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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 14 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.06.2011 06:22
Obama und der Niedergang der USA Antworten

Als ich Präsident Obamas Rede am Donnerstag hörte, dachte ich an Vietnam. Auch Robert Cohen, den ich in dem Artikel zitiere, hatte diese Assoziaton und weist darauf hin, daß Obamas Rede bis in die Einzelheiten der Wortwahl den Äußerungen gleicht, mit denen die Regierung Präsident Nixons damals die Niederlage in Vietnam bemäntelte.

Nixons Verteidigungminister Robert McNamara hatte damals von "Licht am Ende des Tunnels" gesprochen. Obama sagte jetzt: "And even as there will be dark days ahead in Afghanistan, the light of a secure peace can be seen in the distance." (Und auch wenn in Afghanistan dunkle Tage besvorstehen, ist das Licht eines gesicherten Friedens in der Ferne zu sehen). Obama weiß wie damals Nixon, daß der Krieg verloren ist, meint Cohen.

Jedenfalls ist er nicht entschlossen, ihn zu gewinnen. Er bleibt damit seiner bisherigen Politik treu.

Obama zieht sich aus dem Irak zurück und überläßt ihn dem Einfluß der Perser (siehe Zitat des Tages: "Wir geraten unter iranische Besatzung". Präsident Obama erhält die Quittung für seine Irakpolitik: ZR vom 19. 10. 2010). Er zieht sich jetzt - rechtzeitig zum Wahlkampf 2012 - aus Afghanistan zurück und überläßt es seinem Schickal; so wie Nixon seinerzeit mit der Vietnamization des Kriegs Südvietnam seinem Schicksal überlassen hatte.

Warum tut Obama das? Warum überläßt er darüber hinaus auch Osteuropa dem Einfluß der Russen? Die Antwort hat Charles Krauthammer schon im Dezember 2008 gegeben. Er hat schon damals besser verstanden, was Obama will, als viele es heute verstehen, nachdem sie den Präsidenten Obama fast zweieinhalb Jahre in Aktion erlebt haben.

Korrektur: McNamara war natürlich nicht Nixons Verteidigungsminister, sondern der von Kennedy und Johnson. Daß das noch keinem der sonst so aufmerksamen Zimmerleute aufgefallen ist ...

Frank Offline




Beiträge: 187

24.06.2011 08:21
#2 RE: Obama und der Niedergang der USA Antworten

Zitat
Krauthammer
It is his one great opportunity to plant the seeds for everything he cares about: a new green economy, universal health care, a labor resurgence, government as benevolent private- sector "partner." (...)

... the stage is set for a young, ambitious, supremely confident president -- who sees himself as a world- historical figure before even having been sworn in -- to begin a restructuring of the American economy and the forging of a new relationship between government and people. (...)



Die USA haben 1917-1919 und dann wieder ab 1941 eine weltpolitische Rolle gespielt und damit die Rolle des alten Westeuropas übernommen. Ihre militärische und ökonomische Unterstützung von Japan, Südkorea und Westdeutschland führte zur Herausbildung ökonomischer Konkurrenten, die unter dem amerikanischen militärischen Schutzschirm gut verdienten und produzierten. Schon das deutsche Wirtschaftswunder verdanken wir dem Koreaboom. US-Industrie produziert Rüstungsgüter-Westdeutschland springt ein.
Die Überdehnung des amerikanischen Weltengagements führte zum fast totalen Verlust des Einflusses in Lateinamerika. In China und Indien entstanden weitere ökonomische (und bei China politische) Konkurrenten. Die Europäische Union zeigt neben Bürokratismus nur vollkommene Unfähigkeit, ihren Nachbarraum zu befrieden. (Bosnien, Kosovo, Libyen)

Aus amerikanischer Sicht wäre es wirklich angebracht, das eigene Haus in Ordnung zu bringen. Und ein wenig mehr Grün, ein wenig mehr Gewerkschaftsrechte, ein wenig mehr Reformen sind durchaus angebracht.

Und meine Hoffnung ist, dass durch eine Abwesenheit der USA eine echte europäische Sicherheitsarchitektur entstehen muss und dass Japan, Südkorea, Indien, Brasilien und Südafrika regionale Verantwortung übernehmen müssen.

Europa wird geweckt werden aus seiner politischen Pubertät. Die EU gleicht 15-jährigen, die permanent über ihre bösen Eltern in Washington schimpfen, vor allem, wenn das Taschengeld ausbleibt und der Strom nicht mehr aus der Steckdose kommt, weil dort der Atomkraft-nein-danke-Aufkleber klebt.

Splendid isolation-why not?

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

24.06.2011 10:00
#3 RE: Obama und der Niedergang der USA Antworten

In der Tat eine entlarvende Rede. Ich war auch etwas skeptisch, als Krauthammer so früh den "wahren Obama" beschrieben hat. Aber er hat recht behalten.
Das ist für die USA und für die westlichen Demokratien insgesamt ziemlich schlimm (von Katastrophe spreche ich noch nicht, weil ich auf seine Abwahl hoffe, bevor er wirklich Schaden anrichtet).
Die wesentliche Hoffnung ist jetzt, daß die Reps ihn im Parlament so deutlich ausbremsen können, daß die Substanz der USA nicht beschädigt wird. Der außenpolitische Verlust ist dagegen nicht so leicht zu verhindern, es wird einige Präsidenten brauchen, um das wieder wett zu machen.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

24.06.2011 10:06
#4 RE: Obama und der Niedergang der USA Antworten

Zitat von Frank
Die Überdehnung des amerikanischen Weltengagements führte zum fast totalen Verlust des Einflusses in Lateinamerika.


Eine interessante These. Ich glaube aber nicht, daß man das so pauschal sagen kann. Einerseits war der US-Einfluß dort schon vor dem zweiten Weltkrieg schwankend, gerade in Südamerika. Und umgekehrt ist er auch heute noch in vielen Staaten (vor allem in Mittelamerika) stark.

Zitat
Die Europäische Union zeigt neben Bürokratismus nur vollkommene Unfähigkeit, ihren Nachbarraum zu befrieden. (Bosnien, Kosovo, Libyen)


Das ist leider richtig. Die EU hätte das Potential, US-Schwachpunkte auszugleichen. Aber sie ist nicht ansatzweise dazu in der Lage. Und das liegt zu einem sehr großen Teil an Deutschland ...

Zitat
Aus amerikanischer Sicht wäre es wirklich angebracht, das eigene Haus in Ordnung zu bringen. Und ein wenig mehr Grün, ein wenig mehr Gewerkschaftsrechte, ein wenig mehr Reformen sind durchaus angebracht.


Natürlich gibt es in den USA wie in jedem Staat einiges zu verbessern. Aber das wird bisher nicht durch das außenpolitische Engagement verhindert. Und die Verbesserungsnotwendigkeiten sind bestimmt nicht bei "mehr Grün" zu suchen (da ist in einigen Staaten schon deutlich ein "zu viel" zu konstatieren) und bestimmt auch keine Ausweitung der Gewerkschaften. Und was die Reformen betrifft, sind von Obama eigentlich durchweg nur Verschlechterungen zu erwarten.

Zitat
Europa wird geweckt werden aus seiner politischen Pubertät.


Das glaube ich nicht. Europa wird das Spielfeld anderen überlassen (Rußland zum Beispiel), wenn die USA sich zurückziehen.

Florian Offline



Beiträge: 3.180

24.06.2011 12:03
#5 RE: Obama und der Niedergang der USA Antworten

Man muss das glaube ich differenzierter sehen.

Obamas innen- und außenpolitishche Zielsetzungen finde ich auch nicht glücklich.

Allerdings:
Ja, die USA sind strategisch überdehnt.
Einerseits haben die (teilweise selbst gewählten, teilweise den USA aufgenötigten) militärischen Engagements in den letzten 10 Jahren deutlich zugenommen.
Und andererseits verlieren die USA als Weltmacht relativ an Macht.
(Das "relativ" ist hier entscheidend: absolut sind die USA heute sicher mächtiger als 1990. Allein schon wegen des gestiegenen BIP. Allerdings hat insbesondere China, aber auch z.B. Iran, Indien, jüngst auch Russland relativ an Bedeutung gewonnen. Und für die Position einer Großmacht ist eben der Vergleich mit anderen Großmächte der entscheidende).

Wenn hier nicht in irgendeiner Form reagiert wird, laufen die USA früher oder später in eine strategische Falle. Sie sind zwar mächtig - aber nicht mähtig genug, um alle ihre strategischen Commitments gleichzeitig einhalten zu können.

Konkret:
Wenn die USA über viele Jahre große Ressourcen im Irak und in Afghanistang binden, dann wird - nur mal so als Beispiel - irgendwann das Verteidigungsbündnis mit Taiwan unglaubwürdig, weil dafür erennbar keine Ressourcen mehr verfügbar sind.
Oder auch die Drohung mit einem konventionellen Angriff auf iranische Atomanlangen. Oder, oder, oder.

Um es kurz zu machen:
Das Zurückschrauben des Engagements in Afghanistan muss nicht zwangsläufig schlecht sein für den Einfluss der USA in der Welt.
Es mag sein, dass Obama selbst nicht so denkt, wie ich hier argumentiere.
Aber dennoch sollte man einen Rückzug aus Afghanistan nicht unbedingt als Schwächung der Position der USA interpretieren.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

24.06.2011 12:36
#6 RE: Obama und der Niedergang der USA Antworten

Zitat von Florian
Ja, die USA sind strategisch überdehnt.


Das glaube ich nicht.
Der Krieg im Irak wurde durch den Surge ja weitgehend abgeschlossen. Da sind nicht mehr in erster Linie Truppen gefragt, sondern aktives politisches Engagement, insbesondere ein entschlossenes Eintreten gegen den iranischen Einfluß.
Da fehlt es nicht an Ressourcen, sondern schlicht am Willen.

Und Afghanistan alleine überdehnt die US-Kapazität bestimmt nicht. Ich kann nicht beurteilen, ob ein Surge-Äquivalent machbar wäre - aber bei entschlossenerer Kriegsführung und der klaren politischen Ansage, Afghanistan zu halten, müßte der Konflikt mit den Taliban zu schaffen sein.

Insgesamt sehe ich da keine Überdehnung. Schließlich haben die USA umgekehrt große Kapazitäten gewonnen, die vor 20 Jahren noch den eisernen Vorhang bewachen mußten. Die jetzt noch in Europa stationierten Kontingente sind doch eher symbolischer Natur.

Zitat
Und andererseits verlieren die USA als Weltmacht relativ an Macht.


Das ist richtig, aber für die Frage einer "Überdehnung" nicht relevant.

Zitat
Wenn die USA über viele Jahre große Ressourcen im Irak und in Afghanistang binden, dann wird - nur mal so als Beispiel - irgendwann das Verteidigungsbündnis mit Taiwan unglaubwürdig, weil dafür erennbar keine Ressourcen mehr verfügbar sind.


Richtig. Aber a) sehe ich nicht, daß in beiden Ländern für längere Zeit große Ressourcen nötig sind (s.o.) und b) ist so ein Verteidigungsbündnis erst recht unglaubwürdig, wenn man seine Verbündeten so fallen läßt wie Obama das zum wiederholten Male tut.

Denn die klare Botschaft der gestrigen Rede war doch: Auf uns kann sich keiner mehr verlassen, der Rückzug aus Afghanistan ist kein Einzelfall, sondern generelle Strategie.

Florian Offline



Beiträge: 3.180

24.06.2011 17:21
#7 RE: Obama und der Niedergang der USA Antworten

Zitat
Insgesamt sehe ich da keine Überdehnung.



Oh doch, die gibt es.
Die USA haben derzeit eine Truppenstärke von 1.445 Tsd.

Anders als in Deutschland entfällt ein sehr hoher Anteil davon auf die Marine und die Luftwaffe.
Geeignet für die Hauptaufgaben in Afghanistan und im Irak ist in erster Linie das Heer (engl. Army).
Das Heer hat eine Truppenstärke von 548 Tsd.

Und das ist wirklich nicht sehr viel.
In Afghanistan sind aktuell über 100.000 US-Soldaten stationiert. Im Irak fast 90.000.
Wenn man dann noch eine gewisse Truppe-Rotation haben will, stößt man da schon bald an Grenzen.
Auf jeden Fall wird es dann irgendwann knapp, wenn man noch an einer weiteren Region ein Problem bekommt.

Truppenstärken zum Vergleich:
China: 2285 Tsd.
Nord-Korea: 1106 Tsd.
Russland: 1027 Tsd.
Iran: 523 Tsd.

Es ist schon klar, dass ein US-Soldat einen höheren Kampfwert hat als ein iranischer (und erst recht als ein nordkoreanischer) Soldat.
Aber so sehr dominant in schierer Manpower sind die USA eben nicht.
Und gerade Afghanistan und Irak sind eben sehr manpower-intensive Angelegenheiten.


Zitat
und b) ist so ein Verteidigungsbündnis erst recht unglaubwürdig, wenn man seine Verbündeten so fallen läßt wie Obama das zum wiederholten Male tut.
Denn die klare Botschaft der gestrigen Rede war doch: Auf uns kann sich keiner mehr verlassen,



Ja, da haben Sie recht. Das ist in der Tat eine fatale Botschaft. (Die so ähnlich schon viele von Obama hören mussten: Georgien und Osteuropa, Israel, Irak, Afghanistan, ...).

isildur Offline



Beiträge: 366

24.06.2011 17:41
#8 RE: Obama und der Niedergang der USA Antworten

Vielen Dank für die erhellende Analyse. Die Medien haben darüber ja ausschließlich unter dem Aspekt des Abzugs aus Afghanistan berichtet, mal wieder ohne jeglichen wirklichen Hintergrund(und ich muss zugeben mir war die Tragweite bis eben auch noch nicht aufgefallen).
Wenn das Obamas Plan ist, frage ich mich was denn dahinter steckt? Steht es um die US-Finanzen noch viel schlechter als man derzeit weiß? Die Sowjetunion ist 1989 aus Afganistan abgezogen, 3 Jahre später war sie Geschichte - ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Großmacht nach bald einem Jahrhundert als Weltmacht nur für den sozialistischen Spieltrieb ihres Präsidenten ihre gesamte Außenpolitik so grundlegend in so kurzer Zeit ändert. Vor dem Hintergrund erscheint das äußerst begrenzte Engagement in Libyen, was ja mehr eine Bündnisverpflichtung gegen über den Briten zu sein schien logisch, ein letzter Gefallen für einen "Freund"?
Deckt sich das eigentlich mit der Strategie der amerikanischen Marine(Stratfor fertigt da doch für Abonnenten was aus, meine ich)? Denn das würde doch auch mittelfristig bedeuten die Herrschaft über den Asien-Pazifik Raum den Chinesen zu übergeben.

Gruß,
Isildur

WFI Offline



Beiträge: 187

26.06.2011 11:24
#9 RE: Obama und der Niedergang der USA Antworten

Die Aussage von "nation building at home" bestätigt nicht nur Krauthammers These sondern zeigt auch Obamas manipulative Unehrlichkeit gepaart mit Inkoherenz. Bis Anfang dieses Jahres hatte Obama enorme und historisch atypische Mehrheiten im Repräsentatenhaus und Senat. Die Demokraten bekamen im Grunde alles was sie wollten. Das Ergebnis war eine astronomische Neuverschuldung bei steigender Arbeitslosigkeit. Unter anderem gehörte dazu ein Konjunkturprogramm, dass mit 800 Milliarden Dollar seinesgleichen sucht und das allein für sich schon den Gesamtkosten der Kriege im Irak und Afghanistan seit 2001 nahe kommt (von denen ja auch ein guter Teil zu Hause ausgegeben wurde - das nur für die Keynesianer hier).

Wie kann jemand ein solch gigantisches Ausgaben- und Reformprogramm unter den Tisch fallen lassen und über den Zustand des Landes lamentieren, als wäre er eben aus dem Ei geschlüpft? Wenn eine nicht gerade nachhaltige Neuverschuldung von an die 10% des BIP (die auch völlig ohne jede Militärausgabe immer noch jede Neuverschuldung unter Bush übertreffen würde) nicht ausreicht, um Obamas Ziele zu erreichen, vielleicht sind es dann die falschen Ziele basierend auf den falschen Ideen.

Es war schon lange klar, dass Obama und die Amerikanische Linke an Aussenpolitik nur insoweit interessiert sind, als sie dazu beitragen kann, ihre innenpolitischen Ziele zu erfüllen - also etwa einen Republikanischen Präsidenten zu untergraben. Die USA haben in der Sicht dieser Leute zumindest nach 1945 eine historisch negative Rolle gespielt. Dementsprechend wird auch die Lybien-Aktion nicht am humanitären oder machtpolitischen Ergebnis gemessen sondern an dem Maße, in dem die USA Souveränität aufgeben und sich der internationalen Gemeinschaft unterordnen:

Obama: "And that's why building this international coalition has been so important because it means that the United States is not bearing all the cost. It means that we have confidence that we are not going in alone, and it is our military that is being volunteered by others to carry out missions that are important not only to us, but are important internationally."

Vermutlich waren also Irak und Afghanistan (in dieser abstrusen Sicht der Dinge) die "alte" und damit falsche Sorte Krieg. Auch mit der falschen Sorte von Koalition?

WFI Offline



Beiträge: 187

26.06.2011 11:27
#10 RE: Obama und der Niedergang der USA Antworten

Zitat
Steht es um die US-Finanzen noch viel schlechter als man derzeit weiß?



In seinem Verhalten sehe ich keine Hinweise darauf, dass Obama sich um den Zustand der US-Finanzen Sorgen macht.

WFI Offline



Beiträge: 187

26.06.2011 11:29
#11 RE: Obama und der Niedergang der USA Antworten

Zitat
Denn die klare Botschaft der gestrigen Rede war doch: Auf uns kann sich keiner mehr verlassen, der Rückzug aus Afghanistan ist kein Einzelfall, sondern generelle Strategie.



Wie ein konservativer amerikanischer Kommentator diese Einstellung schon 2009 zusammenfasste:
"If you´re an enemy, we´re sorry! If you´re a friend, you´re sorry!"

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

26.06.2011 12:56
#12 RE: Obama und der Niedergang der USA Antworten

Obama mag kein Sozialist sein, wie die unsrigen von den Linken, aber als linker Sozialdemokrat geht er allemal durch. Seine eine Billion teure Gesundheitsreform (süddeutsche.de), das weltverbesserische Pathos in seinen Reden, die eher Predigten ähneln und die gleichzeitige Vernachlässigung der internationalen Rolle, die Amerika nun einmal spielt, lassen ihn für mich eher von der Venus denn vom Mars gekommen zu sein. Nachdem er sich von dem im Irak ausserordentlich erfolgreichen Stanley McChrystal getrennt hatte, lobte er den geistigen Vater der Wende des Irak-Krieges, David Patraeus, weg, an die CIA-Spitze. Amerikas internationaler Rückzug wird begleitet von seinem ambivalenten Verhältnis zu Israel. Auch wenn ich mit dieser Sicht sehr allein dastehe, ich denke das Netanjahus öffentlichkeitswirksames Setzen auf Stärke, der für ihn vorhersehbaren aussenpolitischen Schwäche Obamas geschuldet ist. Seinen religiösen Ziehvater Jeremiah Wright kann man getrost als Antisemiten bezeichnen ("Diese Juden werden ihn nicht mit mir reden lassen", Wikipedia). Deweiteren ist unter Obama die Kontrolle des iranischen Atomprogramms und die Verhinderung des iranischen Griffs nach der Bombe kein Stück weiter gekommen. Stattdessen nähert sich der NATO-Partner Türkei an den Iran an und kann es sich offenbar leisten die terroristische Grundhaltung der Hamas zu verneinen und mit der IHH mehr oder weniger offen Israel anzugreifen. Ich hoffe sehr, dass Obama keine zweite Chance bekommt.

Daniel I. Offline



Beiträge: 9

27.06.2011 12:41
#13 RE: Obama und der Niedergang der USA Antworten

Bei aller berechtigter Kritik an Obama und seiner Außenpolitik, sollte man dennoch - wie im Forum schon angedeutet - nicht vergessen, dass die USA quasi als alleiniger Stabilisator in der Region agiert. (Die Europäer, Großbritannien vielleicht einmal ausgenommen, schmieden ja lieber Bündnissen mit den wiedererstarkten Russen.) Obgleich ich mir ziemlich sicher bin, dass sie eine Befriedung und Demokratisierung erreichen können, wenn sie nur wollen, bleibt doch die Frage, ob diese Ziele im Angesicht des hohen Einsatzes an Mensch und Material lohnend sind. Die heimischen Gotteskrieger haben es da deutlich leichter, die Zeit ist auf ihrer Seite.

Eine andere Frage, die sich in diesem Zusammenhang unwillkürlich ergibt, ist: Lenken Afghanistan und Irak nicht von viel gefährlicheren Regierungen ab? Von Nordkorea und dem Iran beispielsweise?

Irgendwann muss schließlich der Abzug erfolgen, und die Art und Weise, auf die das geschehen könnte, wurde bisher kaum vernünftig diskutiert. Mir erscheint Obamas Lösung als eine schlechte Lösung, aber die Alternativen (Dauerengagement? Sofortiger Abzug? Abwarten?) sprechen auch nicht gerade für sich.

Grüße, Daniel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

28.06.2011 07:54
#14 RE: Obama und der Niedergang der USA Antworten

Zitat von Daniel I.
Obgleich ich mir ziemlich sicher bin, dass sie eine Befriedung und Demokratisierung erreichen können, wenn sie nur wollen, bleibt doch die Frage, ob diese Ziele im Angesicht des hohen Einsatzes an Mensch und Material lohnend sind. Die heimischen Gotteskrieger haben es da deutlich leichter, die Zeit ist auf ihrer Seite.

Das sehe ich auch so.

Es gab vor einiger Zeit einmal eine Diskussion über counterinsurgency vs counterterrorism. Ich habe damals die Auffassung vertreten, daß in Afghanistan nicht mehr als counterterrorism realistisch ist - also das In-Schach-Halten der Dschihadisten; ohne das Ziel eines demokratischen Afghanistan. Das hätte eine dauerhafte, aber stark reduzierte Präsenz der USA vor allem mit Spezialeinheiten verlangt.

Obama hat aber von Anfang zwischen diesen beiden Alternativen geschwankt. Er hat bis zu seiner jetzigen Rede den Eindruck erweckt, die USA wollten in Afghanistan etwas Ähnliches erreichen wie im Irak, also erfolgreiche counterinsurgency. (Im WAhlkampf 2008 hatte er ja Bush vorgeworfen, dieser nehme den Irak zu ernst und Afghanistan zu wenig ernst). An diesem Ziel gemessen ist er jetzt gescheitert.

Erst der Surge in Afghanistan und jetzt dieser überstürzte Rückzug - niemand weiß, was Obama eigentlich will. Der Eindruck in Asien wird sein, daß die USA nicht mehr Herr der Situation sind.

Obamas jetzige plötzliche Entscheidung nach einem Surge von 30.000 zusätzlichen Soldaten, der anders als damals im Irak noch nicht den Sieg gebracht hat, ist gleichbedeutend mit dem Eingeständnis einer Niederlage. Die schlechteste Art, diesen Krieg zu beenden.

Herzlich, Zettel

PS: Willkommen im kleinen Zimmer! Ich freue mich, daß es jetzt geklapppt hat.

WFI Offline



Beiträge: 187

28.06.2011 13:47
#15 RE: Obama und der Niedergang der USA Antworten

Zitat
"Im Wahlkampf 2008 hatte er ja Bush vorgeworfen, dieser nehme den Irak zu ernst und Afghanistan zu wenig ernst"



Es gab viele solche Aussagen von führenden Demokraten, Afghanistan sei der wahre Kriegsschauplatz und Irak nur eine Ablenkung. Aber es ging dabei in der Regel nicht um eine ernsthafte Auseinandersetzung über die richtige Politik. Es ging darum, den politischen Gegner zu schwächen, egal wie. Obama wollte nie "gewinnen", nicht im Irak, nicht in Afghanistan, nicht in Lybien. Er wollte nur Schaden in der Aussenpolitik vermeiden, der seine innenpolitischen Ziele gefährden würde. Wenn es eine Strategie gibt, dann lautet sie "Nach mir die Sintflut".

Deswegen hat er nicht nur mehr Soldaten geschickt sondern schon 2009 das Datum für den Rückzugsbeginn im Juli 2011 verkündet. So kann man nicht gewinnen. Aber was jetzt passiert war lange angekündigt.

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