Stammleser von ZR wissen, daß ich immer wieder auf die Entwicklung in Osteuropa eingegangen bin, wo Rußland (meist) leise, aber beharrlich die 1989 verlorengegangene Vormachtstellung wieder in neuer Forum zurückzugewinnen versucht. Jetzt geht aus aktuellem Anlaß George Friedman wieder einmal auf dieses Thema ein, das ihn schon seit langem beschäftigt.
Wenn Putin auch formal wieder der Führer Rußlands sein wird, dürfte der Vorstoß in Richtung Westen an Intensität zunehmen. Deutschland wird er nicht bedrohen; im Gegenteil - Rußland sieht Deutschland als strategischen Partner. Aber in Osteuropa wird die alte Furcht vor einer deutsch-russischen Umklammerung wiederbelebt.
Übrigens hat dieses Thema natürlich seinen Bezug zum "Ausstieg aus der Atomenergie". Mit jedem Gaskraftwerk, das neu erbaut wird, verstärkt sich Deutschlands Abhängigkeit von Rußland. Der außenpolitische Spielraum Deutschlands wird zunehmend dadurch eingeengt werden, daß uns Rußland jederzeit mit einem Abschalten der Erdgaslieferungen drohen kann.
Friedman schreibt, daß die Nach-Kaltekriegswelt 2008 mit dem Georgienkrieg zu Ende gegangen sei. Er hat Recht. Diese Welt war knapp zwei Jahrzehnte wesentlich durch Rußlands Schwäche geprägt worden. Ähnlich wie einst mit dem Frieden von Brest-Litowsk hatte es einen großen Teil der Gebiete aufgeben müssen, welche die Zaristen wie die Kommunisten als Teil des Großrussischen Reichs ansahen.
In ihrer Tradition steht Putin, wenn er jetzt dieses Reich in anderer Form - nämlich in Form einer Einflußsphäre, in der nichts gegen den Willen Moskaus geschehen kann - zurückerobern will.
Wenn jetzt die Visegrad-Staaten eine gemeinsame EU-Kampfgruppe aufstellen werden, dann ist das ein deutliches Signal, für wie groß sie diese Gefahr halten (auch wenn eine solche battle group nur einige tausend Mann umfaßt;entscheidend ist der Symbolwert).
Friedman hält es für möglich, daß sich andere anschließen werden, so daß von den nordischen Staaten bis Rumänien und Bulgarien, ja möglicherweise die Türkei ein Abwehrblock gegen Moskaus Ambitionen entstehen könnte.
Es ist schon bemerkenswert, wie ein unfähiger amerikanischer Präsident innerhalb von wenigen Jahren die Welt nachhaltig verändern kann; vom Nahen Osten, wo dank seiner Friedenspolitik ein Krieg wahrscheinlicher ist als jemals seit 1973, bis nach Osteuropa.
Anmerkung: Den zweiten Teil (nach der ersten Trennlinie) habe ich um 3.45 Uhr hinzugefügt.
Zitat von ZettelMit jedem Gaskraftwerk, das neu erbaut wird, verstärkt sich Deutschlands Abhängigkeit von Rußland.
Das kommt ganz darauf an, ob Deutschland (bzw. Frankreich) sich darauf einlässt, seine beträchtlichen Schiefergasvorkommen abzubauen. In Frankreich ist es ironischerweise in der Hauptsache die Atomlobby, die sich jetzt gegen das Schiefergas stemmt.
wieder so eine wichtige Entwicklung, die ohne Friedmnn oder Dich unbemerkt an mir vorbeigezogen wäre! In der Presse habe ich bisher nichts darüber gefunden, da war wohl der European Song Contest wichtiger. Angesichts unserer politischen Frühstücksdirektoren ist es erstaunlich, daß es noch Regierungen gibt, die zu handeln wissen, und nicht die widerstandslose Kapitulation als alternativlos ansehen, weil das Gegenteil je etwas kosten könnte. Wir selbst haben ja unsere eigene Entwaffnung beschlossen, weil man das schöne Geld ja auch verfrühstücken kann, was ja auch weniger moralische Probleme mit sich zu bringen verspricht. Nur müßten wir noch der NATO klarmachen, daß sich eigentlich nichts geändert hat und wir weiterhin unter ihrem Schutz stehen wollen. Stimmt doch, oder?
Zitat Das kommt ganz darauf an, ob Deutschland (bzw. Frankreich) sich darauf einlässt, seine beträchtlichen Schiefergasvorkommen abzubauen. In Frankreich ist es ironischerweise in der Hauptsache die Atomlobby, die sich jetzt gegen das Schiefergas stemmt.
Richtig, lieber Lukas, aber die Zivilisationsfeinde haben uns doch schon an der Gurgel - kein CO2! Fukushima und unsere Regierung der weichen Knie und des weichen Rückgrades war für die Maschinenstürmer ein Gottesgeschenk, aber die CO2-Hysterie ist eine lange aufgebaute und mit allen Klauen verteidigte Strategie, die man sich nicht einfach durch eine neuen Energiequelle kaputtmachen läßt. Ich erwarte deshalb demnächst Serien von Artikeln, daß alles viel schlimmer sei als gedacht und daß Gas ein viel schlimmerer Klimakiller sei als (hier Beliebiges einsetzten).
Wir werden sehen.
Herzlich, Thomas
Malte
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21.05.2011 21:02
#5 RE: Stratfors Analysen: Die Kampfgruppe der Visegrad-Staaten
Zitat von Thomas PauliRichtig, lieber Lukas, aber die Zivilisationsfeinde haben uns doch schon an der Gurgel - kein CO2! Fukushima und unsere Regierung der weichen Knie und des weichen Rückgrades war für die Maschinenstürmer ein Gottesgeschenk, aber die CO2-Hysterie ist eine lange aufgebaute und mit allen Klauen verteidigte Strategie, die man sich nicht einfach durch eine neuen Energiequelle kaputtmachen läßt.
Aber hallo. Da haben wir Rückgrat und sind couragiert. Regenwälder abholzen wegen Biosprit - das Opfer bringen wir für den Umweltschutz. Aber Sprit aus Teersand kommt uns nicht in den Tank
Zitat von Thomas PauliIch erwarte deshalb demnächst Serien von Artikeln, daß alles viel schlimmer sei als gedacht und daß Gas ein viel schlimmerer Klimakiller sei als (hier Beliebiges einsetzten).
Da müssen wir nicht lange warten. Schelli fordert schon die baldige Überwindung des fossilnuklearen Komplexes. Der ist Wissenschaftler, da wird´s schon richtig sein. An Merkel wird es jedenfalls nicht scheitern.
vorhin hat mir die Kassiererin im Supermarkt noch ein schönes Wochenende gewünscht.
Und jetzt Ihre Links...
Solch abgehobene Spinner! Aber leider gefährliche Spinner! Es wird Zeit, daß der breiten Masse schnell klar wird, wohin uns das Verbot bezahlbarer Energien bringen wird. Schnell, bevor die Spinner es schaffen, durch neue Ermächtigungsgesetze die Demokratie abzuschaffen.
Sicher, das Wohlstandsgefälle zu den Entwicklungsländern wird abnehmen, aber leider so, daß wir auf deren Niveau gebracht werden.
Inofern tun sich die im "Die Kampfgruppe der Visegrad-Staaten" genannten Länder sicher einen Gefallen, wenn sie sich nicht zu sehr Richtung Deutschland und EU* orientieren.
Gruß, H_W
vielleichteinlinker
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22.05.2011 00:15
#7 RE: Stratfors Analysen: Die Kampfgruppe der Visegrad-Staaten
Zitat Es ist schon bemerkenswert, wie ein unfähiger amerikanischer Präsident innerhalb von wenigen Jahren die Welt nachhaltig verändern kann; vom Nahen Osten, wo dank seiner Friedenspolitik ein Krieg wahrscheinlicher ist als jemals seit 1973, bis nach Osteuropa.
Nun ja, man kann es immer auf Obama schieben. IMMER. Aber ist das wirklich plausibel? Die weitaus bekanntere Nordic Battle Group besteht seit 2008, wurde also unter GWB erdacht und gegründet. Beteiligt sind auch Finnland und Schweden, also Länder, die ebenso in Gefahr stehen "dass der Russe kommt". Schiebt jemand das Bush in die Schuhe? Ich meine, diese Staaten wären in Friedmanns Analysebild Kandidaten für den neuen Verteidigungsgürtel zwischen Spitzbergen ud Sporaden.
Nüchtern betrachtet haben drei Europäische Staaten Geld zusammengelgt um eine Einsatzgruppe zur GASP der Eu zu stellen. Das spart Geld und man profitiert von gemeinsamen Manövern, Beratern und den Synergieeffekten der Kooperation von Menschen und Material. Das ist ein Beitrag zur GASP der Eu, zur Kollektiven Sicherheit und so sehr eine Abkehr von der NATO wie es die EU selbst und deren GASP ist. Ich würde das nicht so hoch hängen...
Zitat von Thomas Pauliwieder so eine wichtige Entwicklung, die ohne Friedmnn oder Dich unbemerkt an mir vorbeigezogen wäre! In der Presse habe ich bisher nichts darüber gefunden, da war wohl der European Song Contest wichtiger.
Ja, ich habe es keinen Augenblick bereut, Stratfor abonniert zu haben. Es ist die zuverlässigste und detaillierteste Nachrichtenquelle, die ich kenne. (Und die komfortableste, weil die Informationen dicht gepackt sind, also schnell aufzunehmen).
Zitat von Thomas PauliAngesichts unserer politischen Frühstücksdirektoren ist es erstaunlich, daß es noch Regierungen gibt, die zu handeln wissen, und nicht die widerstandslose Kapitulation als alternativlos ansehen, weil das Gegenteil je etwas kosten könnte.
Osteuropa hat gelernt, was es bedeutet, zwischen den Mächten Rußland und Deutschland sozusagen eingeklemmt zu sein. Wenn ich Pole oder Tscheche (oder auch Litaue oder Este) wäre, dann würde ich auch mit Besorgnis die Annäherung zwischen Deutschland und Rußland beobachten.
Unter Bush hatte man immer noch die USA, auf die man sich verlassen konnte (im Fall Georgien war Bush schon eine lame, lame duck). Obama ist offenbar entschlossen, Osteuropa dem russischen Einfluß zu überlassen.
Zitat von Thomas Pauli Wir selbst haben ja unsere eigene Entwaffnung beschlossen, weil man das schöne Geld ja auch verfrühstücken kann, was ja auch weniger moralische Probleme mit sich zu bringen verspricht. Nur müßten wir noch der NATO klarmachen, daß sich eigentlich nichts geändert hat und wir weiterhin unter ihrem Schutz stehen wollen. Stimmt doch, oder?
Ich hatte es nicht glauben wollen: Diese Bundeswehr-Reform ist offenbar beschlossen worden, ohne daß jemand die Folgen gründlich analysiert hatte. Paßt insofern zum Ausstieg aus der Atomenergie.
Zitat von Thomas Pauli Richtig, lieber Lukas, aber die Zivilisationsfeinde haben uns doch schon an der Gurgel - kein CO2! Fukushima und unsere Regierung der weichen Knie und des weichen Rückgrades war für die Maschinenstürmer ein Gottesgeschenk, aber die CO2-Hysterie ist eine lange aufgebaute und mit allen Klauen verteidigte Strategie, die man sich nicht einfach durch eine neuen Energiequelle kaputtmachen läßt. Ich erwarte deshalb demnächst Serien von Artikeln, daß alles viel schlimmer sei als gedacht und daß Gas ein viel schlimmerer Klimakiller sei als (hier Beliebiges einsetzten).
Deutsches Gas ein viel schlimmerer Klimakiller als russisches Gas? Den Artikel möchte ich sehen... Das Argument wird wohl eher auf der NIMBY-Schiene laufen. Nicht völlig unberechtigt, denn die Schiefergasförderung hat in der Vergangenheit zu Grundwasserkontamination geführt, aber inzwischen hat man das wohl im Griff, wenn entsprechende Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden.
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