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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 7 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

01.11.2011 11:34
Zitat des Tages: Das Vergehen des OB Antworten

Meister Petz hat hier im Forum kürzlich auf den Artikel eines taz-Journalisten aufmerksam gemacht, der nach einer längeren Zeit im Ausland nach Deutschland zurückkehrte und erstaunt war, wie gut es eigentlich in Deutschland ist.

Da ich ziemlich umfänglich ausländische Medien verfolge, fällt auch mir immer wieder auf, wie stark die Binnenwahrnehmung der deutschen Verhältnisse davon abweicht, wie man unser Land im Ausland sieht - als eine ungewöhlich gut funktionierende Gesellschaft. Die unter anderem auch ungewöhnlich wenig korrupte Politiker hat.

Dazu dieses Zitat des Tages.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

01.11.2011 12:04
#2 RE: Zitat des Tages: Das Vergehen des OB Antworten

Das scheint mir aber kein geeignetes Beispiel dafür zu sein, daß Deutschland korruptionsfreier wäre als andere Länder.

Zuerst einmal: Wenn man als Hotelgast abends an der Bar etwas trinkt, kann man entweder bar zahlen oder das auf die Zimmerrechnung setzen lassen. Dazu muß man seine Zimmernummer angeben, manchmal auch einen Beleg quittieren.
Einfach so zu gehen ist sehr wohl Zechprellerei.

Und wenn man dem Artikel glauben kann, war das ein völlig normales Verhalten von Beutel und es war nicht zu erwarten, daß er am nächsten Tag die Rechnung begleichen wollte. Und es war eben - wie beschrieben - nur der letzte Tropfen bei einem gut gefüllten Faß. Offenbar hat dieser OB seine ganze Amtszeit hindurch betrogen und unterschlagen und sich auf vielfältige Weise auf Kosten der Allgemeinheit bereichert.

Wir können natürlich nicht beurteilen, was an den Vorwürfen wirklich dran ist. Auch ist die Quelle SZ nur begrenzt glaubhaft. Aber hier geht es ja um einen SPD-Politiker - da schreibt die SZ eigentlich nur Negatives, wenn auch etwas dran ist.

Anscheinend also gibt es in Mainz - wie in vielen deutschen Städten - verbreitete Korruption und Selbstbedienung diverser Kommunalpolitiker. Und das halte ich durchaus für skandalös und das müßte abgestellt werden. Es fehlt dabei im wesentlichen eine kritische Medienberichterstattung. Es gibt zwar an anderen Stellen Übertreibungen (wie von Ihnen illustriert), aber bei "normaler Vetternwirtschaft" sind deutsche Journalisten vergleichsweise zurückhaltend in der Berichterstattung, insbesondere bei linken Politikern.

Ich kann nur sehr begrenzt beurteilen, ob die Situation in anderen Ländern besser oder schlechter ist. Vielleicht ist sie in Frankreich schlechter, vermutlich ist sie in der Schweiz besser.
Aber der Vergleich interessiert mich auch nur begrenzt - die Mißstände sind auf jeden Fall so groß, daß etwas getan werden müßte.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

01.11.2011 13:32
#3 RE: Zitat des Tages: Das Vergehen des OB Antworten

Zitat von R.A.
Zuerst einmal: Wenn man als Hotelgast abends an der Bar etwas trinkt, kann man entweder bar zahlen oder das auf die Zimmerrechnung setzen lassen. Dazu muß man seine Zimmernummer angeben, manchmal auch einen Beleg quittieren. Einfach so zu gehen ist sehr wohl Zechprellerei.

Aber lieber R.A., der Mann ist doch nicht über alle Berge geflohen. Er wohnte in dem Hotel.

Vielleicht ging er davon aus, daß der Kellner ihn kannte. Vielleicht hatte er auch seine Kreditkarte nicht greifbar. Oder er war zu gaga und vergaß schlicht das Zahlen. Auch das dürfte dem einen oder anderen von uns schon mal im Zustand fortgeschrittenen Alkoholkonsums passiert sein; wie auch die berüchtigte Frage an den Wirt: "Habe ich schon bezahlt?"

Naja.

Zitat von R.A.
Und wenn man dem Artikel glauben kann, war das ein völlig normales Verhalten von Beutel und es war nicht zu erwarten, daß er am nächsten Tag die Rechnung begleichen wollte.

Aber dann hätte er doch fliehen müssen!
Haben Sie schon mal von einem Zechpreller gehört, der in dem Hotel, in dem er die Zeche geprellt hat, am nächsten Morgen fröhlich zum Frühstück erscheint?

Oder wollen Sie mich a bisserl auf den Arm nehmen, geschätzter R.A.?

Zitat von R.A.
Offenbar hat dieser OB seine ganze Amtszeit hindurch betrogen und unterschlagen und sich auf vielfältige Weise auf Kosten der Allgemeinheit bereichert.

Ich habe den Artikel jetzt noch einmal gelesen.

Für den Vorwurf des Betrugs und der Unterschlagung gibt es keinen einzigen Beleg. Erstens handelt es sich mit einer Ausnahme um unbewiesene Behauptungen. Zweitens wird Beutel auch als Behauptung nicht Betrug und Unterschlagung vorgeworfen.

Er hat sich, wenn die Vorwürfe stimmen, so verhalten wie unzählige Politiker: Man läßt sich einladen. Oder man nutzt eine Dienstreise auch, um ein wenig Urlaub zu machen.



Ich will Ihnen, lieber R.A., einmal ein Beispiel aus der Wissenschaft geben:

Kongreßreisen bezahlt man in der Regel nicht selbst. Sie werden meist in Form einer Mischfinanzierung aus Uni-Mitteln und aus Drittmitteln bezahlt; man kann auch Zuschüsse zB bei der DFG beantragen.

Das geht auch gar nicht anders; denn wer viel auf Kongressen ist, müßte sonst einen erheblichen Teil seines Einkommens für diese Reisen verwenden.

Oft reisen die Eheparnter mit. Das ist so selbstverständlich, daß es zum Beispiel bei jedem großen Kongreß ein Programm für die Partner gibt; mit Ausflügen und dergleichen, während die Wissenschaftler arbeiten.

Natürlich müssen die Partner ihre Kosten selbst tragen und tun das auch. Aber sie reisen doch deshalb mit, weil beide gemeinsam "am Rande des Kongresses" allerlei unternehmen. Kongreß und Urlaub sind da gar nicht zu trennen.



In einem solchen Fall hat bei Beutel ein Gericht im Nachhinein den dienstlichen Anlaß verneint. Es hat halt so entschieden; es hätte vermutlich auch anders entscheiden können. Da gibt es immer Zweifelsfälle.

Wenn man einem Politiker an den Kragen will, dann sammelt man solche Dinge und steckt sie der Presse. Das ist offenbar Beutel wiederfahren.

Herzlich, Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

01.11.2011 15:00
#4 RE: Zitat des Tages: Das Vergehen des OB Antworten

Zitat von Zettel
Aber lieber R.A., der Mann ist doch nicht über alle Berge geflohen. Er wohnte in dem Hotel.


Das hilft dem Barkeeper erst einmal gar nichts.
Vielleicht ist der Gast so anständig, den Konsum am nächsten Tag einzuräumen und zu bezahlen - vielleicht aber auch nicht. Rein technisch hat Beutel die Zeche geprellt, wenn er einfach so gegangen ist.

Natürlich kann es harmlose Begründungen dafür geben, z. B. schlichte Vergeßlichkeit. Aber offenbar hat er es ja regelmäßig so gehalten, es war eben kein Einzelfall, und deswegen ist unwahrscheinlich, daß er bezahlen wollte und es nur vergessen hat. Er ist ja auch nicht über diesen einen Anlaß gestolpert, sondern über eine ganze Fülle von Affären.

Zitat
Haben Sie schon mal von einem Zechpreller gehört, der in dem Hotel, in dem er die Zeche geprellt hat, am nächsten Morgen fröhlich zum Frühstück erscheint?


Beutel war offenbar daran gewöhnt, daß andere Leute für ihn die Zeche zahlen. Das macht die Sache nicht besser - ganz im Gegenteil.

Zitat
Für den Vorwurf des Betrugs und der Unterschlagung gibt es keinen einzigen Beleg.


Jein. Wenn Beutel sein Haus billig auf dem Grundstück einer Gesellschaft baut, die er als Aufsichtsratschef kontrolliert, dann berichtet die SZ m. E. über Fakten. Und das wäre im Prinzip eine Unterschlagung ihm anvertrauter Vermögenswerte. Die genau strafrechtliche Bewertung ist dabei schwierig, weil man die Interna des Aufsichtsrats nicht kennt. Im Zweifelsfall ist das aber ebenso strafbar wie die Tegernsee-Urlaube, hat halt keiner geklagt. Bei der Capri-Reise dagegen hat wohl einer ein Verfahren eröffnet, und prompt ist er ja auch schuldig gesprochen worden.

Zitat
Er hat sich, wenn die Vorwürfe stimmen, so verhalten wie unzählige Politiker: Man läßt sich einladen.


In der Tat, viele Politiker sind ähnlich korrupt wie Beutel. Aber es sind nicht "unzählige", der Normalfall ist das Gott sei Dank nicht.

Bei solchen Einladungen kommt es eben auf die Verhältnismäßigkeit an. Wenn ich als AR-Mitglied ein Gespräch mit dem Firmenvorstand führe, dann kann es gut sein, daß es dabei etwas zu essen gibt. Durchaus was Leckeres. Und das zahlt dann die Firma. Und einmal im Jahr zahlt die Firma auch noch eine Weihnachtsfeier für den ganzen AR.

Aber das ist dann schon ziemlich die Grenze - darüber hinaus gehende Einladungen z. B. in die Oper oder gar zu einer Urlaubsreise wären nach Gesetz und Rechtsprechung als Bestechung zu werten.

Zitat
Oder man nutzt eine Dienstreise auch, um ein wenig Urlaub zu machen.


Das kann ja (in Maßen) ok sein. So wie es das bei dem von Ihnen beschriebenen Kongreß-Beispiel ist.
Aber dann muß es auch wirklich eine Dienstreise sein. D.h. es muß völlig klar sein, daß eine Reise an diesen Ort nötig ist. Was bei einem Kongreß selbstverständlich ist.

Zitat
In einem solchen Fall hat bei Beutel ein Gericht im Nachhinein den dienstlichen Anlaß verneint. Es hat halt so entschieden; es hätte vermutlich auch anders entscheiden können.


Der konkrete Fall hätte kaum anders entschieden werden können.
Ich kenne die entsprechende Firma indirekt etwas, das ist sozusagen unser Nachbarunternehmen. Selbstverständlich gab es nicht den mindesten dienstlichen Anlaß für eine Capri-Fahrt. Es gibt auf ganz Capri nichts, was für den Geschäftsbetrieb der Überlandwerke Groß-Gerau relevant wäre. Bei dieser Urlaubsfahrt ging es nur um Korruption.

Zitat
Wenn man einem Politiker an den Kragen will, dann sammelt man solche Dinge und steckt sie der Presse.


Und in der Regel druckt die Presse das nicht (insbesondere eben bei linken Politikern) - und das ist das Problem. Erst die Mißwirtschaft bei der Mainzer Wohnbau hat wohl dazu geführt, daß das Thema überhaupt auf den Tisch kam - bei dreistelligen Millionenverlusten mußten die Kommunalpolitiker offenbar etwas gegen Beutel tun, um weiteren Schaden zu verhindern.

Wie schon gesagt: Ich gehe davon aus, daß die meisten deutschen Politiker nicht korrupt sind und nur im zulässigen Maße Einladungen oder Gastgeschenke o.ä. erhalten. Aber es gibt eben oft genug heftige Ausnahmen der Beutel-Kategorie (da habe ich leider einige Beispiele kennen gelernt), und gegen die müßte viel strenger vorgegangen werden.

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

01.11.2011 15:54
#5 RE: Zitat des Tages: Das Vergehen des OB Antworten

Über Reiseabrechnungen, die den Hauch einer Unkorrektheit haben, stolpert es sich leicht, wenn andere am Stuhl sägen.

So meine Meinung zu dieser Posse.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

01.11.2011 15:57
#6 RE: Zitat des Tages: Das Vergehen des OB Antworten

Zitat von Dagny
Über Reiseabrechnungen, die den Hauch einer Unkorrektheit haben, stolpert es sich leicht, wenn andere am Stuhl sägen.


"Hauch von Unkorrektheit" paßt nicht so sehr für eine Capri-Sause für 50.000 €.

Und gesägt haben die Genossen offenbar erst an seinem Stuhl, als er die städtische Wohnbau an die Wand gefahren hatte.

RichardT Offline




Beiträge: 287

01.11.2011 17:35
#7 RE: Zitat des Tages: Das Vergehen des OB Antworten

ich habe den Artikel nicht gelesen, was ein einzelner Politiker macht ist mir jetzt auch nicht so wichtig.
Meine zugegebenermaßen nur auf mein Umfeld beschränkt zeigen, daß Deutschland inzwischen ziemlich korrupt ist bzw. Vetternwirtschaft gang und gäbe ist.
Angefangen beim Klinikpförtner der bestimmte Taxiunternehmen gegen Bakschisch ruft bis hin zur Forstverwaltung die handverlesene Gäste zu Jagden "einlädt".
Eine Zufallsbekanntschaft erzählte mir mal ihr Schwiegersohn sei Jäger. Auf meine Frage ob er ein eigenes Revier hat gabs die schöne Antwort: Er ist hoher Beamter, da wird er so oft eingeladen, daß er ein eigenes Revier gar nicht braucht!

was mich dabei erschreckt ist das fehlende Unrechtsbewusstsein und das Desinteresse die Kleinkorruption abzustellen. Klar gesagt weiß die Klinikverwaltung von den verkauften Fahrten, es interessiert halt keinen.

wflamme Offline



Beiträge: 187

01.11.2011 19:47
#8 RE: Zitat des Tages: Das Vergehen des OB Antworten

Ich will auch nicht ausschließen, daß es sich hier um einen 'geordneten Rückzug' handelt. Noch weiß man nicht, was in der Wohnbau-Affaire noch alles hochgespült werden wird und da ist's vielleicht ganz gut für die SPD, wenn ihr OB bereits keiner mehr ist.

Grüße,

Wolfgang Flamme

 Sprung  



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