Natürlich hat auch Arno Schmidt seine Gemeinde. Man erinnere sich nur an das Dechiffriersyndikat, das Engagement Jan Philipp Reemtsmas und einiger weiterer Schmidt-Verehrer. Sehenswert war übrigens im Jahr 2006 eine wunderbare Kabinettausstellung im Deutschen Literaturarchiv in Marbach, die bis in die Details ihrer Gestaltung den Bastler, Autodidakten und literarischen "Wutbürger" avant la lettre vorstellte.
Zitat von huett@hans-huett.deNatürlich hat auch Arno Schmidt seine Gemeinde. Man erinnere sich nur an das Dechiffriersyndikat, das Engagement Jan Philipp Reemtsmas und einiger weiterer Schmidt-Verehrer.
Der Wirt Bangemann, den ich a bisserl kennengelernt habe, nannte das Syndikat "die Malteser", weil sie bei ihm saßen und Malteser orderten. Ich habe seinen Heide-Ratzeputz vorgezogen. A bisserl mehr Prozente.
Arno Schmidt war ja gar kein Einsiedler, sondern er war in seiner ganzen Gehemmtheit begierig darauf, daß "Leser" bei ihm reinschauen würden.
Die Dechiffrierer hat er verachtet, weil das dumme Leute waren. Jörg Drews, der vor zwei Jahren gestorben ist, war aber klug.
Ich hatte mir diese Fahrt nach Bargfeld lange vorgenommen. AS hätte mich "vorgelassen", weil ich ihm etwas zu Freud und zur Hirnphysiologie hätte erklären können. Aber als ich hinfuhr, war er gerade dod.
Frau Knop radelte in Trauerkleidung durch Bargfeld.
Reemtsma hat ja AS seinen "Nobelpreis" geschenkt. Schmidt hat das angenommen, denn er war damit ein freier Mann.
Er hat sich zu Tode gearbeitet. Er hätte noch so viel leisten können.
Er hat gesoffen und sich mit Nescafé zugedröhnt. Er hat geschrieben, daß ihm Allah die Knochen eines Ochsen verliehen hat. Aber auch mit dem Ochsen war es irgendwann vorbei.
Die letzten Worte, die er getippt hat, in der "Julia", waren sinngemäß, daß das Leben Arbeit ist. Bestimmt wird hier jemand den genauen Wortlaut ergoogeln können.
Zitat von Zettel Er hat gesoffen und sich mit Nescafé zugedröhnt. Er hat geschrieben, daß ihm Allah die Knochen eines Ochsen verliehen hat. Aber auch mit dem Ochsen war es irgendwann vorbei.
Die letzten Worte, die er getippt hat, in der "Julia", waren sinngemäß, daß das Leben Arbeit ist. Bestimmt wird hier jemand den genauen Wortlaut ergoogeln können.
Herzlich willkommen im kleinen Zimmer,
Zettel
Arno Schmidt, Julia, oder die Gemälde Scenen aus dem Novecento Bild 24, letzter Absatz:
Zitat (Tja, eines der vielen großen Worte Alexander von Humboldt's : "Sie sind sämtlich faul, Majestät.',(als Fr.Wilhelm iv. ihn nach den großen allgemeinen Kennzeichen der Gattung Mensch fragte). /Naja; erhebt* sich die Frage :'Iss Fleißx* 'ne Tugend?'/ (Müßte man erst noch eine andre Frage davorschalten):" Ist Fleiß für Menschen & Tiere eine einfache (Lebens)Notwendigkeit ?'
(So gut ich konnte abgetippt aus dem im Haffmann Verlag erschienenen Typoskriptbuch)
* Hier wurde im Original erhe/abt getippt, das "e" überm "a" (oder umgekehrt), ** Fleiße - "e" wurde mit "x" übertippt
(Schmidt hat diese Zeilen nicht mehr korrigieren bzw. ergänzen können, es fehlen im gesamten Typoskript handschriftliche Modifikationen.)
Okay, lieber Zettel, da schreibt ein Fan. Ein Eingeweihter. Aber wie schon bei früheren Texten von ihnen zu AS bekomme ich als Uneingeweihter irgendwie keinen Zugang dazu. Sie schreiben, dass man als Leser intelligent sein muss um AS zu verstehen. Hm, das nehme ich mal ganz unbescheiden in Teilen für mich in Anspruch. Aber sie schreiben auch, dass literarische Vorbildung von Vorteil wäre, und dass man Diverses auch schon mal nachschlagen müsse. Da stellt sich mir schon die Frage, ob es sich wirklich lohnt interessehalber mal ein AS-Buch zu erwerben.
Es gibt ja Bücher, die mich schon interessieren würden (z.B. "Ulysses", "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit"), die ich mir aber wohl nie kaufen werde, weil die Besprechungen schon auf viel Lesearbeit und Verständnissuche hindeuten. Und, so repräsentativ ist meine Bibliothek nicht, dass ich mir da was reinstelle, nur weil es einen schönen Einband hat.
Also, kann man unvoreingenommen an AS herangehen und wird (idealerweise) ins Buch hineingesogen? Wenn ja, welches seiner Werke würden sie dann als Einstieg empfehlen?
Beste Grüße, Calimero
---------------------------------------------------- Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire
Ich möchte mich Calimero absolut anschließen, ist AS für einen nicht gänzlich verblödeten(das gestehe ich mir mal zu) aber literarischen Laien zu lesen und wenn ja welches Werk würden Sie empfehlen?
Zitat von isildurIch möchte mich Calimero absolut anschließen, ist AS für einen nicht gänzlich verblödeten(das gestehe ich mir mal zu) aber literarischen Laien zu lesen und wenn ja welches Werk würden Sie empfehlen?
Bin Genussleser, - das heisst, ist mir ganz egal welchen Bohei und Zirkus irgendwelche Kulturträger, FeuilletonistInnen und Feuilletonist_innen um Kaisers Kleider veranstalten, - oder auch nicht. Lese/las alles mögliche. Ziemlich viel Science Fiction. Momentan gibt es zwar derer nur wenig neue, aber die sind fast alle gut, und zwar umwerfend gut. Ein 3-fach Hoch auf die Marktbereinigung. Wenn mich also Text nicht in seinen Bann schlägt, aus welchen Gründen auch immer, dann ist er für mich tot. Bei den "tauben Nüssen" schleppe ich mich meist doch noch bis kurz vor´s Ende um dann resiginierend festzustellen, dass ich eine Lusche gezogen hatte. Spielerpech eben. Von Karl May hatte ich zwar in jungen Jahren fast alles (64 von damals 69/70 Bänden) gelesen, aber ich wüsste nicht, ob ich das noch mal hinkriegte . Bei Stephen King ("ES") und Dean Koontz ("Der Schutzengel") bin ich mir da schon sicherer. Da hat AS. mindestens gleiche Qualität zu bieten, - nur eben mehr davon und konzentrierter. Dieses Bangemachen vor Schmidt-Texten scheint ein Dünkel von Kreisen zu sein, in denen eben sonst wenig an Substanz, als eben der Dünkel, existiert. Vermute mal Spiegelleser, die noch verdruckst BRIGITTE mitkaufen und in der Restzeit intelligent aussehen müssen. Hab zum Glück immer Abstand zu solch
AS hat als Schriftsteller etwas von der Art, die für jeden auf jeder Ebene hohen Genuss bereithält. Das heisst : wie beim Boxen hat jeder seinen Spass. Der liest sich von ganz alleine. Man spricht praktisch zu sich selbst. Und zwar das, was man schon immer mit sich besprechen wollte aber sonst nie drauf gekommen war. Das da ist die reinste Droge in gebundener Form. am besten gleich 2 bestellen, weil eines schnell zerfleddert ist. Was hab ich bei dem schon gelacht...
Lieber, det is ja det Scheene an an diesem Forum, det hier Leute reinschneien wie Sie. Det macht mir denn jlücklich. Naja. Et hebt jedenfalls die Stimmung.
Zitat von auf_der_fluchtVon Karl May hatte ich zwar in jungen Jahren fast alles (64 von damals 69/70 Bänden) gelesen, aber ich wüsste nicht, ob ich das noch mal hinkriegte.
Tja, dann sind Sie vermutlich an den letzten Bänden von "Im Reich des Silbernen Löwen" gescheitert, an "Allah il Allah", an "Winnetous Erben".
Mir ging das damals auch so; ich hatte ja keine Ahnung von Literatur. "Ardistan und Dschinnistan" ist aber ganz große Kunst. Es ist ein überwältigendes Buch, reine Phantasy, gegen die Stephen King ganz alt aussieht. Lesen Sie diesen Höllentrip!
Zitat von auf_der_fluchtAS hat als Schriftsteller etwas von der Art, die für jeden auf jeder Ebene hohen Genuss bereithält. Das heisst : wie beim Boxen hat jeder seinen Spass.
Sie haben das begriffen. Ich bin ein Fan des Boxens. Auch ein Fan von Formel I.
Gell, Sie haben auch schlicht Spaß an AS? Und lachen über alle diese Exegeten? Diese sich abquälenden Schmidt-Philologen?
Sie freuen sich wie ich an diesem Sprachverdreher, diesem Lügner und Plagiator, diesem Spaßmacher und einem der ganz großen deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts?
Übrigens ist es Kafka keinen Deut besser ergangen. Er war ein Humorist vor dem Herrn, aber die Tiefsinnigen haben sich über ihn hergemacht.
verehrter Zettel, es ist schon einiges her, dass ich meine Karly May-Phase hatte. Musste erst einmal nachsehen, um welche Okkupanten, die ich nicht gelsen hatte, es sich dabei überhaupt handelte . Den "Waldläufer" zählte ich schon nicht mehr dazu, weil ich den Eindruck hatte, dass der als "Abstauber" einfach irgendwie unfertig dazu gefinkelt worden sei. Meine Schwester wusste was von gefundenen Fragmenten, die nun irgendwer zusammensetzte, zu erzählen. "Von Karl May ?" - "Nee Karl May ist tot" Irgendwie ging ich auch davon aus, dass Band 70 aber wirklich den Schluss machte . Um so erstaunter bin ich nun zu sehen, dass "die Strecke" mittlerweile bis Band 90 reicht.
Es stimmt, es sind die von Ihnen genannten Titel auch dabei. Was vielleicht wirklich ein kleines biss.chen mit der Präsentation zu tun hatte. z.B. "Ich" war nicht gerade ein Titel, der mich damals vom Hocker riss. Aber die Erklärung ist noch einfacher. Die Bücher aus dem Karl May-Verlag (damals) Bamber waren für mich astronomisch teuer. Der reinste Luxus. Die rochen neu auch recht edel, kann mich noch daran erinnern. Immerhin hatte ich damals schon "Winnetou 1" zum beschnuppern aus dem Verlag und "Das Buschgespenst" . Letzteres in alter Schrift und durch den Krieg ziemlich oft verschiedensten Aggregatzuständen ausgesetzt, was man ihm auch ansah und vor allen Dingen roch. Die Bücher lagen seit Jahren immer noch irgendwo auf klammen Böden und in Kammern, die nicht geheizt wurden, rum.
ich hielt mich an die, gerade als Taschenbuch herauskommenden Drucke von Carl Ueberreuter. Bei dem muss es wohl zu einer Neuauflage gekommen sein, denn es waren nicht alle Bände sofort lieferbar, sondern sie erschienen 1 oder 2 mal im Monat. Was mir sehr entgegen kam. Mit sehr kommoden 2.75 DM bekam man viel gedruckten Karl May für´s Geld. Und der Verlag hielt sich auch erst einmal an die Evergreens und liess die etwas esoterischeren Sachen liegen. Mit Überreuter kam man auf ca 40-45 Bände. Der Rest kam so irgendwie rein über Schulbibliotheken, Geburtstage und/oder Bücherbusse. Aber stimmt, die von Ihnen genannten Bücher sind genau diejenigen, die fehlen. Apropos : Da damals gerade die Hormone begannen verrückt zu spielen achtete ich nun auch etwas auf DIE Stellen, wenn ich sie mal fand. ...und muss sagen, dass ich in "Der Fremde aus Indien" am fündigsten wurde. wow, das waren echt heisse Szenen "nackter Busen" wurde mal ausgeschrieben, und ich konnte´s nicht glauben, dass das zu drucken erlaubt war. Dort lief irgendwas hinter Büschen ab, ....
Hab mir vor ein paar Monaten, als es mir einfach mal so in die Hand fiel, ein uraltes "Zepter und Hammer" und "Im Reiche des Silbernen Löwen" für jeweil 1 € gekauft, die ziemlich angeschlagen sind. Der "Löwe" stammte noch aus Dresden. - alles nicht im besten Zustand. Konnte sie da nicht so einfach draussen liegen lassen. Ich weiss nicht, wie man ordentlich Bücher beerdigt, aber die hätten es verdient. Allerdings erst, wenn ich sie noch mal gelesen habe. ...doch fragil, fragil...
PS : ...den Silbernen Löwen hatte ich damals schon gelsen, aber die anderen nicht.
Zitat von auf_der_fluchtEs stimmt, es sind die von Ihnen genannten Titel auch dabei. Was vielleicht wirklich ein kleines biss.chen mit der Präsentation zu tun hatte. z.B. "Ich" war nicht gerade ein Titel, der mich damals vom Hocker riss.
Oh mei. War das überhaupt in der Bamberger Ausgabe?
Ich habe es jedenfalls antiquarisch erworben. Und mit Begeisterung gelesen. Wahrscheinlich stimmt kaum ein Wort. Aber dieser Mann, der immer ein Kind geblieben war, wirbt auf eine rührende Weise um Zuneigung.
Er war immer ein Kind geblieben. Mit allen seinen Hochstapeleien, seinen Lügen. Er wollte halt geliebt werden.
Zitat von auf_der_fluchtDie Bücher aus dem Karl May-Verlag (damals) Bamber waren für mich astronomisch teuer. Der reinste Luxus.
Ehrlich?
Die kosteten alle genau sieben Mark fuffzig, Festpreis.
Ich kriegte sie allmählich zu Weihnachten, zum Geburtstag. Die Verwandten freuten sich ja, daß es etwas gab, mit dem sie den Zettel immer in einen Zustand des Glücks versetzen konnten.
Wenn ich wieder einen Karl May gekriegt hatte, dann war ich ziemlich hart im Nehmen und habe nicht geschlafen, bevor ich ihn "ausgelesen" hatte.
Das meiste habe ich mir aber aus der Leihbiliothek besorgt.
Zitat von auf_der_flucht... und durch den Krieg ziemlich oft verschiedensten Aggregatzuständen ausgesetzt, was man ihm auch ansah und vor allen Dingen roch.
Ich kannte als Kind überhaupt nur die Bamberger Ausgabe, also alles "bearbeitet von Dr. E. A. Schmidt", wenn ich mich da jetzt richtig erinnere.
Diese ganzen alten Bände, die ich jetzt habe, konnte ich mir erst leisten, nachdem ich zu einem bescheidenen Wohlstand gekommen war. Ich habe das dann in Antiquariaten zusammengekauft. Jetzt ist das durch das ZVAB natürlich ein Klacks und macht gar keine Freude mehr.
Zitat von auf_der_fluchtAber stimmt, die von Ihnen genannten Bücher sind genau diejenigen, die fehlen.
Nochmal: Lesen Sie Ardistan und Dschinnistan. Es wird Sie überwältigen.
Zitat von auf_der_fluchtpropos : Da damals gerade die Hormone begannen verrückt zu spielen achtete ich nun auch etwas auf DIE Stellen, wenn ich sie mal fand. ...und muss sagen, dass ich in "Der Fremde aus Indien" am fündigsten wurde. wow, das waren echt heisse Szenen "nackter Busen" wurde mal ausgeschrieben, und ich konnte´s nicht glauben, dass das zu drucken erlaubt war. Dort lief irgendwas hinter Büschen ab, ....
Oh, das ist mir entgangen. Die Kolportageromane sind ja in der Bamberger Ausgabe alle nur verhunzt enthalten. Aber es gibt ja alles jetzt zu einem Spottpreis auf CD.
Zitat von Zettel Er hat gesoffen und sich mit Nescafé zugedröhnt. Er hat geschrieben, daß ihm Allah die Knochen eines Ochsen verliehen hat. Aber auch mit dem Ochsen war es irgendwann vorbei.
Die letzten Worte, die er getippt hat, in der "Julia", waren sinngemäß, daß das Leben Arbeit ist. Bestimmt wird hier jemand den genauen Wortlaut ergoogeln können.
Herzlich willkommen im kleinen Zimmer,
Zettel
Arno Schmidt, Julia, oder die Gemälde Scenen aus dem Novecento Bild 24, letzter Absatz:
Zitat (Tja, eines der vielen großen Worte Alexander von Humboldt's : "Sie sind sämtlich faul, Majestät.',(als Fr.Wilhelm iv. ihn nach den großen allgemeinen Kennzeichen der Gattung Mensch fragte). /Naja; erhebt* sich die Frage :'Iss Fleißx* 'ne Tugend?'/ (Müßte man erst noch eine andre Frage davorschalten):" Ist Fleiß für Menschen & Tiere eine einfache (Lebens)Notwendigkeit ?'
(So gut ich konnte abgetippt aus dem im Haffmann Verlag erschienenen Typoskriptbuch)
* Hier wurde im Original erhe/abt getippt, das "e" überm "a" (oder umgekehrt), ** Fleiße - "e" wurde mit "x" übertippt
(Schmidt hat diese Zeilen nicht mehr korrigieren bzw. ergänzen können, es fehlen im gesamten Typoskript handschriftliche Modifikationen.)
Danke, liebe Anna. Genau so ist es.
Ich habe die "Julia" mit so viel Rührung gelesen, daß der eigentlich ziemlich hartgesottene Zettel heulen mußte. Denn AS wußte ja, daß es mit ihm zu Ende ging.
Das Riesenprojekt Lilienthal konnte er nicht bewältigen. Weil er ein Voyeur war, war die Astronomie logischerweise seine große Leidenschaft; man kennt das von anderen.
Mit der Julia wollte er einen Schlußpunkt hinbekommen. Begegnungen mit den Gestalten seiner Bücher waren ja vorgesehen. Es sollte sein Totentanz werden.
Zitat von ZettelÜbrigens ist es Kafka keinen Deut besser ergangen. Er war ein Humorist vor dem Herrn, ...
Echt? Ich habe von ihm nur den Prozess gelesen. Wenn ich nicht gewusst hätte was mich erwartet, wäre mir das Lachen im Halse stecken geblieben. Den Prozess sehe ich nicht als humoristisches, sondern gnadenlos realistisches Werk.
Zitat von ZettelÜbrigens ist es Kafka keinen Deut besser ergangen. Er war ein Humorist vor dem Herrn, ...
Echt? Ich habe von ihm nur den Prozess gelesen. Wenn ich nicht gewusst hätte was mich erwartet, wäre mir das Lachen im Halse stecken geblieben. Den Prozess sehe ich nicht als humoristisches, sondern gnadenlos realistisches Werk.
Es gibt ja noch den Humor der Verzweiflung. Lesen Sie "Die Verwandlung", da ist am offensichtlichsten, dass Kafka brüllend komisch war.
Trotzdem kann man das in der Schule (EDIT: und in der Wikipedia) natürlich ganz ernst durchinterpretieren.
Vielen Dank, mal sehen wann das Buch eintrifft. Gibt es zu diesem Buch einen besonderen Hintergrund oder irgendetwas was man wissen sollte um es zu verstehen?
Zitat von Frank BöhmertEs gibt ja noch den Humor der Verzweiflung.
Ich habe "realistisch" geschrieben. Aber "Verzweiflung" trifft es besser. Da haben Sie Recht. Das von Ihnen beschriebene Werk habe ich nicht gelesen (nur davon gehört). Ob man Kafka als humoristisch empfindet, hängt vielleicht auch vom Kopfkino des Lesers ab.
Zitat von ZettelÜbrigens ist es Kafka keinen Deut besser ergangen. Er war ein Humorist vor dem Herrn, ...
Echt? Ich habe von ihm nur den Prozess gelesen. Wenn ich nicht gewusst hätte was mich erwartet, wäre mir das Lachen im Halse stecken geblieben. Den Prozess sehe ich nicht als humoristisches, sondern gnadenlos realistisches Werk.
Es gibt ja noch den Humor der Verzweiflung. Lesen Sie "Die Verwandlung", da ist am offensichtlichsten, dass Kafka brüllend komisch war.
Sein komischstes Buch ist aus meiner Sicht "Amerika". Ich glaube, es ist heute pc, das "Der Verschollene" zu nennen.
Das ist purer Slapstick. Er war ja ein süchtiger Kinogänger.
Dann am Ende, im Naturtheater von Oklahoma, wandelt sich das alles in eine so lächerliche Märchenwelt, daß man ja nur brüllen kann. Das ist perfekter Humor; ich glaube, daß danach nur AS das so konnte.
Alle werden eingestellt, sie kriegen einen ganz tollen Job. Friede, Freude, Eierkuchen.
Wie dumm muß man sein, um in Kafka metaphysische Tiefe hineinzudeuten, "Kritik am Bürokratismus" und allen den Unfug? Er hat sich kaputtgelacht, wenn er aus seinen Texten vorgelesen hat.
Ja, natürlich war er ein depressiver Mensch. Der Humor ist das einzige, was uns rettet. Das wußte Kafka, das wußte AS.
Der erbärmliche Dummkopf Max Brod hat einen Kafka erfunden, der sich gut für das Feuilleton eignet. Mit diesem depressiven Witzbold, der Kafka war, hat das nix zu tun.
Das Leben ist ein Witz. Deshalb kann man es ertragen.
Vielen Dank, mal sehen wann das Buch eintrifft. Gibt es zu diesem Buch einen besonderen Hintergrund oder irgendetwas was man wissen sollte um es zu verstehen?
Ja, das möchte ich gern ein wenig erklären.
AS hatte anfangs ziemlich verstiegene Geschichten geschrieben, er wollte hoch hinaus. Es konnte alles gar nicht schlau genug sein; in der Bargfelder Ausgabe gibt es dazu eine eigene Werkgruppe "Juvenilia". Im Grunde gehören da auch noch "Kosmas" dazu und "Alexander" und "Gadir", auch wenn das später erschienen ist.
Er kam dann aus dem Krieg zurück, auch er ein vom Krieg geschundener Mensch. Es war ihm leidlich gut gegangen; soweit ich weiß, hat er nie einen Menschen ermorden müssen. Er war Besatzer in Norwegen, meldete sich dann freiwillig an die Front, weil ihm das ein paar Tage Urlaub mit seiner Alice einbrachte; da war aber der Krieg schon so gut wie vorbei. Dadurch kam er in die Gefangenschaft der Tommies, die ihn in ein Lager in die Nähe von Brüssel verbrachten. Wieso dorthin, weiß ich nicht; die Schmidt-Experten wissen es vermutlich.
Dann wurde er aus der Gefangenschaft entlassen; er wurde Dolmetscher in einer sogenannten "Hilfspolizeischule" bei den Tommies. Sie richteten so etwas ein, weil ja die Polizei im Wesentlichen aus Nazis bestanden hatte. Also wurde jeder, der das wollte und halbwegs politisch sauber war, genommen.
Daß irgendwer ein Wort von seinem Englisch verstanden hat, bezweifle ich. Er hat "earth" wie "arse" ausgesprochen, und jemand hat mal gelästert, daß das nur ein Deutscher mit einer heißen Kartoffel im Mund kann.
Er und Alice lebten dann so ärmlich, wie sich das Niemand Ihrer Generation, lieber isildur, vorstellen kann.
Er hat, wenn ich mich richtig erinnere (ich habe das jetzt nicht verifiziert) gegen seine Wirtin einen Prozeß geführt über ein Bett und einen Schrank, von denen sie behauptete, daß er dafür Miete hätte zahlen müssen. Er und Alice behaupteten aber, daß die Nutzung von Schrank und Bett im Mietpreis eingeschlossen gewesen seien. Er hat dazu lange Schriftsätze verfaßt, er hatte ja das Geld nicht, um Bett und Schrank zu mieten.
Er hat dann realistisch alles beschrieben. Das Buch, das ich Ihnen empfehle, war nicht als Trilogie geplant. Aber er wollte diese drei Texte Rowohlt andrehen und hatte die Idee, denen das als Trilogie zu verkaufen.
"Aus dem Leben eines Fauns" sagt Ihnen, wie man unter den Nazis lebte. "Brand's Haide" sagt Ihnen, wie man als "Heimkehrer" lebte. "Schwarze Spiegel" ist Phantasy, wie Ihnen das Stephen King nicht liefert.
Zitat Gell, Sie haben auch schlicht Spaß an AS? Und lachen über alle diese Exegeten? Diese sich abquälenden Schmidt-Philologen?
Lieber Zettel, wenn Sie mir einen kleinen Kommentar erlauben:
Haette ich auch nur das geringste Talent als Autor (und einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht), wuerde ich mir daraus einen Mords-Spass machen: Einfach hier und da mal voelligen Unsinn einstreuen und mich dann spaeter ueber die Versuche, diese Textstellen zu interpretieren kaputtlachen. Ich vermute, dass viele Schriftsteller das gemacht und ihr Geheimnis schmunzelnd mit ins Grab genommen haben.
Meinen ersten Kontakt zu AS hatte ich, als ich im Deutschunterricht mal ein Referat halten musste, soweit ich mich erinnere ueber "Die Gelehrtenrepublik". Auf der Suche nach Sekundaerliteratur ueber Schmidt und dieses Buch bin ich dann auf eine Besprechung von Reich-Ranicki gestossen, die fast genauso unterhaltsam war wie das Buch selbst. Jedenfalls waren saemtliche Versuche der Analyse halbwegs ergebnislos geblieben, Fazit: 'Is halt Schmidt'. Dankbares Referatsthema, uebrigens.
Kleiner Nachtrag, nachdem ich gerade den oben verlinkten Blogeintrag von 2007 gelesen habe:
Sie schrieben:
Zitat [...] Anfangs schlug ich jede mir fremde Vokabel in diesem in einer fremden Welt spielenden Text nach; dann merkte ich, daß man ihn auch dann genießen kann, wenn man nicht jedes Wort versteht. [''']
So ist das. In etwa so, als wuerde man ein Buch in einer Fremdsprache lesen, die man zwar halbwegs gut, aber nicht perfekt beherrscht. Interessant ist dabei (so zumindest meine Erfahrung), dass sich einem die Sprache (aehnlich wie bei einer Fremdsprache auch) immer besser erschliesst, je mehr man gelesen hat. Was uebrigens auch zeigt, wie genial Schmidts Sprache strukturiert ist... als haette sie sich ueber Jahrhunderte entwickelt.
Kontrollfreaks, die jedes Wort sofort verstehen wollen werden an Schmidt zugrunde gehen.
Zitat [...] Anfangs schlug ich jede mir fremde Vokabel in diesem in einer fremden Welt spielenden Text nach; dann merkte ich, daß man ihn auch dann genießen kann, wenn man nicht jedes Wort versteht. [''']
So ist das. In etwa so, als wuerde man ein Buch in einer Fremdsprache lesen, die man zwar halbwegs gut, aber nicht perfekt beherrscht.
Ja, es ist bei mir bei Flaubert so; ich verehre ihn, aber er hat manchmal sehr seltene Wörter benutzt.
Es ist bei Cervantes so; mein Spanisch reicht bei weitem nicht, jedes Wort zu verstehen.
Man kann ja nicht mal seine Muttersprache richtig. Im Deutschen stoße ich auf Wörter, die ich nicht kenne.
Zitat von F.AlfonzoKontrollfreaks, die jedes Wort verstehen sofort verstehen wollen werden an Schmidt zugrunde gehen.
Perfekt gesagt. You made my day. (or rather, my night).
Ich habe mich sehr gefreut, daß Sie ins Kleine Zimmer zurückgekommen sind.
AS hatte anfangs ziemlich verstiegene Geschichten geschrieben, er wollte hoch hinaus. Es konnte alles gar nicht schlau genug sein; in der Bargfelder Ausgabe gibt es dazu eine eigene Werkgruppe "Juvenilia". Im Grunde gehören da auch noch "Kosmas" dazu und "Alexander" und "Gadir", auch wenn das später erschienen ist.
Er kam dann aus dem Krieg zurück, auch er ein vom Krieg geschundener Mensch. Es war ihm leidlich gut gegangen; soweit ich weiß, hat er nie einen Menschen ermorden müssen. Er war Besatzer in Norwegen, meldete sich dann freiwillig an die Front, weil ihm das ein paar Tage Urlaub mit seiner Alice einbrachte; da war aber der Krieg schon so gut wie vorbei. Dadurch kam er in die Gefangenschaft der Tommies, die ihn in ein Lager in die Nähe von Brüssel verbrachten. Wieso dorthin, weiß ich nicht; die Schmidt-Experten wissen es vermutlich.
Dann wurde er aus der Gefangenschaft entlassen; er wurde Dolmetscher in einer sogenannten "Hilfspolizeischule" bei den Tommies. Sie richteten so etwas ein, weil ja die Polizei im Wesentlichen aus Nazis bestanden hatte. Also wurde jeder, der das wollte und halbwegs politisch sauber war, genommen.
Daß irgendwer ein Wort von seinem Englisch verstanden hat, bezweifle ich. Er hat "earth" wie "arse" ausgesprochen, und jemand hat mal gelästert, daß das nur ein Deutscher mit einer heißen Kartoffel im Mund kann.
Er und Alice lebten dann so ärmlich, wie sich das Niemand Ihrer Generation, lieber isildur, vorstellen kann.
Er hat, wenn ich mich richtig erinnere (ich habe das jetzt nicht verifiziert) gegen seine Wirtin einen Prozeß geführt über ein Bett und einen Schrank, von denen sie behauptete, daß er dafür Miete hätte zahlen müssen. Er und Alice behaupteten aber, daß die Nutzung von Schrank und Bett im Mietpreis eingeschlossen gewesen seien. Er hat dazu lange Schriftsätze verfaßt, er hatte ja das Geld nicht, um Bett und Schrank zu mieten.
Er hat dann realistisch alles beschrieben. Das Buch, das ich Ihnen empfehle, war nicht als Trilogie geplant. Aber er wollte diese drei Texte Rowohlt andrehen und hatte die Idee, denen das als Trilogie zu verkaufen.
"Aus dem Leben eines Fauns" sagt Ihnen, wie man unter den Nazis lebte. "Brand's Haide" sagt Ihnen, wie man als "Heimkehrer" lebte. "Schwarze Spiegel" ist Phantasy, wie Ihnen das Stephen King nicht liefert.
Herzlich,
Ihr Zettel
Ich danke Ihnen für diese ausführliche Beschreibung und freue mich schon auf die Lektüre(müsste die Tage eintreffen).
Ein Kontrollfreak bin ich auch nicht. Ich habe mir mein Englisch auch im wesentlichen durch das Lesen englischer Lektüre und BBC schauen selbst erschlossen ohne dabei großartig nachzuschlagen - die Grammatik habe ich bis heute nicht verinnerlicht(im Deutschen geht es mir genauso).
heute Nachmittag auf der sonnigen Terrasse hatte ich mein AS-Erlebnis mit dem Nebensatz "(...) ein fernes Motorrad stürzte plärrend seinem Lichtfleck nach (...)" - da war's um mich geschehen.
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