einfärbungen, strikte Geradauslinien, more geometrico. (Musil macht zur gleichen Zeit etwas Ähnliches; nur in umgekehrter Richtung: bei ihm neigt jedes epitheton [in]ornans zur Metastasenbildung). ...
Diese Art Bildungs-Ausflüge kann man, glaube ich, zweifellos als originär elkmannesk bezeichnen. Und wissen sie was? Ich find's klasse.
Beste Grüße, Calimero
---------------------------------------------------- Calimeros Rumpelkammer - Ein Raum für freie Rede und Gedanken, mittendrin im Irrenhaus.
Zitat von Calimero im Beitrag #8 Diese Art Bildungs-Ausflüge kann man, glaube ich, zweifellos als originär elkmannesk bezeichnen. Und wissen sie was? Ich find's klasse.
D'accord. Und danke für die Präzisierung, dass eben die auf -esk endenden Adjektive nicht so sehr den Schöpfer hinter einem Werk charaktierisieren, sondern eher die spezielle, einzigartige Machart der Werke und deren metaphorische Übertragung auf eine aktuelle Situation.
Allerdings muss ich anmerken, dass sarrazinesk dann ja genau der elkmannesken Charakterisierung nicht entspricht, hier soll ja eindeutig das entsprechende Argument mit der angenommenen negativen Konnotation des Herrn Sarrazin disqualifiziert werden. Also eigentlich eine falsche oder unübliche Benutzung der Eskismen.
Andererseits: Wenn wir Zeit haben, uns über solche Details zu unterhalten, kann es uns nicht wirklich schlecht gehen.
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #7Ansonsten ist das Schicksal der Adjektivisierung Borges widerfahren (im Englischen und der Romanistik zumindest), ebenfalls seulement dans la royaume du liitérature.
Diese Parodie ist vielleicht doch ein wenig zu feinsinnig. Warum nicht schlicht "seulement dans le royaume de la litérature"?
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #7Ansonsten ist das Schicksal der Adjektivisierung Borges widerfahren (im Englischen und der Romanistik zumindest), ebenfalls seulement dans la royaume du liitérature.
Diese Parodie ist vielleicht doch ein wenig zu feinsinnig. Warum nicht schlicht "seulement dans le royaume de la litérature"?
Schon besser, lieber Fluminist. Und als seulement dans le royaume de la littérature ist's dann ganz richtig.
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #7Ansonsten ist das Schicksal der Adjektivisierung Borges widerfahren (im Englischen und der Romanistik zumindest), ebenfalls seulement dans la royaume du liitérature.
Diese Parodie ist vielleicht doch ein wenig zu feinsinnig. Warum nicht schlicht "seulement dans le royaume de la litérature"?
Schon besser, lieber Fluminist. Und als seulement dans le royaume de la littérature ist's dann ganz richtig.
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #7Ansonsten ist das Schicksal der Adjektivisierung Borges widerfahren (im Englischen und der Romanistik zumindest), ebenfalls seulement dans la royaume du liitérature.
Diese Parodie ist vielleicht doch ein wenig zu feinsinnig. Warum nicht schlicht "seulement dans le royaume de la litérature"?
Schon besser, lieber Fluminist. Und als seulement dans le royaume de la littérature ist's dann ganz richtig.
Cordialement,
Fiche
Lieber Zettel, das ist ja fast schon pédantesque!
LG Noricus
Schopenhauer hat übrigens noch "Litteratur" geschrieben, was ja auch etymologisch richtig ist.
Was mag das zweite t zum Verschwinden gebracht haben? Im Englischen mochte man vielleicht das litter nicht, da wäre die Schreibweise litterature ja fast schon verschmidst. Aber im Deutschen?
Zitat von Zettel im Beitrag #13Schopenhauer hat übrigens noch "Litteratur" geschrieben, was ja auch etymologisch richtig ist.
Was mag das zweite t zum Verschwinden gebracht haben? Im Englischen mochte man vielleicht das litter nicht, da wäre die Schreibweise litterature ja fast schon verschmidst. Aber im Deutschen?
Ein früher Fall von Rechtschreibreform?
-- Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Zitat von Zettel im Beitrag #13Schopenhauer hat übrigens noch "Litteratur" geschrieben, was ja auch etymologisch richtig ist.
Was mag das zweite t zum Verschwinden gebracht haben? Im Englischen mochte man vielleicht das litter nicht, da wäre die Schreibweise litterature ja fast schon verschmidst. Aber im Deutschen?
Es hat einmal einen Morgen gegeben, an dem ich über den Anblick dieses Leuchtturms ziemlich erfreut gewesen bin. Also haben wir beide eine mehr oder weniger gleichen Anblick genossen!
Es gibt einige spezifische Bedeutungen. Vor allem aber scheint Linken dieses Wort einzufallen, wenn sie irgend etwas äh bäh finden. Ein Nachfolger des etwas aus der Mode gekommenen "reaktionär".
Heute hat das Thema auch "Welt-Online" erreicht. Auch dort liest man offenbar ZR .
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