Es ist immer wieder bemerkenswert, wie sehr das Handeln von Staaten in ihrer Geschichte verwurzelt ist.
Deutschland ist im Begriff, wieder die Vormacht Europas zu werden; sehr zur Besorgnis der anderen Europäer. Und Griechenland verhält sich so, wie es sich seit dem Unabhängigkeitskrieg Anfang des 19. Jahrhunderts verhalten hat.
Zitat von ZettelEs ist immer wieder bemerkenswert, wie sehr das Handeln von Staaten in ihrer Geschichte verwurzelt ist.
Deutschland ist im Begriff, wieder die Vormacht Europas zu werden; sehr zur Besorgnis der anderen Europäer. Und Griechenland verhält sich so, wie es sich seit dem Unabhängigkeitskrieg Anfang des 19. Jahrhunderts verhalten hat.
Vielen Dank, für die Parallelen die es in meinem Universum diesbezüglich noch gar nicht gab!
Alles sehr instruktiv und erklärt natürlich das griechische Verhalten.
Es erklärt aber nicht das Verhalten der EU und insbesondere Deutschlands.
1826 zahlten die Großmächte England, Frankreich und Rußland, um Griechenland gegen die Türkei zu stabilisieren und ihren Einfluß in der Region zu wahren. Ganz klassische Form der Außenpolitik über Subventionen. Die Türkei zahlte logischerweise nicht.
1878 zahlten England, Frankreich und Deutschland, um den Einfluß Österreichs und Rußlands entgegen zu treten. Österreich und Rußland zahlten logischerweise nicht.
1893 zahlten alle Großmächte, um sich den Einfluß zu teilen und weil sie den Konkurrenten nicht trauten.
Nach dem Weltkrieg zahlte der Westen, um Griechenland gegen die SU zu sichern. Und so weiter.
Und wieso soll nun die angebliche EU-Führungsmacht Deutschland 2011 zahlen? Wollen wir den türkischen Ambitionen entgegen treten oder den russischen? Wollen wir dann aktive Balkan-Politik machen oder Militärstützpunkte Richtung Nahost einrichten?
Nichts von dem. Es gibt keine wesentlichen deutschen Interessen dort, es gibt auch überhaupt kein Konzept für eine aktive Außenpolitik, die durch Zahlungen an Griechenland Ziele durchsetzen könnte. Es wird einfach Geld verschwendet.
Aber zwei andere Aspekte sind wichtig: Alle bisherigen Versuche ausländischer Geldgeber sind gescheitert, über Kommissare o. ä. vor Ort "Sparpolitik" durchzusetzen. Auch Merkel wird mit dieser Konzeption (die sie ganz maßgeblich vertritt, das sind dann ihre "Verhandlungserfolge") scheitern.
Und noch wichtiger: Für die damaligen Großmächte waren die Stützungsgelder für Griechenland Kleingeld. Sie machten nur einen Bruchteil der Staatseinnahmen aus und konnten locker verschmerzt werden.
Die deutschen Zahlungen für die "Rettungs"-Pakete sind dagegen gigantisch und bedeuten eine existentielle Gefährdung unseres Staates. Eine Fälligkeit auch "nur" der schon beschlossenen 211 Milliarden wäre eine Katastrophe, und das Ende Fahnenstange ist noch längst nicht erreicht. Eine solche Finanzbelastung zu riskieren ist völlig unverantwortliche Politik.
Du willst eine Erklärung? Ich habe eine, und sie ist nicht neu: Die Macht der Lobbyisten nimmt in unserem System immer mehr zu. Und die Banken haben da noch einen privilegierten Zugang. Politiker wollen Ansprechpartner. Ein anonymer Markt, eine anonmye Wirtschaft sind nichts, womit sie umgehen können. Das gibt ihr skill set nicht her. Ackermann aber steht gerne zur Verfügung.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Und bevor ich's vergesse: Danke für diesen historischen Abriss! Bevor ich anfange, die Kanzlerin zu loben, sind noch viele Lobpreisungen des Hausherrn fällig
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Den Grund dafür sieht er in kulturellen Differenzen.
Und zwar nicht nur zwischen Griechenland und dem Rest, sondern den südlichen Schwachwährungsländern und dem Norden.
Die Schuldenproblematik Griechenlands ist vielleicht ein spezieller Fall, aber dennoch symptomatisch für die übrigen Club-Med-Staaten inklusive Frankreich.
Dahinter steht letztlich die jeweilige Leistungsethik. Im Norden dominiert durch calvinistisch-protestantische Tugenden, im Süden hingegen der offensichtlich zu wirtschaftlich geringerer Effizienz motivierende Katholizismus.
Grennspan meint, man hätte die kulturellen Differenzen gewaltig unterschätzt. Und man tut es immer noch. Denn kulturelle Differenzen auch nur zu diskutieren verletzt das Deutungsdiktat der politischen Korrekheit, wonach Kritik an wirtschaftlich weniger effizienten Kulturen als diskriminierend eingestuft wird.
Hinzu kommt natürlich daß die Machthaber der EU an ihrem Größenwahn festhalten und dies auch müssen, denn eine Kursänderung wäre ein Eingeständnis ihrer (bisherigen) Inkompetenz.
Analysiert man die Schuldenkrise vor ihrem kultuellen Hintergrund wird auch klar, daß sie unlösbar ist im Sinne von Aufrechterhaltung der aktuellen Strukturen.
Griechenland, und das heißt die Griechen, sind derart unproduktiv, daß ihr selbst erwirtschafteter Lebenstandard weit unter ostasiatischen Entwicklungsländern liegen müsste. Nahe am Niveau der 3. Welt.
Es gibt auch keinen Ausweg aus dieser Misere, weil die kulturellen Voraussetzungen für wirtschaftliche Effizienz fehlen. Nicht nur in der Staatsorganisation, sondern auch in der Bevölkerung selbst. Man muß nur die Selbstdisziplin und den Leistungswillen von z.B. Chinesen mit dem Vergleichen was man in den Club-Med-Staaten antrifft. Dann wird einem sofort klar warum die einen aufsteigen und die anderen niedergehen.
Wollen die Culb-Med-Völker ihren Wohlstand behalten, müssen sie sich kulturell verändern. Und zwar vollkommen. Sind sie dazu nicht bereit, und darauf deutet alles hin, werden sie weiterhin von Geldtransfers der Nordländer leben, bzw. all ihre nicht gedeckten Ausgaben mit Anleihen finanzieren die irgendwann alle die EZB übernimmt. Die EZB "bezahlt" diese dann einfach per Mausklick durch Geldmengenausweitung.
Der Rettungsschirm, insbesondere die gehebelte Variante, ist gradezu eine Aufforderung an allen Gewohnheiten festzuhalten die den Club-Meds ihre Verschuldung, aber schlimmer noch - ihre ökonomische Ineffizienz, beschert haben.
P.S. Der Stratfor-Artikel beleuchtet die kulturellen Hintergründe politisch und finanziell. Der kulturelle Aspekt ist aber noch wichtiger. Warum hat die griechische Bevölkerung nicht von sich aus Ehrgeiz entwickelt sich zu bilden und z.B. Erfindungen zu machen, wie es grade im 19. Jahrhundert in Mitteleuropa so verbreitet war. Die Antwort findet man immer in der Ethik die letztlich die Sozialisation des Einzelnen bestimmt. Warum waren also die Griechen wie sie waren nach ihrer Befreiung ? Warum sie sich seitdem mutmaßlich nicht sehr verändert haben bezüglich ökonimischen Denkens - weil ihnen kein Grund dafür vorlag ? Das könnte der Stratfor-Artikel erklären. Aber eben nicht warum sie es aus sich selbst heraus NICHT für erstrebenswert hielten sich mehr zu bilden und fleißig zu sein. Weil diesen Werten anscheinend nicht der entsprechende Wert beigemessen wurde - und eventuell auch immer noch nicht wird ?
Auch wenn es frivol ist: Den Nachrichten entnehme ich, daß Deutschland von den Griechen als Usurpator und Kolonialmacht wahrgenommen wird. Dem Stratfor-Artikel, daß dies in wirtschaftlicher Hinsicht wohl der Fall ist, keineswegs aber in politischer. Nun liegt ein Großteil von klassischer Kolonialpolitik - als alteuropäisches Erbe, sozusagen - im symbolischen Bereich. Als letztes noch der Faktor, daß es den Deutschen gut ansteht, auf die Belange der Türkei mindestens so viel Rücksicht zu nehmen wie auf die der Hellenen, und daß sich symbolische Politik am wirkungsvollsten an religiösen Belangen festmachen läßt. Würde es sich da nicht anbieten, an beide Seiten ein klares Signal zu senden, indem die Deutschen darauf betehen, daß auf der Akropolis wieder eine Moschee eingerichtet wird, wie sie seit dem Ende des 15. Jahrhunderts bis ins 19. im Parthenon bestand? Bei den Türken würde dies so manche Verstimmung wirksam entschärfen, und wenn die Griechen in einer république européenne à l'allemande ankommen möchten, bietet sich gute Gelegenheit, sich in das hier übliche Niveau interreligiöser Toleranz einzuüben.
Nicolás Gómez Dávila hat einmal sehr treffend bemerkt, daß Europa im Kern nur vom Guadalquivir bis zur Weichsel reiche. Das scheint mir eine korrekte Beobachtung zu sein. Im Südosten verläuft die kulturelle Grenze Europas daher etwa entlang der ehemaligen kk.Militärgrenze. Das hätte auch die Grenze der EU sein sollen.
Über die RiesenstaatsmännIn Merkel haben R.A., Rayson und andere genug Treffendes geschrieben, da spare ich mir weitere Worte (ist auch besser für meinen Blutdruck ).
Gegen die Texte neuer staatlicher Regelungen liest sich das preußische Exerzierreglement wie das Feuilleton einer liberalen Wochenzeitschrift.
Zitat von JeffDavisNicolás Gómez Dávila hat einmal sehr treffend bemerkt, daß Europa im Kern nur vom Guadalquivir bis zur Weichsel reiche.
Das ist wohl der Herrschaftsbereich der katholischen Kirche vor der Reformation. Muslimisch ist dann ebenso raus wie orthodox. Das geht in Richtung Huntington.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Ackermann will gar keine Finanzhilfen von der EU. Er will seiner Firma die Unabhängigkeit von staatlichen Stümpern bewahren.
Wenn man von "den Banken" spricht wird suggeriert als wären diese alle privatwirtschaftlich. Tatsächlich gehören die staatlichen Landesbanken mit zu den ganz Großen. http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_g...ach_Bilanzsumme Irgendwie vergessen das unsere Medien immer wieder zu erwähnen - und daß dort (u.a. linke) Politiker im Aufsichtsrat sitzen, die verhindern sollen daß diese Banken zocken und dabei verlieren.
Bei der Deutschen Bank halten Privatanleger einen großen Anteil, ist somit teilweise ein VEB - ein Volkseigener Betrieb.
Ganz vergessen und unerwähnt bleiben übrigens immer die Lebensversicherer, die die anvertrauten Gelder zu erheblichen Teilen in Anleihen der Club-Med-Länder anlegen, weil BRD-Anleihen einfach zu niedrig verzinsen.
Aber das darf natürlich nicht groß bekannt werden, sonst ist das schöne Geschäftsmodell ruiniert. Man stelle sich vor die Leute fangen an zu blicken daß ihre mühsam angesparten Altersvorsorgen in italienisch-spanisch-griechischen Schrottanleihen investiert wurde. Also ganz einfach nicht mehr vorhanden sind, es sei denn die EZB kauft den Ramsch per Geldmengenausweitung auf.
Zitat von JeffDavisNicolás Gómez Dávila hat einmal sehr treffend bemerkt, daß Europa im Kern nur vom Guadalquivir bis zur Weichsel reiche.
Das ist wohl der Herrschaftsbereich der katholischen Kirche vor der Reformation. Muslimisch ist dann ebenso raus wie orthodox. Das geht in Richtung Huntington.
Das kommt in etwa hin. Er hat in einem anderen Aphorismus Europa bezeichnet als die Gebiete, in denen der Feudalismus herrschte (der mittelalterliche, so wie ihn NGD versteht).
Gegen die Texte neuer staatlicher Regelungen liest sich das preußische Exerzierreglement wie das Feuilleton einer liberalen Wochenzeitschrift.
Als weitere Annäherung könnte man die Verwendung des lateinischen Alphabets anführen (da wir uns auf historisches Herkommen beziehen, gilt die Beobachtung, daß in der Türkei bzw. dem Osmanischen Reich bis 1928 die arabische Schrift verwendet wurde).
Zitat von 123Ex-FED-Chef Greenspan sieht die Währungsunion scheitern.
Bei diesem Zeugen wäre ich etwas vorsichtig. Sein Ruf als Notenbanker ist ja durchaus umstritten.
Zitat Den Grund dafür sieht er in kulturellen Differenzen.
Und wenn Amerikaner Europa nach ihrem Verständnis von Geschichte und Kultur interpretieren, wäre ich auch sehr vorsichtig.
Zitat Die Schuldenproblematik Griechenlands ist vielleicht ein spezieller Fall, aber dennoch symptomatisch für die übrigen Club-Med-Staaten inklusive Frankreich.
Bei der Währungspolitik gibt es traditionelle Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich. Aber die Einstellung zu Staatsschulden war über Jahrzehnte ziemlich die gleiche. Vom Ergebnis her müßte man Deutschland dann auch zum "Club-Med" zählen.
Zitat Im Norden dominiert durch calvinistisch-protestantische Tugenden, im Süden hingegen der offensichtlich zu wirtschaftlich geringerer Effizienz motivierende Katholizismus.
Das war vielleicht vor 200 Jahren mal ein Faktor. Aber heute? Wo sind denn die "calvinistisch-protestantischen" Leistungstugenden in Bremen oder Berlin. Wo ist die "geringere wirtschaftliche Effizienz" in Bayern? Deutschland ist ja der einzige Staat, wo man religiös motivierte Traditionen mit ihrem möglichen Einfluß ceteris paribus vergleichen kann. Und da sehe ich gar keinen Effekt - eher könnte man noch den protestantischen Gebieten geringere Effizienz nachsagen.
Zitat Griechenland, und das heißt die Griechen, sind derart unproduktiv, daß ihr selbst erwirtschafteter Lebenstandard weit unter ostasiatischen Entwicklungsländern liegen müsste.
Liegt er aber nicht, und lag er auch vor der durch Auslandsschulden finanzierten Konsumphase der letzten 20 Jahre nicht. Leute wie Greenspan sind auf offizielle Statistiken fixiert. Was da nicht vorkommt, erkennt er nicht. Der Lebensstandard in Griechenland basiert aber nur teilweise auf dem, was irgendwelche Bürokraten zu erfassen glauben und zusammenzählen.
Und für die übrigen "Club-Med"-Staaten muß man schon sehr differenzieren. Norditalien und ein großer Teil Spaniens praktizieren einen hohen Arbeitsethos, da ist vom angeblich hinderlichen Katholizismus nichts zu spüren.
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