Es ist verwunderlich, wie wenig in den deutschen Medien über die Dynamik der Machtverhältnisse in Osteuropa berichtet wird. Wie überhaupt bei der internationalen Berichterstattung hat man beim Lesen und Hören oft den Eindruck, in der Außen- und Militärpolitik ginge es um Moral, Gerechtigkeit oder dergleichen und nicht um Macht und Einflußzonen. Besonders krass war das beim Georgienkrieg 2008, als man in den deutschen Medien mehr darüber diskutierte, wer denn "angefangen" hat, als was dieser Krieg für die russische Machtposition im Kaukasus bedeutete.
In weniger als einem Jahr wird Wladimir Putin voraussichtlich wieder Rußlands Staatspräsident sein; ich habe deshalb sein Porträt für die Titelvignette ausgewählt. Denn während des Medwedew-Interims hat sich an Putins Europapolitik nichts geändert:
Das primäre Ziel ist es, die russische Hegemonie über Osteuropa wieder herzustellen; also Staaten, die entweder wie die Ukraine und Georgien zur UdSSR gehört hatten, oder die als Mitglieder des Warschauer Pakts sowjetische Satellitenstaaten gewesen waren.
Das zweite, damit verknüpfte Ziel ist die möglichst enge Allianz mit Deutschland. Die künftige deutsche Abhängigkeit vom russischen Erdgas wird ein entscheidendes Instrument dieser Politik sein. Die US-Pläne für BMD sind ihr entscheidendes Hindernis.
In dem Artikel beschreibe ich anhand von Stratfor-Analysen diesen Hintergrund und die drei Ereignisse, die den 15. Juni zu einem besonderen Tag für Moskaus Strategie gemacht haben, deren Ziel es ist, BMD zu vereiteln und die USA aus Europa zu drängen.
Die Abhängigkeit von russischem Erdgas ließe sich natürlich stark mindern, wenn Deutschland seine neu entdeckten riesigen Shale-Gas-Vorkommen erschließen und nutzen würde. Ich bin aber sehr skeptisch, ob die ergrünte Bundesregierung sich dazu entschließen kann.
Zitat von R.A.Die Abhängigkeit von russischem Erdgas ließe sich natürlich stark mindern, wenn Deutschland seine neu entdeckten riesigen Shale-Gas-Vorkommen erschließen und nutzen würde. Ich bin aber sehr skeptisch, ob die ergrünte Bundesregierung sich dazu entschließen kann.
Wenn nicht, dann kaufen wir eben Strom aus Tchechien und Frankreich und Gas aus Polen
Zitat von R.A.Die Abhängigkeit von russischem Erdgas ließe sich natürlich stark mindern, wenn Deutschland seine neu entdeckten riesigen Shale-Gas-Vorkommen erschließen und nutzen würde. Ich bin aber sehr skeptisch, ob die ergrünte Bundesregierung sich dazu entschließen kann.
Wenn nicht, dann kaufen wir eben Strom aus Tchechien und Frankreich und Gas aus Polen
Interessanter Artikel.
In den USA läuft die Fracking-Debatte schon seit einiger Zeit auf Hochtouren. In Deutschland steht sie uns vermutlich noch bevor; Ansätze gibt es ja schon.
Interessant ist, wie laut dem Artikel in Polen die Fronten verlaufen: Deutsche "Umweltschützer" (was geht die eigentlich der Boden in Polen an?) Arm in Arm mit der Gazprom-Lobby und Frankreichs Atomlobby gegen Polens Betreben, in der Energieversorgung unabhängig zu werden.
Ein Bestreben, das man vor dem Hintergrund dessen werten muß, was ich in dem Artikel beschreibe: Je näher sich Rußland und Deutschland kommen, umso mehr sieht sich Polen bedroht, umso wichtiger ist ihm also die Unabhängigkeit auch auf dem Energiesektor. Rußland andererseits hat sowohl ein wirtschaftliches als auch ein politisches Interesse daran, daß Polen nicht autark wird.
Wo ist das Problem bei einer, angenommenen, langfristig etwas engeren Verbindung zu Rußland? mfG
Diese Frage, lieber Hausmann, wurde schon in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts diskutiert, als die Möglichkeit sich zumindest zu eröffnen schien, daß die UdSSR einer Wiedervereinigung zustimmt, wenn Deutschland dafür neutral wird.
Es gab damals "Neutralisten" in Deutschland, die das wollten. Es hätte langfristig bedeutet, daß Deutschland unter den Einfluß der ihm militärisch weit überlegenen UdSSR geraten wäre.
An dieser geopolitischen Situation hat sich nichts geändert. Deutschland kann nicht zugleich im westlichen Bündnis verankert und in einer Allianz mit Rußland sein. Eine deutsche Schaukelpolitik würde das gesamte geostrategische Gleichgewicht in Europa ins Rutschen bringen, die Osteuropäer zu einem eigenen Bündnissystem gegen die Umklammerung durch die beiden Riesen zwingen (Ansätze gibt es schon; ich habe das kürzlich beschrieben) und die USA aus Europa hinausdrängen.
Rußland ist kein demokratischer Rechtsstaat und wird es mindestens solange nicht sein, wie Putin regiert, also bis 2024. Eine deutsche Annäherung an dieses halbdiktatorisch regierte, immer nationalistischere Land, das aufrüstet, während wir die Bundeswehr verkleinern, wäre unverantwortlich.
Schauen Sie sich das Foto von Putin an. Mit dieser Attitüde wird er auch gegenüber Westeuropa auftreten, sobald Rußland sein Ziel erreicht hat, die Nato bedeutungslos zu machen und an ihre Stelle ein von Rußland, der einzigen relevanten Militärmacht Europas, dominiertes kollektives Sicherheitssystem zu setzen.
Zitat von ZettelRußland ist kein demokratischer Rechtsstaat und wird es mindestens solange nicht sein, wie Putin regiert, also bis 2024.
Man könnte nun einwenden, daß eine deutsch-russische Annäherung längerfristig angelegt sei und Rußland sich nach Putin oder schon vorher sehr wohl zu einem demokratischen Rechtsstaat wandeln könne.
Über die Chancen eines solchen Wandels muß man aber gar nicht spekulieren. Denn klar ist: WENN Rußland ein demokratischer Rechtsstaat würde - dann braucht es keinerlei deutsch-russische Sonderbeziehung. Denn dann wäre Rußland in den wesentlichen geopolitischen Fragen ohnehin auf einer Linie mit Westeuropa und den USA und könnte sogar der NATO beitreten.
Zitat von ZettelRußland ist kein demokratischer Rechtsstaat und wird es mindestens solange nicht sein, wie Putin regiert, also bis 2024.
Man könnte nun einwenden, daß eine deutsch-russische Annäherung längerfristig angelegt sei und Rußland sich nach Putin oder schon vorher sehr wohl zu einem demokratischen Rechtsstaat wandeln könne.
Über die Chancen eines solchen Wandels muß man aber gar nicht spekulieren. Denn klar ist: WENN Rußland ein demokratischer Rechtsstaat würde - dann braucht es keinerlei deutsch-russische Sonderbeziehung. Denn dann wäre Rußland in den wesentlichen geopolitischen Fragen ohnehin auf einer Linie mit Westeuropa und den USA und könnte sogar der NATO beitreten.
Ausgezeichnetes Argument!
So etwas war ja eine Zeitlang nach 1989 im Gespräch, als viele (auch ich damals) erwarteten, Rußland werde nun denselben Weg gehen, wie ihn dann tatsächlich die Länder Osteuropas gegangen sind (die meisten). Damals erhielten die Russen, wenn ich mich recht erinnere, Beobachter-Status bei der Nato, und ein späterer Beitritt erschien durchaus möglich.
Das wirkt heute schon wie ein Märchen aus vergangenen Tagen. Putin sieht Rußland in der Tradition des Zarenreichs und des Sowjet-Imperiums, innen- wie außenpolitisch. Oder sagen wir: Er vertritt in beiden Bereichen davon eine Version light.
Sich unter den russischen "Rettungsschirm" begeben ist immer noch weniger verfassungsfeindlich als sich der Scharia unterwerfen. Und davon gibt es keine Version light.
Atomausstieg, Abstimmungsverhalten im Sicherheitsrat zur Libyen-Resulotion und Energiewende mit Gas-und Zuhausekraftwerken. Die Kanzlerin, deren Weg gefallene Politiker pflastern, weggeräumt wie im Fall von KTzG mit zur Schau gestelltem Zynismus, öffnet dem einzigen Mann, dem sie nicht die Beine weghauen kann, alle Türen. Auch die Energiewirtschaft macht Männchen. Deutschland hat einen neuen Verbündeten, außen-und innenpolitisch. Der alte zieht sich zurück. Das könnte bedrohlich für Europa und unsere Freiheit werden.
Zitat von ZettelRußland [...] das aufrüstet, während wir die Bundeswehr verkleinern... ...sobald Rußland sein Ziel erreicht hat, die Nato bedeutungslos zu machen und an ihre Stelle ein von Rußland, der einzigen relevanten Militärmacht Europas, dominiertes kollektives Sicherheitssystem zu setzen.
Nun, Putin scheint willige Helfer dabei zu haben, die Sie noch nicht erwähnt haben:
Zitat von Berner ZeitungMoskau hatte seit 2009 mit Paris über den Rüstungsdeal verhandelt und dabei auch verlangt, dass Frankreich technisches Knowhow weitergibt. Die 200 Meter langen «Mistral»-Schiffe können bis zu 900 Soldaten, sechs Helikopter, 13 Panzer sowie 100 weitere Fahrzeuge transportieren. Es ist das erste Mal, dass ein Nato-Staat derartige Rüstungsgüter an Moskau verkauft. Das Geschäft wurde sowohl von den USA als auch von den russischen Nachbarn kritisiert. Rüstungsdeal
Zitat von Berner ZeitungMoskau hatte seit 2009 mit Paris über den Rüstungsdeal verhandelt und dabei auch verlangt, dass Frankreich technisches Knowhow weitergibt. Die 200 Meter langen «Mistral»-Schiffe können bis zu 900 Soldaten, sechs Helikopter, 13 Panzer sowie 100 weitere Fahrzeuge transportieren. Es ist das erste Mal, dass ein Nato-Staat derartige Rüstungsgüter an Moskau verkauft. Das Geschäft wurde sowohl von den USA als auch von den russischen Nachbarn kritisiert. Rüstungsdeal
Wie der Zufall es will, habe ich gerade heute darüber im Nouvel Observateur einen Bericht gelesen.
Der Vertrag wurde heute in Moskau im Beisein von Medwedew himself unterzeichnet. Das Auftragsvolumen liegt bei 1,2 Milliarden Dollar. Von den vier Schiffen werden zwei in Frankreich und zwei in Rußland gebaut werden. Damit ist sichergestellt, daß die Russen nicht nur kompletten Einblick in die Technologie der Schiffe, sondern auch in die Technologie der Produktion erhalten. Darüber war lange verhandelt worden.
Rußland versucht gegen die Nato und die USA natürlich nicht nur die deutsche, sondern auch die französische Karte zu spielen. Laut einem weiteren Bericht heute in der Internet-Ausgabe des Nouvel Observateur gab es auf dem G-8-Gipfel in Deauville zum Beispiel einen Libyen-Deal zwischen Moskau und Paris: Rußland und unterstützt das Vorgehen gegen Gaddafi; im Gegenzug bittet Frankeich Rußland um Vermittlung in dem Konflikt, so daß es dadurch in dieser Region wieder ins Spiel kommt (Gaddafi war ja einmal ein Freund der UdSSR gewesen).
Man sollte sich in diesem Zusammenhang an die "Achse Paris-Berlin-Moskau" unmittelbar vor dem Irakkrieg erinnern.
Zitat von ZettelEs ist verwunderlich, wie wenig in den deutschen Medien über die Dynamik der Machtverhältnisse in Osteuropa berichtet wird.
Auch das, was Stratfor gestern ausführlich kommentierte (nur Abonnenten zugänglich), hat in den deutschen Medien wenig Widerhall gefunden:
Am 14. Juni haben sich Merkel und Putin in Genf getroffen und sich dabei auf einen gemeinsamen russisch-deutschen Vorstoß zur Regelung eines seit Langem schwelenden Konflikts verständigt, nämlich des Konflikts zwischen Moldawien und dem Landesteil Transdniestrien, der seine Unabhängigkeit erklärt hat.
Stratfor meint, die Bedeutung dieses Vorgangs liege weniger auf der Ebene dieses lokalen Konflikts als darin, daß Rußland und Deutschland damit ihren Willen demonstrieren, gemeinsam Sicherheitsprobleme in Europa zu lösen.
Die Lage in Moldawien ist ein Spiegelbild der Situation 2008 in Georgien, die zum Einmarsch Rußlands führte: Moldawien orientiert sich nach Westen; der abtrünnige Landesteil Transdniestrien hat sich so an Rußland angeschlossen wie damals "Südossetien".
Nach Informationen von Stratfor soll die gemeinsam von Rußland und Deutschland vorgeschlagene Lösung eine Rückkehr des abtrünnigen Transdniestrien nach Moldawien vorsehen. Im Gegenzug soll es im moldawischen Parlament repräsentiert sein. Truppen europäischer Staaten sollen den Russen helfen, den Frieden zu sichern.
Da Transdniestrien von der dortigen prorussischen Kommunistischen Partei beherrscht wird, würde eine solche Regelung nach Informationen von Stratfor die Mehrheitsverhältnisse im moldawischen Parlament zugunsten der nach Moskau orientierten Kräfte kippen lassen.
Die USA sind laut Stratfor strikt gegen das, was Putin und Merkel vorschlagen wollen. Sie hätten aber selbst kaum noch Einfluß in der Region und würden wahrscheinlich versuchen, andere Staaten (Lettland, Polen, Rumänien und auch England) ins Spiel zu bringen. Sie sollen auf Moldawien Druck ausüben, der Vereinbarung zu widerstehen.
Mir scheint, hier zeichnet sich an einem konkreten Beispiel das ab, wovor die Osteuropäer Angst haben: Deutschland und Rußland treten als gemeinsame Ordnungsmacht auf.
Nur ist Deutschland fern und Rußland nah; und nur ist es Rußland allein, das auch in Moldawien (es war zu UdSSR-Zeiten eine Sowjetrepublik) seine alte Dominanz wieder herstellen will.
Zitat von ZettelDer Vertrag wurde heute in Moskau im Beisein von Medwedew himself unterzeichnet. Das Auftragsvolumen liegt bei 1,2 Milliarden Dollar. Von den vier Schiffen werden zwei in Frankreich und zwei in Rußland gebaut werden. Damit ist sichergestellt, daß die Russen nicht nur kompletten Einblick in die Technologie der Schiffe, sondern auch in die Technologie der Produktion erhalten. Darüber war lange verhandelt worden.
Kleiner Einspruch. Stand vom 14.6:
Zitat Russia fires its negotiating team; LoI but still no contract, technical controversies continue.
Zitat von Defense Industry Daily The total project cost appears to be EUR 1.7 million [sic] for these 2 ships, with an option for another 2 ships that would be assembled in Russia.
Zitat von ZettelIn dem Artikel beschreibe ich anhand von Stratfor-Analysen diesen Hintergrund und die drei Ereignisse, die den 15. Juni zu einem besonderen Tag für Moskaus Strategie gemacht haben, deren Ziel es ist, BMD zu vereiteln und die USA aus Europa zu drängen.
Heute meldet Stratfor: Der russische Außenminister Sergej Lawrow erklärte am 4. Juli in Sotchi laut der Nachrichenagentur RIA Nowisti, daß Rußland und die Nato sich nicht auf eine Zusammenarbeit bei BMD einigen konnten. Andere Vereinbarungen zur Raketenabwehr blieben aber möglich.
Wie ich schon in dem Artikel geschrieben habe: Es ist bemerkenswert, wie wenig diese doch geopolitisch wichtigen Fragen, die auch die deutsche Sicherheit berühren, in den deutschen Medien thematisiert werden.
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