Eigentlich sollte der Artikel zum Reformationstag erst morgen früh erscheinen, aber Blogger hat mir beim Speichern der geplanten Veröffentlichung einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Als Reformator mag Luther umstritten sein, als Meister der deutschen Sprache ist er es wohl kaum ...
Hallo Herr, vielen Dank für den Beitrag. Die Sprache der Lutherbibel ist in vielen Bereichen (geraden den Psalmen) wirklich sehr schön und gut zu lesen. Für die Verständlichkeit allgemein lese ich sehr gerne die Übersetzung "Neues Leben Bibel". Dort kann man auch die Psalmen lesen ohne das einen die Haare zu Berge stehen (wie bei manchen anderen Übersetzungen) und trotzdem sind die Formulierungen einfacher zu durchdringen. Gruß
Lieber Herr, ich denke, dies ist missverständlich:
Zitat Das ist um so erstaunlicher, als er von Kind auf gelernt hatte, sich in der lateinischen Sprache auszudrücken, nicht aber in der deutschen. Erst als er nach 1517 in eine breitere Öffentlichkeit hinein zu wirken begann, machte er sich die deutsche Muttersprache richtig zueigen und wurde schnell deren Meister.
Jeder Gebildete hat damals gelernt, sich fließend auf Latein verständigen zu können (Vorlesungen an den Universitäten auf Latein). Gleichwohl hat doch Martin Luther das Deutsche als seine Muttersprache gelernt und benutzt - und dies jeden Tag und immer, außerhalb von Kirche und Studierzimmer und Hörsaal. Dass er sich das Deutsche erst nach 1517 zueigen gemacht habe, das erscheint mir etwas schief.
Ergänzen möchte ich, dass es schon im hohen Mittelalter (Teil-)Übersetzungen der Bibel ins Deutsche gab, die allerdings oft nur fragmentarisch überliefert und daher schlecht erforscht sind. Luthers Erfolg ist nicht davon zu trennen, dass der Buchdruck seit dem frühen 16. Jahrhundert eine rasche und leidlich kostengünstige Verbreitung von Büchern und Schriften ermöglichte (was wiederum auch schon rückgewirkt hatte auf das Bildungsniveau, d.h. eine Zunahme der Lese- und SChreibfähigkeit wegen leichter zugänglichen Büchern).
Entscheidend für den Erfolg von Luthers Bibelübersetzung war nicht zuletzt, dass er sich stark an der sächsischen Kanzleisprache (dem Meißnischen Deutsch) orientiert hat, die schon vor seiner Bibelübersetzung als sprachlich vorbildhaft angesehen wurde. Anschließend haben sich die Bibelübersetzung und die sächsische Kanzleisprache gegenseitig gestützt.
Was die Verbstellung angeht, ist das Vorziehen des Verbs wohl nciht unbedingt altertümlich, sondern dem mündlichen Sprachgebrauch entlehnt, wenn ich mich recht entsinne.
ich habe nichts anderes erwartet, als dass Sie als Fachmann sich kritisch-ergänzend zu meinem Artikel äußern würden.
Das meiste sind ja in der Tat Ergänzungen, die ich gerne so stehen lasse.
Zitat von GansguoterJeder Gebildete hat damals gelernt, sich fließend auf Latein verständigen zu können (Vorlesungen an den Universitäten auf Latein). Gleichwohl hat doch Martin Luther das Deutsche als seine Muttersprache gelernt und benutzt - und dies jeden Tag und immer, außerhalb von Kirche und Studierzimmer und Hörsaal. Dass er sich das Deutsche erst nach 1517 zueigen gemacht habe, das erscheint mir etwas schief.
Luther hat natürlich Deutsch als Muttersprache gelernt und gesprochen. Nur hat er Lesen, Schreiben und Formulieren nur auf Lateinisch gelernt, und als Mönch gab es für ihn kaum noch ein "außerhalb von Kirche und Studierzimmer und Hörsaal". Seine Sprachbeherrschung unter diesen Voraussetzungern erscheint mir schon erstaunlich.
Zitat von HerrLuther hat natürlich Deutsch als Muttersprache gelernt und gesprochen. Nur hat er Lesen, Schreiben und Formulieren nur auf Lateinisch gelernt
Das erscheint mir nicht unbedingt plausibel. Luther kam mit 5 Jahren zunächst auf die Mansfelder Stadtschule (für neun Jahre!). Ich denke nicht, dass der Anfangs-Lese- und Schreibunterricht dort auf Latein stattfand, bin vielmehr überzeugt, dass der Unterricht zunächst das Lesen und Schreiben des Deutschen umfasste. Die Anfangsgründe des Lateinischen kamen dann gewiss hinzu, die dann in Magdeburg 1497/98 und Eisenach 1498-1501 auf das Universitätsniveau gebracht wurden.
Luther wird ja aus Magdeburg und Eisenach und später Erfurt mit seinen Eltern brieflich verkehrt haben; da wird es das Deutsche benutzt haben, nicht das Lateinische.
Auch die mittelalterliche Schreibpraxis belegt, dass wenigstens seit dem 12./13. die Schriftlichkeit sich nicht auf das Lateinische beschränkte. Die - meist von geistlichen Schreibern - ausgefertigten Urkunden sind ab der 13. Jh. zunehmend auf Deutsch, und es lassen sich genau regionale Schreibtraditionen ausmachen. Das geht nur mit einem hinreichend langen und differenzierten Unterricht im Lesen und Schreiben des Deutschen. Das Lateinische war Zweitsprache, sicher auch für Luther. - Man denke auch an die dt. Predigten Bertholds von Regensburg, an Meister Eckhard etc.
Zitat von Herr, und als Mönch gab es für ihn kaum noch ein "außerhalb von Kirche und Studierzimmer und Hörsaal". Seine Sprachbeherrschung unter diesen Voraussetzungern erscheint mir schon erstaunlich.
Auch die Mönche haben untereinander - davon bin ich überzeugt - deutsch gesprochen. Warum auch nicht? - Dass Luther ein gutes Sprachgefühl hatte, eine gelungene Übersetzung vorgelegt hat (wohl nicht alleine, sondern in Team-Work, was das AT betrifft), steht außer Zweifel; seine Neologismen sind oft großartig (deswegen gibt es sie noch immer), ganz herrlich sind Alliterationen wie: "Es waren Hirten bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herden." Diese Leistung Luthers verdient größte Anerkennung (allein schon, weil er den Text geliefert hat für die Höhepunkte der Musikgeschichte: Weihnachtsoratorium und Matthäuspassion) (bei allem Ärger über die von ihm zu verantwortende Kirchenspaltung ...).
Seine Sprachbeherrschung möchte ich also nicht kontrastieren mit den Umständen und nicht deswegen erstaunlich finden; ich sehe sie als große eigene Leistung.
Martin Luther besuchte die Mansfelder Lateinschule. Es ist also anzunehmen, dass dort auch Latein unterrichtet wurde und nach einigen Jahren alle Fächer in Latein unterrichtet wurden, wie damals üblich.
Zitat von GansguoterLuther kam mit 5 Jahren zunächst auf die Mansfelder Stadtschule (für neun Jahre!). Ich denke nicht, dass der Anfangs-Lese- und Schreibunterricht dort auf Latein stattfand, bin vielmehr überzeugt, dass der Unterricht zunächst das Lesen und Schreiben des Deutschen umfasste.
Leider habe ich mit diesen Details nie genauer beschäftigt. Aber wenn ich es seinerzeit richtig verstanden, wurde in einer solchen Schule von Anfang an Latein gelernt, wohl auch beim Lesen und Schreiben. So erklärt sich ja auch die Vielgestaltigkeit bei Orthographie etc. deutscher Texte dieser Zeit. Eine verbindliche Rechtschreibung gab es nur im Latein, das hatte man gelernt. Und beim Deutschen behalf sich jeder damit, das Mündliche irgendwie in Buchstaben umzusetzen.
Zitat Auch die Mönche haben untereinander - davon bin ich überzeugt - deutsch gesprochen. Warum auch nicht?
Weil vielleicht nicht alle Mönche deutsch gekonnt haben. Die Kirche war ja international aufgestellt (wie heute ein multinationaler Konzern). Wenn sich Mönche derselben Muttersprache privat unterhalten haben, wird das natürlich auch in dieser Sprache geschehen sein. Aber die Wahrscheinlichkeit ist hoch, daß in jedem größeren Kloster einige "Ausländer" dabei waren. Das können "echte Ausländer" aus z. B. Frankreich, Polen oder Italien gewesen sein, aber auch tschechisch sprechende Böhmen oder Niederländer. Oder auch Deutsche aus anderen Dialektgebieten. Da es ja keine deutsche Hochsprache gab, war die Sprachdistanz beim Mündlichen zwischem einem Norddeutschen, einem Bayern oder einem Sachsen beträchtlich. Latein konnten sie aber alle.
Zitat von R.A.So erklärt sich ja auch die Vielgestaltigkeit bei Orthographie etc. deutscher Texte dieser Zeit. Eine verbindliche Rechtschreibung gab es nur im Latein, das hatte man gelernt. Und beim Deutschen behalf sich jeder damit, das Mündliche irgendwie in Buchstaben umzusetzen.
Ganz so unbeholfen war man ja nun nicht. Schon im hohen Mittelalter hat nicht jeder für sich das Rad neu erfunden, sondern es gab schon damals regionale Schreibkonventionen. Es war keine geregelte Orthographie und war auch kein Problem, dasselbe Wort in einem Text in drei Varianten zu Pergament zu bringen; gleichwohl ist die Laut-Buchstaben-Zuordnung nicht willkürlich, und gleichwohl gibt es eine regional typische Schreibung, was es erlaubt, eine mittelalterliche Handschrift u.U. einer Stadt, einem Kloster oder wenigstens einer Region zuzuweisen (bzw. strenggenommen: Die Herkunft des Schreibers entsprechend zu bestimmen).
Zitat Weil vielleicht nicht alle Mönche deutsch gekonnt haben. Die Kirche war ja international aufgestellt (wie heute ein multinationaler Konzern). Wenn sich Mönche derselben Muttersprache privat unterhalten haben, wird das natürlich auch in dieser Sprache geschehen sein. Aber die Wahrscheinlichkeit ist hoch, daß in jedem größeren Kloster einige "Ausländer" dabei waren. Das können "echte Ausländer" aus z. B. Frankreich, Polen oder Italien gewesen sein, aber auch tschechisch sprechende Böhmen oder Niederländer.
Eigentlich nicht. Wenn wir von der Neugründung von Tochterklöstern absehen (Klostergründungen im Osten mit Mönchen aus dem Westen; Mönche aus Cluny, die neue Zisterzienserklöster im Rheinland gründen), hatten die Klöster (im Spätmittelalter) einen in aller Regel regionalen "Rekrutierungsbezirk" mit einem Radius von vielleicht ein paar Dutzend Kilometern. In der Regel trat jemand in ein Kloster ein, zu dem es eine wie auch immer geratete Beziehung gab: Ein Adelsspross wählte eine Benediktinerabtei, zu der seine Familie vielleicht seit Jahrhunderten eine Beziehung hatte (qua Stiftungen, qua ältere Familienangehörige als Mitglieder); Nichtadelige wählten einen Franziskanerkonvent in der näheren Umgebung. Was sollte ein junger Mann aus Thüringen an ungefähr 100 Klöstern vorbeilaufen, um in Oberbayern ins Kloster zu gehen? Woher sollte er überhaupt von einem dortigen Kloster wissen?
Man sollte in dem Zusammenhang nicht vergessen, dass in allen Orden zu der Zeit das Schweigegelübde galt, die freie Rede also stark eingeschränkt war. Von daher gab es für den gewöhnlichen Mönch gar nicht so viel Raum, sein Deutsch zu pflegen. Zu Gansguoters Einwand, die Klöster seien nur von lokalen Mönchen bewohnt gewesen, würde ich erwidern, dass man das in der Pauschalität nicht sagen kann. Spätestens mit den Bettelorden, die in Provinzen und nicht Klöstern organisiert waren, waren Versetzungen von Mönchen die Regel und nicht die Ausnahme.
Zitat von BenediktMan sollte in dem Zusammenhang nicht vergessen, dass in allen Orden zu der Zeit das Schweigegelübde galt, die freie Rede also stark eingeschränkt war.
Ist nicht gerade das Spätmittelalter, das 15. Jh. die Zeit mit einem verbreiteten Verfall der Klosterdisziplin? Man müsste sehen, wie groß die Differenz zwischen Norm und PRaxis war.
Zitat von BenediktZu Gansguoters Einwand, die Klöster seien nur von lokalen Mönchen bewohnt gewesen, würde ich erwidern, dass man das in der Pauschalität nicht sagen kann. Spätestens mit den Bettelorden, die in Provinzen und nicht Klöstern organisiert waren, waren Versetzungen von Mönchen die Regel und nicht die Ausnahme.
Soweit ich mich mit Klöstern im Rheinland, im Sauerland und in Köln beschäftigt habe, war es nicht mein Eindruck, dass die Mönche "in der Regel" aus weiter entfernten Gegenden stammen. Die Kölner Patriziersöhne und -töchter haben stadtkölnische Klöster gewählt oder Klöster im angrenzenden Bergischen Land, zwischen Bonn und Düsseldorf oder Richtung Aachen. Ein Sauerländer ist vielleicht noch in Köln zu finden, aber kaum in München. - Auch Luther hat in Erfurt studiert und ist dann in Erfurt ins Kloster eingetreten und wurde dann von dort nach Wittenberg versetzt, was sprachlich wohl noch keine Verständigungsprobleme bedeutet haben dürfte.
Ganz herzlichen Dank für den Artikel über Luthers Sprache, vor allem für das gute Beispiel. Luthers Übersetzung des Psalms ist einfach, klar und verständlich. — Ich stand heute noch in der Nachmittagssonne vor dem Dom in Erfurt, wo Luther vor 501 Jahren seine Antrittsvorlesung hielt ;-)
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