Zitat von HerrMan kann alles machen: den Bock zum Gärtner, Obama zum Friedensnobelpreisträger und Margot Käßmann zur "Lutherbotschafterin" der EKD.
Frau Käßmann wird getragen; ihre ikonenhafte Beliebtheit fungiert als die Rechtfertigung für das schlechte Gewissen des Einen oder Anderen. Es ist eine Flucht vor dem persönlichen Gott. Sie liefert die Rechtfertigung und der von mir sehr geschätzte H.M.Broder beweist, dass es einen Unterschied gibt, zwischen Show und Glaube. Manche nennen das Prinzipienfestigkeit, aber ich denke, es läuft auf das Gleiche hinaus. Oder etwas deutlicher, sie ist … worden. Grüße, Erling Plaethe
Zitat von HerrMan kann alles machen: den Bock zum Gärtner, Obama zum Friedensnobelpreisträger und Margot Käßmann zur "Lutherbotschafterin" der EKD.
Danke für diesen wieder einmal erhellenden Beitrag.
Ich habe ihn zum Anlaß genommen, nach der Aufzeichnung einer Sendung in Panzers "Nachtstudio" zu suchen, an die ich mich erinnerte; dort wurde über Luther diskutiert. Unter den Diskutanten war Käßmann, damals (am 5. Oktober 2008) noch nur Landesbischöfin. Und schon damals ging es um die Gestaltung des Lutherjahres 2017 durch die EKiD!
Ich habe mir dieses Video eben angesehen. Eine spannende Diskussion von drei Fachkleuten, die Informatives zu Luther zu sagen hatten. Und Käßmann.
Positiv überrascht war ich davon, daß sie sich bescheiden zurückgehalten hat. Aber ihre Luther-Rezeption fand ich schon damals sehr eigenartig, als ich die Sendung sah, und jetzt auch wieder: Irgendwie scheint Luther aus ihrer Sicht für alles das zu stehen, was sie gut findet - Demokratie, keine Angst, Mut gegen die Obrigkeit, gemeinsames Singen usw.
Das also wird vermutlich die Botschaft der künftigen Botschafterin sein.
Mit dem historischen Luther scheint mir das nur punktuell etwas zu tun zu haben; und Ihr Artikel, lieber Herr, bestärkt mich in diesem Verdacht.
Hier ein kleiner Auszug aus der Diskussion bei Panzer:
Zitat Käßmann: Also ich wollte nur sagen, daß Demokratie in der letzten Konsequenz ein Ausfluß dessen ist, daß der einzelne Mensch nachdenken darf, sich eine Meinung bilden darf, die auch im Gegensatz steht zur Obrigkeit. Das, würde ich sagen, ist dann in der säkularen Form eine Fortführung des reformatorischen Denkens. Aber das heißt nicht, daß es in der Demokratie keine Religion gibt. (...)
Otto Hermann Pesch: Wenn ich da auch noch mal einhaken darf: Also, man kann beim besten Willen Luther nicht für einen Demokraten halten.
Otto Hermann Pesch ist ein interessanter Mann: Lutherforscher, aber Katholik. Und als Katholik war er Professor an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Hamburger Universität.
Zitat von ZettelIrgendwie scheint Luther aus ihrer Sicht für alles das zu stehen, was sie gut findet - Demokratie, keine Angst, Mut gegen die Obrigkeit, gemeinsames Singen usw.
Das ist so typisch für die Mode-Linken (aber auch die orthodoxen Marxisten): Zielkonflikte und Widersprüche (hier in der Beurteilung einer Person) werden einfach ignoriert oder mit sprachlicher Eleganz weggezaubert.
Zitat von dirkDas ist so typisch für die Mode-Linken (aber auch die orthodoxen Marxisten): Zielkonflikte und Widersprüche (hier in der Beurteilung einer Person) werden einfach ignoriert oder mit sprachlicher Eleganz weggezaubert.
Man hätte auch an das Lutherjubiläum 1983 in der DDR erinnern können, wo Luther zum Vorläufer der proletarischen Revolution stilisiert werden sollte.
Zitat von dirkDas ist so typisch für die Mode-Linken (aber auch die orthodoxen Marxisten): Zielkonflikte und Widersprüche (hier in der Beurteilung einer Person) werden einfach ignoriert oder mit sprachlicher Eleganz weggezaubert.
Man hätte auch an das Lutherjubiläum 1983 in der DDR erinnern können, wo Luther zum Vorläufer der proletarischen Revolution stilisiert werden sollte.
Ich habe 1983 hier in Dresden die zehnte Klasse abgeschlossen und dann eine Berufsausbildung mit Abitur begonnen. 1988 habe ich ein Studium an der HAB in Weimar begonnen. Das Lutherjahr und die Reformation waren mithin Thema in Geschichte, Staatsbürgerkunde und im Pflichtfach Dialektischer und Historischer Materialismus an der Hochschule. Mich selbst hat das Thema Reformation brennend interessiert, deshalb habe ich noch relativ viele Erinnerungen daran.
Martin Luther wurde als sehr vielschichtige Persönlichkeit dargestellt, aber nicht als Vorläufer der proletarischen Revolution. Seine Schrift »Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern« aus der Zeit des Bauernkriegs wurde ausführlich besprochen und damit war ja schon klar, dass er kein Revolutionär im DDR-Sinne sein konnte. Diese Rolle blieb Thomas Müntzer vorbehalten.
Allerdings wurde die Reformation in den Lauf der Geschichte nach »marxistischer Ordnung« eingebaut. Nach dieser Theorie trug der Kampf gegen die Katholische Kirche zum Erstarken des Bürgertums und zur Ablösung des Feudalismus bei. In der DDR-Vorstellung von Geschichte musste es ja diese Abfolge geben: von der Sklavenhaltergesellschaft bis hin zur Diktatur des Proletariats und später zur klassenlosen Gesellschaft. Luther war also aus DDR-Sicht eine Art Werkzeug der Geschichte.
Aber es ging im Unterricht auch um seine Bibelübersetzung und die Grundzüge der Geschichte der Reformation (warum kam es dazu, was waren die Positionen der Reformatoren und der Vertreter der Gegenreformation). Die wenigen antisemitischen Äußerungen waren in der DDR kein Thema, wahrscheinlich waren sie damals den Lehrern auch kaum bekannt.
PS: Natürlich wurde das Lutherjahr auch politisch ausgeschlachtet. Einerseits hat die DDR damals einiges in die Stätten der Reformation investiert, andererseits wollte sie natürlich auch eine politische Rendite. Ich kann mich noch sehr genau an Gerald Götting erinnern, er war der Vorsitzende der Blockpartei CDU in der DDR. Es gab damals offizielle Treffen mit Erich Honecker, Gerald Götting und ranghohen Vertretern der Evangelischen Kirche.
Zitat von dirkDas ist so typisch für die Mode-Linken (aber auch die orthodoxen Marxisten): Zielkonflikte und Widersprüche (hier in der Beurteilung einer Person) werden einfach ignoriert oder mit sprachlicher Eleganz weggezaubert.
Man hätte auch an das Lutherjubiläum 1983 in der DDR erinnern können, wo Luther zum Vorläufer der proletarischen Revolution stilisiert werden sollte.
Aus Sicht der DDR-Offiziellen ging das damals aber gründlich daneben. Ich habe die Kirchentage im Lutherjahr 1983 als Geburtsstunde der DDR-Opposition in Erinnerung. Die evangelische Kirche öffnete sich gegenüber der meist säkularen Jugend und erhielt beträchtlichen Zulauf. Sie wurde zum öffentlichen Refugium für freies Denken. Pfarrer wie Hr. Simon von der Zionskirchgemeinde in Berlin, in dessen Gemeinderäumen die Umweltbibliothek untergebracht war, haben ohne viel Aufhebens, Großes für die Aufklärung in der ehemaligen DDR geleistet. Innerhalb der evangelischen Kirche hatten diese Pfarrer auf Grund ihrer Liberalität, mit erheblichem Wiederstand zu kämpfen, z.B. von Manfred Stolpe...
Zitat von stefanolixEinerseits hat die DDR damals einiges in die Stätten der Reformation investiert,
1983 war ich mal (zufällig, hatte nichts mit Luther zu tun) in Eisenach. An die Einzelheiten kann ich mich nicht mehr erinnern, aber der Eindruck war: ganz OK. 6 Jahre danach wieder dort. Man konnte trübsinnig werden. Zusammenfassung der optischen Eindrucks: vor einem Monat bombardiert. Ruinen schaffen ohne Waffen.
Zitat von stefanolixEinerseits hat die DDR damals einiges in die Stätten der Reformation investiert,
1983 war ich mal (zufällig, hatte nichts mit Luther zu tun) in Eisenach. An die Einzelheiten kann ich mich nicht mehr erinnern, aber der Eindruck war: ganz OK. 6 Jahre danach wieder dort. Man konnte trübsinnig werden. Zusammenfassung der optischen Eindrucks: vor einem Monat bombardiert. Ruinen schaffen ohne Waffen.
Sind sie mit einer Reisegruppe in Eisenach gewesen? Zu besonderen Anlässen gab das Regime der Evolution in der DDR temporär eine Fassade.
Zitat von ZettelOtto Hermann Pesch ist ein interessanter Mann: Lutherforscher, aber Katholik.
Was ist denn daran so überraschend?
Interessant, nicht unbedingt überraschend ist das, was Sie nicht zitieren, lieber Gorgasla: "Otto Hermann Pesch ist ein interessanter Mann: Lutherforscher, aber Katholik. Und als Katholik war er Professor an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Hamburger Universität."
Wie es dazu kam, hat er in dem Gespräch erwähnt: Er begann eine Disseration über den Begriff der Rechtfertigung bei Thomas und Luther. Eigentlich in der Absicht, als guter Katholik zu zeigen, daß das ganz verschiedene Konzepte gewesen seien und das von Thomas das richtige. Je mehr er las und an der Diss arbeitete, umso mehr erschloß sich ihm aber, daß die beiden gar nicht so gegensätzlich gewesen waren und daß Luther weitgehend Recht gehabt hatte.
Er wurde dann zu einem Verteidiger Luthers; für einen Katholiken schon interessant. Er verließ den Dominikanerorden und heiratete. Und er wurde eben Professor an einer Evangelisch-Theologischen Fakultät.
1983 gab es in Eisenach sehr viele Lutherbilder, Lutherhinweise. Zielgruppe: westliche "Luther-Touristen" (ca. 1 Mill.)
DDR-Geschichtsbuch Klasse 6 schon in der Auflage 1978 zu Luther: S. 186 "Alles drängte auf eine Revolution in der Gesellschaft hin. Martin Luther und Thomas Müntzer wurden zu Führern der Volksbewegung." S. 186-190 einigermaßen korrekte Darstellung der Lutherschen Reformation. Luther wird durch Engelszitat geehrt. S. 187 Luther "Eine Revolution wollte er niemals. Ihm genügten Reformen."
S. 191-202 Thomas Müntzer, Bauernkriege, Täuferbewegung, Michael Gaismair in Tirol... S. 203 Enttäuschung: Luther verbündet sich mit den Fürsten ---------
Zitat von Herr... Luther zum Vorläufer der proletarischen Revolution stilisiert
Ganz so plump lief das wohl nicht. Mir ist eher der merkwürdige Eindruck erinnerlich, wie mit nationalen Versatzstücken (insbesondere preußischer Herkunft) die DDR besser "grundiert" werden sollte. Damit auch das Selbsttor Luther-Gedächtnis 1983. In dem Theologischen Lexikon des Union-Verlages (1978) findet sich übrigens eine (für den Außenstehenden) scheinbar recht differenzierte Darstellung des kirchengeschichtlichen Hintergrundes. mfG
Zitat von stefanolixEinerseits hat die DDR damals einiges in die Stätten der Reformation investiert,
1983 war ich mal (zufällig, hatte nichts mit Luther zu tun) in Eisenach. An die Einzelheiten kann ich mich nicht mehr erinnern, aber der Eindruck war: ganz OK. 6 Jahre danach wieder dort. Man konnte trübsinnig werden. Zusammenfassung der optischen Eindrucks: vor einem Monat bombardiert. Ruinen schaffen ohne Waffen.
Sind sie mit einer Reisegruppe in Eisenach gewesen? Zu besonderen Anlässen gab das Regime der Evolution in der DDR temporär eine Fassade.
Nein, als Ossi brauchte ich keine Reisegruppe. Aber die Fassade war wirklich ganz gut. Umso größer das Entsetzen über die Ruinenlandschaft nur 6 Jahre später.
Zitat von HerrMan kann alles machen: den Bock zum Gärtner …
Nachdem ein Fußballreporter neulich in bester PC-Manier das Wort »Unglücksräbin« aus der Taufe gehoben hat, würde hier auch passen: »Die Ziege zur Gärtnerin …« ;-)
Zitat von ZettelIch habe mir dieses Video eben angesehen. Eine spannende Diskussion von drei Fachkleuten, die Informatives zu Luther zu sagen hatten. Und Käßmann.
Positiv überrascht war ich davon, daß sie sich bescheiden zurückgehalten hat. Aber ihre Luther-Rezeption fand ich schon damals sehr eigenartig, als ich die Sendung sah, und jetzt auch wieder: Irgendwie scheint Luther aus ihrer Sicht für alles das zu stehen, was sie gut findet - Demokratie, keine Angst, Mut gegen die Obrigkeit, gemeinsames Singen usw.
Das also wird vermutlich die Botschaft der künftigen Botschafterin sein.
Danke, lieber Zettel für dieses erhellende Video, das ich erst heute Abend anschauen konnte, denn eine Stunde YouTube erfordert bei mir fast drei Stunden Download ...
Ja, das war erhellend. Käßmann hat keine ganz schlechte Figur gemacht, aber es ist schon wahr: Für Demokratie und Mut gegen die Obrigkeit kann man Luther nur schlecht in Anspruch nehmen. Der Mut gegen die Obrigkeit bezieht sich bei ihm sehr streng allein auf Glaubens- und Gewissensfragen. Das wurde auch von den anwesenden Fachleuten nicht geradegerückt.
O. H. Pesch ist mir schon aus Studienzeiten bekannt. - Literarisch. Wobei ich damals den Eindruck hatte, dass er die Differenzen zu sehr eingeebnet hat: Augustin, Thomas, Luther - alles ein Thema: "Frei sein aus Gnade". Aber es ist wohl von seiner auch in der Talkshow erzählten Geschichte her verständlich: Da war einfach der faszinierende Eindruck, dass dieser Luther viel katholischer und viel weniger ketzerisch war, als er vermutet hatte.
Zitat von HerrJa, das war erhellend. Käßmann hat keine ganz schlechte Figur gemacht, aber es ist schon wahr: Für Demokratie und Mut gegen die Obrigkeit kann man Luther nur schlecht in Anspruch nehmen. Der Mut gegen die Obrigkeit bezieht sich bei ihm sehr streng allein auf Glaubens- und Gewissensfragen.
Ja, und das scheint mir - wenn ich es mit Ihrem Artikel verknüpfe - ein zentraler Punkt zu sein: Läuft Käßmanns Sicht auf Luther nicht am Ende darauf hinaus, ihn als einen Weltverbesserer wahrzunehmen, sozusagen einen Bruder im Geiste Thomas Müntzers? Und ihn als "Botschafterin" damit für die rotgrüne Linke zu vereinnahmen?
Ein Thema dieser Diskussion (einer der besten, die ich bei Panzer gesehen habe), das mich noch beschäftigt, ist der Zusammenhang zwischen Reformation und Konstitution des bürgerlichen Individuums. Dieses hatte sich im italienischen Humanismus (dem deutschen um vielleicht ein Jahrhundert voraus) ja doch schon so ziemlich herausgebildet, als Luther auf den Plan trat; jedenfalls, wenn man da Burkhard vertrauen kann. Was hat die Reformation dazu beigetragen?
Könnte man vielleicht sagen, daß der Zustand der Kirche, insbesondere der Kurie, um 1500 herum im Grunde nicht mehr auf der Höhe der Zeit war; noch ganz feudalistisch? Und daß die Reformation, wäre sie denn eine geworden und keine Abspaltung, so etwas wie ein Modernisierungsschub für die Kirche hätte sein können? Ihre Anpassung an den Geist der Zeit? Oder stand Luther doch eher gegen den Zeitgeist - nicht urban genug, wie Münkler meinte?
Zitat von HerrO. H. Pesch ist mir schon aus Studienzeiten bekannt. - Literarisch. Wobei ich damals den Eindruck hatte, dass er die Differenzen zu sehr eingeebnet hat: Augustin, Thomas, Luther - alles ein Thema: "Frei sein aus Gnade". Aber es ist wohl von seiner auch in der Talkshow erzählten Geschichte her verständlich: Da war einfach der faszinierende Eindruck, dass dieser Luther viel katholischer und viel weniger ketzerisch war, als er vermutet hatte.
So erschien mir das auch. Mit dieser interessanten Karriere ist Pesch sozusagen die personifizierte coincidentia oppositorum. Ein Rheinländer wie dieser Nikolaus; dort neigt man zur Versöhnung der Gegensätze.
Zitat von ZettelJa, und das scheint mir - wenn ich es mit Ihrem Artikel verknüpfe - ein zentraler Punkt zu sein: Läuft Käßmanns Sicht auf Luther nicht am Ende darauf hinaus, ihn als einen Weltverbesserer wahrzunehmen, sozusagen einen Bruder im Geiste Thomas Müntzers? Und ihn als "Botschafterin" damit für die rotgrüne Linke zu vereinnahmen?
Ein Weltverbesserer war er gerade dadurch, dass er von revolutionären Weltverbesserungen wenig erwartet hat.
Zitat von Zettel Ein Thema dieser Diskussion (einer der besten, die ich bei Panzer gesehen habe), das mich noch beschäftigt, ist der Zusammenhang zwischen Reformation und Konstitution des bürgerlichen Individuums. Dieses hatte sich im italienischen Humanismus (dem deutschen um vielleicht ein Jahrhundert voraus) ja doch schon so ziemlich herausgebildet, als Luther auf den Plan trat; jedenfalls, wenn man da Burkhard vertrauen kann. Was hat die Reformation dazu beigetragen?
Ich meine, den Gewissensbegriff, der bei Luther eine populäre Rolle spielt. Und damit zusammenhängend die individuelle Verantwortung in religiösen Dingen, die sich dann weiter ausweitet zur Eigenverantwortung für die gesamte Lebensführung: Ich stehe persönlich vor Gott, kann mich mit meiner Gewissensentscheidung nicht hinter Institutionen und Lehrentscheidungen verstecken. Das Bewusstsein der verantwortlichen Lebensführung wirkt weiter im bürgerlichen Pflichtbewusstsein und hat seine philosophische Spitzengestalt in der Unbedingtheit der kantischen Pflichtethik gefunden.
Zitat von Zettel Könnte man vielleicht sagen, daß der Zustand der Kirche, insbesondere der Kurie, um 1500 herum im Grunde nicht mehr auf der Höhe der Zeit war; noch ganz feudalistisch? Und daß die Reformation, wäre sie denn eine geworden und keine Abspaltung, so etwas wie ein Modernisierungsschub für die Kirche hätte sein können? Ihre Anpassung an den Geist der Zeit? Oder stand Luther doch eher gegen den Zeitgeist - nicht urban genug, wie Münkler meinte?
Ob die Kirche zu "feudalistisch" war, kann ich nicht sagen. Offenbar konnte sie sich aber mit der gewissermaßen von außen kommenden Individualkultur der Renaissance und des Humanismus wesentlich besser arrangieren als mit der religiösen Individualkultur, die an ihre Substanz ging. Ich bin mir aber nicht sicher, ob es das Unverständnis für die deutschen Befindlichkeiten und den religiösen Ernst eines Wittenberger Mönchs war, dass die Kirche am Entgegenkommen hinderte, oder aber die Befürchtung oder Ahnung, dass die Kritik dieses Ketzers sehr bald an die Grundfesten der Kirche rühren würde. Man weiß eben nicht, ob Luther sich bei einem Entgegenkommen in der Ablassfrage beruhigt hätte oder ob er nicht doch weiter fortgeschritten wäre zur Fundamentalkritik des Kirchen-, Amts- und Sakramentsverständnisses.
In diesem Zusammenhang verwundert es mich auch immer wieder, wie leicht und oberflächlich man (in diesem Fall wieder Käßmann) von gemeinsamer Eucharistie/Abendmahl schwafelt. Die fundamentalen Gegensätze im Glaubens-, Kirchen-, Amts- und Sakramentsverständnis sind da überhaupt nicht begriffen.
Zitat von HerrOffenbar konnte sie sich aber mit der gewissermaßen von außen kommenden Individualkultur der Renaissance und des Humanismus wesentlich besser arrangieren als mit der religiösen Individualkultur, die an ihre Substanz ging.
Exakt so. Auch Renaissance und Humanismus bedeuteten natürlich mittelfristig Sprengstoff für den Machtanspruch der Amtskirche - aber das war nicht so leicht vorhersehbar, und kurzfristig boten sie durchaus Vorteile.
Luther aber war eine direkte Gefahr für die Machtstrukturen. Und man darf nicht vergessen, daß es über die Generationen eine große Anzahl von Vorläufern gab, die alle von der Kirche bekämpft worden waren - und zwar erfolgreich. Daß die Unzufriedenheit inzwischen so verbreitet war, daß die gewohnten Maßnahmen nicht mehr griffen, das hat die Kirche natürlich überrascht und es dauerte Jahrzehnte, bis sie dagegen Rezepte fand. Und bis dahin war die Reformation gelaufen ...
Zitat In diesem Zusammenhang verwundert es mich auch immer wieder, wie leicht und oberflächlich man (in diesem Fall wieder Käßmann) von gemeinsamer Eucharistie/Abendmahl schwafelt. Die fundamentalen Gegensätze im Glaubens-, Kirchen-, Amts- und Sakramentsverständnis sind da überhaupt nicht begriffen.
Stimmt. Ich bin ja nun weitgehend Laie in theologischen Fragen. Aber so ein paar grundlegende Sachen sind schon hängen geblieben - und es irritiert mich schon, daß so viele studierte Amtsträger unserer Kirche diese Grundlagen offenbar nicht kennen.
Zitat von HerrIn diesem Zusammenhang verwundert es mich auch immer wieder, wie leicht und oberflächlich man (in diesem Fall wieder Käßmann) von gemeinsamer Eucharistie/Abendmahl schwafelt. Die fundamentalen Gegensätze im Glaubens-, Kirchen-, Amts- und Sakramentsverständnis sind da überhaupt nicht begriffen.
Also in meinem Laden stören die keinen.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
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