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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 19 Antworten
und wurde 789 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

27.03.2011 17:41
Hintergrund des Kriegs gegen Libyen Antworten

Hier eine Analyse.

Tut mir leid, ich mußte offline gehen, nachdem ich den Artikel publiziert hatte.

Friedrich ( gelöscht )
Beiträge:

28.03.2011 12:06
#2 RE: Hintergrund des Kriegs gegen Libyen Antworten

Hm bei der Überschrift klingelte es bei mir und ich hatte mir Gedanken gemacht die aber in nur in Teilen mit Ihnen übereinstimmen.
http://mises.org/Community/blogs/fdomini...njust-wars.aspx

Ich find es ausnahmsweise richtig gut, daß wir bei dem Mist in Lybien nicht mitmachten. Was mich aber eher verwundert, daß die ach so pazifistischen Grünnen, Zetter und Mordia schreien weil wir mal nicht so blöd waren unseren "Verbündeten" zu folgen. Das fällt mir eigentlich nur ein Bonmot ein: "Wer solche Verbündete hat braucht keine Feinde mehr..."

Sarokozy träumm wohl immer noch von der Grand Nation und bei den Briten und Amis ist es wohl dasselbe. Da haben sich die "Richtigen" gefunden. Vergangene und vergehende Supermächte. Man kann nur hoffen es gibt nicht bald die nächste "Supermacht"....

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

28.03.2011 15:04
#3 Nationale Machtpolitik Antworten

Zitat von Friedrich
Ich find es ausnahmsweise richtig gut, daß wir bei dem Mist in Lybien nicht mitmachten. Was mich aber eher verwundert, daß die ach so pazifistischen Grünnen, Zetter und Mordia schreien weil wir mal nicht so blöd waren unseren "Verbündeten" zu folgen.

Es gibt, lieber Friedrich, kein deutsches Interesse daran, Sarkozy zu helfen, der sich via Mittelmeer-Union zum Chef der EU aufschwingen will.

Das Interessante ist, daß wir eben keine Vereinigten Staaten von Europa haben, sondern einen Bund von Nationen, die weiter nationale Machtpolitik betreiben; auch Deutschland natürlich und richtigerweise.

Was die Grünen angeht - die meisten machen Politik aus dem Bauchgefühl heraus; das ist nicht wert, diskutiert zu werden. Die alten Kommunisten wie Trittin denken rational. Was sie sich davon versprechen, in Libyen ein Chaos anzurichten, ist mir aber nicht klar.

Herzlich, Zettel

Friedrich ( gelöscht )
Beiträge:

04.04.2011 14:20
#4 RE: Nationale Machtpolitik Antworten

Zitat
Zettel
Zitat von FriedrichIch find es ausnahmsweise richtig gut, daß wir bei dem Mist in Lybien nicht mitmachten. Was mich aber eher verwundert, daß die ach so pazifistischen Grünnen, Zetter und Mordia schreien weil wir mal nicht so blöd waren unseren "Verbündeten" zu folgen.

Es gibt, lieber Friedrich, kein deutsches Interesse daran, Sarkozy zu helfen, der sich via Mittelmeer-Union zum Chef der EU aufschwingen will.






Oh was bin ich entäuscht kein GroßDeutschFranzösisches Imperium

Wo ist nur die Liebe zwischen Franzosen und Deutschen geblieben ;-)

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.04.2011 10:44
#5 Deutschland und Frankreich Antworten

Zitat von Friedrich

Zitat von Zettel
Es gibt, lieber Friedrich, kein deutsches Interesse daran, Sarkozy zu helfen, der sich via Mittelmeer-Union zum Chef der EU aufschwingen will.

Oh was bin ich entäuscht kein GroßDeutschFranzösisches Imperium

Wo ist nur die Liebe zwischen Franzosen und Deutschen geblieben ;-)


Meine zu Frankreich ist ja noch da und wird auch nicht rosten.

Aber Sie werfen da, lieber Friedrich, wenn auch mit Ironie, eine interessante Frage auf: Das deutsch-französische Verhältnis als Rivalität, als Kooperation.

Zwischen 1806 und 1945 war es nur Rivalität gewesen; die Freunde einer Kooperation mit Frankreich wie Christian von Massenbach hatten nicht verhindern können, daß Preußen sich mit Rußland verbündet und damit gegen Bonaparte gestellt hatte.

Mit Jena und Auerstädt begann eine Rivaltität, die oft als Erbfeindschaft bezeichnet wurde. Sie endete damit, daß nach 1945 Frankreich zur "Siegermacht" erklärt wurde und von den Amerikanern Teile ihrer Besatzungszone geschenkt erhielt.

Es begannen Jahrzehnte der Kooperation; in erheblichem Maß das persönliche Verdienst von Staatsmännern: Adenauer und Robert Schuman sowie Jean Monnet; Helmut Schmidt und Valéry Giscard d'Estaing; Helmut Kohl und François Mitterand.

In diesen Jahrzehnten gab es Ansätze zu einer sehr weitgehenden Kooperation, bis hin zu Vorschlägen, einen deutsch-französischen Staatenbund zu schaffen; ich habe das gelegentlich Neukarolingien genannt. Das deutsch-französische Jugendwerk, der Sender Arte, die deutsch-französische Brigade wurden von vielen als erste Schritte in diese Richtung gesehen.



Das endete abrupt 1998 mit der rotgrünen Koalition. Schröder hatte kein Verhältnis zu Frankreich; Fischer erst recht nicht. Ich erinnere mich an einen Bericht im Nouvel Observateur von 1998 oder 1999, in dem zu lesen war, wie konsterniert man in der französischen Diplomatie über die Uninteressiertheit der neuen deutschen Führung an Frankreich war; darüber, wie schlecht vorbereitet die Deutschen in Besprechungen gingen.

Mit dem Amtsantritt Schröders begann sich neben der Kooperation die Rivalität zu entwickeln. Dem kam freilich entgegen, daß auch Chirac nicht eben ein großer Europäer war. Kurzfristig wurde das dadurch überlagert, daß man gemeinsam (dh genauer selbdritt mit Putin) gegen den Irakkrieg agitierte. Schröder sollte das die Wiederwahl bringen. Chirac hoffte, dadurch einen Keil zwischen Deutschland und die USA treiben und damit Deutschland von Frankreich abhängig machen zu können.

Jetzt, unter Sarkozy/Merkel, gibt es fast nur noch die Rivalität. Merkel denkt europäisch; aber Frankreich spielt für sie keine hervorgehobene Rolle. Sarkozy denkt nationalistisch.

Die beiden sind auch persönlich das Gegenteil eines harmonischen Duos: Sarkozy ein machtbesessener, egozentrischer, sprunghafter, emotionaler Mann. Merkel die kühle Preußin. Die beiden im gleichen Zimmer in der Hölle einquartiert, das könnte sich Sartre ausgedacht haben.



Die atouts in dieser Rivalität sind klar verteilt: Deutschland ist wirtschaftlich stärker. Frankreich ist militärisch und diplomatisch stärker.

Die diplomatische Stärke hat Sarkozy sofort nach seinem Amtsantritt 2007 mit der Konstruktion der Mittelmeer-Union auszuspielen versucht: Frankreich, die Vormacht dieser Union, tanzt dann auf zwei Hochzeiten. Es kann die Mittelmeer-Union nutzen, um sein Gewicht in der EU zu erhöhen. Es kann als Mitglied der EU den Staaten der Mittelmeer-Union helfen.

Da störte der störrige Gaddafi. Frankreich nutzt jetzt seinen zweiten Trumpf, seine militärische Stärke, um Gaddafi zu beseitigen und damit Libyen in die Mittelmeer-Union einzugliedern.

Daß das innerhalb der Rivalität direkt gegen deutsche Interessen gerichtet ist, liegt auf der Hand. Insofern war und ist es richtig, daß Deutschland da nicht mitmacht. Nur hätte man sich ja nicht unbedingt so plump benehmen müssen wie Westerwelle. Der deutsche Michel, wie er im Buch steht.



Wird es unter anderem Personal noch einmal eine Renaissance der deutsch-französischen Freundschaft geben? Nicht unter einem Bundeskanzler Gabriel oder Trittin; das sind ja im Augenblick die beiden wahrscheinlichsten Optionen. Nicht unter einem Präsidenten Dominique Strauss-Kahn oder einer Präsidentin Marine LePen.

Kürzlich hat Dominique de Villepin seinen Hut in den Ring geworfen. Vielleicht kommen wir in Deutschland glimpflich davon, und statt Trittin oder Gabriel bekommen wir einen Kanzler Steinmeier. Dann mag wieder etwas gehen.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

26.04.2011 14:07
#6 RE: Deutschland und Frankreich Antworten

Zitat von Zettel
Mit Jena und Auerstädt begann eine Rivaltität, die oft als Erbfeindschaft bezeichnet wurde.


Das ist m. E. eine etwas zu preußische Sicht.
Die "Erbfeindschaft" ist zwar eine ideologische Konstruktion, die die ebenfalls vorhandenen konstruktiven Phasen ausblendet. Aber sie ist nicht unbegründet, und die Gründung liegt nicht in Jena und Auerstädt.

Sondern da haben wir ein Jahrhundert Vorgeschichte!

Frankreich und Deutschland hatten ja seit der karolingischen Reichsteilung das ganze Mittelalter hindurch fast durchweg friedliche Beziehungen. Alleine schon, weil beide Seiten voll mit sich selber beschäftigt waren bzw. Frankreich auf den Konflikt mit England fixiert war und Deutschland auf den mit dem Papst.

Das hatte sich mit Ludwig XIV. drastisch geändert. Seitdem wird Frankreichs Außenpolitik vor allem in Südwestdeutschland als permanente, völlig ungerechtfertigte und unprovozierte Aggression wahrgenommen. Der bekannte Tiefpunkt war dabei der pfälzische Erbfolgekrieg und die "Réunionen" mit der Annexion von Lothringen und des Elsaß. Für einen Pfälzer oder Badener war "Erbfeindschaft" trotz der beständigen kulturellen Orientierung an Frankreich eine über Generationen gewachsene Tatsache. Was zuletzt darin mündete, daß die süddeutschen Staaten ihre Geheimverträge mit Preußen 1870 auch honorierten und zur ziemlich Überraschung Frankreichs (und Österreichs) mit Preußen zusammen in den Krieg zogen und dann die Reichseinigung akzeptierten.

Die deutsch-französische Aussöhnung ist ein historisches Mirakel der obersten Kategorie. Und eigentlich nur durch den zweiten Weltkrieg möglich gewesen. Und zwar nicht, weil dieser so schrecklich gewesen ist (für Frankreich war der erste Weltkrieg viel schlimmer, und der führte überhaupt nicht zu Aussöhnungsgedanken).
Sondern weil einerseits Frankreich durch die katastrophale Niederlage von 1939 schlicht keine Alternative mehr sah, Deutschland machtpolitisch niederzuhalten. Und weil andererseits Deutschland auf Rußland als neue Bedrohung fixiert war und daher die alte Erbfeindschaft mental schon in den Hintergrund getreten war, als Adenauer und de Gaulle ihre Verhandlungen aufnahmen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

26.04.2011 15:54
#7 RE: Deutschland und Frankreich Antworten

Zitat von R.A.

Zitat von Zettel
Mit Jena und Auerstädt begann eine Rivaltität, die oft als Erbfeindschaft bezeichnet wurde.


Das ist m. E. eine etwas zu preußische Sicht.
Die "Erbfeindschaft" ist zwar eine ideologische Konstruktion, die die ebenfalls vorhandenen konstruktiven Phasen ausblendet. Aber sie ist nicht unbegründet, und die Gründung liegt nicht in Jena und Auerstädt.

Sondern da haben wir ein Jahrhundert Vorgeschichte!


Sie haben vollkommen Recht, lieber R.A. Ich neige a bisserl zur preußischen Sicht.

In Süddeutschland war es so, wie Sie es schildern. Wir haben vor ein paar Jahren Urlaub in Südbaden gemacht und uns das alles angesehen: Die Zerstörungen durch die Franzosen, alle diese Festungsanlagen aus dem 17. Jahrhundert; am eindrucksvollsten die noch ausgezeichnet erhaltene Neuf-Brisach, erbaut von Vauban.

Zitat
Die deutsch-französische Aussöhnung ist ein historisches Mirakel der obersten Kategorie. Und eigentlich nur durch den zweiten Weltkrieg möglich gewesen. Und zwar nicht, weil dieser so schrecklich gewesen ist (für Frankreich war der erste Weltkrieg viel schlimmer, und der führte überhaupt nicht zu Aussöhnungsgedanken).

Sondern weil einerseits Frankreich durch die katastrophale Niederlage von 1939 schlicht keine Alternative mehr sah, Deutschland machtpolitisch niederzuhalten. Und weil andererseits Deutschland auf Rußland als neue Bedrohung fixiert war und daher die alte Erbfeindschaft mental schon in den Hintergrund getreten war, als Adenauer und de Gaulle ihre Verhandlungen aufnahmen.

Ich glaube, lieber R.A., daß die Europaidee schon eine entscheidende Rolle spielte.

Die Weichen wurden ja lange vor de Gaulle gestellt (dh vor dem Beginn seiner Präsidentschaft 1958; seine kurzen neun Wochen als Ministerpräsident 1945/46 spielten europapolitisch keine Rolle). Und sie wurden von katholischen Politikern gestellt, denen das Karolingerreich vor Augen stand: Adenauer, de Gasperi, Robert Schuman. Drei Christdemokraten; drei Europäer, die nicht nationalistisch dachten.

Es gab sodann in den Völkern eine echte Versöhnungsbereitschaft. Wir Jugendlichen der fünfziger Jahre waren ganz überwiegend begeisterte Europäer. Man kann das noch in der Literatur nach 1945 nachlesen, diese Aufbruchstimmung. Es gab zum Beispiel eine Zeitschrift "Der Ruf. Blätter der jungen Generation"; ich konnte einmal einen kompletten Reprint erwerben.

Übrigens verband sich damals der Europagedanke mit einer echten christlichen Renaissance. Die nazistische Barbarei war möglich geworden, weil die christlichen Werte nichts mehr gegolten hatten; so dachten viele. Man machte den Juristen unter den Nazis ihren Rechtspositivismus zum Vorwurf und suchte nach einer ethischen Begründung des Rechts. Spuren davon findet man im GG. Hoch im Kurs stand damals die materielle Wertethik von Nicolai Hartmann und Max Scheler.

Heute, wo die europäische Idee völlig erloschen ist und Europa zu einer monströsen Bürokratenherrschaft wird, kann man sich das kaum noch vorstellen. Aber damals gab es nicht nur diesen Versöhnungswillen unter uns Jugendlichen, sondern auch eine große Neugier. Ich war immer wieder in Frankreich und habe meist in Jugendherbergen übernachtet. Da gab es unaufhörliche Diskussionen, in denen wir wirklich versuchten, die "Geschichte aufzuarbeiten".

Naja, il était une fois ...

Herzlich, Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

26.04.2011 16:47
#8 RE: Deutschland und Frankreich Antworten

Zitat von Zettel
Ich neige a bisserl zur preußischen Sicht.
Die aber - das hatte ich vergessen zu erwähnen - auch schon vor 1806 eine anti-französische Schlagseite hatte. Genauer gesagt seit dem Renversement des Alliances von 1750.

Zitat
Wir haben vor ein paar Jahren Urlaub in Südbaden gemacht und uns das alles angesehen: Die Zerstörungen durch die Franzosen ...


Die noch zurückhaltend waren gegenüber denen in der Pfalz ("brulez le palatinat").
Speyer und Heidelberg waren schlimme Kulturbarbareien und wurden damals auch so empfunden - denn eigentlich ging der Trend ja zu schonender Kabinetts-Kriegsführung.

Zitat:Ich glaube, lieber R.A., daß die Europaidee schon eine entscheidende Rolle spielte.



Da stimme ich natürlich völlig zu.
Wobei die natürlich die genannten Entwicklungen im zweiten Weltkrieg zur Voraussetzung hatte. Der gemeinsame Feind Rußland ist für diese Identitätsbildung (leider) nicht zu unterschätzen - "leider", weil damit natürlich sowohl Rußland wie Osteuropa geistig aus der europäischen Familie ausgeblendet wurden.
Nicht übersehen darf man auch eine etwas peinliche Wurzel der europäischen Bewegung - die Nazis haben mit ihrer Propaganda in den besetzen europäischen Gebieten ganz bewußt die "Europa gegen den Bolschewismus"-Karte gespielt und damit ja auch Erfolg gehabt (insbesondere bei der Freiwilligenwerbung).

Zitat
Die Weichen wurden ja lange vor de Gaulle gestellt ...


Völlig richtig, das hatte ich durcheinander bekommen. Mir war nicht mehr bewußt, daß er zwischen Kriegsende und den Elyée-Verträgen lange Zeit gar nicht an der Macht war.

Zitat
Adenauer, de Gasperi, Robert Schuman. Drei Christdemokraten; drei Europäer, die nicht nationalistisch dachten.


Nicht nationalistisch, aber Patrioten. Diese Mischung kriegt heute kaum noch jemand hin. Kohl hat diese Tradition wirklich mustergültig verkörpert.

Und es ist auch richtig, hier de Gasperi zu erwähnen. Der bedeutende italienische Beitrag wird hierzulande leider in traditionell deutscher Überheblichkeit meist ignoriert.

Zitat
Wir Jugendlichen der fünfziger Jahre waren ganz überwiegend begeisterte Europäer.


Wie man sie heute wohl nur noch in Osteuropa findet ...

Zitat
Übrigens verband sich damals der Europagedanke mit einer echten christlichen Renaissance.


Hmmm, ein gewisses Interesse vielleicht - aber ein Renaissance? M. W. haben auch in den 50er Jahren die allgemeine Frömmigkeit, der Kirchenbesuch u.ä. kontinuierlich abgenommen. War da wirklich viel mehr Christentum als Verfassungs-Präambel und Sonntagsreden?

Zitat
Aber damals gab es nicht nur diesen Versöhnungswillen unter uns Jugendlichen, sondern auch eine große Neugier.


Wenn ich so meine Kinder bzw. ihre Klassenkameraden so anschaue, dann ist die durchaus noch da. Aber natürlich auf einem anderen Niveau - man weiß schon von vorne herein mehr übereinander, und man ist sich auch ähnlicher als früher.

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

26.04.2011 16:52
#9 RE: Deutschland und Frankreich Antworten

Lieber Zettel,

ich bin zwar erst ein paar Jährchen später "dazugekommen", aber ich muß sagen, daß es für meine Gymnasialklasse völlig selbstverständlich war, sich als Europäer zu fühlen. Wir sprachen als Lateiner zwar kein französisch, hatten aber volles Vertrauen darin, mit unseren Fremdsprachenkenntnissen überall durchzukommen und uns, zumindest auf praktischer Ebene, verständigen zu können. Zu Diskussionen hätte es vielleicht nicht gereicht, aber niemand fühlte groß die Notwendigkeit dazu, war doch völlig klar, daß der Zug in Richtung Europa ging, nein, schon angekommen war. Das alles hatte eine Leichtigkeit, die große Anstrengungen bedurfte, um sie auf den Boden zu zwingen, aber leider ist das der europäischen Politik mit den Jahren gelungen. Der Aufbruch ist in Bürokratie erstickt und mich beschlich der Verdacht, daß wir hier wie anderswo die Entstehung einer neuen sozialen Schicht beobachten, der der Verwalter und Beamten, die sich von demokratischer Kontrolle befreien konnten.

Schade!

Herzlich, Thomas

P.S.: Manchmal geht einem aber auch schon das Messer in der Tasche auf!

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.095

26.04.2011 17:15
#10 RE: Deutschland und Frankreich Antworten

Zitat von R.A.

Zitat von Zettel
Mit Jena und Auerstädt begann eine Rivaltität, die oft als Erbfeindschaft bezeichnet wurde.


Das ist m. E. eine etwas zu preußische Sicht.

...

Die deutsch-französische Aussöhnung ist ein historisches Mirakel der obersten Kategorie. Und eigentlich nur durch den zweiten Weltkrieg möglich gewesen. Und zwar nicht, weil dieser so schrecklich gewesen ist (für Frankreich war der erste Weltkrieg viel schlimmer, und der führte überhaupt nicht zu Aussöhnungsgedanken).
Sondern weil einerseits Frankreich durch die katastrophale Niederlage von 1939 schlicht keine Alternative mehr sah, Deutschland machtpolitisch niederzuhalten.



Ich lese gerade Kissingers "Die Vernunft der Nationen", die deutsche Übersetzung von "Diplomacy". Sehr empfehlenswert (*). So wie ich sein Kapitel über Richelieu lese, den er als einen der ersten Realpolitiker charakterisiert, der - obwohl Kardinal - im Dreißigjährigen Krieg auf Seiten der Protestanten gegen den äußerst katholischen Ferdinand II. agiert hat, um mit der Fortschreibung der Zerstückelung Deutschlands die französische Hegemonie auf dem Kontinent überhaupt zu ermöglichen, würde ich diese Feindschaft sicher schon hier anfangen lassen.

Und Kissinger sieht auch schon ab Napoleon III. keine Möglichkeit für Frankreich mehr, Deutschland niederzuhalten, und führt das auf die sprunghafte Außenpolitik Napoleons zurück, der Metternichs System des Gleichgewichts der Kräfte mutwillig zerstörte, indem er Österreich schwächte und dann Preußen hilflos gegenüberstand. Was Bismarck weidlich ausnutzte.

(*) Auch wenn der Übersetzer behauptet, Kennedys "bear any burden"-Rede sei "vertraulich" gewesen, das tut weh...

--
Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

26.04.2011 17:43
#11 RE: Deutschland und Frankreich Antworten

Zitat von Thomas Pauli
Wir sprachen als Lateiner zwar kein französisch, hatten aber volles Vertrauen darin, mit unseren Fremdsprachenkenntnissen überall durchzukommen und uns, zumindest auf praktischer Ebene, verständigen zu können. Zu Diskussionen hätte es vielleicht nicht gereicht, aber niemand fühlte groß die Notwendigkeit dazu, ...


Das war bei uns ähnlich. Wir hatten zwar Französisch, aber das hat auch zu keiner vernünftigen Diskussion gereicht.

((Einschub: Ich halte es für ein großes Problem des deutschen Bildungssystems, daß mit großem Aufwand zwei oder gar drei Fremdsprachen unterrichtet werden, aber am Ende überwiegend nur rudimentäre Sprachfertigkeiten rauskommen. In anderen Ländern ist es oft so, daß man eine Sprache entweder richtig lernt (und dann auch gut kann!) oder es lieber bleiben läßt.))

Das Problem unserer Generation war vielleicht, lieber Thomas, daß wir uns mit dieser mangelhaften Kommunikation begnügt haben. Man hatte das Gefühl, genug zu verstehen und daß irgendwie die Richtung stimmt. Unter der Oberfläche sind aber wohl die Unterschiede zwischen den verschiedenen europäischen Mentalitäten und Ansichten noch ein gutes Stück größer, als die meisten Menschen erkennen.
Vielleicht sind wir deswegen auch mitschuld an der Brüsseler Bürokratie: Denn dort müssen ja alle diese Unterschiede ausgeglichen und bewältigt werden. Und weil keine Seite kapiert, daß die Anderen jedes Probleme eben nicht so sehen wie man selber, daß jeder eine andere Lösung als naheliegend und sinnvoll ansieht - deswegen gibt es dann murksige Formelkompromisse, mit denen keiner mehr zufrieden ist.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

26.04.2011 17:51
#12 RE: Deutschland und Frankreich Antworten

Zitat von Gorgasal
So wie ich sein Kapitel über Richelieu lese, den er als einen der ersten Realpolitiker charakterisiert, der - obwohl Kardinal - im Dreißigjährigen Krieg auf Seiten der Protestanten gegen den äußerst katholischen Ferdinand II. agiert hat, um mit der Fortschreibung der Zerstückelung Deutschlands die französische Hegemonie auf dem Kontinent überhaupt zu ermöglichen, würde ich diese Feindschaft sicher schon hier anfangen lassen.


Jein.
Richtig ist natürlich, daß hier Frankreich schon Machtpolitik auf Kosten des Reichs betrieben hat. Aber immer noch im Kontext dieses Reichs (genau wie die Schweden oder Spanier), als ein weiterer Teilnehmer.

Der entscheidende Bruch kam mit der Annexion von Metz, Toul und Verdun. Da wurde die über viele Jahrhunderte stabile Grenze wirklich verschoben, nicht nur Lehnsgebiete in Personalunion geführt. Der Verlust der drei Bistümer war für Deutschland ein traumatisches Erlebnis und wurde über viele Jahrzehnte immer wieder als Thema hochgebracht. Mit den Réunionen und dem Griff nach der Pfalz ging es dann weiter.

Zitat
Und Kissinger sieht auch schon ab Napoleon III. keine Möglichkeit für Frankreich mehr, Deutschland niederzuhalten ...


Leichte Korrektur: Zur Zeit Napoleons III. gab es Deutschland noch nicht als handlungsfähige Einheit. Und Preußen "niederzuhalten" wäre eigentlich kein Problem für das viel größere und stärkere Frankreich gewesen.
Aber in der Tat - mit seiner chaotischen Außenpolitik hat Napoleon die Expansion Preußens entscheidend gefördert.

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

26.04.2011 17:59
#13 RE: Deutschland und Frankreich Antworten

Zitat
Ich halte es für ein großes Problem des deutschen Bildungssystems, daß mit großem Aufwand zwei oder gar drei Fremdsprachen unterrichtet werden, aber am Ende überwiegend nur rudimentäre Sprachfertigkeiten rauskommen. In anderen Ländern ist es oft so, daß man eine Sprache entweder richtig lernt (und dann auch gut kann!) oder es lieber bleiben läßt.


Mir hat einmal eine Finnin erklärt, unsere mangelhafte Beherrschung des Englischen läge an der nahezu flächendeckenden Synchronisation englischsprachiger Filme. Ich fand, daß da etwas Wahres dran ist. Die Finnen sprachen es alle viel flüssiger.

Zitat
Vielleicht sind wir deswegen auch mitschuld an der Brüsseler Bürokratie (...)


Das. lieber R.A., möchte ich doch weit von mit weisen! Ich denke eher, daß die Entstehung der Bürokratie ein Betrug an der Bevölkerung ist, ein Folge der Versuchung, Europa nicht mit uns, sondern unbemerkt an uns vorbei zu "vertiefen", Europa dazu zu benutzen, der demokratischen Legitimation und der damit verbundenen Verantwortung zu entkommen. Und für Frankreich ein Mittel der Dominanz, den es hat offenbar die besseren Bürokraten!

Herzlich, Thomas

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.095

26.04.2011 18:00
#14 RE: Deutschland und Frankreich Antworten

Zitat von R.A.

Zitat von Gorgasal
Und Kissinger sieht auch schon ab Napoleon III. keine Möglichkeit für Frankreich mehr, Deutschland niederzuhalten ...


Leichte Korrektur: Zur Zeit Napoleons III. gab es Deutschland noch nicht als handlungsfähige Einheit.



Kissinger würde einwenden, dass nach der Schlacht von Solferino, spätestens aber nach 1866, das nur noch eine Etikettenfrage war, insofern Österreich nicht mehr in der Lage war, Preußen etwas entgegenzusetzen, und Napoleon III. es sich mit England und Russland dermaßen verscherzt hatte, dass beide ihn nicht mehr dabei unterstützt hätten, Preußen von der Vereinigung Deutschlands abzuhalten.

Zitat von R.A.
Und Preußen "niederzuhalten" wäre eigentlich kein Problem für das viel größere und stärkere Frankreich gewesen.


Nuja, Preußen stand ja nicht allein. Und siehe meinen obigen Satz zu Frankreichs außenpolitischer Position. Aber darüber lässt sich natürlich gut streiten.

--
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Gorgasal Offline




Beiträge: 4.095

26.04.2011 18:01
#15 RE: Deutschland und Frankreich Antworten

Zitat von Thomas Pauli
Mir hat einmal eine Finnin erklärt, unsere mangelhafte Beherrschung des Englischen läge an der nahezu flächendeckenden Synchronisation englischsprachiger Filme. Ich fand, daß da etwas Wahres dran ist. Die Finnen sprachen es alle viel flüssiger.


Neinnein, das haben Sie missverstanden. Das ist ein Erfolg der alleinseligmachenden Gesamtschule in Finnland. Fragen Sie die baden-württembergischen Grünen.

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R.A. Offline



Beiträge: 8.171

26.04.2011 18:06
#16 RE: Deutschland und Frankreich Antworten

Zitat von Thomas Pauli
Mir hat einmal eine Finnin erklärt, unsere mangelhafte Beherrschung des Englischen läge an der nahezu flächendeckenden Synchronisation englischsprachiger Filme.


Das ist bestimmt richtig.
Da ist das Internet ein wahrer Segen. Mein Sohn schaut per Youtube alle möglichen Serien im Original. Nichts anspruchsvolles (Simpsons, Futurama ...) - aber er kann viel besser Englisch als ich damals in seinem Alter.

Aber das ist nicht die einzige Erklärung. Ich bin immer wieder überrascht, wie gut viele Ausländer (Osteuropäer, Engländer, Amis ...) Deutsch können. Gerade bei Deutsch scheint es (bei "echten Ausländern", nicht bei Migranten) fast nur die Varianten "ziemlich gut" oder "gar nicht" zu geben.

Zitat
Ich denke eher, daß die Entstehung der Bürokratie ein Betrug an der Bevölkerung ist ...


Auch.
Ich widerspreche Ihnen in keinem Punkt, die sind alle valide. Und natürlich werden über Brüssel auch Spielchen der nationalen Regierungen gespielt, die sie sich offen hierzulande nicht trauen.

Aber das ist nicht die ganze Geschichte. Ein guter Teil der EU-Regelungen bzw. Bürokratie ist einfach der Komplexität Europas geschuldet, ich habe dazu einige interessante Einzelbeispiele von kompetenten Leuten erzählt bekommen (kann das aber leider nicht mehr darstellen).

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

26.04.2011 18:19
#17 RE: Deutschland und Frankreich Antworten

Zitat von Gorgasal
... dass beide ihn nicht mehr dabei unterstützt hätten, Preußen von der Vereinigung Deutschlands abzuhalten.


Das ist zwar richtig, aber m. E. nicht der Knackpunkt. Sondern:

Zitat
Preußen stand ja nicht allein.


DAS war die böse Überraschung (aus französischer Sicht).

Das entscheidende Hindernis für eine deutsche Einigung waren nicht in erster Linie die anderen Großmächte, sondern die Weigerung der übrigen deutschen Staaten, sich von Preußen vereinnahmen zu lassen. Und eine gewaltsame Annexion wäre natürlich nicht möglich gewesen - da hätte Preußen wirklich Ärger mit dem Rest Europas bekommen.

Aber Napoleon hatte seine Annexionsgelüste 1866 so ungeschickt vorgetragen, daß die Süddeutschen in heller Panik waren und freiwillig und mit großer Entschlossenheit vom ersten Moment an an der Seite Preußens kämpften. Und dann eben die Reichsgründung mitmachten. Gegen eine solche freiwillige Einigung war diplomatisch oder mit Großmachts-Druck kaum vorzugehen.

Malte ( gelöscht )
Beiträge:

26.04.2011 20:53
#18 RE: Deutschland und Frankreich Antworten

Zitat von Thomas Pauli
P.S.: Manchmal geht einem aber auch schon das Messer in der Tasche auf!

Aber wir müssen zugeben, dass die EU manchmal auch Gutes tut.
Als Ossi war das einem sowieso zu viel, die vielen Zeitungen, Sender. Und dann noch das Internet, die Hölle.
Zum Glück ist bald Schluss damit. Dann wird es wieder so schön, wie es früher einmal war.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.095

02.05.2011 09:07
#19 RE: Deutschland und Frankreich Antworten

Zitat von Gorgasal
Ich lese gerade Kissingers "Die Vernunft der Nationen", die deutsche Übersetzung von "Diplomacy". Sehr empfehlenswert (*)...

(*) Auch wenn der Übersetzer behauptet, Kennedys "bear any burden"-Rede sei "vertraulich" gewesen, das tut weh...


Nachtrag hierzu, nachdem ich mittlerweile auf Seite 400 bin: das Buch gefällt mir noch immer sehr gut, aber die deutsche Übersetzung im Siedler-Verlag, die mir in die Hände gefallen ist, ist grausig. Jahreszahlen werden beispielsweise anscheinend ausgewürfelt und sind inkonsistent. Beispielsweise werden der Vertrag von Rapallo und der Briand-Kellogg-Pakt zwar zunächst korrekt einsortiert, aber später wird auf Rapallo "1929" und Briand-Kellogg "1918" verwiesen. Gräßlich.

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Pentas ( gelöscht )
Beiträge:

02.05.2011 11:06
#20 RE: Deutschland und Frankreich Antworten

Gut, dass ich es mir auf Englisch bestellt habe.


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