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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 40 Antworten
und wurde 2.427 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Johann Grabner Offline



Beiträge: 84

05.08.2011 17:26
#26 "Privat"bahnen Antworten

Zitat von R.A.
In der Folge gelang es dem Staat, die Eisenbahn über Jahrzehnte hinweg herunterzuwirtschaften und tief in die roten Zahlen zu fahren. Mit der Bahnreform in den 90er Jahren wurde das gestoppt. Und es wurden diverse Strecken reprivatisiert, bei denen die Staatsbahn erklärte, die wären unrentabel und müßten eingestellt werden. Die Privatbahnen, die diese Strecken übernommen haben, laufen in der Regel ganz gut ...



weil das alles subventioniert wird:

Zitat

Während der Schienenpersonenfernverkehr von jedem Eisenbahnverkehrsunternehmen eigenwirtschaftlich, also ohne staatliche Hilfe betrieben wird, wird der Schienenpersonennahverkehr überwiegend mit Hilfe der Regionalisierungsmittel finanziert. Sie stehen den Ländern vom Bund aus dem Mineralölsteueraufkommen aufgrund des Regionalisierungsgesetzes für die Bestellung der Nahverkehrsleistungen zur Verfügung. Das Land bzw. die Zweckverbände legen die Verkehrslinien, den Verkehrsumfang und weitere Kriterien wie Takte und Fahrzeuge fest. Auf dieser Basis ermitteln sie häufig durch Ausschreibungen das preiswerteste Angebot für eine Vertragslaufzeit (meist mehr als fünf Jahre). Daneben gibt es Direktvergaben und freihändige Vergabeverfahren.


http://de.wikipedia.org/wiki/Regionalisierungsgesetz

die Regionalbahnen werden bloß *betrieben* und das kostet die Länder bzw. den Bund Geld.

Zitat

Die landeseigene Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG) betreut seit 1996 eine Schienenstrecke von 3000 Kilometern, auf der täglich 300 000 Fahrgäste unterwegs sind. Vom Bund gibt es dafür „Regionalisierungsmittel“ von jährlich rund 600 Millionen Euro.


http://www.haz.de/Nachrichten/Politik/Ni...e-Bahnbetreiber

ob sich die Kostenvorteile der privaten Betreiber auch jetzt noch halten lassen, wird man sehen, denn:

Zitat

In dem Konflikt ging es um einen Tarifvertrag für die gesamte Branche, der verhindern soll, dass der Wettbewerb auf der Schiene über die Löhne ausgetragen wird. Dies ist im Nahverkehr, in dem inzwischen starker Wettbewerb herrscht, oftmals der Fall. Dabei gewinnen immer private Bahn-Betreiber die Ausschreibungen, die deutlich niedrigere Löhne als die Deutsche Bahn zahlen.


http://www.zeit.de/wirtschaft/unternehme...streit-einigung

wobei selbst ohne Lohndumping es sicher für die Dienstleistungsqualität förderlich ist, wenn der private Betreiber damit rechnen muß, daß sein Vertrag nicht verlängert wird. Die Amerikaner machen es in der Gegend um NY ja auch so: gebaut wird die Infrastruktur vom Staat, benutzt wird sie von privaten Bahngesellschaften. Ich glaube mich an 8 verschiedene Firmen zu erinnern. Es ist ja mittlerweile ein Folgeprojekt in Planung, mit welchen Unterschieden auch immer und kosten soll es fast 14 Mrd. und dann nützen die neue Infrastruktur eben die Privaten.

eine ähnliche Entwicklung gibt es auch bei den Internetprovidern. Private konzentrieren sich auf die Städte. Ein privater Internetprovider wird nie bis in den letzten Winkel des Landes Kabel verlegen. Auch Mobilfunker würden das nicht, hätten sie nicht in den Lizenzbedingugen eine Pflichtabdeckungsquote drin. Im kabelgebundenen Bereich tut das keiner, mittlerweile seit der Privatisierung der Telekom nicht mal mehr diese. Nur Telefonleitungen, weil sie dazu verpflichtet ist. DSL ins Dorf? rechnet sich nicht. Auch hier das gleiche Problem: die positive Externalität einen DSL-Anschluß zu haben ist hoch, aber in einem kleinen Dorf läßt sich das mit den Standardtarifen nicht reinholen. Daher hat zB Finnland beschlossen, das öffentlich zu fördern: http://www.kein-dsl.de/forum/archive/index.php/t-11430.html
es hat noch keiner besser hinbekommen. In Deutschland gibt es da auch Förderungen und Pläne zum Ausbau durch die öffentliche Hand: http://www.dslweb.de/dsl-news-aktuell/ds...n-09050802.html

bei den Kabeln ist es vielleicht sogar einsichtiger: in der Stadt erreiche ich mit einem Kilometer Kabel vielleicht 10000 Kunden, am Land möglicherweise nur 10. Für das Netzwerk wäre es von Vorteil, wenn jeder jeden erreichen könnte, aber die Rendite liegt halt in den Ballungsräumen. Es gibt in Deutschland ja 1000e Dörfer, die kein DSL haben und das baut auch keiner, außer man kann die positive Externalität abschöpfen, etwa so:

Zitat

Am Mittwoch diskutierten die Politiker im Wirtschaftsausschuss des Bundestages über ein Gesetz, welches eventuell eingeführt werden könnte, um Breitbandzugänge für alle zu gewährleisten. Doch vor allem viele kleine Gemeinden nehmen das Zepter selbst in die Hand und gehen andere Wege, um an das schnelle Internet angeschlossen zu werden. Da ein DSL Anschluss besonders für kleine Gemeinde meistens aus finanziellen Gründen nicht realisierbar ist, werden immer häufiger Kooperationen vereinbart. Allein mit der Deutschen Telekom wurden bereits 2.452 Kooperationen abgeschlossen. In diesem Fall werden die Kosten für den Ausbau zwischen der Telekom und der Kommune aufgeteilt. Die Voraussetzung für diese Kooperationen ist unter anderem, dass eine bestimmte Kundenzahl garantiert werden kann. Aber auch, wenn die Kosten für die Tiefbauarbeiten subventioniert werden, geht die Telekom eine Kooperation mit der Gemeinde ein.


http://www.top-dsl.com/gemeinden-in-der-...1307712208.html

und bei der Bahn ist das ähnlich. Nebenbahnen gehen ohne öffentliche Zuschüsse nicht.

lukas Offline



Beiträge: 261

05.08.2011 17:31
#27 Euro-Konstruktionsfehler Antworten

Zitat von R.A.

Zitat
Krugman warnt seit Jahren davor, dass der Euro eine Fehlkonstruktion ist.


Und da hat er unrecht.
Die Konstruktion des Euros (mit Bailout-Verbot) war völlig solide (jedenfalls nach den Maßstäben einer Zentralbankwährung). Im Prinzip sogar deutlich solider als die des US-Dollars.

Das Regierungsversagen in diversen Schuldenstaaten hat mit dem Euro nur sehr indirekt zu tun und ist der Euro-Konstruktion auf jeden Fall nicht anzulasten.




Wenn man das Regierungsverhalten vorhergesehen hat (und das war ja nicht furchtbar schwer, wenn man sich ansieht, wie etwa mit den Konvergenzkriterien umgegangen wurde), dann kann man das schon so sehen: In der Theorie solide, in der Praxis aus politischen Gründen weniger.

Eine absolute Monarchie kann ja auch etwas wunderbares sein, wenn der Souverän sich richtig verhält. Aber warum sollte er?

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

05.08.2011 17:53
#28 RE: "Privat"bahnen Antworten

Zitat von Johann Grabner
weil das alles subventioniert wird


Dazu hatte ich ja schon parallel geantwortet. Sowohl im subventionierten wie im normalen Bahnverkehr sind die Privaten besser als die Staatsbahn.

Und noch einmal: Die Bahnen in Deutschland waren alle mal privat und hoch profitabel. Sie wurden dann verstaatlicht und über Jahrzehnte heruntergewirtschaftet. Die derzeitigen massiven Verzerrungen durch Subventionen sind jedenfalls nicht unumgänglich, sondern Folge einer langen Fehlentwicklung.

Wir haben jetzt seit kurzem eine Umkehr und vorsichtige (und von den Linken stark behinderte) Schritte den Bahnverkehr wieder privatwirtschaftlich zu organisieren. Es wird noch lange Zeit brauchen, diesen Prozeß zu Ende zu führen - wenn die Politik das zuläßt.

Zitat
Ein privater Internetprovider wird nie bis in den letzten Winkel des Landes Kabel verlegen.


Für entsprechendes Geld macht er das schon.
Ansonsten sehe ich überhaupt keine vernünftige Begründung dafür, bis in den letzten Winkel subventionierte Internet-Leitungen zu verlegen. Das ist volkswirtschaftlich völlig unsinnig und höchst ungerecht gegenüber denen, die die Subventionen zahlen müssen.

Zitat
bei den Kabeln ist es vielleicht sogar einsichtiger: in der Stadt erreiche ich mit einem Kilometer Kabel vielleicht 10000 Kunden, am Land möglicherweise nur 10.


Für ein Kino, ein Schwimmbad oder eine Shopping-Mall habe ich in der Stadt vielleicht 10000 Kunden, am Land möglicherweise nur 10. Also werden sinnvollerweise alle diese teuren Einrichtungen in den Städten gebaut. In jedem 10-Einwohner-Dorf ein staatlich subventioniertes Kino vorzuhalten wäre ähnlich unsinnig und ungerecht wie die staatliche subventionierte Internet-Leitung.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

05.08.2011 17:56
#29 RE: Euro-Konstruktionsfehler Antworten

Zitat von lukas
Wenn man das Regierungsverhalten vorhergesehen hat ...


Da muß man unterscheiden.
Das griechische Regierungsverhalten war vorhersehbar. Deswegen gab es einen Risikoaufschlag für griechische Staatsanleihen. Und den vorhersehbaren Staatsbankrott hätte die Euro-Konstruktion locker weggesteckt, genau dafür gab es ja klare Regeln.

Nicht vorhersehbar war, daß eine deutsche Regierung so unfaßbar dumm sein würde, und die von ihr selber (respektive von ihrer Vorgängerregierung unter Kohl) zum Schutz deutscher Interessen eingebauten Vertragsregeln selber außer Kraft setzen würde und freiwillig die griechischen Schulden (und in Folge die anderer Staaten) bezahlen würde.

Die Bereitschaft von Frau Merkel, einige hundert Milliarden deutscher Steuergelder wegzuschenken war weder vorhersehbar noch hatte sie etwas mit der Euro-Konstruktion zu tun.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

05.08.2011 18:01
#30 RE: Kaputtsparen in der Praxis: der Hudson-Tunnel Antworten

Zitat von R.A.
aber diese Fördermittel werden zu gleichen und transparenten Konditionen an alle ÖV-Anbieter verteilt. Und die Privaten sind dabei erfolgreicher, auch auf Strecken, die die Bahn trotz der Fördermittel für unrentabel hielt.

Der Unterschied ist nicht zwischen privat und staatlich, sondern zwischen groß und klein anzusiedeln. Wenn man z. B. einige bayerische Regionalbahnen(die ehemals zu Arriva gehörten) anschaut, gehören die mittlerweile dem italienischen Staat, während die englischen Arriva-Busse und Bahnen jetzt der DB AG gehören.

Zitat
Es gibt nur wenige andere Betreiber, weil die Fernverkehrsstrecken nicht analog dem Nahverkehr ausgeschrieben werden und es für die private Konkurrenz nicht leicht ist, überhaupt eine Strecke betreiben zu können. Wo sie es tun, läuft es besser als bei der Staatsbahn.

Nicht nur wegen der Ausschreibungen, sondern vor allem, weil man im Fernverkehr vor allem mehr Rollmaterial braucht, was die Großen bevorzugt. Aber welches nichtstaatseigene Unternehmen außer Veolia (die die nötige Größe haben) tut das denn noch? Die meisten sind entweder Töchter von Staatsbahnen oder haben es wieder aufgegeben...

Gruß Petz

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

05.08.2011 18:15
#31 RE: Kaputtsparen in der Praxis: der Hudson-Tunnel Antworten

Zitat von Meister Petz
Der Unterschied ist nicht zwischen privat und staatlich, sondern zwischen groß und klein anzusiedeln.


Nun ja, angesichts der Ausgangslage mußten die Privaten natürlich alle klein anfangen, und in die Größenordnung der Staatsbahn kann gar keiner wachsen. Man wird sehen, wie sich die Szene weiterentwickelt.

Zitat
Wenn man z. B. einige bayerische Regionalbahnen(die ehemals zu Arriva gehörten) anschaut, gehören die mittlerweile dem italienischen Staat


Aber der Staatseinfluß ist sehr indirekt, sie agieren privatwirtschaftlich.

Was ja auch bei der Deutschen Bahn inzwischen so halbwegs funktioniert. Da hat sich sehr viel verbessert, ich fahre recht gerne damit (obwohl die Reste der alten Behördenmentalität einen immer wieder aufstöhnen lassen).

Entscheidend ist ohnehin der Wettbewerb zu fairen Bedingungen. Dann werden auch Staatsbetriebe munter (nur wird die staatliche Eigentümerschaft dann überflüssig). Und umgekehrt werden auch private Firmen sehr schnell eklig, wenn sie irgendwo ein Monopol kriegen.

Johann Grabner Offline



Beiträge: 84

05.08.2011 18:21
#32 RE: Kaputtsparen in der Praxis: der Hudson-Tunnel Antworten

Zitat von R.A.
Fakt ist also, daß die politisch Verantwortlichen viele, viele Projekte wichtiger finden als den Tunnel.


Zitat

Mr. Christie admitted that the cancellation would be costly but he said it would be more prudent for the state to withdraw sooner rather than later. He said he also expected to be able to redirect the Port Authority’s $3 billion to other projects in the state, though he did not identify any.


http://www.nytimes.com/2010/10/08/nyregion/08tunnel.html

und da die Arbeitslosigkeit noch im Juli 2011 höher war als der Bundesdurchschnitt:

Zitat

TRENTON, July 21, 2011 – June preliminary estimates showed that private sector employment in New Jersey continued an encouraging trend, as employers added 6,400 private sector jobs over the month — the fifth consecutive month of private sector job gains. Overall, employment rose by 1,700 jobs, as public sector employment declined by 4,700.


http://lwd.state.nj.us/labor/lwdhome/pre...nt_release.html

und auf diesem hohen Niveau verharrt: http://www.google.com/publicdata/explore...rate+new+jersey

hat es offenbar keine anderen Projekte gegeben.

Zitat
Aber es kann bestimmt nicht vernünftig sein ein Projekt, das so weit unten in der Prioritätenliste steht, über zusätzliche Verschuldung zu realisieren.


warum nicht? es gibt genügend Arbeitslose und darunter eine stark steigende Zahl von Langzeitarbeitslosen.

Zitat

The average duration of unemployment rose for the third straight month and is now at a record 40.4 weeks—about 10 months and now double where it was when President Obama took office in January 2009. The total number unemployed for more than half a year now stands at 6.18 million, 130 percent higher than when the president’s term began.


http://www.cnbc.com/id/44033486

das Projekt hätte 9.000 Menschen Arbeit gegeben. Stattdessen

Zitat

the contractors hired to dig the tunnel will soon start laying off workers.


http://www.nytimes.com/2010/10/08/nyregion/08tunnel.html

daß ich es für unmoralisch und barbarisch halte, tausende Menschen zu entlassen, nur um einer Ideologie zu huldigen, so ist es auch ökonomisch fatal. je länger die Arbeitslosigkeit dauert, umso schwerer werden die Menschen wieder in den Arbeitsmarkt integrierbar. Fähigkeiten gehen verloren. Deshalb war zB die Kurzarbeit in Deutschland so ein Erfolg: der Staat hat zugeschossen, damit verhindert wird, daß Menschen gänzlich aus dem Arbeitsprozeß fallen. Gibt es in den USA - natürlich - auch nicht, man muß ja sparen...

über Kriminalität weiß ich zu wenig, aber es klingt nachvollziehbar, daß ich mir mit so hoher Arbeitlosigkeit auch mehr Kriminalität einhandle.

es ist für mich nicht zu begreifen, wie man wieder sehenden Auges die Depression der 30er Jahre herbeibeschwört. Als wir in den ersten Semestern VWL Dinge wie das hier gelesen haben:

Zitat

In June 1937, the Roosevelt administration cut spending and increased taxation in an attempt to balance the federal budget. The American economy then took a sharp downturn, lasting for 13 months through most of 1938. Industrial production fell almost 30 per cent within a few months and production of durable goods fell even faster. Unemployment jumped from 14.3% in 1937 to 19.0% in 1938, rising from 5 million to more than 12 million in early 1938.[84] Manufacturing output fell by 37% from the 1937 peak and was back to 1934 levels.[85]


http://en.wikipedia.org/wiki/Great_Depression

da hat sich jeder gefragt, wie man so dumm sein kann. "in an attempt to balance the federal budget" - wozu zum Teufel? es konnte sich keiner erklären

Zitat

Ignoring the pleas of the Treasury Department, Roosevelt embarked on an antidote to the depression, reluctantly abandoning his efforts to balance the budget and launching a $5 billion spending program in the spring of 1938, in an effort to increase mass purchasing power.



ich hätte nie geglaubt, daß wir das noch jemals erleben würden. Wozu hebt man sich denn so viel auf wenn man nichts aus der Geschichte lernt? über die nächsten 60 Jahre lief es ja auch gut aber irgendwie sind jetzt grundlegende Erkenntnisse verloren gegangen.

btw. das WSJ erkennt, daß wir in einer Liquiditätsfalle stecken: http://blogs.wsj.com/economics/2011/08/0...liquidity-trap/ 3(!) Jahre, nachdem Prof. Krugman erkannt hat, daß wir kurz davor stehen: http://krugman.blogs.nytimes.com/2008/03...liquidity-trap/ es ist dermaßen viel Geld vorhanden, daß die Banken effektiv sagen: wir wollen euer Geld nicht, wir wissen selbst nicht, was wir damit tun sollen. die Konsumenten wollen Schulden abbauen, sind arbeitslos und haben Angst vor der Zukunft, die Unternehmen sitzen auf Bergen von Geld und wollen nicht investieren und der Staat ... spart. Unfassbar.

Die Zinsen sind übrigens in den USA und UK real schon lange negativ, kurzfristige bis 7jährige: http://krugman.blogs.nytimes.com/2011/07...ke-their-money/ seit zwei Tagen auch die 10jährigen. Und es gibt allen ernstes noch immer Menschen, darunter Inhaber renommierter Lehrstühle, die - zumindest war das noch vor einigen Wochen so - behaupten, wenn der Staat jetzt spart, dann würde die Zuversicht steigen, würden die privaten Investitionen angeregt werden. Wie deutlicher kann man es noch machen, daß die Menschen NICHT KONSUMIEREN WOLLEN, daß die Firmen NICHT INVESTIEREN WOLLEN, daß die alle lieber Staatsanleihen mit 0% und damit NEGATIVER Verzinsung kaufen.

2001 sagte der ehem. Bundesbankpräsident Pöhl dem Spiegel:

Zitat

Pöhl: Keynes war kein Dirigist. Keynes war ein Liberaler. In der Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre war für eine Zeit lang nur der Staat überhaupt in der Lage zu investieren. Davon sind wir heute weit entfernt.


http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-20462164.html

wenn wir aktuell nicht wieder die gleiche Weltwirtschaftskrise haben, wann dann? bis vielleicht in China auch die Immobilienblase platzt? In Australien ist es ja bald soweit.

Johann Grabner Offline



Beiträge: 84

05.08.2011 18:48
#33 RE: Kaputtsparen in der Praxis: der Hudson-Tunnel Antworten

Zitat von R.A.

Zitat
Krugman warnt seit Jahren davor, dass der Euro eine Fehlkonstruktion ist.


Und da hat er unrecht.
Die Konstruktion des Euros (mit Bailout-Verbot) war völlig solide (jedenfalls nach den Maßstäben einer Zentralbankwährung). Im Prinzip sogar deutlich solider als die des US-Dollars.



oh nein, nicht das auch noch. Der Euro muß in der gegenwärtigen Form auseinanderfallen. Es hat nichts mit den Maastricht-Kriterien zu tun, wie ökonomische Schocks die Regionen treffen. Spanien hatte perfekte Zahlen, etwa Staatsverschuldung 2007: 40% des BIP: http://krugman.blogs.nytimes.com/2011/05...ain-in-spain-3/
Budgetüberschüsse von 2004-2006 bis zu 2%, von 2000-2004 fast ausgeglichenes Budget, jedenfalls nie weniger als -1%: http://krugman.blogs.nytimes.com/2010/02...-of-a-euromess/

die waren Maastricht-perfekter als Deutschland. Und was hat es ihnen geholfen? nix, weil die Immobilienblase dort voll zugeschlagen hat. Kann man natürlich sagen selbst schuld, aber das waren alles private Entscheidungen, es gab in Spanien keine besonderen Förderungen des privaten Hausbaues wie es sie Deutschland mit der Eigenheimförderung nicht hätte. Und 8 Jahre, von der Einführung des Euro 1999 weg ist es ja super gelaufen.

Irland ist das gleiche Thema, die waren regelrecht Musterschüler, jahrelang Budgetüberschüsse: http://carnegieendowment.org/2010/05/13/...le-to-broke/nk1 und wenig Staatsverschuldung. heute im Rettungsschirm.

Anderseits hat Deutschland über Jahre -4% Defizit eingefahren und eine Verschuldung über der Maastricht-Grenze und steht heute 1a da.

die Maastricht-Kriterien sind mit Verlaub für den Hugo.

Und ohne Vergemeinschaftung und Finanzausgleich funktionieren ja nicht mal kleine Länder. Selbst im kleinen Österreich werden strukturschwache Bundesländer dauerhaft durch den Bund unterhalten, das Burgenland zu Beispiel. Und Deutschland hat nicht nur das Nord-Süd-Gefälle, wo es einen permanenten Finanztransfer zwischen Nettozahlern wie Bayern und ewig klammen Nettoempfänger wie Bremen gibt, sondern das größte keynesianische Staatsinvestitionsprogramm in Europa, die Aufbauhilfe Ost, ist auch auf Deutschem Boden bis heute noch im Gage.

Und das wird auf EU-Ebene ebenso nötig. Es gibt ja jetzt schon Regionalförderung aus EU-Töpfen, nur ist das halt viel zu wenig. Griecheland und Portugal werden wahrscheinlich immer Nettoempfänger sein, so wie New Mexico seit ich zurücksehen konnte (1981) Nettoempfänger im US-Finanzausgleich ist; Und wann hat Bremen zuletzt weniger Geld vom Bund erhalten als es eingezahlt hat?

Zitat

Zitat
Natürlich kann nicht nur der Staat für Wachstum sorgen. Aber staatliche Ausgaben sind nun mal eine Tatsache, und wenn die gekürzt werden, dann sorgt das - ceteris paribus - für ein geringeres Wachstum.


Überhaupt nicht, das ist ein typisches Bastiat-Problem. Wenn die staatlichen Ausgaben nicht stattfinden, dann sind nämlich mehr private Ausgaben möglich. Und die sorgen meist für ein deutlich solideres Wachstum.



da kann ich nichts seriöses mehr dagegen sagen. Es gibt eine Realität - Negativzinsen, Angstsparen, hohe Arbeitslosigkeit - und offenbar eine andere Realität, wo es "mehr private Ausgaben" gibt. In meiner Realität parken die Menschen ihr Geld lieber mit Negativzinsen auf Konten und halten Staatsanleihen mit Nullzinsen und das seit 3(!) Jahren aber in einer anderen gibt es halt "mehr private Ausgaben". Wo auch immer die sind. In den USA sind sie nicht, in Spanien sind sie nicht, in Griechenland sind sie nicht, in Irland sind sie nicht, in Italien sind sie nicht und selbst der Deutsche Michel legt 11% und damit ca. 11% zu viel auf die Seite, Altersvorsorge, you know. Aber sie sind halt irgendwo, diese "mehr privaten Ausgaben". Und dort haben wir dann halt auch eine USA mit Vollbeschäftigung.

Natürlich kann man in einer Scheinwelt alle Gesetze der Ökonomie aushebeln. Aber das halte ich für Zeitverschwendung.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

05.08.2011 21:19
#34 RE: Kaputtsparen in der Praxis: der Hudson-Tunnel Antworten

Zitat von Johann Grabner
Es hat nichts mit den Maastricht-Kriterien zu tun, wie ökonomische Schocks die Regionen treffen.


Das ist richtig.
Ich halte die Maastricht-Kriterien auch für recht unnütz, sie wurden ja auch nie konsequent angewandt.

Was ich mit guter Euro-Konstruktion meine, das ist das Bailout-Verbot. Die Staaten stehen NICHT gegenseitig für Schulden ein und die EZB durfte auch keine Staatsschulden unterstützen. Das war sehr vernünftig, und eben auch besser als beim Dollar.

Ob die Staaten sich dann verschulden sollte ihre eigene Entscheidung sein. Sie müssen halt Gläubiger finden, die ihnen Geld anvertrauen. Und dann die Folgen tragen, wenn es schief geht.

Zitat
Spanien hatte perfekte Zahlen, etwa Staatsverschuldung 2007: 40% des BIP


Ja, da hatte die alte Regierung über lange Jahre sorgsam gewirtschaftet und die Verschuldung abgebaut. Und in wenigen Jahren war Zapatero dann wieder bei 60%. Da ist der Staat gigantisch in die Neuverschuldung gegangen, um Keynes zu spielen. Und jetzt ist die Misere da - und es scheint irgendwie keine gute Idee zu sein, noch einmal 20% neue Schulden drauf zu packen.

Zitat
es gab in Spanien keine besonderen Förderungen des privaten Hausbaues


Doch, doch, der Erwerb von privatem Wohneigentum kann recht hoch von der Steuer abgesetzt werden. Und es gab wohl auch irgendwelche Hypothekengarantien à la USA, nicht umsonst ist die Eigentumsquote in Spanien erstaunlich hoch - selbst Geringverdiener haben sich Wohnungen zulegen können.

Zitat
die Maastricht-Kriterien sind mit Verlaub für den Hugo.


Zustimmung. Und sie sind für die Euro-Stabilität eigentlich irrelevant.

Zitat
Und ohne Vergemeinschaftung und Finanzausgleich funktionieren ja nicht mal kleine Länder.


Nur weil das in diversen Ländern so gemacht wird heißt das noch lange nicht, daß es nur so funktioniert. Im Gegenteil ist der bundesdeutsche Finanzausgleich ein geradezu abschreckendes Beispiel, wie solche Transfers die Zahler schädigen und die Empfänger in ihren Strukturschwächen konservieren - also die Probleme langfristig vergrößern. Länder wie Bremen oder Berlin leisten sich Sozialmaßnahmen, von denen andere Bundesländer nur träumen können. Und vernachlässigen konsequent ihre Wirtschaft.

Zitat
Und das wird auf EU-Ebene ebenso nötig.


Man kann das wollen, aber nötig ist es nicht, auch nicht für den Euro.

Zitat
Es gibt eine Realität - Negativzinsen, Angstsparen, hohe Arbeitslosigkeit - und offenbar eine andere Realität, wo es "mehr private Ausgaben" gibt.


Wir haben nur eine Realität, und das ist die, die von den politischen (Fehl-)Entscheidungen der letzten Jahre geprägt wurde. Und in der seit drei Jahren geradezu hysterisch von Medien und Politikern die Katastrophe beschworen wird, die jeden Moment eintreten kann, wenn nicht heldenhafte Regierungen sich im letzten Moment dazwischen werfen und die armen kleinen Bürger vor den raffgierigen Finanzhaien retten würden.
In dieser Realität lassen sich zwar die Menschen nicht von der Hysterie ins Bockshorn jagen und sehen, daß die Krise weitgehend überwunden ist (und die Arbeitslosigkeit zurückgeht). Aber es bleibt tiefe Skepsis weil man sieht, wie in kürzester Zeit hunderte von Milliarden an Steuergeldern verfeuert wurden. Es ist zwar nicht sehr vernünftig, in dieser Situation Geld aufs Konto zu legen - aber große Investitionsbereitschaft können Sie auch nicht erwarten, dafür sind die politischen Rahmenbedingungen zu unklar. Die ganz wesentliche und notwendige politische Rahmenbedingung für solides Wirtschaftswachstum ist Zuverlässigkeit. Die ist ziemlich kaputt gemacht worden.

Zitat
selbst der Deutsche Michel legt 11% und damit ca. 11% zu viel auf die Seite


11% sind angesichts der aktuellen Risiken nicht unangemessen. Das Problem ist nur, daß die Leute zu Recht Angst haben, daß die staatliche Altersversorgung ihre Versprechen nicht halten kann. Aber sie sehen nicht, daß Geldanlagen in staatlichen Anleihen genau dieselben Risiken haben.

Auf jeden Fall: Sie kommen nicht darum herum, daß die eher zurückhaltende deutsche Linie in Bezug auf "Konjunkturpakete" recht erfolgreich war und die Vergleichsländer mit großen Staatseingriffen recht trübe dastehen - die USA an der Spitze.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

05.08.2011 21:58
#35 RE: Kaputtsparen in der Praxis: der Hudson-Tunnel Antworten

Zitat von Johann Grabner
das Projekt hätte 9.000 Menschen Arbeit gegeben.


Macht etwa 600.000 $ pro Nase für einige Jahre Beschäftigung. ...

Zitat
es ist für mich nicht zu begreifen, wie man wieder sehenden Auges die Depression der 30er Jahre herbeibeschwört.


Exakt die Erfahrungen von damals zeigen, daß kurzfristige Konjunkturmaßnahmen à la Keynes die Katastrophe erst richtig anheizen. Man hat einen Strohfeuer-Effekt, aber die eigentliche Strukturerholung wird blockiert und die Misere verlängert.

Man muß sich schon mal den genauen Zeitablauf damals anschauen: Der Crash war ja schon 1929. Und sorgte für eine weltweite Wirtschaftskrise.
Die meisten anderen Länder hatten sich schon Mitte der 30er Jahre wieder halbwegs herausgearbeitet.
Insbesondere auch das besonders hart getroffene Deutschland, in dem Brüning eben mit einer klaren Sparpolitik die Grundlagen für den Aufschwung legte (den sich dann Hitler auf die Fahnen schrieb - die Wirkungen solcher großen Wirtschaftsmaßnahmen brauchen ja immer einige Jahre).
http://www.ef-magazin.de/2011/05/23/3000...rtschaftswunder

Nur in den USA dagegen war es die "Great Depression", die durch den New Deal und die Vorläuferprogramme dauernd noch verlängert wurde und erst in den 40er Jahren überwunden wurde!

Zitat
Als wir in den ersten Semestern VWL Dinge wie das hier gelesen haben:


Ich weiß nicht, wann das war. Aber zum Thema Weltwirtschaftskrise gibt es deutliche Erkenntnisfortschritte.
http://www.forum-ordnungspolitik.de/zur-...t-nur-der-staat

Zitat
In June 1937, the Roosevelt administration cut spending and increased taxation in an attempt to balance the federal budget. The American economy then took a sharp downturn, lasting for 13 months through most of 1938. Industrial production fell almost 30 per cent within a few months and production of durable goods fell even faster. Unemployment jumped from 14.3% in 1937 to 19.0% in 1938, rising from 5 million to more than 12 million in early 1938.[84] Manufacturing output fell by 37% from the 1937 peak and was back to 1934 levels.[85]


Wohlgemerkt: 1937!
Nach acht Jahren Rumprobieren mit Konjunkturprogrammen!
Da war dann Roosevelt mit seinem Latein am Ende und hat die Sparmaßnahmen eingeleitet, die Brüning schon gleich 1929 durchgeführt hatte. Natürlich gibt das erst einmal eine schmerzhafte Anpassung - aber bei so einer großen Krise geht es eben nicht anders.

Zitat
Ignoring the pleas of the Treasury Department, Roosevelt embarked on an antidote to the depression, reluctantly abandoning his efforts to balance the budget and launching a $5 billion spending program in the spring of 1938, in an effort to increase mass purchasing power.


Und dann wieder Vollgas in die Gegenrichtung. So weit zum Thema "Zuverlässigkeit der politischen Rahmenbedingungen". Geholfen hat es natürlich wieder nichts.

Zitat
btw. das WSJ erkennt, daß wir in einer Liquiditätsfalle stecken: http://blogs.wsj.com/economics/2011/08/0...liquidity-trap/ 3(!) Jahre, nachdem Prof. Krugman erkannt hat, daß wir kurz davor stehen: http://krugman.blogs.nytimes.com/2008/03...liquidity-trap/ es ist dermaßen viel Geld vorhanden, daß die Banken effektiv sagen: wir wollen euer Geld nicht, wir wissen selbst nicht, was wir damit tun sollen. die Konsumenten wollen Schulden abbauen, sind arbeitslos und haben Angst vor der Zukunft, die Unternehmen sitzen auf Bergen von Geld und wollen nicht investieren und der Staat ... spart.


Jetzt mal langsam!
Der US-Staat hat NICHT gespart. Die Entscheidung z. B. in New Jersey ist ganz frisch. Die Absichtserklärung im Deal Obama-Reps war letzte Woche.

Vorher ist eben drei Jahre genau passiert, was Krugman fordert: Der Staat hat Unmengen Schulden aufgenommen und das Geld für "Konjunkturförderung" verwendet. Und das Ergebnis ist ein Desaster! So deutlich hat man überhaupt noch nie demonstriert bekommen, daß Konjunkturpakete nicht funktionieren!

Zitat
Und es gibt allen ernstes noch immer Menschen, darunter Inhaber renommierter Lehrstühle, die - zumindest war das noch vor einigen Wochen so - behaupten, wenn der Staat jetzt spart, dann würde die Zuversicht steigen, würden die privaten Investitionen angeregt werden.


Das ist auch richtig so. Wenn der Staat glaubhaft versichert, daß er nicht weiter Vollgas Richtung Pleite schlittert, sondern wieder solide wirtschaften wird - DANN kann man wieder über echte Investitionen nachdenken.

Zitat
Wie deutlicher kann man es noch machen, daß die Menschen NICHT KONSUMIEREN WOLLEN, daß die Firmen NICHT INVESTIEREN WOLLEN, daß die alle lieber Staatsanleihen mit 0% und damit NEGATIVER Verzinsung kaufen.


Sie wollen nicht, solange sie ihre Zukunft in den Händen einer Regierung sehen, die finanzpolitisch durchdreht. Die Billionen raushaut als gäbe es kein Morgen mehr. Die sich über die Begleichung dieser Schulden überhaupt keine Gedanken macht!

Und das blenden Sie offenbar auch aus. Ich verweise auf meine Frage von 17:09: Gehen Sie wirklich davon aus, daß man die Geldgeber (die Chinesen) um die Rückzahlung prellen sollte und darf?

Die Menschen in den USA gehen jedenfalls nicht davon aus. Die rechnen damit, daß jeder jetzt geliehene Dollar komplett und mit Zinsen zurückbezahlt werden wird - und daß das ziemlich bitter sein wird für die amerikanischen Steuerzahler. Und deswegen haben sie Angst und halten ihr Geld zusammen.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

05.08.2011 23:01
#36 Allgemein zu Konjunkturprogrammen Antworten

Ich hatte von neuerer Forschung zur großen Weltwirtschaftskrise geschrieben, die heute deutlich anders beurteilt wird als wir das z. B. in der Schule gelernt haben. Leider kann ich dazu keine direkten Literaturlinks angeben. Meine wesentlichen Informationen dazu habe ich aus dem exzellenten Podcast "Econ Talk", in dem Prof. Roberts ausführlich diverse Wissenschaftler interviewt. Sehr gut verständlich (leider in Englisch), aber man muß sich das halt anhören. Die Transkripte geben einen gewissen Eindruck, können aber den gesprochenen Text nicht ersetzen.
Eine spezielle Reihe von Econ Talk beschäftigt sich mit der Great Depression und den Parallelen zu heute:
http://www.econtalk.org/archives/great_depressio/

Nur zwei Aspekte, die ich dort mitgenommen habe:

Die Beschäftigung über Konjunkturprogramme ist deswegen tendenziell schädlich für die langfristigen Aussichten, weil damit Strukturanpassungen verhindert/verzögert werden.
Eine Krise ist ja meist Folge eines Crashs, des Platzens einer Blase, des Zusammenbruchs eines Sektors, der überhitzt war.
Klassisches Beispiel: Die Baubranche in den Ländern, in denen es eine Immobilienblase gab (USA, UK, Irland, Spanien). Da sind definitiv zu viele Kapazitäten und Arbeitskräfte in der Baubranche, die müssen schnellstmöglich in andere Sektoren umgeleitet werden. Und das passiert natürlich nicht, wenn der Staat die überzähligen Kräfte mit künstlicher Nachfrage weiter in ihren eigentlich obsolet gewordenen Jobs festhält.
(Eine Überbrückung per Kurzarbeit dort, wo nur vorübergehende Nachfrageschwäche herrscht ist dagegen etwas anderes und kann eher positiv wirken).

Die Wirkung eines Konjunkturpakets hängt stark davon ab, ob das Paket als ein solches von der Bevölkerung erkannt wird und damit deren Zukunftsplanung beeinflußt.
Es gibt durchaus Beispiele, wo staatliche Eingriffe die gewünschte Spirale in Gang setzen: Es werden mehr Arbeitskräfte beschäftigt, die geben ihr Geld dann wieder aus, das fördert allgemein Einkommen und Zuversicht und das hilft dann bei der Erreichung eines selbsttragenden Aufschwungs.
Ganz anders ist es dagegen, wenn die Regierung das Konjunkturpaket groß ankündigt und damit glaubt, den Laden in Schwung zu bringen. Der direkte Effekt der (temporären) Einstellung von Arbeitskräften funktioniert natürlich auch. Aber ansonsten ist die Wirkung eher kontraproduktiv:
- Alleine die Verkündung solcher Pakete wird (zu Recht) allgemein als Beleg gewertet, daß die Krise ernst und anhaltend ist. Am Anfang einer Krise mag das wenig schaden, weil das ja auch der Lage entspricht. Aber wenn eigentlich schon eine Besserung möglich wäre, wirken zusätzliche Pakete verheerend auf die Stimmung.
- Die Leute wissen natürlich, daß ein Paket eine vorübergehende Maßnahme ist, daß der Effekt bald wieder nachlassen wird. D.h. nicht nur die vorübergehend eingestellten Arbeitskräfte halten sich mit den Ausgaben sehr zurück, sondern die restliche Wirtschaft nimmt positive Zeichen (z. B. steigende Umsätze) nicht als Vorboten einer Erholung, sondern als begrenzte Folge des Staatspakets. Belebungstendenzen brauchen also viel länger, um sich durchzusetzen.
- Die Leute wissen, daß die Schuldenfinanzierung solcher Maßnahmen immer ein dickes Ende nach sich ziehen muß. Nach dem Motto: "Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen". Damit steigt die Spar- und sinkt die Investitionsbereitschaft. Und das ist ein allgemeiner Effekt über alle Wirtschaftssektoren, während selbst große Konjunkturpakete nur begrenzt einige Sektoren "stimulieren" können.

Wie bei vielen politischen Maßnahmen funktionieren Konjunkturpakete also deshalb nicht nach Lehrbuch, weil die Menschen sich auf veränderte politische Rahmenbedingungen einstellen und immer anders reagieren als vor der Maßnahme. Die Politik rennt immer den von ihr selber verursachten Effekten hinterher.

Vogelfrei ( gelöscht )
Beiträge:

06.08.2011 09:01
#37 RE: Kaputtsparen in der Praxis: der Hudson-Tunnel Antworten

Zitat von Johann Grabner
Natürlich kann man in einer Scheinwelt alle Gesetze der Ökonomie aushebeln. Aber das halte ich für Zeitverschwendung.


Wenn dem so ist, so frage ich mich, was treibt Sie dann dazu, ein ums andere Mal Ihre - sagen wir mal, interessant-kuriosen - Beiträge zu verfassen? Gerade Ihre Vorstellung des Geldkreislaufes hat mich schwer beeindruckt.

Grüße

~~~
Die zunehmende Armut, welche allenthalben beklagt wird, scheint mir zuvörderst geistiger Natur.

Michel Offline



Beiträge: 265

06.08.2011 12:14
#38 RE: Kaputtsparen in der Praxis: der Hudson-Tunnel Antworten

Zitat
So deutlich hat man überhaupt noch nie demonstriert bekommen, daß Konjunkturpakete nicht funktionieren!



Doch in Japan der 1990er hat man es noch deutlich demonstriert bekommen. Dort führten empirischen Untersuchungen zufolge alle Ausgabenprogramme zu einem vollständigen crowding-out, obwohl sich das Land in einer Liquiditätsfalle befand. Meines Erachtens zeigt das sehr deutlich, dass zumindest unter den gegenwärtigen Bedingungen Keynesianismus nichts weiter als Voodoo ist. Das ist auch naheliegend, da den Keynianischen Modellen zugrundeliegen, die auf längerer Sicht nicht mehr zutreffend sind.

Michel Offline



Beiträge: 265

06.08.2011 12:21
#39 RE: Kaputtsparen in der Praxis: der Hudson-Tunnel Antworten

Zitat
der Deutsche Michel legt 11% und damit ca. 11% zu viel auf die Seite



Was Sie sagen ist doch Wahnsinn. Langfristig sind es die Investitionen, die über das Wachstum bestimmen und die gibt es nun mal nicht ohne Ersparnis. Oder wollen sie wieder die Chinesen prellen? 11% sind absolut angemessen, Japan hatte in seiner Hochwachstumsphase wesentlich höhere Sparquoten. Problematisch ist nie die absolute Höhe der Sparquote sonder zu starke Veränderungen derselben.

Eva Ziessler Offline



Beiträge: 14

06.08.2011 13:26
#40 RE: Allgemein zu Konjunkturprogrammen Antworten

Zur Weltwirtschaftskrise und speziell zur Great Depression kann man das Buch von Amity Shlaes "The forgotton man" lesen, das 2007 rausgekommen ist. Shlaes ist Historikerin, schreibt aber hier eine Art Krimi mit sehr pointierten Feststellungen zu den Ursachen der Depression: Zuviel Staatsintervention. Der Staat zwang zum Beispiel die Bauern, mehr als 30 Millionen Schweine zu schlachten und zu verbrennen--damit die Schweinepreise nicht fallen. Außerdem gab's unzählige staatliche Preisfestsetzungen (zum Beispiel für Kleiderreinigungsgeschäfte) und andere Regulierungen: Hühnerverkäufer durften ihre Kunden das Huhn, das sie kaufen wollten, nicht aussuchen lassen. Einem New Yorker Hühnerhändler, Herrn Schaechter, wurde, weil er dagegen verstieß, von den Ordnungsbehörden (diese Gesetze wurden auch angewandt und standen nicht etwa nur auf dem Papier)ein sehr hohes Bußgeld auferlegt. Er nahm es auf sich, diese Sache gerichtlich auszufechten--bis zum Obersten Gerichtshof, wo er nach ein paar Jahren schließlich recht bekam.--Soviel nur, um zu zeigen, daß Shlaes sehr anschaulich und spannend und kein bißchen trocken die Sache ananlysiert.

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

06.08.2011 16:08
#41 RE: "Privat"bahnen Antworten

Zitat


Zitat
Am Mittwoch diskutierten die Politiker im Wirtschaftsausschuss des Bundestages über ein Gesetz, welches eventuell eingeführt werden könnte, um Breitbandzugänge für alle zu gewährleisten. Doch vor allem viele kleine Gemeinden nehmen das Zepter selbst in die Hand und gehen andere Wege, um an das schnelle Internet angeschlossen zu werden. Da ein DSL Anschluss besonders für kleine Gemeinde meistens aus finanziellen Gründen nicht realisierbar ist, werden immer häufiger Kooperationen vereinbart. Allein mit der Deutschen Telekom wurden bereits 2.452 Kooperationen abgeschlossen. In diesem Fall werden die Kosten für den Ausbau zwischen der Telekom und der Kommune aufgeteilt. Die Voraussetzung für diese Kooperationen ist unter anderem, dass eine bestimmte Kundenzahl garantiert werden kann. Aber auch, wenn die Kosten für die Tiefbauarbeiten subventioniert werden, geht die Telekom eine Kooperation mit der Gemeinde ein.



http://www.top-dsl.com/gemeinden-in-der-...1307712208.html




Solche Eigeninitiativen von Gemeinden und kleineren Siedlungen gibt es durchaus und sind auch völlig in Ordnung. Natürlich wäre es besser, wenn diese Initiative auf Freiwilligkeit beruht, was auch vorkommt. Zum Beispiel gibt es Siedlungen in denen sich die Bürger (privatrechtlich) zusammengetan haben, ein Unternehmen in privater Rechtsform gegründet haben und dann verschiedene Angebote für den Anschluss ihrer privaten Siedlung ans Internet eingeholt haben - am Ende musste nicht nur ein Mindestabnahmezahl für die dann geschaffenen Anschlüsse garantiert werden, sondern auch noch etwas zum Verlegen der Leitung zugeschossen werden. Wenn es den Einwohnern diesen Zuschuss Wert ist, dann geht das und wird auch gemacht.

Selbst wenn es die Gemeinde aus (nicht freiwillig bezahlten) Steuermitteln macht, so ist das immer noch besser, als wenn eine ferne Zentralregierung solche Ausgaben beschliest. In der Gemeinde muss nämlich die davon profitierende Gemeinschaft selber die Abwegung vornehmen, ob ihr das Ergebnis der Investition die Kosten der Investition wert sind. Was auf Gemeindeeben auch viel Bürgernäher gemacht werden kann.

Sogenannte positive Externalitäten kann es durchaus geben - sind aber nur schwer zu beziffern. Und selbst wenn dann irgend eine Untersuchung versucht die positiven Externaliäten zu beziffern, muss sich das nicht an der Realität messen. Es gibt keinen Markt, der überprüft, ob die Einschätzung richtig war und so eventuelle die bittere Wahrheit offenbart, das die Investition den Nutzen nicht wert war. Der öffentlichen Hand ist das nämlich in der Regel egal.

In sofern kann das schwammige reden von "positiven Externalitäten" auch eine rhetorische, intelektuelle Rechtfertigung für Verschwendung sein. Oder genauer: Um einfach zu postulieren, es sei keine Verschwendung, ohne harte Untermauerung durch objektive Fakten.

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