Zu (A): Die Häuser Goethes und Schillers lagen nur wenige Schritte voneinander entfernt; auch zu Herders Haus war es nicht weit. Aber ein "Weimarer Dreieck" nennt man ihre Lage zueinander nicht.
Zu (B): Die drei Parteien SPD, Zentrum und DDP bildeten tatsächlich den Kern mehrer Regierungen der Weimarer Republik. Man nannte das aber nicht das "Weimarer Dreieck", sondern die "Weimarer Koalition".
Zu (C): Weimar war tatsächlich eine Stadt mit diesen drei KZs in der Nähe. Das KZ Nohra wurde bereits am 3. März 1933 als das überhaupt erste deutsche KZ errichtet. Die Gefangenen wurden dann in das KZ Bad Sulza verlegt; von dort in das ab 1937 erbaute KZ Buchenwald.
Zu (D) und (E): Die drei Plattenbausiedlungen gab es; meines Wissens nannte man sie aber nicht das "Weimarer Dreieck". Die Dienstagsdemonstrationen im Herbst 1989 führten u.a. zur Kreisdienststelle des MfS. Es fanden damals auch Gemeindeabende in der Herderkirche statt. Den Weg in Form eines Dreiecks habe ich aber erfunden.
Auf das wirkliche Weimarer Dreieck bin ich heute ausgerechnet in einer französischen Quelle gestoßen; dem Artikel des Pariser Politologen Pascal Boniface.
Ich hatte, obwohl ich in der Zeitgeschichte einigermaßen informiert bin, zuvor noch nie von diesem "Weimarer Dreieck" gehört. Es war offenbar eine der vielen Initiativen, die nach der Befreiung vom Kommunismus gegründet wurden, um die Integration von West- und Osteuropa zu fördern.
Interessant fand ich, was Boniface zu den Positionen schreibt, die bei den Veranstaltungen des Weimarer Dreiecks vertreten wurden: Den größten Dissens gab es hinsichtlich des Verhältnisses zu Rußland, das von den Polen als Bedrohung, von den Franzosen und den Deutschen aber eher als potentieller Partner gesehen wird. Umgekehrt orientiert sich Polen viel stärker in Richtung USA.
Während der Präsidentschaft von Lech Kaczyński wuchsen die Spannungen zwischen Polen und Rußland und parallel dazu auch die Spannungen im Weimarer Dreieck zwischen Polen und den beiden anderen Partnern. Das ging so weit, daß Kaczyński im Jahr 2006 sogar ein Treffen absagte, das mit Kanzlerin Merkel und Staatspräsident Chirac geplant gewesen war; wegen einer "Magenverstimmung". Seit Donald Tusk Staatspräsident ist, haben sich die Beziehungen stark verbessert.
Zum 20. Jahrestag der Gründung des Weimarer Dreiecks fand am 13. September dieses Jahres in Warschau ein Kolloquium unter Leitung des 89jährigen Władysław Bartoszewski statt, der im Widerstand gegen die Nazis ebenso wie gegen die Kommunisten gestanden hatte; ein eindrucksvoller Mann.
Ich habe für kurze Zeit in Weimar studiert (ab Herbst 1988). In der Herderkirche traf sich unsere Studentengemeinde. Das Rätsel ist gut gemacht ;-)
Ich darf ehrlich sagen: mir war diese »Dreierbeziehung« Polen-Frankreich-Deutschland noch geläufig. Aber das liegt daran, dass Weimar Anfang bis Mitte der 90er Jahre immer in meinem Blickpunkt lag. Leider war ich jetzt schon viele Jahre nicht mehr dort.
Es gab aber vor allem nach dem Ende der Regierungszeit Helmut Kohls doch ziemlich viele Reibungen zwischen den drei Staaten. Ohne die vertrauensvolle Zusammenarbeit der drei Gründungs-Außenminister (und der damaligen Regierungschefs) hätte es so ein Bündnis nie gegeben.
Ja, man sieht dort sehr schön, wie diese drei großen Länder Europa (jedenfalls geographisch) dominieren.
Und man sieht übrigens auch etwas, das mir gar nicht unwichtig erscheint: Wie viel südlicher Frankreich liegt als Deutschland und Polen. Wir sprechen immer von unserem "westlichen Nachbarn". Aber es ist ja der südwestliche. Unsere westlichen Nachbarn sind die Benelux-Staaten.
Das nördliche Frankreich - etwa das Cap Finisterre in der Bretagne, finis terrae (42°55′28″N) - liegt weit südlich von Freiburg im Breisgau (47° 59′ 41.38″)!
Zitat von stefanolixEs gab aber vor allem nach dem Ende der Regierungszeit Helmut Kohls doch ziemlich viele Reibungen zwischen den drei Staaten. Ohne die vertrauensvolle Zusammenarbeit der drei Gründungs-Außenminister (und der damaligen Regierungschefs) hätte es so ein Bündnis nie gegeben.
Stratfor hatte kürzlich einen Artikel, in dem Polen als einer der wirtschaftlich dynamischsten Staaten Europas geschildert wurde. Ich wundere mich immer wieder darüber, wie wenig man sich vor allem in Westdeutschland für Polen interessiert.
Polen ist unser natürlicher Partner im Osten; ein demokratisches, katholisches Land. Und nicht das Reich Putins des Großen, diese Neuauflage der UdSSR.
Die SchulBrücke Weimar geht auf das Gründungstreffen der Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens in der Klassikerstadt 1993 zurück. Die Veranstalter fühlen sich der dabei getroffenen politischen Vereinbarung verpflichtet, den Jugendaustausch zwischen den drei Ländern in verschiedenster Form und mit vielfältigen Themen zu intensivieren. Dies sind die bisherigen Kern-Partnerschulen der Veranstalter:
Deutsche Schule Paris Deutsche Schule Warschau John-Lennon-Oberschule Berlin Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium Bonn
Seit 2002 fand -also in diesem Jahr zum zehnten Mal- eine Arbeitswoche der Partnerschulen in Weimar statt. Ich durfte viermal 2002-2005 mit Schülergruppen als Verantwortlicher teilnehmen. Es waren (fast immer) hochmotivierte und begeisterte Schüler aus den vier Städten dabei, die sich dann auch privat weiter getroffen haben. Insofern gibt es jetzt sogar eine Alumni-Schulbrücke in Naumburg.
Inzwischen ist die Idee aber durch die Aufnahme von weiteren Partnerschulen, z.B. aus der Slowakei oder aus Italien zur Schulbrücke Europa erweitert worden. http://www.schulbruecke-europa.de/
obwohl mir der Begriff noch oder wieder unbekannt war, bin ich eigentlich ein lebender Repräsentant dieses Dreiecks. Von Schulzeit an frankophil (mein seit Dol2day-Zeiten feststehender Nickname spielt sowohl auf einen frz. Philosophen als auch auf den frz. Begriff für Vernunft an, und auch mein Mitblogger "Boche" hat natürlich eine teil-französische Seele), habe ich in meinem Beruf an Ort und Stelle beide Völker kennen und schätzen gelernt. Zwar gilt meine ewige Liebe den Ungarn, aber das ändert nichts an meiner Sympathie für unsere großen beiden Nachbarn. Polen steht auch sehr für die europäische Idee, ist sie doch der einzige Ansatz, der diesem Land zwischen Deutschland und Russland, die in der Vergangenheit nur allzu bereit waren, den berühmten Vertrag zu Lasten Dritter zu schließen, auf Dauer die eigene Existenz garantiert.
Das "Weimarer Dreieck" an sich ist mehr eine Illusion ohne politischen Hintergrund. Frankreich stützt sich mittlerweile weniger auf mittel- und osteuropäische Länder als auf die Mittelmeerstaaten. Die Rolle des Anwalts für "den Osten" käme eigentlich Deutschland zu, aber auch hier scheint die Merkel-Regierung ihre Schwierigkeiten zu haben. Die aktuellen Ereignisse haben diesen Ansatz schlicht überholt.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Zitat von FrankDie SchulBrücke Weimar geht auf das Gründungstreffen der Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens in der Klassikerstadt 1993 zurück. Die Veranstalter fühlen sich der dabei getroffenen politischen Vereinbarung verpflichtet, den Jugendaustausch zwischen den drei Ländern in verschiedenster Form und mit vielfältigen Themen zu intensivieren. Dies sind die bisherigen Kern-Partnerschulen der Veranstalter:
Deutsche Schule Paris Deutsche Schule Warschau John-Lennon-Oberschule Berlin Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium Bonn
Seit 2002 fand -also in diesem Jahr zum zehnten Mal- eine Arbeitswoche der Partnerschulen in Weimar statt. Ich durfte viermal 2002-2005 mit Schülergruppen als Verantwortlicher teilnehmen. Es waren (fast immer) hochmotivierte und begeisterte Schüler aus den vier Städten dabei, die sich dann auch privat weiter getroffen haben. Insofern gibt es jetzt sogar eine Alumni-Schulbrücke in Naumburg.
Danke für diese Informationen!
Ich bin, lieber Frank, immer der Meinung gewesen, daß der Staat unser Geld kaum sinnvoller ausgeben kann als für die Unterstützung solcher Jugend"begegnungen". Auch Gansguoter hat ja hier im Forum nur Positives über die Begegnungen mit israelischen Jugendlichen berichtet, in Deutschland und in Israel.
Manche Jugendliche suchen solche Kontakte von sich aus. Aber viele brauchen, glaube ich, einen offiziellen Rahmen. Und im Vergleich zu anderen Staatsausgaben ist die Förderung solcher Projekte ja peanuts.
Wenn man jung ist, dann will man raus und Anderes kennenlernen; ob nun wie einst als Fahrender Scholar und als Handwerksbursche, ob - wie ich in meiner Jugend - als Tramper, oder heute eben in einem solchen Rahmen.
Zitat von RaysonVon Schulzeit an frankophil (mein seit Dol2day-Zeiten feststehender Nickname spielt sowohl auf einen frz. Philosophen als auch auf den frz. Begriff für Vernunft an
Ja, das ist etwas, das ich immer schon wissen wollte, aber nie zu fragen wagte.
Es gibt ja Rayson auch als englischen Familiennamen (wie Robinson, Denisson usw.); und ich hatte schon befürchtet, daß du dich nach dem bekannten Anarchisten Anthony Rayson nennst. - Wer übrigens ist der französische Philosoph? Ich kenne keinen dieses Namens; und die erbärmliche Tratschbase Voltaire wirst du doch sicher nicht im Sinn haben?
Zitat von RaysonPolen steht auch sehr für die europäische Idee, ist sie doch der einzige Ansatz, der diesem Land zwischen Deutschland und Russland, die in der Vergangenheit nur allzu bereit waren, den berühmten Vertrag zu Lasten Dritter zu schließen, auf Dauer die eigene Existenz garantiert.
So sehe ich das auch.
Es hat in der DDR eine erhebliche Polenfeindlichkeit gegeben. Sie basierte teils darauf, daß die Kommunisten trotz aller ihrer Sprüche ja nichts taten, um die Begegnung zwischen den Menschen zu fördern; die Untertanen hätten ja geistig infiziert werden können. Zwischen den Bürgern von Frankfurt/Oder und Slubice (also den Stadtteilen des alten Frankfurt, die jenseits der Oder lagen) gab es so gut wie keine Kontakte; ich weiß das von unseren Verwandten.
Teils sahen sich die Bürger der DDR auch zu Recht als die vom restlichen Ostblock Ausgebeuteten. Sie waren - gegeben den Sozialismus - vergleichsweise effizient, mußten aber mit denen teilen, die noch schlechter waren. Das schuf Ablehnung.
Und wir im Westen waren und sind einfach zu weit weg von Polen, um das Bedürfnis nach besserem Kennenlernen zu haben. Daß ich ein so positives Verhältnis zu Polen habe, liegt allein an meiner Schwäche für Preußen.
Zitat von RaysonDas "Weimarer Dreieck" an sich ist mehr eine Illusion ohne politischen Hintergrund. Frankreich stützt sich mittlerweile weniger auf mittel- und osteuropäische Länder als auf die Mittelmeerstaaten. Die Rolle des Anwalts für "den Osten" käme eigentlich Deutschland zu, aber auch hier scheint die Merkel-Regierung ihre Schwierigkeiten zu haben. Die aktuellen Ereignisse haben diesen Ansatz schlicht überholt.
Ja, das ist wohl leider so.
Es war - ich habe das glaube ich geschrieben - einer dieser vielen Versuche, die Staaten, die sich vom Kommunismus befreit hatten, möglichst schnell "nach Europa" zu holen. Deutschland war als der Nachbar Polens beteiligt. Zwischen Frankreich und Polen gibt es historisch sehr alte Beziehungen. Die französische Wikipedia verfolgt sie bis zum Ersten Kreuzzug zurück, als die Ritter von Henryk, Herzog von Sandomierz, dem französischen Fürsten Baudoin zur Hilfe kamen!
Also, an sich lag so etwas wie das Weimarer Dreieck nahe. Diplomatisch ist es wahrscheinlich überholt; aus den Gründen, die du nennst (und aus Polen kann die Aussteigernation kein Erdgas beziehen). Aber vielleicht lassen sich ja solche Initiativen weiterentwickeln, wie sie Frank schildert.
Zitat von ZettelWer übrigens ist der französische Philosoph?
Na, Raymond Aron natürlich! *allgemeines Stöhnen im Publikum*
Das war vorher mein Nick bei dol2day (dort pflegte man die Nicknames ab und zu zu wechseln, die Software konnte damit umgehen, so dass das eigene Profil fortgeführt wurde), und weil das vielen als Anrede zu lang war, landete man schnell bei "Ray". Et voilà.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Zitat von ZettelWer übrigens ist der französische Philosoph?
Na, Raymond Aron natürlich! *allgemeines Stöhnen im Publikum*
Mon dieu! Quelle bêtise que je le n'avais pas compris.
Aber soyons sérieux: Auf den wäre ich nun nicht gekommen.
Ich kenne ihn aus der Zeit, als er im Figaro schrieb. Damals habe ich den Figaro viel gelesen.
Et puisque nous sommes entre nous: Une fois, peut-être 1962, j'ai utilisé Le Figaro pour arranger un rendez-vous avec une amie, dans le Jardin du Vert Galant, que tu connais certainement. Il-y-avait cettes "petites annonces" dans Le Figaro; et je lui ai donné l'endroit et le temps du rendez-vous vers Le Figaro. C'était même gratuit.
Er war dann beim Express, den ich abonniert hatte, bevor ich den Nouvel Obs' viel spannender fand. Mich hat er genervt; er war die Personifizierung des umständlich schreibenden französischen Intellektuellen.
Ich habe bei seinen Texten immer gedacht: Ja, kann man das denn nicht auch einfach sagen?
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