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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 16 Antworten
und wurde 2.361 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

04.06.2011 07:25
Zitat des Tages: Was man schreiben darf Antworten

Wir leben in einer Gesellschaft, die extrem sensibel für Menschenwürde ist, zumal für die Achtung von Menschen, die einer Minderheit angehören. Es sei denn, es ist die Minderheit der Wohlhabenden.

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

04.06.2011 10:37
#2 RE: Zitat des Tages: Was man schreiben darf Antworten

Und ein solches Reden gilt dann auch noch als "mutig"...

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Friedrich ( gelöscht )
Beiträge:

04.06.2011 10:48
#3 RE: Zitat des Tages: Was man schreiben darf Antworten

Warum sollte man noch auf Schreiberlinge von der Zeitung etwas geben? War es nicht hier wo immer wieder gesagt wurde. Das mit der Information kann man in allen "Mainstream" Blättern einfach nur "vergessen". Ganz ehrlich ob das über einen Türken, Deutschen, Israeli, Neuseeländer, Australier, Chinesen, Armen oder Reichen geschrieben würde. Es interessierte mich nicht die Bohne. Es fängt mich genau dann an zu interessieren wenn ich dafür zahlen sollte weil es
a) politisch korrekt
b) politisch gewollt
c) oder einfach nur "erpresst"

wurde.


Es gibt doch einen "allgemeinen " Konsens:
1) Kapitalisten sind Schweine
2) Menschen sind das Übel der Welt

Alles was diesem Konsens entspricht wird "gedruckt" alles was sich dagegen stellt sind alternativ:
1) Nazis
2) Unverbesserliche
3) Neoliberalisten
4) fügen Sie an was Sie wollen

Was ware denn man wieder auf dem evangelischen Kirchentag los? Genau eine "heile-grüne" Welt wo man sich nicht mehr bemüht sondern sich bemühen lässt. Dann schwingt man die große moralische Keule und macht diejenigen die sich eben Bemühen noch zu Verbrechern....

Was sollte an dieser Schmiererei anders sein?

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

04.06.2011 11:47
#4 RE: Zitat des Tages: Was man schreiben darf Antworten

Zitat von Friedrich
Warum sollte man noch auf Schreiberlinge von der Zeitung etwas geben?

So plakativ kann ich das nicht sehen, lieber Friedrich.

Die "Zeit" wird bekanntlich (zusammen mit Jofes Joffe, auch er kein Linker) von Helmut Schmidt herausgegeben. Gegründet wurde sie (u.a.) von dem CDU-Politiker Gerd Bucerius, der sie zusammen mit der aufrechten Liberalen Marion Gräfing Dönhoff lange prägte. Sie gilt nach wie vor als die führende deutsche Wochenzeitung.

Wenn in der Internet-Ausgabe dieser Zeitung (sie ist mit ihr enger verknüpft als "Spiegel-Online" mit dem gedruckten "Spiegel") so etwas geschrieben wird, dann scheint mir das schon einen kritischen Kommentar wert zu sein.

Zumal in diesem Fall das, was die Autorin schreibt, ja kein Einzelfall ist. Pauschalurteile gegen Bevölkerungsgruppen sind in Deutschland verpönt - außer es geht gegen "die Reichen". Als vor ein paar Jahren einige Gutverdienende Steuerflucht nach Liechtenstein begangen hatten, wurde das landauf, landab, "den Reichen" attribuiert.

Natürlich ist der Zweck, Klassenkampfstimmung zu erzeugen. Wenn Kommunisten das machen, dann braucht man das nicht zu kommentieren. Wenn es in einem liberalen Medium geschieht, dann sollte man es kommentieren.

Herzlich, Zettel

Frank Offline




Beiträge: 187

04.06.2011 17:08
#5 RE: Zitat des Tages: Was man schreiben darf Antworten

Lieber Zettel, prinzipiell stimme ich Ihnen zu. Die gedruckte ZEIT kennt viele Schattierungen und ist deshalb lesbar.

Aber Marion Gräfin Dönhoff hat 1948 einen unerträglichen Artikel geschrieben!
VÖLKISCHER ORDENSSTAAT ISRAEL
http://www.zeit.de/1948/39/voelkischer-ordensstaat-israel

Dazu
http://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/se.../antizionismus/
"So bescheinigte die ...Kolumnistin Marion Gräfin Dönhoff bereits 1948, gerade vier Monate nach der Staatsgründung Israels, in dem Artikel „Völkischer Ordensstaat Israel“, erschienen in der liberalen Wochenzeitung „Die Zeit“, den Israelis sehr weit „auf jenem Wege bereits gelangt [zu sein], der erst vor kurzem ein anderes Volk ins Verhängnis geführt hat“. Allein dieser Satz könnte aus einem Lehrbuch über Antizionismus stammen. Er setzt Israel mit dem nationalsozialistischen Deutschland nahezu gleich, mit dem Ziel Israel zu deligitimieren und deutsche Verbrechen massiv zu verharmlosen. Zudem vollzieht Dönhoff eine Opfer-Täter-Umkehrung: Die Israelis, viele gerade aus den deutschen Todeslagern entkommen, sind nun die TäterInnen und zu schlechter Letzt, wird das „deutsche Volk“ als Opfer dargestellt, da ihm ein eingeschlagener Weg zum Verhängnis geworden ist."

pluto Offline



Beiträge: 9

04.06.2011 19:55
#6 RE: Zitat des Tages: Was man schreiben darf Antworten

Bezeichnend ist auch, dass unter den Kommentaren zu dem Artikel nicht ein Einziger diese Polemik kritisch zu hinterfragen weiß. Das durchschnittliche Vorstandsmitglied wird doch sowieso erst mit 50+ in den Vorstand berufen, zu einem Zeitpunkt also, an dem die Kinder schon längst nicht mehr so stark an das Elternhaus gebunden sind. Zeit Online halte ich - besonders von Seiten der Leserschaft - für ein sehr linkes Medium. Einer der wenigen Kommentare, die mir dort in letzter Zeit zugesagt haben, war folgender: http://www.zeit.de/2011/22/Tugendstaat-Liberalismus .

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

04.06.2011 23:21
#7 Durfte Dönhoff das schreiben? Antworten

Zitat von Frank
Lieber Zettel, prinzipiell stimme ich Ihnen zu. Die gedruckte ZEIT kennt viele Schattierungen und ist deshalb lesbar.

Aber Marion Gräfin Dönhoff hat 1948 einen unerträglichen Artikel geschrieben!
VÖLKISCHER ORDENSSTAAT ISRAEL
http://www.zeit.de/1948/39/voelkischer-ordensstaat-israel

Hm, lieber Frank. Ich habe den Artikel jetzt zu lesen versucht, was angesichts des miserablen, unkorrigierten Einscannens nicht ganz einfach ist. Das Lesen artet teilweise zu einem Rätseln aus. Der Link zur PDF-Version funktioniert nicht; er führt zur Startseite von "Zeit-Online".

Soweit ich den Artikel entziffern konnte:

Ich kann ihn überhaupt nicht unerträglich finden. Er schildert - soweit ich das beurteilen kann, zutreffend - die damalige Lage nach der Ermordung des UNO-Vermittlers Graf Bernadotte.

Bernadotte war ein humanitär engagierter Mann gewesen, der aber einige Vorschläge gemacht hatte (z.B. Rückkehr von 300.000 arabischen Flüchtlingen), die gegen die Interessen der Juden in Palästina gerichtet waren. Daß seine Ermordung am 17. September eine Tat der Gruppe Stern war, steht außer Zweifel. Die Wikipedia

Zitat
A three man 'center' of this extreme Jewish group had approved the killing: Yitzhak Yezernitsky (the future Prime Minister of Israel Yitzhak Shamir), Nathan Friedmann (also called Natan Yellin-Mor) and Yisrael Eldad (also known as Scheib). A fourth leader, Emmanuel Strassberg (Hanegbi) was also suspected by the Israeli prime minister David Ben-Gurion of being part of the group that had decided on the assassination. The assassination was planned by the Lehi operations chief in Jerusalem, Yehoshua Zettler. By most accounts, it was carried out by six young members of the Lehi group: Yehoshua Cohen, Shmuel Rosenblum, David Ephrati, Yitzhak Markovitz, Yehoshua Zettler, and Meshulam Makover. By other accounts, a three-man team ambushed Bernadotte's motorcade in Jerusalem's Katamon neighborhood. Two of them, Yitzhak Ben Moshe (Markovitz) and Avraham Steinberg, shot at the tires of the UN vehicles. The third, Yehoshua Cohen, opened the door of Bernadotte's car and shot him at close range. The bullets also hit a French officer who was sitting beside him, U.N. Observer Colonel André Serot. Both were killed. In the immediate confusion, Col. Serot was mistaken for Dr. Ralph Bunche, the American aide to Bernadotte.

Es war also ein terroristischer Mord in RAF-Manier, begangen an einem Friedensvermittler.

Der Artikel von Marion Gräfin Dönhoff (übrigens einer untadeligen Frau, die zum Kreis der Attentäter des 20. Juli gehörte und die sich schon als Studentin mit den Nazis angelegt hatte) erschien am 23. September, wurde also unter dem unmittelbaren Eindruck dieses terroristischen Anschlags geschrieben. Soweit ich es beurteilen kann, schildert sie die Ideologie der Gruppe Stern, die ja in der Tat ultranationalistisch in der Weltanschauung und terroristisch in den Mitteln des Kampfs war (und die auch von der Regierung Ben Gurion abgelehnt wurde), zutreffend.

Der Artikel richtet sich nicht gegen den jüdischen Staat und seine Regierung, sondern gegen diese Gruppe und ihr Umfeld.

Man mag aus heutiger Sicht sagen, daß der damalige Terrorismus gerechtfertigt war, damit der Staat Israel überleben konnte. Ein Mord an einem Vermittler war dadurch aus meiner Sicht nicht gerechtfertigt; und jedenfalls kann man der damals 29jährigen deutschen Journalistin nicht vorwerfen, daß sie das Thema aus damaliger Sicht behandelte und nicht aus heutiger.

Der Vergleich mit den Nazis geht sicherlich daneben; aber auch da sind wir heute ungleich sensibler, als man 1948 gewesen war.

Zitat von Frank

Dazu
http://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/se.../antizionismus/
"So bescheinigte die ...Kolumnistin Marion Gräfin Dönhoff bereits 1948, gerade vier Monate nach der Staatsgründung Israels, in dem Artikel „Völkischer Ordensstaat Israel“, erschienen in der liberalen Wochenzeitung „Die Zeit“, den Israelis sehr weit „auf jenem Wege bereits gelangt [zu sein], der erst vor kurzem ein anderes Volk ins Verhängnis geführt hat“. Allein dieser Satz könnte aus einem Lehrbuch über Antizionismus stammen. Er setzt Israel mit dem nationalsozialistischen Deutschland nahezu gleich, mit dem Ziel Israel zu deligitimieren und deutsche Verbrechen massiv zu verharmlosen. Zudem vollzieht Dönhoff eine Opfer-Täter-Umkehrung: Die Israelis, viele gerade aus den deutschen Todeslagern entkommen, sind nun die TäterInnen und zu schlechter Letzt, wird das „deutsche Volk“ als Opfer dargestellt, da ihm ein eingeschlagener Weg zum Verhängnis geworden ist."

Dieser Text nun allerdings, lieber Frank, kommt mir "unerträglich" vor, wenn man dieses Wort benutzen möchte.

Dönhoff war nicht "Kolumnistin", sondern schlicht Mitglied der Redaktion; das Wort gab es damals im Deutschen noch gar nicht; das nur nebenbei als Hinweis darauf, wie sorgfältig der Verfasser recherchiert hat.

Mit keinem Wort "setzt [Dönhoff] Israel mit dem nationalsozialistischen Deutschland nahezu gleich, mit dem Ziel Israel zu deligitimieren und deutsche Verbrechen massiv zu verharmlosen". Von deutschen Verbrechen ist in dem ganzen Artikel mit keinem Wort die Rede, schon gar nicht werden diese verharmlost.

Nirgends behauptet Dönhoff, daß "die Israelis", nun "die TäterInnen" seien, oder daß gar das deutsche Volk das "Opfer" sei, dem "ein eingeschlagener Weg zum Verhängnis" geworden sei. Dönhoff kritisiert, wie gesagt, nicht den Staat Israel und dessen (sozialdemokratisch geführte) Regierung, sondern die ultrarechte terroristische Gruppe Stern und deren Ideologie. Allerdings weist sie kritisch darauf hin, daß die Regierung sich nicht genügend von der Irgun distanziere. Am Ende des Artikels warnt sie Israel vor einem von der Irgun bestimmten Weg, und da kommt dann der Vergleich mit Deutschland:

Zitat
Man kann nur hoffen, daß der Schock, den der Tod des Grafen Bernadotte für die verantwortlichen Männer der Regierung Israels bedeutet, sie für einen Moment wenigstens innehalten und bestürzt erkennen läßt, wie weit sie auf jenem Wege bereits gelangt sind, der erst vor kurzem ein anderes Volk ins Verhängnis geführt hat.

Zum Glück ist Israel diesen Weg nicht gegangen, denn es wurde in den Jahrzehnten danach von Männern wie David Ben Gurion und Golda Meir regiert, und nicht von der Irgun oder gar der Gruppe Stern.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

04.06.2011 23:22
#8 RE: Zitat des Tages: Was man schreiben darf Antworten

Zitat von pluto
Das durchschnittliche Vorstandsmitglied wird doch sowieso erst mit 50+ in den Vorstand berufen, zu einem Zeitpunkt also, an dem die Kinder schon längst nicht mehr so stark an das Elternhaus gebunden sind.

Danke für diesen Hinweis, der die Abwegigkeit dieser Argumentation noch deutlicher macht. Und willkommen im kleinen Zimmer!

Herzlich, Zettel

DrNick Offline




Beiträge: 809

05.06.2011 09:40
#9 RE: Durfte Dönhoff das schreiben? Antworten

Zitat von Zettel
Ich habe den Artikel jetzt zu lesen versucht, was angesichts des miserablen, unkorrigierten Einscannens nicht ganz einfach ist. Das Lesen artet teilweise zu einem Rätseln aus. Der Link zur PDF-Version funktioniert nicht; er führt zur Startseite von "Zeit-Online".



Das ist mir auch schon mehrfach unangenehm aufgefallen. Die älteren Artikel im Zeit-Archiv sind nicht nur nicht korrigiert, sie sind anscheinend auch noch schlampig eingescannt und/oder mit einem sehr schlechten OCR-Programm erfaßt. Daß die Probleme v.a. mit dem ersten Punkt zusammenhängen, merkt man bei einem Blick auf die PDF-Datei, die bei mir problemlos abrufbar war:

http://pdfarchiv.zeit.de/1948/39/voelkis...taat-israel.pdf

Und zur Sache: Der Artikel scheint mir in vielen Hinsichten zumindest nicht eben glücklich formuliert zu sein und zu Mißverständnissen geradezu einzuladen. Das fängt mit der Überschrift "Völkischer Ordensstaat Israel" an, die sich zwar später als Charakterisierung der Ansicht einiger Extremisten erweist, aber zunächst so klingt, als solle Israel insgesamt als ein "Ordensstaat" bezeichnet werden. Im Artikel geht es dann hauptsächlich um israelische Politsekten, aber am Ende wird deren Weltsicht sozusagen als israelischer Mainstream dargestellt. Den Israelis "krankhaften Nationalismus" vorzuwerfen, die "Hebräisierung" von Familiennamen zu beklagen und dann auch noch eine Parallele zum Nationalsozialismus zu ziehen, ist angesichts der Situation, in der sich Israel 1948 befand, nicht ganz harmlos.

Nachtrag: Ich habe gerade gemerkt, daß die Zeit anscheinend etwas gegen die direkte Verlinkung der PDF-Dateien hat. Man kann sich die Datei aber problemlos ansehen, wenn man auf die Seite mit der Text-Version geht und unten auf "Klicken Sie hier, um den Originalartikel als PDF herunterzuladen" klickt.

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

05.06.2011 10:09
#10 RE: Durfte Dönhoff das schreiben? Antworten

Zitat
die "Hebräisierung" von Familiennamen zu beklagen



Gräfin Dönhoff ist wohl nicht auf die Idee gekommen, dass die "Hebräisierung" von Familiennamen m.W. v.a. deutsche Familiennamen betrifft, die die Holocaust-Überlebenden aus vielleicht nachvollziehbaren Gründen abgelegt haben. Die Namen, die die Einwanderer angenommen haben, drücken wenigstens z.T. den Dank für die Rettung aus oder einen anderen Bezug auf das neue Land. Ich weiß von einem Fall, wo ein Einwanderer den Namen "Sheruti" angenommen hat, etwa "mein Dienst".

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

05.06.2011 10:40
#11 RE: Durfte Dönhoff das schreiben? Antworten

Zitat von DrNick
Der Artikel scheint mir in vielen Hinsichten zumindest nicht eben glücklich formuliert zu sein und zu Mißverständnissen geradezu einzuladen. Das fängt mit der Überschrift "Völkischer Ordensstaat Israel" an, die sich zwar später als Charakterisierung der Ansicht einiger Extremisten erweist, aber zunächst so klingt, als solle Israel insgesamt als ein "Ordensstaat" bezeichnet werden. Im Artikel geht es dann hauptsächlich um israelische Politsekten, aber am Ende wird deren Weltsicht sozusagen als israelischer Mainstream dargestellt. Den Israelis "krankhaften Nationalismus" vorzuwerfen, die "Hebräisierung" von Familiennamen zu beklagen und dann auch noch eine Parallele zum Nationalsozialismus zu ziehen, ist angesichts der Situation, in der sich Israel 1948 befand, nicht ganz harmlos.

Das sehe ich aus heutiger Sicht auch so, lieber DrNick. Vielleicht habe ich das zu wenig herausgearbeitet, weil es mir darum ging, diese verzerrende Darstelltung zu korrigieren, die Frank zitiert hatte.

Aus heutiger Sicht erscheint das anders aus mehreren Gründen:

Erstens wissen wir, daß Israel eben nicht den Weg der Irgun oder gar der Gruppe Stern gegangen ist. Damals war das offen. Was die Ultranationalen 1948 wollten, gibt Dönhoff, soweit ich es beurteilen kann, durchaus zutreffend wieder. Sie haben sich damit aber nicht durchsetzen können.

Zweitens sehen wir heute, daß David Ben Gurion, Golda Meir, auch später noch Itzak Rabin - überhaupt die moderate, um einen Ausgleich mit den Arabern bemühte, europäisch geprägte, intellektuelle Führung der Mapai, die in den ersten Jahrzehnten Israels ungefähr so führend war wie in Deutschland die CDU - mit ihrem Kurs angesichts der arabischen Intransingenz gescheitert sind. Im Rückblick entsteht dadurch (jedenfalls bei mir) mehr Verständnis für den Kurs der Irgun. Schamir ist ja später als MP auch weit gemäßigter gewesen als 1948.

Daß die Vergleiche Dönhoffs verfehlt waren, habe ich ja schon geschrieben. Aber sie deshalb, wie es der von Frank zitierte Autor tut, zur Antisemitin oder jedenfalls Antizionistin zu machen und den andern Unsinn über sie zu schreiben, wird dadurch nicht gerechtfertigt. Es gibt leider in letzter Zeit bei manchen Autoren und Gruppen die Neigung, auch dort Antisemitismus zu sehen, wo keiner ist. Auch Rudolf Augstein ist schon derart rubriziert worden, weil er den Kurs der Likud kritisiert hatte.

Das mag gut gemeint sein, ist aber erstens schlicht falsch und zweitens auch kontraproduktiv. Der Sache Israels hilft nicht überzogene Propaganda, sondern nur Wahrhaftigkeit.

Herzlich, Zettel

Frank Offline




Beiträge: 187

05.06.2011 10:51
#12 RE: Durfte Dönhoff das schreiben? Antworten

Lieber Zettel, den nicht eingescannten, sondern lesbaren Text findet man auf den klassischen Israelhasserseiten wie "steinbergrecherche" oder hier

http://www.barth-engelbart.de/?p=306

Bezüglich des Terrormordes an Bernadotte gebe ich Ihnen vollkommen recht, nur ging es mir um Gräfin Dönhoff drei Jahre nach dem Ende des Dritten Reiches.
Völkischer Ordensstaat Israel als Überschrift ist aber eindeutig unentschuldbar, gerade für jemanden aus Ostpreußen.

P.S.: Der Text von Mut gegen rechte Gewalt ist wie alle ANTFA-Sachen fragwürdig, aber hier erscheint mir die Aussage der Gleichsetzung D-IL doch belegbar

Zitat
Man kann nur hoffen, daß der Schock, den der Tod des Grafen Bernadotte für die verantwortlichen Männer der Regierung Israels bedeutet, sie für einen Moment wenigstens innehalten und bestürzt erkennen läßt, wie weit sie auf jenem Wege bereits gelangt sind, der erst vor kurzem ein anderes Volk ins Verhängnis geführt hat.

DrNick Offline




Beiträge: 809

05.06.2011 15:43
#13 RE: Durfte Dönhoff das schreiben? Antworten

Zitat von Zettel
Daß die Vergleiche Dönhoffs verfehlt waren, habe ich ja schon geschrieben. Aber sie deshalb, wie es der von Frank zitierte Autor tut, zur Antisemitin oder jedenfalls Antizionistin zu machen und den andern Unsinn über sie zu schreiben, wird dadurch nicht gerechtfertigt.



Ich wollte, lieber Zettel, auch beileibe nicht die von Frank zitierte Einschätzung unterschreiben (daß die Gräfin Dönhoff sich hier als Antisemitin outet, glaube ich nicht), sondern darauf hinaus, daß mir Ihre Darstellung des Artikels ein wenig zu benevolent erscheint. Es ist ja nicht nur der von Ihnen kritisierte NS-Vergleich, der den Text problematisch macht, sondern auch der Vorwurf des "krankhaften Nationalismus" gegenüber einem Volk, dem ein paar Monate zuvor von einem Großteil der arabischen Welt der Krieg erklärt wurde und das einige Jahre zuvor in ganz Europa millionenfach ermordet wurde.

Mir ist schon klar, daß man der Gräfin Dönhoff in bezug auf den Nationalsozialismus persönlich nichts vorwerfen kann, aber es scheint mir trotzdem (vorsichtig formuliert) nicht sehr geschmackvoll, drei Jahre nach dem Holocaust in einer deutschen Zeitung einen Text zu veröffentlichen, in dem man die Juden moralisch belehrt und ihnen vorwirft, sie würden im wesentlichen so denken wie die Nazis.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

05.06.2011 16:20
#14 RE: Durfte Dönhoff das schreiben? Antworten

Zitat von DrNick

Zitat von Zettel
Daß die Vergleiche Dönhoffs verfehlt waren, habe ich ja schon geschrieben. Aber sie deshalb, wie es der von Frank zitierte Autor tut, zur Antisemitin oder jedenfalls Antizionistin zu machen und den andern Unsinn über sie zu schreiben, wird dadurch nicht gerechtfertigt.



Ich wollte, lieber Zettel, auch beileibe nicht die von Frank zitierte Einschätzung unterschreiben (daß die Gräfin Dönhoff sich hier als Antisemitin outet, glaube ich nicht), sondern darauf hinaus, daß mir Ihre Darstellung des Artikels ein wenig zu benevolent erscheint.


Er war, lieber DrNick, eine Kritik an der Darstellung dieses Jan Riebe und hat deshalb diejenigen Aspekte des Artikels betont, die ihr widersprechen. Ihre Bedenken, was den Nazi-Vergleich angeht, teile ich ja.

Zitat von DrNick
Es ist ja nicht nur der von Ihnen kritisierte NS-Vergleich, der den Text problematisch macht, sondern auch der Vorwurf des "krankhaften Nationalismus" gegenüber einem Volk, dem ein paar Monate zuvor von einem Großteil der arabischen Welt der Krieg erklärt wurde und das einige Jahre zuvor in ganz Europa millionenfach ermordet wurde.

Man kann das auch so lesen, daß man in Deutschland nach der Nazi-Erfahrung empfindlich war, was jede Art von Nationalismus anging. Ich kann mich aus meiner Studentenzeit Anfang der sechziger Jahre erinnern, wie viele von uns (gerade auch Juden) vor diesem in Israel existierenden Nationalismus Angst hatten.

Nochmal: Im Nachhinein stellt sich vieles anders dar. Ich habe diese genannten Bedenken damals auch gehabt; gerade weil ich Ben Gurion und dann Golda Meir bewundert habe, die sich ja mit den Likud-Leuten herumschlagen mußten. Wir waren alle überzeugt, daß nur eine Versöhnung mit den Arabern Israel würde auf Dauer sichern können und sahen in Leuten wie Schamir und Begin (ob ich genau diese beiden namentlich damals kannte, weiß ich nicht mehr) eine Gefahr für Israel.

Zitat von DrNick
Mir ist schon klar, daß man der Gräfin Dönhoff in bezug auf den Nationalsozialismus persönlich nichts vorwerfen kann, aber es scheint mir trotzdem (vorsichtig formuliert) nicht sehr geschmackvoll, drei Jahre nach dem Holocaust in einer deutschen Zeitung einen Text zu veröffentlichen, in dem man die Juden moralisch belehrt und ihnen vorwirft, sie würden im wesentlichen so denken wie die Nazis.

Von "den Juden" schreibt ja Dönhoff nicht; jedenfalls nicht, soweit ich den Text entziffern konnte. Sie schreibt - und nochmal gesagt; unter dem unmittelbaren Eindruck der Ermordung Bernadottes durch ultranationale Israelis - über die Ultranationalen in Israel und darüber, daß diesen aus ihrer Sicht zu viele Freiheiten gewährt wurden und daß sie einen zu großen Einfluß hatten.



Erlauben Sie mir noch eine allgemeine Bemerkung, lieber DrNick: Ich habe ein starke, eine wirklich tiefsitzende Abneigung dagegen, sich Menschen aus einer anderen Zeit vorzunehmen und sie anhand eigener, heutiger angeblich moralischer Maßstäbe abzukanzeln, wie das dieser Jan Riebe tut. Das ist billig, es ist unfair und es ist ungerecht.

Zweitens kann ich, wie schon geschrieben, mit diesem ausufernden Antisemitismus-Vorwurf nichts anfangen; die Affäre Pohlmann [Korrektur: recte Hohmann] war ja auch ein Beispiel.

Jemand kann noch so sehr durch sein Verhalten und seine Erklärungen dokumentieren, daß er kein Antisemit ist - man nimmt etwas, das er gesagt oder geschrieben hat, und sucht so lange nach einem "Subtext", nach "implizit Gesagtem", nach den "Assoziationen, die beim Leser entstehen" usw., bis man ihn am Wickel und des Antisemitismus überführt hat. Das ist maßlos, unhistorisch und propagandistisch und schadet, wie geschrieben, meines Erachtens der Sache Israels.

Daß Frank, wenn ich es recht verstehe, diesen Dönhoff-Text auf einer Antifa-Seite ausgegraben hat, escheint mir bezeichnend. Wenn solche Aktivisten heute auf so etwas herumhacken, dann schlagen sie den Sack und meinen den Esel: Dönhoff soll (wie auch Augstein mit ähnlichen Vorwürfen) als Bürgerlich-Liberale beschädigt werden.

Aus meiner Sicht gehört das in das Grundmuster der linken Propaganda, daß jeder rechts von der linken Sozialdemokratie ein potentieller Nazi und Antisemit, mindestens ein Steigbügelhalter ist. Es geht um die linke Dominanz, und da sind Figuren wie die Gräfin Dönhoff störend, weil sie liberalkonervativ war und zugleich eine tadelsfreie Demokratin. Ergo geht es gegen sie.

Herzlich, Zettel

Ripley4y Offline



Beiträge: 10

05.06.2011 16:30
#15 RE: Durfte Dönhoff das schreiben? Antworten

Zwei Aspekte erscheinen es mir wert zu sein, erwähnt zu werden:

1. Wir wissen alle (Beweis: allgemeine Lebenserfahrung), dass sich die Sprache und deren Gebrauch einer Gesellschaft fortwährend entwickelt. Vielleicht muss man die Diktion der Gräfin in dem Kontext zu dem nicht lange zurückliegenden NS-Staat sehen.

Lieber Zettel, vielleicht können Sie das bestätigen, da Sie zu einer Zeit mit dem Studium begannen, als ich geboren wurde.

2. Ich sehe nicht, dass gegen einen Deutschen die - jeweils und immer wieder zu widerlegende - Vermutung spricht, dass er ein Antisemit sei. Ich bin vielmehr der Meinung, dass eine Art Unschuldsvermutung greift, mit der Folge, dass im Einzelfall die antisemitische Einstellung nachgewiesen werden muss.

Friedrich ( gelöscht )
Beiträge:

06.06.2011 09:50
#16 RE: Zitat des Tages: Was man schreiben darf Antworten

Zitat
Zettel
Zumal in diesem Fall das, was die Autorin schreibt, ja kein Einzelfall ist. Pauschalurteile gegen Bevölkerungsgruppen sind in Deutschland verpönt - außer es geht gegen "die Reichen". Als vor ein paar Jahren einige Gutverdienende Steuerflucht nach Liechtenstein begangen hatten, wurde das landauf, landab, "den Reichen" attribuiert.




Ich denke schon damals sah ich das mit als "Selbstverteidigung" an. Liechtenstein hat nur ein Problem es gehört mit nach Europa und was derzeit so an Gesetzen ignoriert wird spricht m.E. ziemlich gegen Europa. Und das wir anch fast einem Jahr anhängende Klagen gegen die "Rettungsschirme" immer noch nicht zu Verhandlung kamen, lässt nichts Gutes erwarten. In ein paar Jahren stehen wir vor "vollendeten" Tatsachen und dann will es mal wieder keiner gewesen sein.

Zitat
Zettel

Natürlich ist der Zweck, Klassenkampfstimmung zu erzeugen. Wenn Kommunisten das machen, dann braucht man das nicht zu kommentieren. Wenn es in einem liberalen Medium geschieht, dann sollte man es kommentieren.





Nun Sie kennen sicher auch die Berechnung von "Armutsgrenzen" was im Ergebnis ergibt wenn die Top 10% der Verdiener weg wären, gäbe es nur noch weniger als die Hälfte oder ein Drittel Arme. Ich schrieb ja auch: Kapitalismus ist schlecht und Menschen sollten besser von der Erde verschwinden oder aber nur noch ökologisch "korrekt" (was auch immer das heissen mag) leben...

Ich finde diese Tendenz beschleunigt sich speziell seit mehr als 2 Jahren dramatisch. Und niemals sind es staatliche Stellen die etwas taten oder nicht taten sondern die "bösen" Spekulanten.....

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

06.06.2011 10:03
#17 RE: Zitat des Tages: Was man schreiben darf Antworten

Zitat von Friedrich
Nun Sie kennen sicher auch die Berechnung von "Armutsgrenzen" was im Ergebnis ergibt wenn die Top 10% der Verdiener weg wären, gäbe es nur noch weniger als die Hälfte oder ein Drittel Arme.

Ja, das habe ich immer wieder einmal thematisiert. Beispielsweise in der Serie über Armut (dort vor allem Folge 5) und in einem Artikel, der hier im Forum zu einer sehr, sehr langen Diskussion geführt hat; ich vermute, damals waren Sie noch nicht im Forum, deshalb erinnere ich daran.

Herzlich, Zettel

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