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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 7 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.02.2011 04:34
Stratfors Analysen: Friedman über Revolutionen Antworten

Die jetzigen Revolutionen in Arabien seien ein Aufstand gegen die Revolutionäre früherer Generationen, schreibt George Friedman in diesem Artikel, den ich mit Erlaubnis von Stratfor übernehme. Das sieht er als das Gemeinsame von Entwicklungen an, die ansonsten in den einzelnen Ländern sehr verschieden seien.

Friedman untersucht den Aufruhr in Arabien im Kontext historischer Beispiele, die zeigen, wie Revolutionen ablaufen - mit gewissen Gemeinsamkeiten, aber sehr unterschiedlichen möglichen Ergebnissen. Wie immer bei Friedman ist das spannend zu lesen. Zwei der vielen Einsichten, die der Artikel enthält:

* Diejenigen, die eine Revolution beginnen, sind meist nicht diejenigen, die sie beenden. Der jetzige Aufruhr wurde nicht von Islamisten organisiert, aber sie könnten die Sieger sein

* Man sollte nicht auf die Demonstranten achten, sondern auf das Militär. Es entscheidet den Ausgang jeder Revolution

Auch erfolglose Revolutionen können langfristig große Auswirkungen haben, meint Friedman. Er zieht die Parallele zu 1948 und erwartet jetzt nicht eine Serie von Umstürzen, aber eine Zeit der Instabilität, aus der islamische Staaten hervorgehen werden.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

23.02.2011 08:12
#2 RE: Stratfors Analysen: Friedman über Revolutionen Antworten

Zitat von Zettel
Auch erfolglose Revolutionen können langfristig große Auswirkungen haben, meint Friedman. Er zieht die Parallele zu 1948 und erwartet jetzt nicht eine Serie von Umstürzen, aber eine Zeit der Instabilität, aus der islamische Staaten hervorgehen werden.



Lieber Zettel,

ich lese eher"..aus der islamische Staaten hervorgehen könnten"

Friedman sieht zwei Kräfte, die sich um ein postrevolutionäres Libyen streiten werden: Islamisten und der Westen, und er sieht den Westen im Nachteil, weil er nicht den direkten Zugang zur Bevölkerung hat. Friedman räumt dann aber auch wieder ein, dass Stammesrivalitäten eine größere Rolle spielen

Zitat
I don’t know the degree of Islamist penetration of the military in Libya, to pick one example of the unrest. I suspect that tribalism is far more important than theology.



Alles Mögliche könnte sein, oder auch nicht. Der Trumpf des Westens ist der, dass ohne das westliche Know How die wirtschaftliche Lebensader des Landes versiegt. Und wenn von Islamisten die Rede ist, dann frage ich mich, wo das Steuerzentrum sitzen sollte. Im Iran oder im benachbarten Ägypten? Die Nachrichten der letzten Tage sprechen von zehntausenden türkischen Gastarbeitern: Könnte es nicht auch sein, dass sich in den letzten Jahren nicht nur eine Grundlage für eine wirtschaftliche, sondern auch für eine politische Verflechtung ergeben hat? Und in welche Kategorie würde die Türkei eingeordnet, Westen, Islamismus, oder Eigeninteresse? Eine weitere Macht bleibt bei Friedman unerwähnt: Die erwähnten chinesischen Gastarbeiter sprechen dafür, dass China auch Interessen in Libyen hat. Und China hat sich in den letzten Jahren überall in Afrika breit gemacht, wo der Westen ein Vakuum hinterlies.

Gruß, Martin

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.02.2011 10:40
#3 RE: Stratfors Analysen: Friedman über Revolutionen Antworten

Zitat von Martin

Zitat von Zettel
Auch erfolglose Revolutionen können langfristig große Auswirkungen haben, meint Friedman. Er zieht die Parallele zu 1948 und erwartet jetzt nicht eine Serie von Umstürzen, aber eine Zeit der Instabilität, aus der islamische Staaten hervorgehen werden.

ich lese eher"..aus der islamische Staaten hervorgehen könnten"


. Das hatte ich durch das "erwartet" ausdrücken wollen. Er sagt es nicht vorher, aber er hält es für die wahrscheinlichste Entwicklung.

Zitat von Martin
Friedman sieht zwei Kräfte, die sich um ein postrevolutionäres Libyen streiten werden: Islamisten und der Westen, und er sieht den Westen im Nachteil, weil er nicht den direkten Zugang zur Bevölkerung hat. Friedman räumt dann aber auch wieder ein, dass Stammesrivalitäten eine größere Rolle spielen

Zitat
I don’t know the degree of Islamist penetration of the military in Libya, to pick one example of the unrest. I suspect that tribalism is far more important than theology.


Das bezieht sich auf das Militär. Er diskutiert die Möglichkeit eines Bürgerkriegs, in dem die Bewaffneten aus den verschiedenen Stämmen aufeinander losgehen. Das könnte das Verhalten dieser Truppen stärker bestimmen als ein Kampf für eine Islamische Republik.

Man muß sich dazu in Erinnerung rufen, was ich in dem Artikel über Libyen geschrieben habe: Libyen gibt es erst seit Mussolini. Es ist durch den Raubzug Italiens unter dem Namen "Italienisch-Nordafrika" 1911 als ein Kunstprodukt entstanden, aus drei Provinzen des Osmanischen Reichs. Es könnte gut sein, daß nach einem Sturz Gaddafis das Land zerfällt.

Zitat
Alles Mögliche könnte sein, oder auch nicht. Der Trumpf des Westens ist der, dass ohne das westliche Know How die wirtschaftliche Lebensader des Landes versiegt. Und wenn von Islamisten die Rede ist, dann frage ich mich, wo das Steuerzentrum sitzen sollte. Im Iran oder im benachbarten Ägypten? Die Nachrichten der letzten Tage sprechen von zehntausenden türkischen Gastarbeitern: Könnte es nicht auch sein, dass sich in den letzten Jahren nicht nur eine Grundlage für eine wirtschaftliche, sondern auch für eine politische Verflechtung ergeben hat?

Alles berechtigte Fragen, lieber Martin. Über die Verhältnisse, über die Stimmungen in einer solchen totalitären Diktatur ist halt wenig bekannt. In Ägypten kann man die Stärke der Moslembrüder vielleicht abschätzen, weil ein vergleichsweise liberales autoritäres System ist. In Jordanien kann man es völlig; da sind sie ja offiziell zugelassen. Bei Libyen weiß man es nicht.

Libyen hat bekanntlich eine lange Grenze mit Ägypten, über die jetzt auch Flüchtlingsscharen ziehen. Es wäre verwunderlich, wenn die ägyptischen Moslembrüder nicht auch ihre Dependance in Libyen gehabt hätten.

Zitat
Die erwähnten chinesischen Gastarbeiter sprechen dafür, dass China auch Interessen in Libyen hat. Und China hat sich in den letzten Jahren überall in Afrika breit gemacht, wo der Westen ein Vakuum hinterlies.

So ist es. Wie überall ist die chinesische Politik leise, aber effizient.

Übrigens gab es auch südkoreanische Ingenieure und Arbeiter; eine ihrer Baustellen soll angegriffen worden sein. Das berichtete in der Nacht Al Jazeera.

Herzlich, Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

23.02.2011 12:58
#4 RE: Stratfors Analysen: Friedman über Revolutionen Antworten

> 1968 produced little that was lasting.
Für die USA mag das stimmen, für Europa leider überhaupt nicht.

Ansonsten finde ich diese Analyse sehr gut.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.02.2011 13:10
#5 RE: Stratfors Analysen: Friedman über Revolutionen Antworten

Zitat von R.A.
> 1968 produced little that was lasting.
Für die USA mag das stimmen, für Europa leider überhaupt nicht.

Da haben Sie recht,lieber R.A.

Allerdings gibt es auch in Europa große Unterschiede. In Deutschland sind die Folgen massiv gewesen und immer noch zu spüren. In Frankreich gab es 1968 kurz sehr viel Revoluzzerei, und danach war wieder Ruhe.

Die Wirkung war insgesamt gering. Sie besteht hauptsächlich in einer Machvterschiebung innerhalb der Extremen Linken: Die Kommunisten der PCF verloren immer mehr an Einfluß; die Maoisten und dann die Trotzkisten beerbten sie.

Prozentual ist der Anteil der Extremen Linken aber geringer als 1968; die Kommunisten waren in Frankreich ja lange Zeit die stärkste Partei gewesen.

Für die anderen Länder Europas kann ich das nicht beurteilen.

Herzlich, Zettel

Martin Offline



Beiträge: 4.129

23.02.2011 13:40
#6 RE: Stratfors Analysen: Friedman über Revolutionen Antworten

Zitat
I don’t know the degree of Islamist penetration of the military in Libya, to pick one example of the unrest. I suspect that tribalism is far more important than theology.



Zitat von Zettel
Das bezieht sich auf das Militär. Er diskutiert die Möglichkeit eines Bürgerkriegs, in dem die Bewaffneten aus den verschiedenen Stämmen aufeinander losgehen. Das könnte das Verhalten dieser Truppen stärker bestimmen als ein Kampf für eine Islamische Republik.

Man muß sich dazu in Erinnerung rufen, was ich in dem Artikel über Libyen geschrieben habe: Libyen gibt es erst seit Mussolini. Es ist durch den Raubzug Italiens unter dem Namen "Italienisch-Nordafrika" 1911 als ein Kunstprodukt entstanden, aus drei Provinzen des Osmanischen Reichs. Es könnte gut sein, daß nach einem Sturz Gaddafis das Land zerfällt.



Wenn Friedman beim Militär die entscheidende Rolle sieht, dann spielt die Durchdringung des Islams beim Militär auch eine Rolle bei der Bewertung nach dem Ende der 'Revolution'. Geht man generell von einem stammesgeschichtlichen Hintergrund aus, dann wäre auch ein Vergleich mit dem Zerfall Jugoslawiens denkbar. Wenn ich mich noch recht erinnere, war beispielsweise Slowenien schon deswegen ganz schnell aus der Schusslinie, weil das lokale Militär vor allem aus Slowenen bestand die sich sofort auf die Seite des slowenischen Yugoslawien gestellt hatten. Die Frage dieses Szenario (und da habe ich keinen Überblick) wäre dabei, wie die Ölquellen auf die Stammesgebiete verteilt sind.

Gruß, Martin

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.02.2011 15:48
#7 RE: Stratfors Analysen: Friedman über Revolutionen Antworten

Zitat von Martin
Geht man generell von einem stammesgeschichtlichen Hintergrund aus, dann wäre auch ein Vergleich mit dem Zerfall Jugoslawiens denkbar. Wenn ich mich noch recht erinnere, war beispielsweise Slowenien schon deswegen ganz schnell aus der Schusslinie, weil das lokale Militär vor allem aus Slowenen bestand die sich sofort auf die Seite des slowenischen Yugoslawien gestellt hatten.


Exakt. Diesen Vergleich finde ich sehr einleuchtend.

Herzlich, Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

23.02.2011 18:38
#8 RE: Stratfors Analysen: Friedman über Revolutionen Antworten

Als Ergänzung die Lybien-Empfehlungen von Wolfowitz:
http://blog.american.com/?p=27379

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