Artikel zur Literatur hat es in ZR von Anfang an gegeben. Jetzt habe ich mich entschlossen, sie in eine eigene Serie einzugliedern. Zeitungen und Zeitschriften haben ihre Ressorts und Rubriken; etwas Ähnliches erscheint mir auch bei einem Blog wie ZR vernünftig, um dem Strom der aneinandergereihten Artikel ein wenig Struktur zu geben. Solche Serien oder Rubriken gibt es schon für eine Reihe von Themen und Gebieten; jetzt kommt die Literatur hinzu.
In der ersten Folge befasse ich mich mit Tagebüchern. Der Ausgangspunkt ist eine Rezension, in der Thomas Lehmkuhl in der "Zeit" an Robert Gernhardts Toscana-Tagebuch vorbeirezensiert. Von dort geht's zu Thomas Mann,zu Peter Rühmkorf, Martin Walser und schließlich - wie anders - zu Arno Schmidt.
Edit: Wenn man einem Kind seinen Namen gibt, will das wohlüberlegt sein. Den dieser Serie habe ich jetzt noch ein wenig verbessert. ;-)
Zitat von ZettelIn der ersten Folge befasse ich mich mit Tagebüchern. Der Ausgangspunkt ist eine Rezension, in der Thomas Lehmkuhl in der "Zeit" an Robert Gernhardts Toscana-Tagebuch vorbeirezensiert.
Ob Thomas Lehmkuhl „vorbeirezensiert“ hat – kann man so sehen. Mir scheint eher, dass da jemand enttäuscht wurde, sich mehr erhofft hatte, vor dem Lesen bereits ein Ideal im Kopf hatte, um dann festzustellen, dass das Banale, nun ja … banal ist. Um das abschließend beurteilen zu können, müsste ich die generelle Einstellung Lehmkuhls zu Robert Gernhardt kennen.
Das, was ich zum Beispiel von Kaffka kenne, Briefe an den Vater, oder an Felice, ist auch nicht besonders prickelnd, möglicherweise von Seiten K.s mein diesbezüglicher Vojeurismus nicht bedient worden. Habe ich nun K. verleumdet?
Mit freundlichem Gruß
-- „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“ – sagt Ingeborg Bachmann
Zitat von ZettelIn der ersten Folge befasse ich mich mit Tagebüchern. Der Ausgangspunkt ist eine Rezension, in der Thomas Lehmkuhl in der "Zeit" an Robert Gernhardts Toscana-Tagebuch vorbeirezensiert.
Ob Thomas Lehmkuhl „vorbeirezensiert“ hat – kann man so sehen. Mir scheint eher, dass da jemand enttäuscht wurde, sich mehr erhofft hatte, vor dem Lesen bereits ein Ideal im Kopf hatte, um dann festzustellen, dass das Banale, nun ja … banal ist.
Daß Tagebücher eben Tagebücher sind, ja. Wenn ein Literaturkritiker die Gattungen nicht unterscheiden kann, ist das schon ein wenig befremdlich. Geärgert aber hat mich, daß er diesen seinen Irrtum nun auf den Autor Gernhardt projiziert und diesem die literarische Bedeutung absprechen möchte (an ihr jedenfalls Zweifel anmeldet), nur weil er Texte geschrieben hat, die nicht Literatur sein wollten und ergo nicht Literatur sind.
Zitat von Uwe RichardDas, was ich zum Beispiel von Kaffka kenne, Briefe an den Vater, oder an Felice, ist auch nicht besonders prickelnd, möglicherweise von Seiten K.s mein diesbezüglicher Vojeurismus nicht bedient worden. Habe ich nun K. verleumdet?
Nein, lieber Uwe Richard. Sie berichten ja von Ihrer Reaktion und werfen Kafka deswegen nicht mangelnde Bedeutung als Schriftsteller vor.
Danke für den Hinweis auf Briefe. Bei der Korrespondenz gibt es dasselbe Potential für Mißverständnisse wie bei Tagebüchern; sogar noch verstärkt. Wer einen Brief schreibt, der will nun gewiß in der Regel nicht Literatur produzieren. Und wer als Leser sich für Briefwechsel interessiert, bei dem steht das yoyeuristische Interesse mindestens ebenso im Vordergrund wie bei Tagebüchern.
Briefwechsel enthalten fast immer Banales und werden deshalb oft nur in einer redigierter Form publiziert, die nur das literarisch oder biographisch Interessante enthält. Bei den bisher edierten Briefwechseln von Arno Schmidt (mit Rudi Michels, Eberhard Schlotter, Alfred Andersch und diversen "Kollegen" - Deschner, Kreuder, Walser, Rühmkorf u.a. - ) ist man bewußt anders erfahren. Nichts wurde weggelassen. Also finden sich zB Briefe an Michels, in denen Schmidt hauptsächlich auflistet, was er von diesem gern besorgt hätte - Nescafé, Schnaps Marke "Alte Kanzlei" usw.
Biographisch interessant vielleicht auch das; aber doch nur für denjenigen, der wirklich Alles über Schmidt wissen möchte. So, wie der Thomas-Mann-Fan, der die Tagebücher liest, sich für jeden Pups des Meisters interessieren dürfte, war durchaus wörtlich zu nehmen ist.
Herzlich, Zettel
PS: Da hatte ich jetzt erst getippt: "... für jeden Pups des Meisters interessieren düfte". Soviel als Nachtrag zum Thema "Freud'sche Fehlleistungen".
Zitat Wenn für Lehmkuhl die Lektüre dieses Bands Anlaß ist, an der literarischen Bedeutung Gernhardts zu zweifeln, dann ist dies Anlaß, an Lehmkuhl als Rezensenten zu zweifeln.
Ich weiß nicht und glaube nicht dass Lehmkuhl an RGs literarischer Bedeutung zweifelt oder gar rüttelt. Ich denke, er will eher zum Ausdruck bringen, dass RG vielleicht literarisch wertvolles zu Papier gebracht hatte wenn er es darauf anlegte, dass seine Tagebücher aber zu banal sind um die auch noch zu editieren.
Er stellt also sein Werk nicht in Frage sondern nur den Wert des Tagebuchs über den Wert eines Tagebuchs hinaus. Was Unsinn ist aber nicht ganz so weit geht wie Sie - zurecht erbost - hier schreiben.
Und jetzt meine Ansicht: Wer meint, er müsste seine Gernhardt-Beschäftigung mit "elysischer Ruhe" und dergleichen selbst zu Literatur erheben, der kann mir, um es mit den Worten eines großen Literaten zu sagen - den Schritt shampoonieren. (Filmzitat)
Zitat Wenn für Lehmkuhl die Lektüre dieses Bands Anlaß ist, an der literarischen Bedeutung Gernhardts zu zweifeln, dann ist dies Anlaß, an Lehmkuhl als Rezensenten zu zweifeln.
Ich weiß nicht und glaube nicht dass Lehmkuhl an RGs literarischer Bedeutung zweifelt oder gar rüttelt. Ich denke, er will eher zum Ausdruck bringen, dass RG vielleicht literarisch wertvolles zu Papier gebracht hatte wenn er es darauf anlegte, dass seine Tagebücher aber zu banal sind um die auch noch zu editieren.
Dagegen wäre ja nichts zu sagen. Aber er mißt eben das Tagebuch mit literarischen Kategorien, und er leitet aus seinem negativen Meßergebnis schon Zweifel an Gernhardts Rang ab:
Zitat Nein, Hauptgrund dafür, an der Bedeutung dieses seit vielen Jahren so erstaunlich einhellig umjubelten Autors zu zweifeln, ist die intellektuelle und emotionale Disposition, in der wir ihn auf der Terrasse seines Hauses sitzend vorfinden: Mag Gernhardt zeitweilig auch Motorenlärm stören oder die »Toscanisierung der Toscana« bedenklich stimmen, im Grunde ist er mit sich und der Welt im Reinen. Derart im Reinen, dass ihm, benebelt vom süßen Duft Italiens, häufig nur noch Phrasen und Wortschablonen einfallen: »Traumhaft schön« findet er sein Leben im Süden, sieht »schiere Schönheit« um sich, »makellose Septembertage«. Gerne auch stellt er ein »unbeschreibliches Wohlgefühl« an sich fest. »Unbeschreiblich« aber ist die Kapitulationserklärung der Dichtung vor der Welt. Als Leser möchte man die Dinge schon beschrieben haben.
Als wenn Gernhardt das nicht könnte, wenn er Literatur produziert. Hier aber hat er ein Tagebuch geschrieben.
Lehmkuhl macht es wie jemand, der eine Badehose kauft und sich dann beschwert, daß sie nicht wasserdicht ist.
Zitat Lehmkuhl macht es wie jemand, der eine Badehose kauft und sich dann beschwert, daß sie nicht wasserdicht ist.
Mmmm, wenn ich es so rum lese dann stimme ich Ihnen zu. Lese ich es anders herum, dann nicht. Komisch. Aber mir reicht meine Sympathie für Gernhardt um mich Ihnen anzuschließen.
Zitat von vielleichteinlinkerUnd jetzt meine Ansicht: Wer meint, er müsste seine Gernhardt-Beschäftigung mit "elysischer Ruhe" und dergleichen selbst zu Literatur erheben, der kann mir, um es mit den Worten eines großen Literaten zu sagen - den Schritt shampoonieren. (Filmzitat)
Sie meinten: »People who talk in metaphors ought to shampoo my crotch«. Ein Spitzenfilm übrigens.
Mit freundlichem Gruß
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